Klaus Farin referierte an der Koblenz in vollem Hörsaal über Jugendkulturen in Deutschland
Einen ebenso interessanten wie unkonventionellen Vortrag zum Thema
„Zwischen Kommerz und Engagement – Jugendkulturen in Deutschland“ hielt
Klaus Farin am RheinMoselCampus der Hochschule Koblenz in einem vollen
Hörsaal. Weitere Studierende und sonstige Gäste hörten sich auf dem Flur
an der geöffneten Tür die spannenden Ausführungen des Gründers des Archivs
der Jugendkulturen e.V. (Berlin) an. Angeboten wurde die Veranstaltung vom
Fachbereich Sozialwissenschaften und vom Institut für Forschung und
Weiterbildung (IFW) der Hochschule Koblenz sowie von der FachstellePlus
für Kinder- und Jugendpastoral Koblenz.
Einen ebenso interessanten wie unkonventionellen Vortrag zum Thema
„Zwischen Kommerz und Engagement – Jugendkulturen in Deutschland“ hielt
Klaus Farin am RheinMoselCampus der Hochschule Koblenz in einem vollen
Hörsaal. Weitere Studierende und sonstige Gäste hörten sich auf dem Flur
an der geöffneten Tür die spannenden Ausführungen des Gründers des Archivs
der Jugendkulturen e.V. (Berlin) an. Angeboten wurde die Veranstaltung vom
Fachbereich Sozialwissenschaften und vom Institut für Forschung und
Weiterbildung (IFW) der Hochschule Koblenz sowie von der FachstellePlus
für Kinder- und Jugendpastoral Koblenz.
Klaus Farin macht keinen Hehl daraus, selbst nie studiert zu haben.
Trotzdem ist es ihm gelungen, sich mit vielen stark beachteten
Publikationen und unzähligen Vorträgen einen Namen als
Jugendkulturforscher zu machen. In seinem Vortrag berief er sich auf
wissenschaftliche Untersuchungen, Studien und Umfragen, berichtete aber
auch aus seiner täglichen Arbeit mit den Jugendlichen und ließ weitere
persönliche Erfahrungen und biographische Hintergründe einfließen.
Als Grundlage seines Vortrags definierte Farin den Begriff Jugendkulturen.
Es handele sich dabei um informelle Gebilde ohne offizielle Mitgliedschaft
– es zähle allein die subjektive Entscheidung des Jugendlichen, dazu zu
gehören. Motiv der Jugendlichen sei die Abgrenzung gegenüber der „Masse“,
insbesondere gegenüber der Welt der Erwachsenen. Die Zugehörigkeiten zu
Jugendkulturen seien fließend, häufig wechseln die Jugendlichen zwischen
unterschiedlichen Szenen. Der größte Teil der Jugendkulturen hat
gemeinsame Wurzeln, viele gehen beispielsweise auf den Punk zurück und
haben sich von dort aus weiterentwickelt und ausdifferenziert.
„Jugendkulturen hängen immer stark mit Kommerz zusammen – schon zu Zeiten
von James Dean ging es darum, eine bestimmte Jeans zu tragen und bestimmte
Musik zu hören“, betonte Farin. Im Folgenden beschrieb er den Prozess vom
ersten Aufkommen einer Jugendkultur über ihr Aufgreifen durch die
Industrie bis hin zu ihrem Niedergang im Mainstream. Als Bespiel nannte er
die Techno-Bewegung, die nach dem Mauerfall ihren Anfang in kleinen
illegalen Partys in leerstehenden Ostberliner Gebäuden genommen hatte.
Später etablierten sich ganz legale Techno-Clubs und Boutiquen, in denen
die spezifische Kleidung zu kaufen war: „Spätestens, als Schlagersänger
wie Heino ihren Lieder mit Technobeats unterlegten und damit auf der
Loveparade auftraten, war diese Jugendkultur tot“. Einen ähnlichen Prozess
habe der HipHop durchlaufen: „Wenn eine Jugendkultur so dominant wird, bis
hin zur Massenkultur, ist es für deren ernsthafte Vertreter Zeit, weiter
zu ziehen.“
Farin geht jedoch davon aus, dass es künftig keine derart dominanten
Jugendkulturen mehr geben werde – zu breit sei inzwischen der
gesellschaftliche Mainstream, zu ausdifferenziert die möglichen
Lebensformen: „Was ‚normal‘ ist, kann heutzutage nicht mehr definiert
werden.“
Im weiteren Verlauf seines Vortrages lieferte Farin eine
Zustandsbeschreibung der heutigen Jugendlichen, von denen die Medien
völlig zu Unrecht ein negatives Bild zeichneten: „In den letzten zwölf
Jahren ist die Jugendkriminalität jedes Jahr kontinuierlich gesunken – wir
haben die bravste Jugendgeneration seit Ende des 2. Weltkrieges.“ Dies
konnte er mit weiteren Zahlen belegen: Heutzutage tränken weniger als die
Hälfte der Minderjährigen Alkohol, nur 5 Prozent kifften, nur 12 Prozent
rauchten. Auch der erste Geschlechtsverkehr fände später statt als früher
und vorzugsweise in festen Beziehungen. Zugleich sei das Jugendstrafrecht
in den letzten Jahren immer weiter verschärft worden: „Früher hieß es, die
Jugend sei unsere Zukunft. Heute wird Jugend als ‚Sicherheitsrisiko‘ der
Gesellschaft dargestellt.“
Dass die Jugendlichen heutzutage so brav sind, führte Farin auf die
geringeren Freiräume für Jugendliche und junge Erwachsene sowie auf den
gestiegenen Leistungsdruck der Gesellschaft zurück: „Wenn Sie einen
14-jährigen heute nach seiner größten Sorge befragen, erzählt er Ihnen
nichts mehr von Akne und seiner Angst vor dem ersten Sex. Seine größte
Angst ist die um Arbeitslosigkeit.“ Auch die Verschulung der
Hochschulbildung habe zu einem starken Rückgang des rebellischen
Potentials geführt: „Rebellion braucht freie Ressourcen – und die sind
nicht mehr vorhanden.“ Zwar gebe es noch gesellschaftliches Engagement,
dies falle jedoch viel geringer aus als früher.
Die Studierenden nahmen die Gelegenheit wahr, sich rege mit
unterschiedlichen Fragen zu beteiligen, die ihre Lebenswelten betreffen –
vom Begriff „Hipster“ bis zu religiösen Szenen und weiteren Phänomenen.