23. Heidelberger Ernährungsforum. Weder Fisch noch Fleisch? Proteine im Fokus der Wissenschaft


Haben Proteine ihr positives Image zu Recht? Ist pflanzliches Eiweiß
gesünder als tierisches? Wie viel Protein brauchen wir? Welche
eiweißhaltigen Lebensmittel essen wir morgen und wie sichern wir die
Versorgung einer wachsenden Weltbevölkerung? Auf diese und zahlreiche
weitere Fragen haben die Referenten beim Heidelberger Ernährungsforum am
15. und 16. November aktuelle Antworten gegeben. Deutlich wurde aber auch,
dass noch viel geforscht und zudem die Ernährungsbildung intensiviert
werden muss, um das Wissen über diesen Makronährstoff auf breiter Ebene zu
verbessern.
„Unser Ziel ist es, die multidimensionale Sichtweise auf das Thema
Ernährung zu verstärken und sämtliche Disziplinen anzusprechen, die sich
mit der Ernährung beschäftigen. Zwar bildet der naturwissenschaftliche
Teil den Schwerpunkt, aber wir wollen auch soziale, kulturelle,
historische und ethische Aspekte beleuchten“, betonte die
Geschäftsführerin der Dr. Rainer Wild-Stiftung für gesunde Ernährung, Dr.
Silke Lichtenstein, bei der Begrüßung der Gäste.
Dieses Konzept der Stiftung bewährte sich erneut: Bereits Wochen vor der
Veranstaltung war das Ernährungsforum zum Thema „Proteine – Zwischen
Mangel und Überfluss“ ausgebucht. Die knapp 200 Teilnehmer erhielten nicht
nur eine Fülle neuer Informationen, sondern erlebten auch lebendige,
teilweise kontroverse Diskussionen. Einig war man sich darin, dass noch
viele Wissenslücken zu schließen sind und die erfolgreiche Bewältigung
aktueller Herausforderungen im Schulterschluss der verschiedenen
Disziplinen liegt.
Für jede Zelle unentbehrlich
Als Einstieg ins Thema präsentierte Dr. Margrit Richter, Deutsche
Gesellschaft für Ernährung e. V. /Bonn (DGE), den Teilnehmern die
vielfältigen Funktionen der Proteine für Stoffwechsel, Strukturbildung und
Funktionalität der Organe. Da Eiweiß für jede Zelle unentbehrlich ist und
mit der Nahrung zugeführt werden muss, genießt es in der Bevölkerung ein
gutes, wenn nicht sogar das beste Image unter den Makronährstoffen.
Insofern ging Richter rasch über zum Tagungsthema „Mangel oder Überfluss“
und zur Frage, wie die Proteinversorgung in Deutschland aktuell zu
bewerten ist.
Laut Nationaler Verzehrsstudie II (NVS) nimmt jeder Deutsche im Schnitt 75
Gramm Eiweiß pro Tag zu sich. Damit ist die Proteinzufuhr Studien der DGE
zufolge bei einem Großteil der Bevölkerung bedarfsdeckend. Die empfohlene
tägliche Aufnahmemenge von 0,8 Gramm pro Kilogramm Körpergewicht (g/kg KG)
wird nach Richters Einschätzung nur bei einzelnen Gruppen – wie jüngeren
Frauen, die insgesamt zu wenig Energie zuführen – nicht immer erreicht.
Unbekannte Obergrenzen
Einen signifikant erhöhten Proteinbedarf haben laut Richter beispielsweise
Kinder, Schwangere, Stillende, ältere Menschen und Leistungssportler.
Insbesondere bei diesen Bevölkerungsgruppen, aber ebenso bei Patienten mit
einem Eiweißmangel, sei nicht nur die zugeführte Menge entscheidend.
Wichtig sei auch eine gute Qualität der Proteine mit einem hohen Anteil an
unentbehrlichen Aminosäuren.
Auf die Frage, wo die obere Grenze der tolerierbaren Zufuhrmenge liegt,
kann – so Richter – bisher keine befriedigende Antwort gegeben werden, da
entsprechende Datengrundlagen fehlen. Aus dem Kreis der Teilnehmer kam
hierzu die Anmerkung, es gebe durchaus Hinweise, dass eine zu hohe
Proteinzufuhr negative Effekte auf Tumor- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen
habe.
