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Kolumbien: "Es ist zu befürchten, dass die Situation weiter eskaliert"

m Zuge der Demonstrationen in Kolumbien kam es zu Gewalt, die laut
Medienberichten bereits mehr als 20 Todesopfer gefordert hat. Droht ein
Rückfall in den Bürgerkrieg? Wir haben nachgefragt bei Solveig Richter und
Ralf J. Leiteritz. Richter ist Heisenberg-Professorin für Internationale
Beziehungen und transnationale Politik an der Universität Leipzig. Sie
forscht im Rahmen ihres Heisenberg-Projektes der Deutschen
Forschungsgemeinschaft umfassend zum Friedensprozess in Kolumbien.
Leiteritz ist Professor für Internationale Beziehungen an der Universidad
del Rosario in Bogotá, Kolumbien, und weilt seit September 2019 als
Gastwissenschaftler an der Universität Leipzig.

Kolumbien ist in Aufruhr, schreibt die FAZ. Was ist da los?

Solveig Richter: Die Menschen sind zunächst vor allem aus Protest gegen
eine von Präsident Duque geplante Steuerreform auf die Straße gegangen,
die bei vielen sozial benachteiligten Personen und Gruppen auf heftigen
Widerstand stieß. Die Proteste weiteten sich aber schnell aus, denn
letztlich kulminierte darin die über Jahre seit der Wahl Duques 2018
angestaute Unzufriedenheit weiter Teile der Bevölkerung, vor allem auch
der jüngeren Generation. Im Zuge der zunächst weitgehend friedlichen
Demonstrationen kam es zu Gewalt, die auf Seiten der Protestierenden durch
den Einsatz von Polizei und Militär bereits mehr als 20 Todesopfer
gefordert haben. Heute findet ein weiterer landesweiter Streiktag statt,
und es ist zu befürchten, dass die Situation weiter eskaliert.

Ralf J. Leiteritz: Das Land ist relativ schlecht durch die Corona-Krise
gekommen und diese Unzufriedenheit mit der ökonomischen und sozialen Lage
weiter Teile der Bevölkerung knüpft an die großen Protestbewegungen gegen
die Regierung des rechtsgerichteten Präsidenten Iván Duque Ende 2019 an.
Insofern hat sich der Ärger der Leute nicht nur einfach zeitlich
aufgestaut, sondern wurde durch die Pandemie noch potenziert.

Jahrzehntelang tobte in dem Land ein Bürgerkrieg. Sie, Frau Richter,
forschen seit einigen Jahren zum Friedensprozess. Droht ein Rückfall?

Solveig Richter: Man muss ein bisschen unterscheiden zwischen dem
gewalttätigen Konflikt mit Gewaltakteuren wie etwa Rebellengruppen, der
sich ja eher in den ländlichen Gegenden und Territorien abspielte und
abspielt, und den gegenwärtigen gewalttätigen Protesten, die vor allem in
den Städten sind. Beides ist aber verbunden: Präsident Duque hat die
Regelungen aus dem Friedensvertrag mit der FARC von 2016 nur sehr
widerwillig umgesetzt, und damit viele positiven Entwicklungen im ganzen
Land ausgebremst. Die Hoffnungen, die viele in den Friedensprozess
setzten, haben sich daher nicht erfüllt – viele strukturelle Defizite sind
weiterhin da.

Und ganz im Gegenteil: Duque plant gerade etwa, die umstrittene und
eigentlich eindeutig durch den Friedensvertrag ausgesetzte Besprühung von
Kokafeldern mit dem gefährlichen Glyphosat wieder aufzunehmen. Das lehnt
die Bevölkerung weithin ab. Das heißt, rückwärts in die Zukunft ging es
leider schon in den letzten zwei, drei Jahren – nicht erst seit den
aktuellen Protesten.

Präsident Duque hat den Plan für Steuererhöhungen zurückgezogen, die
Proteste ebben aber nicht ab. Warum?

