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Grüner Aufschwung: Ist die EU auf dem richtigen Weg?

„Green Recovery Tracker“ des Wuppertal Instituts und E3G bewertet
Klimaschutz-Beitrag der nationalen Konjunkturmaßnahmen

Die Aufbau- und Resilienzfazilität – auch Recovery and Resilience Facility
– der EU stellt rund 672,5 Mrd. Euro für die von den Mitgliedstaaten
nationalen Konjunkturpläne bereit. Im Juli 2020 haben sich die
europäischen Staats- und Regierungschefs darauf verständigt, dass sie mit
einer grünen Transformation in Einklang gebracht werden müssen. Werden die
vorgeschlagenen Maßnahmen der Mitgliedstaaten diesen Ambitionen auch
gerecht? Der „Green Recovery Tracker“ des Wuppertal Instituts und E3G
nimmt das genauer unter die Lupe. Erste Ergebnisse stellen sie heute vor.

Berlin/Wuppertal, 17. März 2021: Der „Green Recovery Tracker“ bewertete
bisher neun nationale Konjunkturpläne der EU aus Frankreich, Deutschland,
Spanien, Portugal, Bulgarien, Lettland, Polen, der Slowakei und Slowenien.
Weitere Analysen folgen in den kommenden Wochen, sobald weitere
Konjunkturpläne der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.
Die ersten Ergebnisse deuten darauf hin, dass sich die EU auf einem guten
Weg zu einem grünen Aufschwung befindet. Bisher wurden rund 133 Milliarden
Euro zur Unterstützung der grünen Transformation bereitgestellt.

„Wir freuen uns, dass die EU-Mitgliedstaaten die Gelegenheit ergreifen,
dringend benötigte Investitionen in eine grüne wirtschaftliche Erholung zu
tätigen“, sagt Johanna Lehne, Senior Policy Advisor bei E3G. „Die Pläne,
die wir bisher gesehen haben, sind mehr als nur fiskalische Anreize mit
Investitionen in erneuerbare Energien, Energieeffizienz und
Übergangsinfrastruktur.“ Polen beispielsweise nutzt die Konjunkturmittel,
um seine Offshore-Windenergie-Industrie auszubauen. Spanien plant
umfangreiche Investitionen in eine inklusivere Energiewende und will seine
Ziele für erneuerbare Energien beschleunigen. Bulgarien unterstützt die
Energieeffizienz- und erneuerbare Heizungsmaßnahmen für freistehende
Häuser, die nicht an Wärme- und Gasnetze angeschlossen sind.

Noch ist nicht sicher, dass die Wirtschaft auf den richtigen Weg für
langfristige Herausforderungen ist. Denn bei vielen Plänen liegen die
Details noch nicht vor, wie beispielsweise Maßnahmen umgesetzt und welche
konkreten Projekte gefördert werden sollen. Die Daten des „Green Recovery
Tracker“ belegen, dass rund 76 Milliarden Euro oder 21 Prozent der
geplanten Gesamtausgaben in Maßnahmen fließen, deren Klimaeffekt noch
nicht abschätzbar ist. Diese könnten nach der Umsetzung sowohl positiv als
auch negativ sein.

Es stehen in den kommenden Wochen und Jahren wichtige Entscheidungen an,
in denen die Pläne der Mitgliedstaaten fertiggestellt und von den
europäischen Institutionen überprüft werden, sobald sie umgesetzt werden.

„Es bleibt abzuwarten, ob die EU den wirtschaftlichen Aufschwung mit dem
langfristigen Ziel der Klimaneutralität in Einklang bringen kann“, sagt
Timon Wehnert, Leiter Büro Berlin und Senior Researcher am Wuppertal
Institut, und ergänzt: „Das Risiko ist hoch, dass Maßnahmen, die auf den
ersten Blick „grün“ aussehen, letztlich fossile Energieträger unterstützen
oder auch einige Pläne schädliche Maßnahmen enthalten.“
Beispiele hierfür seien etwa Investitionen in Höhe von 3,2 Milliarden Euro
in dringend benötigte Effizienzmaßnahmen in Polen, mit denen auch
Erdgaskessel gefördert werden könnten, Investitionen von rund 244 Millonen
Euro in die bulgarische Gasinfrastruktur, wobei derzeit unklar ist, ob
diese Infrastruktur auch für Wasserstoff genutzt werden kann, sowie rund
723 Millionen Euro für das Straßennetz in Portugal.

