Hilft das Handy beim Trockenbleiben?


Bamberger Psychologen evaluieren innovativen Behandlungsplan in der Region
Franken
Jeder sechste Mensch in Deutschland trinkt zu viel Alkohol. Für rund vier
Prozent wird der Genuss zur Sucht. Damit ist Alkoholabhängigkeit eine der
häufigsten psychischen Störungen. Nur wenige Patientinnen und Patienten
nehmen nach einem stationären Entzug weiterhin Hilfe in Anspruch. Das
Projekt „Smartphone-assistierte Abstinenzförderung nach Alkoholentzug“
soll mit einer Kombination aus App und Telefoncoaching Betroffenen helfen,
passende Angebote und Maßnahmen zu finden, um dauerhaft abstinent zu
bleiben. Der Gemeinsame Bundesauschuss fördert dafür die Universitäten
Erlangen-Nürnberg und Bamberg ab Mai 2019 drei Jahre lang mit rund 2.4
Millionen Euro aus seinem Innovationsfonds.
„Wer gerade einen Alkoholentzug geschafft hat, hat ein sehr hohes
Rückfallrisiko“, erklärt Prof. Dr. Sabine Steins-Löber, Inhaberin des
Lehrstuhls für Klinische Psychologie und Psychotherapie an der Universität
Bamberg. „In dieser Phase sind individuell passende Anschlussmaßnahmen
besonders wichtig.“ In Zusammenarbeit mit mehreren Kliniken führen
Forschende der Universität Erlangen-Nürnberg deshalb einen innovativen
Behandlungsplan in der Region Franken in Bayern ein: Mit Hilfe der neuen
Versorgungsform namens SmartAssistEntz, die Prof. Dr. Matthias Berking und
sein Team an der Universität Erlangen-Nürnberg entwickelt haben, werden
Betroffene unterstützt, geeignete Anschlussmaßnahmen zu finden, in
Anspruch zu nehmen und nachhaltig zu nutzen. Dafür lernen die Patientinnen
und Patienten zuerst, mit einer App die eigene Motivation zu stärken,
Suchtverlangen zu erkennen und mit Risikosituationen umzugehen sowie die
eigenen Ressourcen zu aktivieren. Im zweiten Baustein erhalten sie über
Telediagnostik Empfehlungen für passende Anschlussmaßnahmen wie
Selbsthilfegruppen oder Paargespräche. Im dritten Baustein erarbeiten die
Betroffenen gemeinsam mit einem eCoach einen Nachhaltigkeitsplan, in dem
festgehalten ist, welche dieser Maßnahmen wann umgesetzt werden.
Ob und wie diese Bausteine greifen, untersuchen die Bamberger
Psychologinnen und Psychologen Sabine Steins-Löber, Niklas Enewoldsen und
Daniela Reichl. Ihr Teilprojekt wird mit rund 395.000 Euro der Gesamtsumme
gefördert. „Wir evaluieren die Effekte des neuen Behandlungskonzepts.
Dafür vergleichen wir unter anderem das Rückfallrisiko innerhalb von sechs
Monaten beim Einsatz von SmartAssistEntz mit der Regelversorgung“, erklärt
Steins-Löber. Die Forschenden befragen Betroffene sowie Behandler, auch
Routinedaten der beteiligten Krankenkassen und der Rentenversicherung
werden miteinbezogen. „Wenn sich das Konzept bewährt, ist denkbar, dass es
auch in anderen Regionen angewendet wird oder Teil der Regelversorgung
wird.“ Erste Ergebnisse erwartet die Psychologin, die unter anderem auch
zu Adipositas, Essstörungen, Kaufsucht und Binge-Watching forscht, ab
Januar 2021.
Weitere Informationen finden Sie unter www.uni-
bamberg.de/klinpsych/forschung