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Kopfschmerztag 2021: Auswirkungen des Corona-Lockdowns auf Patientinnen und Patienten mit primären Kopfschmerzen

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Eine in Deutschland durchgeführte Studie [1] untersuchte, welche
Auswirkungen der Lockdown auf Patientinnen und Patienten mit primären
Kopfschmerzerkrankungen hatte. Es wurden die Einträge der
Studienteilnehmenden in ein digitales Kopfschmerztagebuch analysiert. Zwar
gaben viele eine anfängliche Stressreduktion durch den Lockdown an, aber
es gab keine langfristigen positiven Auswirkungen auf die primären
Kopfschmerzerkrankungen. Eine ähnliche Erhebung [2], die in Italien an
Patientinnen/Patienten mit Migräne durchgeführt worden war, ergab, dass
womöglich die Stressreduktion durch die Arbeit im Homeoffice positive
Effekte hatte.

Am 5. September ist Kopfschmerztag. Ziel des Aktionstags ist, auf die
häufig unterschätzten Kopfschmerzerkrankungen und das Leiden der
Betroffenen hinzuweisen. Aktuell untersuchten zwei Erhebungen, wie es
Kopfschmerzpatientinnen und -patienten im Lockdown ergangen ist.

Eine Studie [1] analysierte die Daten von deutschen Patientinnen und
Patienten mit primären Kopfschmerzerkrankungen, die ein digitales
Kopfschmerztagebuch mit der App „M-sense“ führten und die in den 28 Tagen
vor dem Lockdown sowie in den ersten 28 Tag des Lockdowns regelmäßig ihre
Daten eingepflegt hatten. Insgesamt konnten die Daten von 2.325 App-
Nutzerinnen und -Nutzern ausgewertet werden. Analysiert wurden mögliche
Veränderungen im Hinblick auf die monatlichen Kopfschmerztage, die
monatlichen Migränetage, der akuten Bedarfsmedikation und der
Schmerzintensität. Außerdem wurde erfasst, ob sich Schlafdauer,
Schlafqualität, Lebensenergie, Gemütszustand, Stress- und Aktivitätslevel
im Lockdown verändert hatten.

Im Ergebnis zeigte sich, dass es keinen signifikanten Unterschied im
Hinblick auf die Kopfschmerztage gab (7,01 ± 5,64 vor dem Lockdown vs.
6,89 ± 5,47 währenddessen, p>0,999). Auch in Bezug auf die monatlichen
Migränetage und die Schmerzintensität konnte kein Unterschied festgestellt
werden. Allerdings hatte sich die Anzahl der Tage, an denen die
Betroffenen eine Akuttherapie benötigten, signifikant reduziert – von 4,50
± 3,88 auf 4,27 ± 3,81 (p < 0.001). Auch berichteten die App-User einen
geringeren Stress- und Aktivitätslevel sowie längere Schlafzeiten, bessere
Laune und mehr Energie. „Demnach war der Lockdown in einem gewissen Umfang
positiv für Menschen mit Kopfschmerzerkrankungen. Es ist bekannt, dass es
einen Zusammenhang zwischen hoher Arbeitsbelastung, mangelnder Erholung
und Kopfschmerzen gibt, und offensichtlich führte der Lockdown dazu, dass
die Betroffenen etwas ‚herunterfahren‘ konnten. Viele Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmer waren in Kurzarbeit und bei den anderen fielen die
Wegezeiten zur Arbeit weg, was zu mehr Freizeit führte, außerdem dauerte
es oft mehrere Tage oder gar Wochen, bis eine funktionierende Homeoffice-
Infrastruktur etabliert war und sie in gewohnter Weise weiterarbeiten
konnten“, erklärt Prof. Peter Berlit, Generalsekretär der DGN.

