Kiel Trade Indicator 08/2021: Handel mit Asien gerät stärker ins Stocken
Kiel Trade Indicator, Datenupdate 20.8.2021: Die Engpässe im Seehandel mit
China spitzen sich zu. Aufgrund geschlossener Häfen und Terminals sowie
langer Wartezeiten vor den verbliebenen Abfertigungskapazitäten liegt das
Frachtvolumen im Roten Meer – der wichtigsten See-Handelsroute zwischen
China und Europa – aktuell 20 Prozent niedriger, als unter normalen
Umständen zu erwarten wäre. Chinas Exporte dürften im August sinken, für
die deutschen und europäischen Importe zeichnet sich eine
Seitwärtsbewegung ab. Der Handel mit den USA bleibt intakt.
Insbesondere für Chinas Exporte zeigt der Kiel Trade Indicator für August
mit einem Rückgang um 6 Prozent im Vergleich zum Vormonat (nominal,
saisonbereinigt) eine negative Dynamik an. Ursache sind die neuerlichen
Containerstaus. Der Indikatorwert für die Importe liegt bei +2,2 Prozent,
aufgrund der hohen Volatilität in Chinas Handelszahlen deutet dies auf
eine Stagnation hin.
„Der Seehandel kommt nicht zur Ruhe. Zeigten sich in den letzten Wochen
zarte Anzeichen einer Entspannung, verschärft die Terminalschließung in
Ningbo die Engpässe im Containerverkehr nun wieder. Findet der Warenhandel
mit China nicht schnell zurück zu normalen Abläufen, droht sich die Krise
auch im Weihnachtsgeschäft mit fehlenden Produkten und höheren Preisen
bemerkbar zu machen“, sagt Vincent Stamer, Leiter Kiel Trade Indicator.
Insbesondere die Mega-Häfen Ningbo und Shanghai verließen in den
vergangenen vier Wochen deutlich weniger Schiffe als in den vier Wochen
davor. Allerdings war der Vergleichszeitraum besonders stark. Auch wegen
der Schließung des Hafens Yantian liegt das Frachtvolumen im Roten Meer –
der wichtigsten See-Handelsroute zwischen China und Europa – aktuell 20
Prozent niedriger, als unter normalen Umständen zu erwarten wäre.
Der gesamte Welthandel dürfte im August auf dem Niveau des Vormonats
liegen (+0,4 Prozent).
Für Deutschland signalisiert der Kiel Trade Indicator ein Plus bei den
Exporten von 1,6 Prozent, die Importe dürften mit einem Indikatorwert von
+0,1 Prozent praktisch stagnieren (nominal, saisonbereinigt).
Für die EU ist sowohl bei den Einfuhren als auch den Ausfuhren mit einer
schwarzen Null zu rechnen (Exporte +0,9 Prozent; Importe +0,6 Prozent).
„Die Importe Deutschlands und Nordeuropas bleiben in diesem Monat noch von
den neuerlichen Staus in der Containerschifffahrt verschont, die eher
verhaltenen Seitwärtsbewegungen der Indikatorwerte lassen für die Zukunft
aber eine hohe Unsicherheit befürchten“, so Stamer.
Für den Handel der USA weist der Kiel Trade Indicator trotz
Schifffahrtskrise in beide Richtungen positive Vorzeichen aus (Exporte +
2,7 Prozent; Importe +2,8 Prozent).
Methodischer Hinweis: Der Kiel Trade Indicator misst, wie viele Güter
einen Hafen tatsächlich verlassen. Behörden wie etwa der chinesische Zoll
erfassen dagegen, wie viele Güter einen zollfreien Hafen erreichen. Es
kann daher zu deutlichen Diskrepanzen zwischen den Werten des Kiel Trade
Indicator und offiziellen Statistiken kommen.
Weitere Informationen zum Kiel Trade Indicator und einzelne Prognosen für
alle 75 Länder finden Sie auf www.ifw-kiel.de/tradeindicator
Die nächsten Aktualisierungen des Kiel Trade Indicator erfolgen am 6.
September (ohne Pressemeldung) und am 21. September (mit Pressemeldung).
Über den Kiel Trade Indicator
Der Kiel Trade Indicator schätzt die Handelsflüsse (Im- und Exporte) für
75 Länder weltweit, die EU sowie des Welthandels insgesamt. Grundlage ist
die Auswertung von Schiffsbewegungsdaten in Echtzeit. Ein am IfW Kiel
programmierter Algorithmus wertet diese unter Zuhilfenahme von künstlicher
Intelligenz aus und übersetzt die Schiffsbewegungen in nominale,
saisonbereinigte Wachstumswerte gegenüber dem Vormonat.
Die Auswertung erfolgt zweimal im Monat. Um den 20. (mit Pressemeldung)
für den laufenden und den folgenden Monat und um den 3. (ohne
Pressemeldung) für den vergangenen und den laufenden Monat.
An- und ablegende Schiffe werden dabei für 500 Häfen weltweit erfasst.
Zusätzlich werden Schiffsbewegungen in 100 Seeregionen analysiert und die
effektive Auslastung der Containerschiffe anhand des Tiefgangs gemessen.
Mittels Länder-Hafen-Korrelationen können Prognosen erstellt werden, auch
für Länder ohne eigenen Tiefseehafen.
Der Kiel Trade Indicator ist im Vergleich zu den bisherigen
Frühindikatoren für den Handel deutlich früher verfügbar, deutlich
umfassender, stützt sich mit Hilfe von Big Data auf eine bislang
einzigartig große Datenbasis und weist einen im Vergleich geringen
statistischen Fehler aus. Der Algorithmus des Kiel Trade Indikators lernt
mit zunehmender Datenverfügbarkeit dazu (machine learning), so dass sich
die Prognosegüte im Lauf der Zeit weiter erhöht.