Die meisten bisher vorliegenden Entwürfe für Konjunkturprogramme wurden
nicht von effektiven Steuerungsmechanismen oder Reformen begleitet. Oft
werden die Gelder zur Finanzierung bereits vereinbarter Programme
verwendet, anstatt neue transformative Maßnahmen aufzusetzen. Darüber
hinaus fehle es oft an Leistungsindikatoren und Schritten, um die
Anpassung der Sanierungsmaßnahmen an den breiteren politischen Rahmen der
Energiewende sicherzustellen.

Politischer Kontext der nationalen Konjunktur- und Resilienz-Pläne

Alle EU-Mitgliedstaaten müssen bis Ende April 2021 nationale
Konjunkturpläne vorlegen, um die Mittel der 672,5 Milliarden Euro schweren
Recovery and Resilience Facility (RRF) abrufen zu können. Die RRF-
Verordnung sieht vor, dass mindestens 37 Prozent der Gelder, die in den
nationalen Plänen ausgegeben werden, die Klimaziele unterstützen, während
der Rest der Gelder dem grünen Übergang „keinen signifikanten Schaden“
zufügen sollen. Um diese Kriterien zu erfüllen, überprüft die Europäische
Kommission die Pläne formal sobald sie vorliegen. Das Europäische
Parlament kontrolliert diese anschließend.

Launch des „Green Recovery Tracker“


Der Green Recovery Tracker wird heute, 17. März 2021 um 14 Uhr offiziell
während des Launch-Events „Is Europe on Track for a Green Recovery“
vorgestellt. Im Rahmen der Veranstaltung präsentieren die
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Wuppertal Instituts und E3G
die neusten Ergebnisse zum Stand der Recovery-Pläne der EU-
Mitgliedstaaten.

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SUTTER THE SWISS Eine historische Geschichte von Anna Rybinski 4. Teil

Tausende Goldgräber im Rausch Wiener Zeitung
Tausende Goldgräber im Rausch Bild Wiener Zeitung

Ich hatte alles ausgehalten – vielleicht zu lange. Warum? Es war mir weh ums Herz beim Gedanken, meine sanftmütige, fröhliche Ahyoka mit den zwei Kleinen zu verlassen. Die Welt um uns hatte sich aber stark verändert.

Das Ende von New Helvetia

Hafen von St. Francisco Eduard  Hildebrandt
Hafen von St. Francisco Eduard Hildebrandt

Man baute in der Sierra ein Wegenetz aus, mit Stützpunkten und Hilfeleistungen. Hunderttausende kamen auf den ausgetretenen Pfaden herüber. Es war kein Vergleich mit den lebensgefährlichen Reisen in den Pionierjahren. Gewalttätige Einwanderer – Squatters genannt – besiedelten ohne Erlaubnis neue Gebiete, rodeten die Wälder, stahlen das Vieh von unserer Farm. Sie zur Rechenschaft zu ziehen war gefährlich; ein geladenes Gewehr hatten sie immer in Reichweite. Sutter wusste weder aus noch ein. Er wollte Land verkaufen und unterschrieb Vollmachten, um wenigstens Bargeld zu bekommen. Die meisten Farmen waren aber schon verpfändet, er hätte sie gar nicht verkaufen dürfen. Er verhandelte allerdings wieder mit Betrügern, die keine Vorzahlung leisten konnten, und es wurde nichts aus dem Verkauf. Wer wollte eigentlich wen bei diesen Geschäften reinlegen?

Als wir einmal mit der Barkasse zum Hafen hinunterruderten, wehte dort schon die amerikanische Fahne und rundherum hielten Yankee-Soldaten die Wache.

»Yerba Buena nau american?«, fragte ich einen von ihnen erstaunt.

»Notting Yerba Buena, feller. San Francisco!« antwortete er stolz, mit ebenso schlechtem Englisch.

Kalifornien wurde also ein Bundesstaat von Amerika. Wir hofften alle, dass die Gesetzlosigkeit ein Ende nehmen würde und Sutter erwartete von der Regierung Schadenersatz für seine grossen Verluste in der Landwirtschaft und eine Beteiligung am Goldgewinn: viele Millionen Dollar!

Er begann einen endlosen Kampf gegen den amerikanischen Staat.

Sollten die Landschenkungen des besiegten Mexiko von den USA anerkannt werden? Diese schwierige Frage konnte vorläufig niemand beantworten. Winkeladvokaten und ähnliche Wortverdreher witterten jedoch gleich das grosse Geschäft und kamen in Scharen zu uns; unzählige Schriftstücke wurden aufgestellt und weitergeleitet.

Washington aber – ohne vorerst irgendwelche Landansprüche gelten zu lassen – erkannte Sutters Hilfeleistungen für die amerikanischen Einwanderer und gab ihm einen pompösen Titel: Er wurde Generalmajor der kalifornischen Miliz.