Ralf J. Leiteritz: Weil die Steuerreform nur das Symptom der aktuellen
Krise des politischen Systems Kolumbiens ist. Die Probleme sind
grundlegender Natur und lassen sich nicht mehr mit kosmetischen Änderungen
entschärfen. Zu nennen wäre da vor allem die hohe Ungleichheit, die
ähnlich wie in Chile große Teile der Bevölkerung am eigenen Leib betrifft.
Diese sozialen Probleme haben eine ungemeine politische Sprengkraft, auch
und gerade in Nach-Bürgerkriegsgesellschaften. Das Konfliktpotential
bleibt daher weiterhin hoch.

Solveig Richter: Das Land durchlebt eine tiefe Legitimitätskrise des
Staates und seiner Institutionen unter der Regierung Duque. Es prallen zum
Teil völlig disparate Vorstellungen und Werte über das gesellschaftliche
Zusammenleben aufeinander, die sich kaum zusammenbringen lassen. Viele der
Demonstrantinnen und Demonstranten kämpfen also gegen die Regierung ganz
grundsätzlich ihre eigene Zukunft in Kolumbien aus. Und man darf nicht
vergessen: Die hohe Gewalt durch die Sicherheitskräfte in den letzten Tage
mobilisiert zusätzlich viele, die sich nicht als „Terroristen“ durch den
Staat stigmatisiert sehen wollen, sondern für ihr legitimes
Demonstrationsrecht einstehen.

Woher kommt die offenbar hohe Gewaltbereitschaft bei der Polizei, aber
auch unter Protestierenden?

Ralf J. Leiteritz: Bei der Polizei und dem Militär ist der Kalte Krieg und
die damals herrschende Einsatztaktik offensichtlich noch nicht vorbei. Da
heißt man sieht dort in jedem Protest einen potenziellen Umsturzversuch
der politischen Linken. Auf der anderen Seite fühlen sich die
Protestierenden durch Ereignisse in Chile, Peru und Ecuador in den letzten
Jahren ermutigt, wo sozialer Protest in vielfältiger Form, auch gepaart
mit Gewalt, zu wichtigen politischen Veränderungen geführt hat.

Wie dürften die kommenden Wochen verlaufen?

Solveig Richter: In einem pessimistischen Szenario dürfte die Lage weiter
eskalieren, denn Duque zeigt zumindest Stand heute wenig Neigung, sich auf
die Protestierenden einzulassen und vor allem die Sicherheitskräfte wieder
unter Kontrolle zu bekommen, trotz Dialogangebot. Das wird also eher beide
Seiten radikalisieren. In einem optimistischen Szenario fruchten die
Apelle breiter gesellschaftlicher und politischer Akteure nach
Deeskalation und einem friedlichen Dialog, etwa auch jener des deutsch-
kolumbianischen Friedensinstituts CAPAZ, den ich selber mit unterzeichnet
habe. In der Sache müsste sich allerdings die Regierung Duque in ihren
Positionen komplett wandeln, um wichtige Forderungen zu erfüllen. Das ist
eher unrealistisch, sondern wird wohl erst bei den Wahlen 2022 neu
verhandelt.

Ralf J. Leiteritz: Präsident Duque hat zuletzt zu einem Dialog aller
gesellschaftlichen und politischen Gruppen eingeladen, um einen Ausweg aus
der aktuellen Situation zu finden, speziell mit Hinblick auf eine neue
Steuerreform, die dringender ist denn je. Die Frage ist jedoch, ob alle
relevanten Gruppen diese Einladung annehmen werden. Die Polarisierung im
Land ist weiterhin sehr hoch und einige Politiker, speziell der ehemalige
und wohl auch zukünftige Präsidentschaftskandidat Gustavo Petro von der
politischen Linken, mögen darauf spekulieren, dass die Lage weiter
eskaliert, um dann in einem Jahr bei den Wahlen zu siegen.

Ist das ein Thema für Deutschland, für die EU? Sollte es eines sein?

Ralf J. Leiteritz: Deutschland und die EU haben sich sehr für den
Friedensprozess in Kolumbien engagiert, auch und gerade mit finanzieller
Hilfe. Sie dürfen das Land in der jetzigen Lage nicht unter dem Vorwand
allein lassen, dass ja nun Frieden herrschen würde und man sich daher
zurückziehen könnte. In Kolumbien leben im Moment rund 1,8 Millionen
Flüchtlinge aus dem benachbarten Venezuela. Auch diese Menschen brauchen
materielle, nicht nur ideelle Unterstützung aus dem Ausland, damit die
soziale Situation in Kolumbien nicht vollends aus dem Ruder läuft.

