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Weitere genetische Ursachen gefunden: 73. Urologen-Kongress diskutiert unerfüllten Kinderwunsch beim Mann

DGU-Präsident Prof. Dr. Dr. h.c. Arnulf Stenzl. Der Ärztliche Direktor der Klinik für Urologie, Tübingen, leitet die weltweit drittgrößte urologische Fachtagung in Stuttgart.  Bertram Solcher  DGU
DGU-Präsident Prof. Dr. Dr. h.c. Arnulf Stenzl. Der Ärztliche Direktor der Klinik für Urologie, Tübingen, leitet die weltweit drittgrößte urologische Fachtagung in Stuttgart. Bertram Solcher DGU
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DGU-Präsident Prof. Dr. Dr. h.c. Arnulf Stenzl. Der Ärztliche Direktor der Klinik für Urologie, Tübingen, leitet die weltweit drittgrößte urologische Fachtagung in Stuttgart.  Bertram Solcher  DGU
DGU-Präsident Prof. Dr. Dr. h.c. Arnulf Stenzl. Der Ärztliche Direktor der Klinik für Urologie, Tübingen, leitet die weltweit drittgrößte urologische Fachtagung in Stuttgart. Bertram Solcher DGU

Ein Kind zeugen, Vater werden: Nicht immer geht der Kinderwunsch des
Mannes in Erfüllung. Diagnostik und Therapie der männlichen
Unfruchtbarkeit stellen eine große Herausforderung für andrologisch
ausgebildete Urologen dar. Neue Erkenntnisse bei der Suche nach
genetischen Ursachen für die männliche Infertilität diskutiert die
Deutsche Gesellschaft für Urologie e.V. (DGU) auf ihrer 73. Jahrestagung
im kommenden Herbst im Internationalen Congresscenter Stuttgart.

„Wenn aktuelle Forschungsergebnisse im klinischen Alltag Relevanz bekommen
und neue individualisierte Therapieansätze ermöglichen, dann sind das sehr
gute Nachrichten für die behandelnden Urologinnen und Urologen und ihre
Kinderwunschpatienten“, sagt DGU-Präsident Prof. Dr. Dr. h.c. Arnulf
Stenzl. Der Ärztliche Direktor der Klinik für Urologie, Tübingen, leitet
die weltweit drittgrößte urologische Fachtagung vom 15. bis 18. September
2021 in Stuttgart.

„Da die Ursachen für einen unerfüllten Kinderwunsch zu gleichen Teilen
beim Mann oder bei der Frau oder bei beiden liegen, ist es wichtig, beiden
Partnern eine optimale Behandlungsoption anzubieten und aufseiten des
Mannes mit einer verbesserten Diagnostik, Beratung und Behandlung durch
den andrologisch versierten Urologen die große Behandlungslast von den
Frauen zu nehmen“, erklärt Urologin Prof. Dr. Sabine Kliesch, Chefärztin
der Abteilung für Klinische und Operative Andrologie am Centrum für
Reproduktionsmedizin und Andrologie (CeRA) am Universitätsklinikum Münster
und Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Andrologie e.V. (DGA).
Entscheidend dafür sei die Erforschung von genetischen Ursachen der
männlichen Infertilität, denn bei 70 Prozent der Patienten mit schweren
Fertilitätsstörungen sei keine offensichtliche Ursache erkennbar.

Einen Durchbruch brachte der sogenannte männliche Fertilitäts-Gen-Atlas
(Male Fertility Gene Atlas), der von der klinischen Forschungsgruppe Male
Germ Cells am Institut für Reproduktionsgenetik am Universitätsklinikum
Münster und dem CeRA entwickelt wurde und von der Deutschen
Forschungsgemeinschaft gefördert wird. „Mithilfe dieser Datenbank, die
2017 an den Start ging und die einen schnellen, einfachen Zugang zu
Studien und genetischen Befunden zu männlicher Infertilität und Keimzellen
bereitstellt, konnten in den letzten drei Jahren weitere Gene entdeckt
werden, die für das Fehlen von Spermien im Ejakulat, der Azoospermie,
verantwortlich sind“, sagt Prof. Kliesch. Ein Großteil der gefundenen Gene
sei bereits in die Klinik überführt und Patienten könnten routinemäßig
getestet werden.

Nach einer Erhebung des CeRA konnte der Anteil der Patienten, bei denen
genetische Ursachen für eine Azoospermie gefunden werden von 20 auf 25
Prozent gesteigert werden. „Das Ergebnis der genetischen Untersuchung kann
dann darüber entscheiden, ob eine TESE, also eine Spermienextraktion aus
dem Hodengewebe, angezeigt ist, um Samenzellen für eine künstliche
Befruchtung zu gewinnen, oder ob es keine Aussicht auf einen
Behandlungserfolg gibt. In diesen Fällen können wir durch die verbesserte
Diagnostik unnötige Operationen vermeiden“, so die Urologin und
Vorsitzende des DGU Arbeitskreises Andrologie.

Außerdem können neuerdings Kinderwunschpatienten identifiziert werden,
deren vermeintlich gesunde Samenzellen aufgrund eines kleinen genetischen
Bauplanfehlers im Ionenkanal in der Zellmembran auf natürlichem Weg nicht
fähig sind, eine Eizelle zu befruchten. „Diesen Paaren können wir eine
lange Odyssee ersparen, denn wir wissen, dass bei diesem Defekt eine
künstliche Befruchtung nur Erfolg haben wird, wenn im Rahmen einer
intracytoplasmatischen Spermieninjektion, der ICSI, ein Spermium direkt in
die Eizelle injiziert wird“, erläutert Prof. Dr. Sabine Kliesch.

Entdeckt wurden zudem Genveränderungen, die bei Patienten mit relativ
normalen Spermien und normalem Hormonprofil eine ausreichende Produktion
des follikelstimulierenden Hormons (FSH) und damit die Reifung der
Keimzellen verhindern. „In diesen Fällen könnte eine Hormontherapie im
besten Fall eine natürliche Befruchtung ermöglichen, was in einem nächsten
Schritt in sehr komplexen und teuren klinischen Studien weiter untersucht
werden muss“, sagt DGA-Präsidentin Kliesch, die dem Andrologie-Forum auf
dem 73. DGU Kongress im September 2021 in Stuttgart vorsitzen wird.