Allerdings war der positive Effekt nicht nachhaltig: In einer
weiterführenden Analyse der Daten von 439 der Nutzerinnen und Nutzer
wurden die monatlichen Kopfschmerztage, die monatlichen Migränetage, die
akute Bedarfsmedikation und die Schmerzintensität dann erneut nach drei
Monaten erhoben und mit den Ausgangswerten von vor dem Lockdown
verglichen. Es zeigte sich, dass es nun keinerlei Unterschiede mehr gab,
auch nicht in Bezug auf die Akutmedikation. Die Autorinnen und Autoren
schlussfolgern, dass die anfängliche Stressreduktion durch den Lockdown
keine langfristigen Auswirkungen auf die primären Kopfschmerzerkrankungen
hatte. „Womöglich brachte der Lockdown neue Stressoren mit sich, durch das
Homeschooling, die soziale Isolation oder auch durch Zukunftsängste und
finanzielle Sorgen“, erklärt Prof. Berlit weiter.

Eine ähnliche Erhebung [2] war in Italien an Migränepatientinnen und
-patienten mittels eines E-Mail-Fragebogens durchgeführt worden. 92
Betroffene nahmen an der Umfrage teil. Die Attackenhäufigkeit war bei
40,2% der Befragten während des Lockdowns konstant geblieben, bei 33,7%
hatte sie sich erhöht, bei 26,1% reduziert. Die Dauer der Attacken war bei
55,4% gleichgeblieben, bei 23,9% war sie länger geworden, bei 20,7% hatte
sie sich verkürzt. Der Migräneschmerz war bei 65,2% gleich oder
vermindert, bei 34,8% hatte die Schmerzintensität zugenommen. Die
Wirksamkeit der Migränemedikamente gaben 73,9% der Befragten mit gleich
gut an, 17,4% nahmen sie als vermindert wahr, 8,7% als verbessert.
Zusammenfassend hatte der Lockdown in dieser Erhebung bei ca. der Hälfte
der Patientinnen und Patienten keinerlei Auswirkungen, bei einem Viertel
führte er zu Verbesserungen, bei einem anderen Viertel zu
Verschlechterungen.

Was aber besonders interessant war: Die Arbeitsgruppe analysierte auch
Faktoren, die auf die Migräne Einfluss nehmen: Interessant war das
Ergebnis, dass die Patientinnen/Patienten, die im Homeoffice arbeiteten,
weniger Medikamente benötigten, eine geringere Schmerzintensität hatten
sowie eine kürzere Attackendauer. Die Autorinnen und Autoren
schlussfolgern, dass das Arbeiten im Homeoffice ein möglicher Weg sein
könnte, um die Lebensqualität von Menschen mit Migräne zu verbessern.
„Diese Hypothese ist nicht abwegig, denn wir wissen, dass bestimmte
Trigger, wie beispielsweise Stress oder Lärm, Migräne-Attacken auslösen.
Im Großraumbüro kann man sich dem weniger gut entziehen als im Homeoffice.
Auch hat man zuhause immer einen Rückzugsraum und kann sich ‚rausnehmen‘,
wenn eine Attacke beginnt, was die Intensität und Länge der Schmerzen
günstig beeinflussen kann“, erklärt DGN-Pressesprecher Prof. Dr. Hans-
Christoph Diener. „Arbeiten im Homeoffice kann also für Patientinnen und
Patienten mit Migräne durchaus sinnvoll sein.“ Weitere Tipps, wie
Betroffene mit der Migräne umgehen können, welche attackenauslösenden
Faktoren es gibt und wie die Erkrankung durch medikamentöse und
nichtmedikamentöse Therapien behandelt werden kann, finden sich im
„Migräne-Therapiekompass“ von Prof. Diener [3].

Literatur
[1] Raffaelli, B., Mecklenburg, J., Scholler, S. et al. Primary headaches
during the COVID-19 lockdown in Germany: analysis of data from 2325
patients using an electronic headache diary. J Headache Pain 22, 59
(2021).
https://thejournalofheadacheandpain.biomedcentral.com/articles/10.1186/s10194-021-01273-z

[2] Currò, C.T., Ciacciarelli, A., Vitale, C. et al. Chronic migraine in
the first COVID-19 lockdown: the impact of sleep, remote working, and
other life/psychological changes. Neurol Sci (2021).
https://link.springer.com/article/10.1007/s10072-021-05521-7

[3] Diener C. Der Migräne-Therapiekompass. Migräneattacken vorbeugen:
Welche Medikamente und andere Therapien wirklich helfen. Trias Verlag.
ISBN: 9783432114484