Solveig Richter: Die wichtigste Rolle spielen zweifelsohne die USA, die
letztlich aufgrund der umfassenden finanziellen und materiellen
Unterstützung für das Land den größten Einfluss auf die Regierung Duque
haben. Aber die Stimme Deutschlands wird gehört, sowohl bei der Regierung
als auch bei den Protestierenden. Es sollte alles getan werden, damit es
nicht zu weiteren Verletzten und Toten auf beiden Seiten kommt, aber auch
die Kolumbianerinnen und Kolumbianer ihr legitimes Recht auf
Meinungsäußerung, Kritik und Demonstrationen ausüben können.

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Für eine Klimapolitik aus einem Guss DEN: „BVG-Urteil zur Klimapolitik der Regierung sollte Weckruf für alle sein!“

Für eine integrierte und langfristige Klimapolitik plädiert das Deutsche Energierater-Netzwerk DEN e.V. „Das jüngste Urteil des Bundesverfassungsgerichtes in Karlsruhe zum Klimaschutzgesetz der Bundesregierung hat gezeigt, in welche Richtung eine künftige Klimapolitik gehen muss“, sagt der DEN-Vorsitzende Dipl.-Ing.  Hermann Dannecker. „Sie muss weit in die Zukunft blicken und gleichzeitig konkrete Vorgaben für Minderungsziele und die Wege, diese zu erreichen, machen. Dies hat die bisherige Gesetzesvorlage so nicht erfüllt, was sicherlich nicht der federführenden Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) anzukreiden ist.“

„Dieses Urteil würdigt vor allem die Interessen der Jüngeren und der nachfolgenden Generationen“ fährt Dannecker fort. „Insofern fordert es konkrete Planungen und Maßnahmen für klimapolitische Nachhaltigkeit in allen Sektoren ein: Verkehr, Industrie, Energieerzeugung, Gebäudebereich. Hier gilt es jetzt schnellstens, ein langfristiges und integriertes Konzept zu entwickeln, an dem sich alle verlässlich orientieren können.“

Eigentlich, so Dannecker, mache das BVG-Urteil es der Politik leichter, mit klaren Leitlinien und mit Mut das Ziel anzugehen, einen Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur deutlich unter 2 Grad und möglichst auf 1,5 Grad zu begrenzen. Dannecker: „Wer jetzt noch zögert, ambitioniert den Ausbau erneuerbarer Energien umzusetzen oder vermeintlich unpopuläre Regelungen wie etwa ein Tempolimit auf Autobahn umzusetzen, der hat den Schuss nicht gehört.“

Das geeignete Steuerungselement für eine sektorenübergreifende Klimaschutzpolitik sei die CO2-Bepreisung, meint Dannecker. „Hier sollte man durchaus ambitioniert Preise pro Tonne CO2 aufrufen, die auch wirklich etwas in Bewegung setzen.“ Er sei sicher, dass sich viele Bauherren zu energetisch und klimapolitisch sinnvollen Modernisierungen entschließen würden, wenn sie sicher sein könnten, ökonomisch und ökologisch auf dem richtigen Weg zu sein. Insofern müsse eine künftige Klimaschutzgesetzgebung Langfristigkeit, Stetigkeit und Verlässlichkeit verbinden.

