„Spinnen und Skorpione - Eine Erfolgsgeschichte der Evolution“ – Sonderausstellung im ZFMK Bonn
Wenige Stunden vor Ausstellungseröffnung sorgte die weibliche Vogelspinne
Theraphosa stirmi (Guyana) für eine Überraschung: Sie häutete sich,
während die letzten Handgriffe an den Vitrinen und Modellen getan wurden.
Die Ausstellung spannt den Bogen vom Klischee der Giftspinnen und
Skorpione bis zur wissenschaftlichen Systematisierung. Die
Sonderausstellung zeigt vom 23.03. bis 30.07.2017 mit lebenden Tieren die
Erfolgsgeschichte der Evolution giftiger und harmloser Spinnen. In 80
Terrarien können die Besucher u.a. die brasilianische Vogelspinne
Lasiodora klugi ebenso betrachten wie das 100fach vergrößerte Modell der
Zwergspinne Walckenaeria acuminata.
„Spinnen vertilgen im Jahr 400 bis 800 Millionen Tonnen Insekten und
sorgen so für ein ökologisches Gleichgewicht. Ungefähr genauso viel
Fleisch und Fisch verzehrt die menschliche Bevölkerung jährlich“, erklärte
Dieter Scholz im Zoologischen Forschungsmuseum Alexander Koenig –
Leibniz-Institut für Biodiversität der Tiere den ökologischen Nutzen der
Spinnen und bezog sich auf eine aktuelle Studie von Zoologen der
Universität Basel und der schwedischen Universität Lund.
„Für diese Ausstellung habe ich unseren Spinnenfachmann gern
freigestellt“, schilderte Professor Theo Pagel, Direktor des Kölner Zoos.
Peter Klaas, Leiter des Insektariums im Kölner Zoologischen Garten,
übernahm die Beschaffung des gesamten lebenden Inventars, die Aufstellung
und Einrichtung der Terrarien mit Hilfe eines grenzüberschreitenden
Netzwerks von Spezialisten.
Neun Themenblöcke geben dem Spinnenfreund Einblick in die Vielfalt der
Erscheinungsformen von Spinnentieren. Aber auch Besucher, die sich
aufgrund einer ausgeprägten Spinnenphobie (Arachnophobie) nur mit
Widerwillen den Spinnen und Skorpionen nähern, haben die Gelegenheit,
durch eine Glasscheibe getrennt, die Exotik der Tiere auf sich wirken zu
lassen.
Nicht nur in Psychologie und Aberglaube spielen Spinnen und Skorpione eine
bedeutende Rolle. Die Besucher können im Forschungsmuseum Alexander Koenig
in einer von der Biologin Dr. Sarah Strauß konzipierten Vitrine
modellhaft verstehen, wie die Gewinnung von Spinnenseide funktioniert.
Die extrem reißfeste und dehnbare Spinnenseide bietet vielfältige
Anwendungsmöglichkeiten im Bereich der regenerativen Medizin. Das Spider
Silk Laboratory der Klinik für Plastische, Ästhetische, Hand- und
Wiederherstellungschirurgie der Medizinischen Hochschule Hannover züchtet
die weibliche Nephila edulis – eine große australische Seidenspinne - im
eigenen Labor und beschäftigt sich seit Jahren intensiv mit dem Einsatz
natürlicher Spinnenseide als medizinisches Material der Zukunft.
Ist es Furcht oder Angst, die einen Menschen wegen einer Spinne in der
Zimmerecke in die Flucht treiben können? Ein Themenblock beschäftigt sich
mit Ausprägungen von Phobien und deren Therapiemöglichkeiten. Eine davon
könnte der Besuch der Ausstellung sein, denn eine Konfrontationstherapie
führt bei 80 Prozent der Fälle zu deutlichen Verbesserungen.
Auf die Haltung und Zucht von Spinnen für den Handel konzentriert sich ein
weiterer Themenkreis. Im Internet, auf Messen und in lokalen Foren werden
Spinnen aus aller Welt zu beträchtlichen Preisen angeboten. Vor Ort kommen
Liebhaber großer Spinnen auf ihre Kosten: Die die größten Spinnen der Welt
enthaltende Gattung Theraphosa aus Guyana, Brasilien und Venezuela ist
mit allen drei Arten vertreten.
Auf acht Beinen unterwegs – umfangreiches Begleitprogramm
Vorträge und ein viertägiger Kinder-Workshop in den Osterferien ergänzen
die Ausstellung. Hier erfahren die jungen Museumsbesucher, wozu eine
Spinne acht Beine braucht oder erfinden mit Knete, Pappe und Draht neue
Spinnen- und Skorpionarten. (Anmeldung über www.zfmk.de). Außerdem können
Führungen und Kindergeburtstage gebucht werden.
Wie sich Spinnen vor ihren eigenen tödlichen Beutefangfäden schützen,
erläutert Prof. Dr. Christian Kropf von der Universität Bern anhand noch
unveröffentlichter Forschungsergebnisse (28.06.2017).
Selbst die Wissenschaftlerin Sabine Liebsch musste ihre Spinnenphobie
überwinden, bevor sie die Eigenschaften von Spinnenseide erforschen
konnte. In ihrem Vortrag (12.07.2017) beleuchtet sie die
Einsatzmöglichkeiten von Spinnenseide für die Unterstützung regenerativer
Prozesse von Nerven und Haut oder die Rekonstruktion von Knorpeln und
Knochen.
Zuvor werden Dr. Rainer Foelix, Aargau (19.04.2017) Highlights aus 50
Jahren Spinnenforschung präsentieren und Prof. Dr. Gabriele Uhl,
Zoologisches Institut und Museum der Universität Greifswald, über das
Liebesleben der Spinnen berichten (17.05.2017).
Kuratiert wird die Ausstellung von Dieter Scholz, einem engagierten
Mitglied der Alexander-Koenig-Gesellschaft und Hobbyarachnologe.
(Text: Katrin Ulbricht für ZFMK)
Das Zoologische Forschungsmuseum Alexander Koenig - Leibniz-Institut für
Biodiversität der Tiere hat einen Forschungsanteil von mehr als 75 %. Das
ZFMK betreibt sammlungsbasierte Biodiversitätsforschung zur Systematik und
Phylogenie, Biogeographie und Taxonomie der terrestrischen Fauna. Die
Ausstellung „Unser blauer Planet“ trägt zum Verständnis von Biodiversität
unter globalen Aspekten bei.
Zur Leibniz-Gemeinschaft gehören zurzeit 88 Forschungsinstitute und
wissenschaftliche Infrastruktureinrichtungen für die Forschung sowie drei
assoziierte Mitglieder. Die Ausrichtung der Leibniz-Institute reicht von
den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-,
Sozial- und Raumwissenschaften bis hin zu den Geisteswissenschaften.
Leibniz-Institute arbeiten strategisch und themenorientiert an
Fragestellungen von gesamtgesellschaftlicher Bedeutung. Bund und Länder
fördern die Institute der Leibniz-Gemeinschaft daher gemeinsam. Näheres
unter www.leibniz-gemeinschaft.de