Musik: Auf Entdeckungstour im bunten Indien
Auf einer Exkursion des Masterstudiengangs „Ethnomusikologie“ haben sieben
Studierende der Universität Würzburg die klassische indische Musik kennen
gelernt. Zu diesem Zweck besuchten sie Konzerte und nahmen an
traditionellen Ritualen teil.
In ein weit entferntes Land reisen und fremde Kulturen erkunden: Diese
Chance bekommt nicht jeder Studierende in seiner universitären Laufbahn.
Lisa Herrmann-Fertig, Doktorandin und Assistentin für Ethnomusikologie am
Institut für Musikforschung der Universität Würzburg, hat dies für sechs
ihrer Studierenden möglich gemacht. Zwei Wochen lang erlebte die Gruppe
vor Ort hautnah die indische Musikkultur.
Scharfes Essen und Tieropfer
Am ersten Januar hieß es für Franziska Betz, Moritz Beck, Ya’qub El-
Khaled, Merle Greiser, Monika Jonska und Theresa Seitz: „Abflug“.
Gemeinsam reisten sie mit ihrer Dozentin in das 7.500 Kilometer entfernte
Chennai, an die Ostküste Südindiens. Dort angekommen, erwarteten sie
zahlreiche neue Eindrücke.
Enge Gassen und Menschenmengen prägen die Erinnerungsfotos der
Studierenden. Und an das scharfe indische Essen musste sich die Gruppe
erst nach und nach gewöhnen, erinnert sich die Dozentin. Doch ein Erlebnis
werden sie wohl alle nicht so schnell vergessen.
„Das Tieropfer während der religiösen Zeremonie war sehr
gewöhnungsbedürftig“, erinnert sich Ya’qub El-Khaled. Denn im
Trancezustand trinken manche indischen Tänzer frisches Tierblut.
Kultur hautnah erleben
Um den Studierenden möglichst viele Eindrücke der indischen
Musiklandschaft vermitteln zu können, hatte Lisa Herrmann-Fertig zwei
Stationen organisiert. Während der ersten Woche besuchte die Gruppe
zahlreiche Konzerte und Tanzaufführungen, die sie mit der klassischen
südindischen Musik vertraut machten. Am Wochenende bot die Universität
Indian Institute of Technology Madras mit einem Festival auf dem Campus
einen weiteren Einblick in die indische Musik und Kultur.
Die zweite Woche gestaltete sich für die Studierenden etwas aufregender.
Gemeinsam mit der Dozentin besuchten sie drei Theyyams in der Gegend um
Kannur, Kerala. Hierbei handelt es sich um religiöse Zeremonien, die in
einem Abstand von einem bis 25 Jahren stattfinden.
„Nach Fastenzeit und Reinigungsritualen wird meist ein Mann zu einer
Gottheit“, erklärt Lisa Herrmann-Fertig. Dieser diene dann als Medium, das
den Dorfbewohnern ihre Fragen zu Themen wie Gesundheit oder Landwirtschaft
beantworte. „Bei einem der Theyyams wurde dann tatsächlich ein Huhn
geopfert“, berichtet Ya’qub El-Khaled.
Schwarz-rot geschminkte Gesichter und Körper sind charakteristisch für
Theyyams. Ausladende Kostüme, riesige Kopfbedeckungen und Feuerspiele
bieten ein spektakuläres Bild. Begleitet von Live-Musik tanzt sich das
Medium nach und nach in Trance. Ein Theyyam-Guide informierte die
Studierenden über alle Einzelheiten der traditionellen Rituale.
Eigene Projekte
Für die Forschungsreise hatten sich die Studierenden je ein eigenes
Projekt ausgesucht.
Moritz Beck untersuchte die Verbindung von Tanz und Musik in der
klassischen indischen Musik. „In den Tanztheateraufführungen erzählt ein
Sänger meist ein Epos, das einen religiösen Hintergrund hat“, berichtet
Beck. „Oft improvisieren die Musiker, was von den Tänzern mit starker
Mimik und einer Art Ausdruckstanz umgesetzt wird“, fährt der Student fort.
Während der verschiedenen Aufführungen konnte Moritz Beck viele
Informationen sammeln, die er in einer wissenschaftlichen Arbeit
zusammenfassen wird.
Auch Ya’qub El-Khaled hat sich auf ein Thema spezialisiert: Die
Aufführungspraxis der klassischen indischen Musik. Während des Aufenthalts
in Indien stellte er viele Unterschiede zur deutschen Klassik fest. „Die
indische Musik besteht zum größten Teil aus Improvisationen“, erzählt El-
Khaled. „Dabei werden die Geigen nicht nur anders gehalten, sie sind auch
anders besaitet“, berichtet der Student der klassischen Gitarre. Die
Exkursion hat ihn nachhaltig beeindruckt. „Die Theyyams sind ein richtiges
Spektakel“, so El-Khaled, der seine Eindrücke ebenfalls in einer Arbeit
zusammenfassen wird.
Ein Anstoß für die Forschung
Neben Konzerten und Ritualen besuchte die Reisegruppe auch verschiedene
Sehenswürdigkeiten und Tempel. Das Museum der Kerala Folklore Academy
vermittelte den Studierenden Spezialwissen über Theyyam-Zeremonien.
Besonders stolz ist Lisa Herrmann-Fertig auf die beiden Bücher, die sie
von einem indischen Professor der Akademie erhielt. „Das könnte ein Anstoß
für die Theyyam-Forschung in Würzburg sein“, freut sich die Doktorandin.
In Zukunft möchte sie sich noch ausführlicher mit der klassischen
indischen Musik beschäftigen.
Die Exkursion stand unter dem Motto: „Potenziale indischer
Musiklandschaften im interkulturellen Dialog aus ethnomusikologischer
Perspektive“. Finanziell unterstützt wurde sie vom Institut für
Musikforschung der Philosophischen Fakultät der Universität Würzburg und
dem Bayerisch-Indischen Zentrum für Wirtschaft und Hochschulen (BayIND).