„Wir müssen endlich etwas in Bewegung setzen, um die seit Jahren bei 1% liegende Sanierungsquote im Gebäudebereich auf die nötigen 3% zu heben“, so der Ingenieur. „Die Rahmenbedingungen dafür sind eigentlich sehr gut, denn noch nie gab es so viele attraktive Förderungen der unterschiedlichsten Art vom Bund, aber auch von den Ländern, Landkreisen und Kommunen. Dabei müssen die energetischen Modernisierungen noch nicht einmal von heute auf morgen umgesetzt, sondern können individuell geplant nach und nach verwirklicht werden. Die dazu nötigen Beratungen werden auch noch gefördert.“

Dannecker: „Das BVG-Urteil ist ein Weckruf an Politik und Gesellschaft. Jetzt sollten wir alle zeigen, wozu wir in der Lage sind: gesetzgeberisch, aber auch individuell. Das BVG könnte mit seinem Urteil den Startschuss gegeben haben zu einer Klimaschutzpolitik In Deutschland, die diesen Namen auch wirklich verdient.“

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Protestantische Parlamentarier nicht mehrheitlich linksorientiert

Exzellenzcluster erforscht politische Aktivitäten evangelischer
Theologinnen und Theologen vom 19. Jahrhundert bis heute – Neue Datenbank
„TheoParl“ mit reichhaltigem Quellenmaterial – Protestantische Abgeordnete
decken auch nach 1968 das gesamte politische Spektrum ab – In
Umbruchzeiten höchste politische Beteiligung – Durchgehend hoher
Frauenanteil auf Reichs- und Bundesebene – Folge 4 im Podcast „Religion
und Politik“

Münster, 28. April 2021 (exc) Protestantische Parlamentarierinnen und
Parlamentarier decken Wissenschaftlern zufolge in der Langzeitperspektive
das gesamte politische Spektrum ab und sind keineswegs mehrheitlich
linksorientiert. „Das Klischee etwa vom bärtigen Geistlichen bei Anti-
Atomkraft-Demonstrationen bedarf einer Revision. Zwar entwickelt sich die
Parteizugehörigkeit im Verlauf der vergangenen 170 Jahre ein wenig hin zu
einer eher sozialdemokratisch-grünen Ausrichtung, von einer oft
unterstellten Rot-Grün-Werdung im Geiste der 1968er zu sprechen, ginge
aber zu weit“, erläutern der Sozialethiker Prof. Dr. Arnulf von Scheliha
und die Theologin Uta Elisabeth Hohmann, die die parlamentarische
Tätigkeit evangelischer Theologinnen und Theologen vom 19. Jahrhundert bis
heute erforschen. Auf einer Tagung des Exzellenzclusters „Religion und
Politik“ in Kooperation mit dem Centrum für Religion und Moderne (CRM) und
dem Institut für Ethik und angrenzende Sozialwissenschaften (IfES) der Uni
Münster präsentierten sie kürzlich erste Ergebnisse
(http://go.wwu.de/aihhz). Weiterer Befund: Gerade Protestanten zeigten
sich zunächst Monarchie-orientiert, bildeten aber früh Denkmodelle aus, um
ihre Überzeugungen mit der demokratischen Idee zu verbinden. „In
politischen Umbruchzeiten sind protestantische Theologinnen und Theologen
besonders stark im Parlament vertreten, wobei keine eindeutige
fachpolitische Spezialisierung erkennbar ist.“ Auffällig sei ein
überdurchschnittlich hoher Frauenanteil auf Reichs- und Bundesebene, in
den Länderparlamenten dominierten hingegen die männlichen Theologen.

Über ihre bisherigen Erkenntnisse berichten die Wissenschaftler auch in
Folge 4 des Forschungspodcasts „Religion und Politik“
(http://go.wwu.de/qdla4) zum Themenjahr „Zugehörigkeit und Abgrenzung“ des
Exzellenzclusters. Die bisherigen Auswertungen des reichen Datenmaterials
ergeben weiter: „Über die Epochen hinweg war der politische
Protestantismus im ganzen Parteienspektrum vertreten, von mehrheitlich
liberal im Kaiserreich über eher nationalistisch- und christlich-
konservativ seit der Weimarer Republik hin zu sozialdemokratisch-grün seit
der jüngeren Vergangenheit.“ Ausnahmen bestätigen die Regel. So gab es
sozialdemokratische Protestanten im Kaiserreich, aktuell sind
Mandatsträger mit theologischem Hintergrund in einigen Länderparlamenten
auch in der AfD vertreten. Der anfangs so starke Liberalismus ist deutlich
geschrumpft, aber nicht ganz geschwunden. „In der Konstante ist aber das
gesamte Spektrum abgedeckt“, erläutert Hohmann. Hierin spiegelt sich den
beiden Forschenden zufolge die gesamtgesellschaftliche Lerngeschichte der
Demokratie. Auch für den Protestantismus sei es ein langer Weg zur
Akzeptanz von Demokratie und Pluralismus gewesen. „Demokratieskepsis
assoziieren wir heute eher mit der katholischen Kirche als der
evangelischen“, so Hohmann. Dieses Klischee sei über Bord zu werfen.