Während die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheut (EFSA) eine
tägliche Zufuhr von bis zu 1,6 g/kg KG als sicher einstuft, nennen die
nordischen Länder 2 g/kg KG als Schwelle. Die World Health Organization
(WHO) hingegen geht davon aus, dass auch die drei- bis vierfache Zufuhr
des Referenzwertes von 0,8 g/kg KG unkritisch ist.
Prävention ist die Zukunft
Welche fatalen Folgen ein Proteinmangel für die Funktionsfähigkeit der
Organe und die Mobilität alter Menschen haben kann, zeigte Professor Dr.
Jürgen Bauer, Universität Heidelberg, eindrücklich auf. Zwar hänge starker
Muskelschwund, die Sarkopenie, im Alter von vielen Faktoren ab, wesentlich
für die Vermeidung von Funktionsverlusten und Frakturen seien jedoch
Bewegung und Ernährung: „Alles hängt mit allem zusammen: Knochen – Muskeln
– kognitive Leistung“. Auch wenn laut Bauer an erster Stelle steht, die
Beweglichkeit der Patienten zu erhalten, sei eine proteinreiche Kost für
deren Gesundheitszustand ebenfalls sehr wichtig.
Seine Empfehlung lautet, die Proteinzufuhr bei alten Menschen prinzipiell
auf 1-1,2 g/kg KG zu erhöhen. Tendenziell zeige die Aufnahme tierischer
Proteine und leucinreicher Produkte bessere Effekte. Es komme aber vor
allem darauf an, den Hochbetagten mit jeder Mahlzeit Proteine zuzuführen.
Sein Fazit: „Die Zukunft der Altersmedizin ist die Prävention“.
Ernährungstherapie wirkt
Eiweißreiche Kostformen können auch im klinischen Alltag angezeigt sein,
um Patienten vor einem Proteinmangel zu bewahren beziehungsweise um einen
Verlust auszugleichen. Sowohl Maryam Basrai, Universität Hohenheim, als
auch Anne Hendricks, Universitätsklinikum Heidelberg, nannten zahlreiche
Diagnosen, bei denen der Proteinbedarf deutlich erhöht ist. So sollte
ihren Ausführungen zufolge die tägliche Eiweißzufuhr bei Patienten mit
Tumorerkrankungen, nach Operationen, in der Intensivmedizin und bei Leber-
oder Nierenerkrankungen – je nach persönlicher Konstitution – bei 1,2-1,5
g/kg KG liegen. In einigen Fällen sind laut Basrai sogar 2 g/kg KG
sinnvoll. Die Erfolge eiweißdefinierter Kostformen in der Klinik belegen:
Ernährungstherapie wirkt.
Proteinqualität: Tier versus Pflanze
Da immer mehr Menschen – meist aus ethischen oder ökologischen Gründen –
eine vegetarische oder vegane Ernährungsweise bevorzugen, stand in
Heidelberg auch ein Vergleich der Proteinqualitäten auf dem Programm. Die
Frage war, ob der Eiweißbedarf bei rein pflanzlichen Kostformen problemlos
zu decken ist oder ob möglicherweise eine Mangelversorgung droht.
Professor Dr. Markus Keller, Fachhochschule des Mittelstands GmbH/Köln,
belegte anhand von Studienergebnissen, dass auch mit veganer Ernährung
eine gute Proteinversorgung erreicht werden kann – entsprechendes
Ernährungswissen vorausgesetzt. Keller führte aus, dass der
durchschnittliche Proteinbedarf bei veganer Ernährung zwar wegen der
schlechteren Verdaulichkeit pflanzlicher Lebensmittel leicht erhöht ist.
Doch reiche in der Regel eine tägliche Proteinzufuhr von 1 g/kg KG, um den
Bedarf trotz der etwas geringeren Aminosäuren-Verwertung zu decken.
Allerdings müssten Veganer öfter einzelne Mikronährstoffe – wie Kalzium –
supplementieren und immer sei eine zusätzliche Vitamin B12 Ergänzung
erforderlich.
Keller präsentierte eine vegane Lebensmittelpyramide, die nicht nur auf
Getreide, Kartoffeln und Hülsenfrüchte als Proteinquellen setzt, sondern
verstärkt auch auf Nüsse und Samen. Zudem sind Kalzium-angereicherte
Milchalternativen sowie Produkte aus Soja und Algen als Eiweißlieferanten
in die Pyramide aufgenommen worden.
Nach Kellers Überzeugung sind pflanzliche Proteine zur Bedarfsdeckung oft
besser als gängige Fleisch- und Wurstwaren, sofern bei der Auswahl der
Lebensmittel auf eine gute Proteinqualität mit hohen – sich ergänzenden –
Anteilen unentbehrlicher Aminosäuren geachtet wird.
