Zum Hauptinhalt springen

So hält sich der Gepard fit und gesund

Pin It

Sonja Heinrich bei der Blutabnahme für die Immuntests und Jörg Melzheimer bei der Besenderung eines narkotisierten Geparden in Namibia.  Bettina Wachter/Leibniz-IZWGeparde sind als bedrohte Art eingestuft – unter anderem, weil sie bisher
als krankheitsanfällig galten, da ihnen eine schwache Immunabwehr
bescheinigt  wurde. Tatsächlich sind Geparde in freier Wildbahn jedoch so
gut wie nie krank. Ein Forscherteam des Leibniz-Instituts für Zoo- und
Wildtierforschung (Leibniz-IZW) in Berlin entdeckte nun, dass Geparde eine
besonders effiziente angeborene Erstabwehr-Immunität entwickelt haben, mit
denen sie mögliche Unzulänglichkeiten in anderen Bereichen der
Immunantwort ausgleichen können. Die WissenschaftlerInnen veröffentlichten
ihre Ergebnisse in der frei zugänglichen Fachzeitschrift „Scientific
Reports“ der Nature Publishing Group.

Geparde besitzen eine geringe genetische Variabilität, daher weisen die
Individuen innerhalb einer Population eine ähnliche genetische Ausstattung
auf. Das trifft auch auf den Haupthistokompatibilitätskompl

ex (MHC) zu,
ein Bereich des Erbgutes, der das sogenannte „adaptive“ Immunsystem
reguliert und im Tierreich typischerweise sehr variabel ist. Das adaptive
Immunsystem stellt eine spezifische Abwehr gegen Krankheitserreger bereit,
falls ihnen der Körper bereits einmal ausgesetzt war. Eine geringe MHC-
Variabilität sollte demnach zu einer schwachen adaptiven Immunantwort
führen und sich somit in einer hohen Anfälligkeit gegenüber Krankheiten
äußern. Das trifft auch oft für Tierarten mit geringer MHC-Variabilität
zu. Geparde sind tatsächlich davon eine Ausnahme. „Während unserer seit
2002 andauernden Langzeitstudie in Namibia  untersuchten wir über 300 frei
lebende Geparde, die auf Weideflächen-Farmland leben. Dabei zeigte kein
einziger Gepard Symptome, die auf eine akute Infektion hindeuteten, und
auch keines der von uns untersuchten toten Tiere wies
Krankheitsveränderungen auf“, erklärt Bettina Wachter, Leiterin des
Geparden-Forschungsprojektes.
Warum können Geparde trotz ihrer vermutlich schwachen adaptiven
Immunantwort so gut mit Krankheitserregern fertig werden? Das Immunsystem
wird in drei Komponenten eingeteilt: (1) das grundlegende „angeborene“
Immunsystem, das die erste rasche Abwehr gegen Eindringlinge bereitstellt,
(2) das induzierte angeborene Immunsystem, das zum Beispiel eine lokale
und systemische Entzündung hemmt und die Genesung beschleunigt sowie das
Erregerwachstum verlangsamt, und (3) das adaptive Immunsystem.
„Wir entschieden uns, alle drei Komponenten gleichzeitig zu untersuchen,
eine Vorgehensweise, die nur selten durchgeführt wird, obwohl sie sehr
vielversprechend ist. Ein gut funktionierendes Immunsystem ist  für jedes
Tier aufwendig. Das setzt aber nicht voraus, dass alle Immunkomponenten
gleich stark ausgebildet sein müssen. Wenn eine Art nicht
krankheitsanfällig  ist, muss sich im Laufe der Zeit eine gute Immunabwehr
durch Stärkung anderer Immunkomponenten entwickelt haben“, sagt Gábor
Czirják, Wildtier-Immunologe am Leibniz-IZW.
Um die Ergebnisse mit einer anderen Art zu vergleichen, bezogen die
WissenschaftlerInnen Leoparden in die Untersuchung ein. „Leoparden leben
in Namibia im gleichen Gelände wie Geparde, sind aber mit einer hohen
Variabilität im MHC ausgestattet. Sie sollten daher ein starkes adaptives
Immunsystem aufweisen und weniger Aufwand bei den anderen Immunkomponenten
betreiben“, erklärt Wachter.
„Zuerst mussten wir sechs Immuntests aus der Wildtierimmunologie an
Geparde und Leoparden anpassen“, erklärt Sonja Heinrich, Erstautorin der
Studie. „Da wir die Tests im Labor des Leibniz-IZWs durchführen, mussten
wir die in Namibia gesammelten Proben nach Deutschland transportieren und
dabei eine ununterbrochene Kühlkette vom Tier im Feld bis zum Leibniz-IZW
sicherstellen.“ Die Immuntests bestätigten, dass Leoparden ein stärkeres
adaptives Immunsystem als Geparde besitzen. Das Ergebnis passt zu den
Unterschieden in der MHC-Variabilität der beiden Arten. Wie erwartet,
wiesen Geparde im Vergleich zu Leoparden ein stärkeres angeborenes
Immunsystem für die Erstabwehr auf. Das deutet darauf hin, dass Geparde
damit ihr schwächeres adaptives Immunsystem kompensieren.
Das induzierte angeborene Immunsystem reagiert sowohl  auf eindringende
Krankheitserreger als auch auf kurzzeitigen Stress. Die
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bestimmten daher die
Konzentration des Hormons Cortisol, das abbauende (katabole)
Stoffwechselvorgänge aktiviert und bei Stress vermehrt freigesetzt wird.
Obwohl beide Tierarten den gleichen Untersuchungsmethoden ausgesetzt
waren, wiesen Leoparden signifikant höhere Cortisolkonzentrationen im Blut
als Geparde auf. Dies deutet darauf hin, dass Leoparden stärker auf die
Untersuchungsmethoden reagierten. Kurzzeitiger Stress könnte also das
induzierte angeborene Immunsystem stimuliert haben, was die Beurteilung
erschwert, ob diese Immunkomponente mithilft, das schwache adaptive
Immunsystem der Geparde auszugleichen, wenn der Stresseffekt nicht
berücksichtigt wird. Das ist die erste Studie bei Säugetieren, die zeigt,
dass verschiedene Arten unterschiedlichen Aufwand bei der Entwicklung der
verschiedenen Komponenten des Immunsystems betreiben. Geparde haben
offensichtlich eine Strategie entwickelt, bei der sie trotz ihrer geringen
genetischen Variabilität beim MHC erfolgreich im Kampf gegen
Krankheitserreger sind. Die Zukunft dieser gefährdeten Tierart ist
allerdings ungewiss, da sich der Großteil ihres Lebensraumes in nicht
geschützten Gebieten befindet und sie immer wieder in Konflikte mit
Menschen geraten. Nur wenn diese Konflikte entschärft werden, können
Geparde auch in Zukunft in freier Wildbahn überleben.
Publikation:
Heinrich SK, Hofer H, Courtiol A, Melzheimer J, Dehnhard M, Czirják GÁ,
Wachter B (2017): Cheetahs have a stronger constitutive innate immunity
than leopards. Scientific Reports 7. www.nature.com/articles/srep44837.