Die von Hohmann und von Scheliha initiierte Datenbank „TheoParl“
(Theologische Parlamentarier) verzeichnet aktuell rund 560 Einträge und
strebt eine umfassende statistische Bestandsaufnahme von Parlamentariern
auf Landes- und Bundesebene an. Als „TheoParl“ gelten Abgeordnete mit
einem abgeschlossenen Studium der evangelischen Theologie und einem
demokratisch erlangten Mandat. Diese scharfen Auswahlkriterien ermöglichen
den Forschenden zufolge die Analyse über einen langen Zeitraum – Ziel sei
eine möglichst vollständige Listung aller theologischen Mandatsträgerinnen
und -träger seit 1848. Die Ergebnisse der quantitativen und qualitativen
Auswertungen speisen sich aus unterschiedlichen Quellen wie
Parlamentshandbüchern, Parteiakten und Nachlässen.

In Umbruchzeiten höchste Anzahl protestantischer Parlamentarier

Als ein Beispiel für politische Umbruchzeiten, in denen die Anzahl
protestantischer Parlamentarier am höchsten war, nennen die Forschenden
das Ende des 19. Jahrhunderts: Die soziale Frage, die sich damals im Zuge
der Bevölkerungsexplosion und Industrialisierung stellte, motivierte
Pastoren aller Lager zur politischen Teilnahme. Auch die erste frei
gewählte 10. Volkskammer der DDR weist 1990 mit 8 Prozent einen hohen
„TheoParl“-Anteil auf. Die Theologinnen und Theologen hatten bereits in
ihrer kirchlichen Arbeit demokratische Verfahren kennengelernt und waren
zudem durch ihre Ausbildung besonders sprachfähig für die Arbeit im
Parlament. Im Politikfeld Vergangenheitsaufarbeitung waren die
ostdeutschen „TheoParl“ besonders gefragt.

Eine eindeutige fachpolitische Spezialisierung ist den Forschern zufolge
nicht erkennbar, allenfalls eine gewisse Tendenz zu den Bereichen Bildung
und Soziales. „Im Reichstag überwiegt das Interesse an der Sozialpolitik“,
erläutert Uta Elisabeth Hohmann, „letztlich finden sich aber in allen
fachpolitischen Gebieten ‚TheoParl‘, etwa auch im Ressort Internationales
und Sicherheit oder Wirtschaft und Finanzen“. Auch im Deutschen Bundestag
ist die fachpolitische Ausrichtung der protestantischen Parlamentarier
ausgeglichen.

Unter den theologischen Parlamentariern waren auch immer solche von
größerer Bekanntheit, mit dem Einzug der Grünen in den Bundestag 1983
stößt etwa die Pastorin Antje Vollmer ins Präsidium vor. Weitere bekannte
theologische Mandatsträger waren Susanne Kastner (SPD, Mandat 1989-2013),
Peter Hinze (CDU, Mandat 1990-2017) sowie der spätere Bundespräsident
Joachim Gauck (Bündnis 90/Grüne, Mandat 1990). Die Erhebung fördert auch
Kurioses zutage: Der sächsische Landtagsabgeordnete Frank Richter,
ursprünglich römisch-katholischer Priester, wechselte zweimal die
Konfession und einmal die Partei.