Zum wievielten Male eine neue Anrede? Dieser Titel war allerdings der schönste.

 

Major-General John A. Sutter – nur ein Ehrenamt

Goldgräber circa 1850
Goldgräber circa 1850

Leider war es mit hohen Kosten verbunden. Der titelsüchtige Mann wurde aber in seiner eigenen Eitelkeit gefangen und ein letztes Mal kamen in ihm Glücksgefühle auf. Es war wieder wie in vergangenen Zeiten: grosse Feste mit erlesenen Weinen und Zigarren für die Gratulanten, Paradeuniformen für sich selbst und seine wenigen Angestellten. Gott weiss, wo er erneut Geld auftreiben konnte, seine Kasse war ja leer; wir Schweizer wussten es am besten.

Ich war empört. Während die Taugenichtse mit Pasteten gefüttert wurden, konnte er seit Jahren keinen Sold zahlen. Er gab uns höchstens hie und da ein kleines Stück Ackerland, was aber niemand kaufen wollte. Ich fühlte mich auch einsam; die anderen Schweizer waren schon von dannen und die rohen Sitten der Squatters widerten mich an.

Als ich mich endlich entschied, in die Heimat zurückzukehren, hatte Sutter schon alles bereut und mit Tränen in den Augen nahm er Abschied von mir.

»Ich war so dumm … sie betrogen mich vorne und hinten.«

Wie wahr! Viele Schurken hatte er reich gemacht – den wenigen, die ehrlich waren, konnte er bloss freundliche Worte geben.

Ich dachte ernsthaft daran, Ahyoka und die Kleinen mitzunehmen. Sutter gab mir den Rat: »Tu es nicht! Sie würden in deinem Schweizer Dorf zugrunde gehen. Lass sie zu ihrem Stamm zurückkehren! Sie ist jung, wird noch einen neuen Mann finden. Es ist besser so für alle.«

Wie Recht er hatte! Ausgestossen, unverstanden in einer fremden Welt zu leben ist für Indianer schlimmer als der Tod.

 

Sutter's Fort ruins painting by  Calthea Vivian
Sutter's Fort ruins painting by Calthea Vivian

Einmal war es so weit. Ich drückte die letzten Goldklümpchen, die ich insgeheim bewahrte, in Ahyokas Hand, küsste die halbnackten Kleinen, die friedlich im Staub spielten und marschierte mit meinen Siebensachen den Hügel hinunter zu New Helvetia. Es hiess jetzt Sacramento-City und war die Hauptstadt von ganz Kalifornien. Auf dem Fluss ruderte ich zum Hafen, der immer amerikanischer wurde, man hörte kaum mehr ein spanisches Wort. Bald ergab sich die Gelegenheit, mit einem Frachtschiff als Hilfsmatrose ohne Bezahlung die grosse Reise anzutreten.

Ich ging so arm heim wie einst gekommen.

 

In meinem Heimatdorf war fast alles beim Alten

 

Schweizer im Goldrausch
Schweizer im Goldrausch

Die Eltern lebten nicht mehr, ihr kleines Bauernhaus hatte ich ausgebessert und in Besitz genommen. Oft dachte ich mit Wehmut an meine Indianer-Familie zurück: Werden meine Kinder sich ans freie Leben gewöhnen können? Wird der Stamm noch genug Jagdgründe haben?

Doch die Erinnerungen wurden nach einer Weile blass, und die Zukunft schien mir immer wichtiger. Mit 40 Jahren konnte ich noch ans Heiraten denken und hoffen, dass ich meine Schweizer Kinder heranwachsen sehe.

Nachrichten aus Amerika erreichten mich hie und da.

Der arme General war den brutalen Neusiedlern im Weg. Als sie zuletzt sein Wohnhaus in Brand steckten, machte er sich auf nach Washington, um für seine Sache zu kämpfen. Irgendeine Pension aus Gnade wurde ihm vorläufig zugesprochen, doch die Gesetzvorlage zu seinen Gunsten wurde vom Kongress immer wieder vertagt.

In der Basler Zeitung las mein Sohn neulich einen kurzen Bericht über seinen Tod in der amerikanischen Hauptstadt. Er starb wohl an gebrochenem Herzen.

 

Johann August Sutter Gemälde von Franz Buchser
Johann August Sutter Gemälde von Franz Buchser

Ich grübelte viel über Sutter – seine Laufbahn hatte Höhen und Tiefen erreicht wie kaum bei einem anderen Menschen.

Wer war er wirklich?