Eiweißquellen: Wer gewinnt, wer verliert, was ist neu?
Tierische Produkte sind traditionell als hochwertige Eiweißlieferanten von
Bedeutung, doch angesichts der Herausforderung, nachhaltig und
ressourcenschonend zu wirtschaften, rücken pflanzliche Proteinquellen
immer stärker ins Blickfeld. Außerdem steigt in jüngster Zeit das
Interesse an neuartigen Rohstoffen für eiweißreiche Produkte – wie Lupinen
oder andere heimische Hülsenfrüchte, Algen und Insekten. Deshalb war die
Bewertung der unterschiedlichen Proteinquellen ein Schwerpunkt auf dem 23.
Ernährungsforum.
Professor Dr. Nina Langen, Technische Universität Berlin, machte den
Teilnehmern schnell deutlich, dass es keine einfache Antwort auf die Frage
nach der besten Proteinquelle gibt. Sie betonte, Ernährung sei zwar
rational, Essen jedoch emotional, und sie nannte eine Vielzahl von – oft
subjektiven – Faktoren, die bei einer Beurteilung eine Rolle spielten:
beispielsweise Präferenzen und Erfahrungen, Wertvorstellungen und
Leitbilder, ökonomische und ökologische Faktoren.
Gesunder Lebensstil und verantwortungsvolle Nachfrage
Wie schwierig eine Bewertung der Proteinquellen ist, betonte auch
Professor Dr. Andreas Pfeiffer, Deutsches Institut für
Ernährungsforschung/Potsdam. So führte er die Ergebnisse epidemiologischer
Studien, dass Vegetarier eine höhere Lebenserwartung hätten als Omnivoren,
nicht auf die Qualität der Eiweißquellen zurück. Nach seiner Einschätzung
liegt die Ursache vielmehr in einem anderen – insgesamt gesünderen –
Lebensstil. Pfeiffer konnte in seinen Untersuchungen keine signifikanten
Unterschiede zwischen der Ernährung mit pflanzlichen oder mit tierischen
Proteinen ermitteln. Unter ökologischen und ökonomischen Gesichtspunkten
betrachtet er jedoch die überwiegende Zufuhr pflanzlicher Proteine für
Erwachsene als sinnvoll.
Dr. Karin Bergmann, Food Relations/Puchheim, brach eine Lanze für die
Eiweißquellen Milch und Milchprodukte, die zurzeit wegen der
Massentierhaltung und der Auswirkungen auf die Umwelt häufiger in der
Kritik stehen. Nach ihrer Überzeugung sind entsprechende politische
Maßnahmen notwendig, um die Tierhaltung unter ökologischen Gesichtspunkten
zu verbessern und dazu ökonomisch nachhaltiger zu gestalten. Doch sei ein
Verzicht auf hochwertige Milchprodukte keine sinnvolle Lösung. Vielmehr
biete sich eine flexitarische Ernährung an. Ihr Plädoyer: Auch Haushalte
mit Niedrigeinkommen sollten Zugang zu guten Produkten haben. Und die
Nachfrage der Konsumenten müsse eine verantwortungsvolle sein.
Innovative Technologien für neuartige Ressourcen
Christian Zacherl, Fraunhofer Institut für Verfahrenstechnik und
Verpackung/Freising, setzt die unterschiedlichsten pflanzlichen Rohstoffe
ein, um eiweißangereicherte Produkte zu entwickeln. Er zeigte den
Teilnehmern auf, mit welchen Methoden er aus Proteinlieferanten, wie dem
Pseudogetreide Quinoa oder Hülsenfrüchten wie Lupinen, Produkte mit einer
hochwertigen Aminosäurezusammensetzung kreiert. Sie bilden die Basis für
Snacks, Cerealien, Streichfette oder Fleischersatzprodukte. Laut Zacherl
sind durch eine optimale Kombination der Rohstoffe Produktinnovationen
möglich, bei denen der Proteinanteil 70 Prozent der enthaltenen
Energiemenge beträgt.
Neue Technologien zur Erschließung pflanzenbasierter Eiweißquellen stellte
auch Dr. Volker Lammers, Deutsches Institut für Lebensmitteltechnik
e.V./Quakenbrück, beim Ernährungsforum vor. Der Schwerpunkt seiner Arbeit
liegt auf der Verarbeitung von Rohstoffen wie Getreide, Hülsenfrüchte und
Kartoffeln zu Fleischersatzprodukten. Aber auch Insekten und Algen als
Eiweißlieferanten verarbeitet Lammers, da ihre Mehle besser akzeptiert
werden als die Quellen an sich.