Mehr als die Hälfte der Parlamentarierinnen und Parlamentarier war zuvor
im Pfarramt tätig, das Berufsfeld Schule ist am zweithäufigsten vertreten.
Andere Abgeordnete waren zuvor in Hochschulen oder im Journalismus tätig.
„Mit diesem weiten Theologiebegriff können in unserer Studie schon früh
Frauen als Parlamentarierinnen berücksichtigt werden, denen zwar seit Ende
des Kaiserreiches der Weg zum Theologiestudium offenstand, nicht aber das
kirchliche Amt“, erläutert von Scheliha. Der Frauenanteil beträgt im
aktuellen Bundestag unter den „TheoParl“ 44 Prozent, während ihr Anteil
unter allen Parlamentariern lediglich bei rund 30 Prozent liegt. Dies
lässt sich für die Reichs-/Bundesebene verallgemeinern: Die Anzahl
protestantischer Parlamentarierinnen ist häufig höher als der Gesamtanteil
der Mandatsträgerinnen. (apo/vvm)

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Anverwandlungen: Beiträge indigener Völker zur Kultur der Moderne

Kolonialismus als Prozess wechselseitiger Aneignungen steht im Mittelpunkt
des Vortrags, den Prof. Dr. Karl-Heinz Kohl, viele Jahre Direktor des
Frobenius-Instituts, halten wird.

Kolonialismus als Prozess wechselseitiger Aneignungen steht im Mittelpunkt
des Vortrags, den Prof. Dr. Karl-Heinz Kohl, viele Jahre Direktor des
Frobenius-Instituts,

am Montag, 17. Mai, um 16 Uhr
Casinogebäude (Campus Westend), Raum 1.811

halten wird. Die Vorlesung wird zeitgleich online auf der Plattform Zoom
übertragen.

Der Vortrag ist der erste von vier Vorträgen, die Professor Kohl im Rahmen
der Ad. E. Jensen-Gedächtnisvorlesung halten wird. Anhand von vier
Einzelbeispielen wird er im Verlauf der Reihe zeigen, welche Impulse und
konkreten Einflüsse von indigenen Kulturen auf die europäische Kultur-,
Wissenschafts- und Sozialgeschichte ausgegangen sind. Denn in der neueren
Globalgeschichtsschreibung wird der europäische Kolonialismus als ein
Prozess verstanden, der die kolonisierenden Gesellschaften langfristig
nicht weniger verändert hat als die der Kolonisierten – nicht nur
hinsichtlich der modernen Kunst, sondern zum Beispiel auch in der
Philosophie der Aufklärung.

Die Vorlesungsreihe ist dem Andenken an den Ethnologen Adolf Ellegard
Jensen (1899–1965) gewidmet. Jensen wurde 1946 Leiter des Frobenius-
Instituts, Direktor des Völkerkundemuseums und der erste Inhaber des
Lehrstuhls für Kultur- und Völkerkunde an der Goethe-Universität. Die
Vorlesungsreihe, die aus Mitteln der Hahn-Hissink’schen Frobenius-Stiftung
finanziert wird, findet einmal jährlich statt. Eingeladen werden
renommierte Wissenschaftler aus dem In- und Ausland.

Die Vorlesungen finden alle in Raum 1.811 im Casinogebäude am Campus
Westend statt. Die Teilnahme in Präsenz ist nur Inhabern der Goethe-Card
möglich, sie ist begrenzt auf 32 Personen. Die Voranmeldung unter
Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein. gilt dann für alle Termine und ist bis zum
1. Mai möglich.

Auch für die Teilnahme an der Zoom-Runde ist eine Voranmeldung unter
Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein. notwendig. Sie kann jeweils bis zum Vortag
des Veranstaltungstermins erfolgen.

Live-Mitschnitte der vergangenen Vorlesungen finden Sie im YouTube-Kanal
des Frobenius-Instituts:
https://www.youtube.com/user/frobeniusinstitut/videos?sort=dd&view=0&shelf_id=0

Die Termine:

17. Mai
Im Land der Anthropophagen. Die brasilianischen Tupinamba in Anthropologie
und postkolonialem Diskurs

31. Mai
Die Irokesen in New York State. Mütter des Feminismus, Väter der
amerikanischen Verfassung

7. Juni
Die Aranda Zentralaustraliens. Ursprungsnarrative der Soziologie und
Psychoanalyse

14. Juni
Die Dogon in Frankreich. Geschichte einer Obsession

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