Ein echter Pionier und Held, wie wir ihn in seinen grossen Jahren erlebten – oder ein Kleinkrimineller, der in der Schweiz steckbrieflich gesucht wurde?

Einerseits war er ein Prahler und Lügner – andererseits ein guter Mensch, das kann ich selbst bezeugen. Aber wie konnte er seine eigene Familie  jahrelang in der  bittersten Armut leben lassen?

Sutter starb 1880 im Mades Hotel  Washington
Sutter starb 1880 im Mades Hotel Washington

Er verstand nichts von der Industrie, trotzdem schuf er Werkstätten, Fabriken, Mühlen und damit die Anfänge der kalifornischen Industrie.

Ohne landwirtschaftliche Erfahrung hatte er den Mexikanern bewiesen, dass man im grossen Binnental Weizen anbauen kann. Später zeigten seine prächtigen Obstanlagen den Amerikanern, was der gesegnete Boden dort hergibt.

Ordnungsgemäss Geschäft führen konnte er nie, sonst wäre er vielleicht der reichste Mann Amerikas geworden.

Er war ein Betrüger und wurde selbst während seiner glanzvollen Laufbahn so oft bitter betrogen!

Soldat war er am allerwenigsten, trotzdem beendete sein Leben als Major-General der amerikanischen Armee.

All diese Widersprüche in Sutter haben mich immer wieder beschäftigt und über meine eigenen Gefühle war ich nie im Klaren. Habe ich ihn bewundert, verachtet oder beneidet?

Zuletzt ganz gewiss tief bedauert.

Er war ein Mensch voller Wiedersprüche – wer wird ihn jemals verstehen?

Anno Domini 1880

Text. www.annarybinski.ch

Homepages der andern Kolumnisten:

www.gabrielabucher.ch

www.leonardwuest.ch www.herberthuber.ch

www.noemiefelber.ch/

http://paul-lascaux.ch/

Link auf den ersten Teil der SUTTER Story von Anna Rybinski:

SUTTER THE SWISS Eine historische Geschichte 1. Teil von Anna Rybinski

Link auf den zweiten Teil der SUTTER Story von Anna Rybinski:

SUTTER THE SWISS Eine historische Geschichte von Anna Rybinski 2. Teil Sutter gründet ein Reich

Link auf den dritten Teil der SUTTER Story von Anna Rybinski:

SUTTER THE SWISS, eine historische Geschichte von Anna Rybinski 3. Teil, Die Welt im Rausch

 

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Regierungsumgang mit der Corona-Krise ab 2021 erstmals mehrheitlich kritisch bewertet

YouGovs Corona-Tracker-Ergebnisse von September 2020 bis März 2021 zur Frage, ob die deutsche Regierung gut oder schlecht mit der Corona-Krise umgehen
Mitte März 2020 hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) den Ausbruch des Coronavirus zur Pandemie erklärt. Der YouGov-Corona-Tracker hat seitdem kontinuierliche Daten rund um das Coronavirus erfasst. Die Einschätzung der Deutschen, die Regierung gehe gut mit dem Coronavirus um, lag seitdem konstant auf hohem Niveau. Ihren Höhepunkt erreichte sie Mitte April 2020, als 73 Prozent der Deutschen die Angabe machten, die Regierung gehe gut mit der Krise um.

Der Blick auf die vergangenen sieben Monate zeigt, dass sich die Einschätzung der Deutschen zu dieser Frage durch die zweite Corona-Welle, den langen Winter-Lockdown und den Impfstart verschlechtert hat. Schätzten im September noch 63 Prozent den Umgang der Regierung als gut an, sank die Zahl im Dezember 2020 auf 53 Prozent und im Februar auf 43 Prozent. Aktuell bescheinigen nur noch 35 Prozent der Befragten der Regierung einen guten Krisenumgang.

Zu Beginn von 2021 erstmalig häufiger kritische als lobende Stimmen

Zu Beginn des Jahres 2021 war die Zahl jener, die den Regierungsumgang mit der Krise negativ bewerteten, erstmals höher als die Zahl der Positivgestimmten: Im Januar 2021 hatten 49 Prozent ein negatives und 46 Prozent ein positives Bild. Mittlerweile, Mitte März 2021, geben sogar 59 Prozent zu Protokoll, den Umgang der Regierung mit der Pandemie schlecht zu finden.