Diskussion über Sinnhaftigkeit
Nach den Präsentationen der technologischen Innovationen entwickelte sich
eine rege und kontroverse Diskussion. Dabei wurde deutlich, dass
beispielsweise der Einfluss dieser Verarbeitungsmethoden auf die
Strukturen der Proteine und ihre Wertigkeit wissenschaftlich noch nicht
geklärt ist. Hinterfragt wurde von manchen Teilnehmern auch die
grundsätzliche Notwendigkeit, Fleischersatzprodukte herzustellen.
Sinnhafter erschien es dem einen oder anderen, eigenständige neue
Erzeugnisse zu entwickeln.
Einigkeit herrschte hingegen bei der Erkenntnis, dass die Wissenschaft
zurzeit in vielen Punkten der Industrie hinterher hinkt und großer
Forschungsbedarf besteht, um die Qualität einer pflanzenbasierten
Ernährung – wie laut Empfehlungen wünschenswert – in Gänze beurteilen zu
können.
„Die Zeichen stehen auf Sturm“
Wie die aktuellen gesellschaftlichen Veränderungen unser Essverhalten und
unseren Konsum beeinflussen, erläuterte Professor Dr. Christine Brombach,
Züricher Hochschule für Angewandte Wissenschaften. Essen werde immer
komplexer, individueller – und zudem politisch diskutiert. Gefragt sei
heute das „moralisch anständige“ Essen.
Brombach ist überzeugt, dass in Zukunft nicht nur der Konsum tierischer
Proteine sinken und der Anteil pflanzlicher Proteine steigen wird.
Vielmehr seien wir gefordert, unsere Kompetenzen zum Thema Ernährung
grundsätzlich zu überdenken und neu zu gestalten. Das bedeute nicht nur
Verzicht, sondern auch Gewinn, wie etwa die Rückbesinnung auf Regionales
und einheimische Quellen, die Verbesserung von Verarbeitungsmethoden oder
die Optimierung der Logistik. Dabei gelte es, das kulturelle Erbe zu
bewahren: „Wir sollten die Regionalität nutzen, um das regionale
Wirtschaften zu stützen.“
Dass jetzt ein Umbruch notwendig ist, betonte Professor Dr. Gunther
Hirschfelder, Universität Regensburg. Historisch gesehen sei der Verzehr
von Fleisch zwar ein entscheidender evolutionärer Vorteil gewesen, doch
nun müsse die Politik Rahmenbedingungen schaffen, damit
Produktionsprozesse und Angebote nachhaltiger werden. Nach seiner
Überzeugung stehen „viele Zeichen der Zeit in der Welt auf Sturm“.
Verhaltensänderung betrifft alle
„Wir brauchen eine Kehrtwende“, lautete auch die Botschaft von Dr. Irmgard
Jordan, Universität Gießen. Angesichts einer wachsenden Weltbevölkerung
und der Tatsache, dass weltweit aktuell zwei Milliarden Menschen einen
Mangel an Mikronährstoffen aufweisen, der oft mit einem Energie- und
Proteinmangel verknüpft ist, müsse dringend gehandelt werden. Zwar ist
laut Jordan weltweit eigentlich genügend Protein verfügbar, aber es gebe
Verteilungsprobleme sowie zu viele Lagerungs- und Verarbeitungsverluste.
Eine Kulturwende hin zu mehr pflanzlichen Eiweißträgern, zur Nutzung neuer
Rohstoffquellen und zu optimierten, nachhaltigen Anbau- und
Verarbeitungsmethoden sei vonnöten. Jordans Fazit: Die Verhaltensänderung
betrifft alle.
„Planetary Health Diet“ als Lösungsansatz?
Über den Report der EAT-Lancet-Kommission, „Planetary Health Diet“ aus
Sicht des Beratungsalltags informierte Dr. Claudia Laupert-Deick, Praxis
für Ernährungstherapie und Beratung/Bonn. Die Kommission, der Experten
verschiedener Disziplinen aus 16 Ländern angehören, formuliert in ihrem
Bericht Ziele und Maßnahmen, die es ermöglichen sollen, weltweit nahezu
zehn Milliarden Menschen gesund zu ernähren.
