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Frühjahrsakademie eröffnet: "Zukunft der Medizin" – Wo bleibt der Patient?

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Dichtbesetzte Reihen im größten Hörsaal der Universität Ulm pünktlich am
Montagmorgen - aber nicht Erstsemester haben Platz genommen, sondern die
rund 600 Teilnehmer der Frühjahrsakademie des Zentrums für Allgemeine
Wissenschaftliche Weiterbildung (ZAWiW), viele davon im dritten
Lebensalter. Dieses Mal im Fokus der einwöchigen Veranstaltung mit ihren
Vorträgen, Arbeitsgruppen und Diskussionsrunden: die „Medizin der
Zukunft“.

Im Jubiläumsjahr widmen sich die Jahreszeitenakademien ganz den
Forschungsbereichen der Universität. Den Auftakt bildeten am Montagmorgen
Fragen zur Ethik in der Medizin, vor allem im Hinblick auf den technischen
Fortschritt. Gerade die rasanten Entwicklungen auf diesem Gebiet bergen
riesige Chancen, aber es gibt auch Risiken, die vielen Menschen Angst
machen.

Passend dazu fragte Professor Florian Steger, Leiter des Instituts für
Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin und Vorsitzender der
Ethikkommission der Universität, in seinem Eröffnungsvortrag:
„Fortpflanzungsmedizin quo vadis?“. Auf der einen Seite stehen die immer
größer werden Möglichkeiten in der Pränataldiagnostik, etwa bei der
Erkennung von Erbkrankheiten und Fehlbildungen, oder in der
Reproduktionsmedizin, die es heute schon möglich macht, einem Kind die
genetischen Anlagen von drei Personen mitzugeben. Andererseits wachsen
aber auch der Anspruch und der Druck auf die werdenden Eltern, möglichst
ein gesundes Kind zu bekommen. „Wir verlieren die menschliche Vielfalt und
die Tatsache, anders und gleichzeitig wertvoll zu sein“, zeigte Steger
auf. Ärzte, Wissenschaftler, aber auch die Gesellschaft müssten mit den
neuen Entwicklungen verantwortungsbewusst umgehen. „Den Fortschritt
aufzuhalten, ist unethisch“, so Medizinethiker Steger weiter und forderte
einen Bürgerdialog, „Fortschritt braucht einen Rahmen und eine
gesellschaftliche Diskussion über das, was wir wollen.“

Zuvor hatte Universitäts-Präsident Professor Michael Weber die
Frühjahrsakademie passend zum Jubiläumsjahr eröffnet. „Die Universität Ulm
wurde 1967 als ‚Medizinisch-

Naturwissenschaftlichen Hochschule‘
gegründet“, erläuterte Weber, „Wurzeln, denen wir uns heute noch
verpflichtet fühlen.“ Zusammen mit dem Universitätsklinikum gewährleisten
Universität und Medizinischen Fakultät die Verbindung der
Krankenversorgung mit Forschung und Lehre. „Wir legen hier den Grundstein
für die medizinische Versorgung der Zukunft“, so der Präsident weiter.

Der Landrat des Alb-Donau-Kreises, Heiner Scheffold, betonte in seinem
Grußwort, dass die Veränderungen in der Medizin auch Auswirkungen auf die
kreiseigenen Kliniken haben. „Um unsere Gesundheitseinrichtungen attraktiv
und finanzierbar zu halten, kombinieren wir ein breit gefächertes
medizinisches Angebot mit hochspezialisierter ärztlicher Kompetenz“, sagte
Scheffold, „Wir sollten Veränderungsprozesse in der Medizin, wie in vielen
anderen Bereichen unseres Daseins, annehmen und in die Hand nehmen – kurz:
sich ihnen stellen und sie gestalten. Nicht unkritisch, aber mit Offenheit
und Neugierde.“

Der Geschäftsführer des ZAWiW, Dr. Markus Marquard, gab anschließend einen
Überblick über das dichtgepackte Programm der 51. Jahreszeitenakademie.
Vor allem bei den nachmittäglichen Arbeitsgruppen sind einige Neuerungen
dabei. „Wir bieten dieses Mal zehn komplett neue Gruppen an, und auch beim
Exkursionsangebot am Mittwoch gibt es noch mehr lohnende Ziele in Ulm und
der Umgebung“, erläuterte Marquard.

Kern der Akademiewochen sind und bleiben aber die Vormittagsvorträge, in
denen Medizinfragen aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet werden. Die
Referenten kommen dieses Mal wieder komplett aus den Reihen der
Universität und des Universitätsklinikums. Themen sind unter anderem die
Stammzellforschung oder die Sammlung und Auswertung von Gesundheitsdaten
unter dem Stichwort „gläserner Patient“. Eine Podiumsdiskussion widmet
sich zum Abschluss am Freitag der Frage nach dem Stellenwert von
Gesundheit und Krankheit vor dem Hintergrund der
Kommerzialisierung des Gesundheitssystems.

Die kommende Herbstakademie im Jubiläumsjahr wird sich den anderen
Fachbereichen der Universität Ulm widmen. Im Fokus stehen dann Natur- oder
Ingenieurwissenschaften.