Wenn wir "zu viel um die Ohren haben" Nur in einem ruhigen Teich spiegelt sich das Licht der Sterne (Chin. Sprichwort) – würde der Tinnitus nicht dazwischenfunken.
In der Ruhe liegt die Kraft. Eine alte Weisheit, die in der heutigen Zeit
der allgemeinen Umtriebigkeit, des immer „Höher – Schneller – Weiter“ aber
offensichtlich nur noch eine Nebenrolle spielt. Die allgemeine
Rastlosigkeit wirft dunkle Schatten: Mit verschiedenen „Filtersystemen“
unterscheidet unser Gehirn wichtige von unwichtigen Geräuschen. Wenn wir
sprichwörtlich „zu viel um die Ohren haben“, können die Filtersysteme
überlastet sein, und eigentlich irrelevante Geräusche gewinnen an
Bedeutung – eine häufige Folge ist Tinnitus.
Genau an dieser Stelle setzt die Neuro-Musiktherapie der Tinnitusambulanz
am Deutschen Zentrum für Musiktherapieforschung DZM e.V. an: Die 5-tägige
Therapie „beruhigt“ diese überaktiven Zentren nachweisbar, wie
Studienergebnisse mit bildgebenden Verfahren belegen (veröffentlicht im
Fachblatt frontiers in neurosciene
(https://www.frontiersin.org/
mussten insgesamt 40 Probanden (18 Tinnituspatienten, 22 hörgesunde
Kontrollprobanden) im Kernspintomographen verschiedene Aufgaben lösen.
Gemessen wurden allerdings die Gehirnaktivitäten während des Nichtstuns in
Ruhephasen zwischen den Aufgaben. Üblicherweise findet man im Ruhezustand
charakteristische Hintergrundaktivitäten, ein sogenanntes
„Ruhezustandsnetzwerk“ oder englisch Default Mode Network. Diese
Aktivitäten werden bei der Konzentration auf konkrete Aufgaben
heruntergefahren. Bei den untersuchten Tinnituspatienten war das
„Ruhenetzwerk“ im Vergleich zu hörgesunden Kontrollpersonen nur
eingeschränkt funktionsfähig. Vermutlich funkte gerade in Ruhephasen der
Tinnitus als Störfeuer dazwischen und regte die Aufmerksamkeit der
Patienten an. Alle Teilnehmer erhielten dann eine fünftägige
Musiktherapie, die neben Übungen zum aktiven Hören auch Elemente eines
musiktherapeutischen Entspannungstrainings umfasste. Nach der Therapie
hatte die Ruheaktivität bei den Tinnituspatienten deutlich zugenommen und
sich an das Level der hörgesunden Kontrollgruppe angeglichen. Diese
neuronalen Veränderungen wirkten sich auch positiv auf die
Tinnituswahrnehmung aus: Je mehr sich das Ruhenetzwerk erholte, desto
geringer fiel die Tinnitusbelastung aus.
Der dahinter stehende Wirkmechanismus wurde nun noch genauer untersucht.
Weitere 53 Tinnituspatienten mussten vor und nach dem musikbasierten
Entspannungstraining der Neuro-Musiktherapie jeweils die subjektive
Lautstärke ihres Tinnitus einschätzen und angeben, wie entspannt sie sich
fühlten. Zu Beginn der Therapiewoche lagen die Werte für beide Bereiche
auf einer Skala von 1-100 bei rund 57 %.
Zunächst wurden die Teilnehmer in ein musikgestütztes Entspannungskonzept
eingeführt. Im Wochenverlauf wurde dann in die Entspannungsmusik
zusätzlich der individuelle Tinnituston eingespielt („Filtertraining“).
Nach kurzer Trainingsphase gelang es den Patienten zuverlässig, diese
„Störtöne“ auszublenden – und darüber hinaus nahmen die Patienten auch den
eigenen Tinnitus deutlich vermindert wahr. Am Ende der Therapiewoche
schätzten sie die Lautstärke nur noch bei rund 38 % ein. Gleichzeitig
steigerte sich das Entspannungsgefühl auf rund 85 %. Außerdem konnten die
Patienten die Ruhephasen wieder bewusst genießen und gaben der erlernten,
selbstgesteuerten Entspannung 9 von 10 „Wohlfühlpunkte“.
Die Tinnitusambulanz des Deutschen Zentrums für Musiktherapieforschung
bietet laufend Kompakttherapien für Patienten mit akutem und chronischem
Tinnitus an. Weitere
Informationen für Patienten sind telefonisch erhältlich unter 06221 – 79
63 101 oder per E-Mail unter
tinnitusambulanz@dzm-
Das Deutsche Zentrum für Musiktherapieforschung (Viktor Dulger Institut)
DZM e. V. wurde 1995 in Heidelberg gegründet. Heute ist das DZM eines der
größten musiktherapeutischen Forschungsinstitute in Europa und vereint
Forschung und Praxis unter einem Dach. Das DZM ist als gemeinnützig
anerkannt und finanziert sich zum überwiegenden Teil aus Spenden und
Forschungsdrittmittel. Am DZM entwickeln und erforschen Musiktherapeuten,
Mediziner, Musikwissenschaftler und Psychologen in interdisziplinären
Projekten musiktherapeutische und musikmedizinische Konzepte zur
Verbesserung der Lebenssituation erkrankter Menschen.
Außer dem Forschungsinstitut gehört eine Tinnitusambulanz zum DZM.