Kernpunkte sind die Forderungen der Kommission zur globalen Umstellung der
Ernährung auf überwiegend pflanzenbasierte Kostformen und die Entwicklung
nachhaltiger Systeme für die Lebensmittelproduktion. Dabei haben die
Experten bewusst Spielräume für regionale sowie kulturelle Besonderheiten
gelassen. Sie benennen auch die wesentlichen Voraussetzungen, um eine
Umstellung zu bewältigen. So sei für den „Ernährungsplan der Zukunft“
beispielsweise eine adäquate Versorgung zu gewährleisten und es müssten
alltagstaugliche Orientierungshilfen gegeben werden. Für Laupert-Deick
stellt sich die grundsätzliche Frage, ob wir auf nationaler Ebene neue
Modelle brauchen, oder ob das, was wir wissen, zügig umgesetzt werden
muss.
Verantwortung für Bildung und Spaß an der Ernährung
„Nachhaltigkeit wird Pflicht“, ist auch Jens Krüger, CEO der Bonsai GmbH
/Bremen, überzeugt. Die Politik müsse nun den Handlungsrahmen vorgeben,
doch man erreiche die Menschen nicht mehr mit erhobenem Zeigefinger. In
einer Zeit, in der Ernährung Teil des Lifestyles ist und es immer
wichtiger wird, sich selbst zu inszenieren, haben laut Krüger Blogger und
andere digitale Influencer die Deutungshoheit übernommen. Technologische
Konnektivität entscheide heutzutage wesentlich über Akzeptanz am Markt und
über Konsumgewohnheiten. Deshalb empfahl Krüger den Teilnehmern des
Ernährungsforums, zur Vermittlung von Ernährungswissen und nachhaltiger
Wirtschaftsweise neue Wege in Marketing und Kommunikation zu gehen. Jeder
müsse seinen Teil der Verantwortung übernehmen.
In der von Silke Lichtenstein eingeleiteten Diskussionsrunde zu den Themen
„Image, Konsum und Nachhaltigkeit“ waren sich Referenten und Teilnehmer
erneut einig: Von allen Seiten wurde betont, wie wichtig es sei, künftig
transparenter über Produkte und Nachhaltigkeit zu informieren, die
Ernährungsbildung voranzutreiben und die Kommunikation insgesamt zu
verstärken. Dabei sei Aufklärung wichtig, aber es müsse auch vermittelt
werden, dass Ernährung eine Quelle für Lebensfreude, Genuss und gute Laune
ist – kurz: Spaß macht.
Kein Ernährungsforum ohne Geschmack und Genuss– in Theorie und Praxis
Über neueste sensorische Erkenntnisse zu Proteinen informierte die
Sensorik-Expertin und Dozentin Dr. Karolin Höhl. Sie zeigte auf, dass die
Geschmackskomponenten so vielfältig sind wie die Stoffgruppe an sich: Die
Wahrnehmungsfacetten reichen von Süß- über Bitterpeptide bis hin zum
umami-Geschmack, der durch Glutamatverbindungen hervorgerufen wird. Zudem
lässt sich die Schmackhaftigkeit vieler Speisen durch die bei
Verarbeitungsprozessen gebildeten Protein-Komponenten verbessern. Darüber
hinaus erläuterte Höhl, dass bestimmte Peptide in Leguminosen,
Lauchgewächsen und fermentierten Lebensmitteln den so genannten „kokumi-
Effekt“ erzeugen können, der allerdings kein eigener Geschmackseindruck
ist. Vielmehr würden durch diese Proteinbausteine die Grundgeschmacksarten
verstärkt und ein ausgeprägtes Mundgefühl vermittelt.
Damit sich die Teilnehmer selbst ein Bild von der Diversität pflanzlicher
und tierischer Proteinquellen sowie der daraus entwickelten Produkte
machen konnten, bot das Heidelberger Ernährungsforum eine begleitende
Ausstellung an. Sieben Poster, die sowohl traditionelle als auch neuartige
pflanzen- und tierische Proteinquellen beleuchteten, lieferten den
Teilnehmern umfassende Informationen. Ergänzend hierzu gaben proteinreiche
Mehle aus Bohnenarten oder Hanf, Lupinenwürste, Insektennudeln und Algen-
Riegel den Besuchern einen unterhaltsamen Einblick in die Vielfalt der am
Markt erhältlichen Produkte. Zur Verkostung standen Joghurts aus der Milch
verschiedener Tierarten, Joghurtalternativen aus Soja oder
Lupinenprodukten sowie Quarkersatz auf Mandelbasis bereit.