Dies sind Ergebnisse des regelmäßig aktualisierten COVID-19-Trackers der internationalen Data & Analytics Group YouGov, für den vom 22.-24. September 2020 2.113 Personen, vom 20.-22. Oktober 2020 2.085 Personen, vom 17.-19. November 2020 2.073 Personen, vom 29.-31. Dezember 2020 2.051 Personen, vom 26.-28. Januar 2021 2.035 Personen, vom 24.-26. Februar 2021 2.039 Personen und vom 9.-11. März 2021 2.054 Personen mittels standardisierter Online-Interviews befragt wurden. Die Ergebnisse sind gewichtet und repräsentativ für die deutsche Bevölkerung ab 18 Jahren.

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Brexit-Abkommen für Beschäftigte im Saarland und in Bayern am wichtigsten

Kiel Institut Medieninformation 2021-01 Brexit v02 A 5000x3751 DE
Kiel Institut Medieninformation 2021-01 Brexit v02 A 5000x3751 DE

Großbritannien zählt nach wie vor zu den wichtigsten Handelspartnern jedes
Bundeslandes. Alleine im Verarbeitenden Gewerbe arbeiten rechnerisch
mindestens knapp 190.000 Menschen für den Export auf die Insel, davon
knapp 50.000 in Bayern. Relativ gesehen ist der Export nach Großbritannien
für das Saarland am wichtigsten. Im Branchenvergleich sind in der
Automobilindustrie und dem Maschinenbau die meisten Arbeitsplätze vom
Absatz im Vereinigten Königreich abhängig.

„Vorausgesetzt, dass sich das Brexit-Abkommen auch in der Praxis bewährt,
bietet es für die exportorientierte deutsche Wirtschaft die Chance, die
wirtschaftlichen Verflechtungen mit Großbritannien beizubehalten. Der
große Partner vor der „deutschen Haustür“ muss auch als Nicht-EU-Mitglied
möglichst umfassend in die europäische Arbeitsteilung eingebunden
bleiben“, sagte IfW-Bereichsleiter Klaus Schrader anlässlich einer
aktuellen Analyse (Klaus Schrader, Levke Jessen-Thiesen: „Deutsche
Arbeitsplätze und Brexit: Die Bedeutung des Exports nach Großbritannien
für die Beschäftigung in den deutschen Bundesländern“ https://www.ifw-
kiel.de/de/publikationen/kiel-policy-briefs/2021/deutsche-arbeitsplaetze-
und-brexit-die-bedeutung-des-exports-nach-grossbritannien-fuer-die-
beschaeftigung-in-den-deutschen-bundeslaendern-0/
).

Laut Analyse lassen sich in Deutschland etwa 188.000 Arbeitsplätze im
Verarbeitenden Gewerbe direkt dem Export nach Großbritannien zurechnen.
Ein Großteil davon entfällt auf die großen industriereichen Bundesländer.
In Bayern sind dies fast 48.000 Beschäftigte, in Baden-Württemberg fast
38.000 und in Nordrhein-Westfalen gut 31.000.

Relativ betrachtet sind in kleineren Bundesländern am meisten der
Beschäftigten vom Export ins Vereinigte Königreich abhängig. Am größten
ist die Bedeutung im Saarland mit 5,4 Prozent und in Bremen mit 4,7
Prozent, gefolgt von Bayern mit 3,6 Prozent. Der Bundesdurchschnitt liegt
bei 2,9 Prozent. In Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern sind sowohl
absolut als auch relativ die geringste Anzahl an Industrie-Beschäftigten
auf den Absatz in Großbritannien angewiesen.

„Die Zahlen sind als Untergrenze zu interpretieren, da die dem Export
indirekt zuzurechnende Beschäftigung in den Zulieferindustrien sowie die
exportabhängige Beschäftigung in Kleinunternehmen bei den Berechnungen
nicht berücksichtigt werden kann“, so Schrader.

Autoindustrie und Maschinenbau: fast die Hälfte aller Stellen des UK-
Exports

Im Branchenvergleich hat das Vereinigte Königreich für die Beschäftigten
in der Automobilindustrie und im Maschinenbau die höchste Relevanz. Fast
die Hälfte aller Industrie-Arbeitsplätze, die am Export nach
Großbritannien hängen, sind dort angesiedelt. In der Automobilindustrie
sind es 52.000 Stellen (30 Prozent), im Maschinenbau 31.000 Stellen (18
Prozent).

Schrader: „Es gibt allerdings keinen Automatismus, nach dem entsprechend
zu einem Rückgang des Exports nach Großbritannien auch in gleichem Ausmaß
Stellen verloren gehen. Unternehmen können sich alternative Absatzkanäle
suchen, eine solche Anpassung fällt unter Pandemiebedingungen ebenso wie
in Zeiten einer lahmenden Konjunktur aber natürlich umso schwerer.“

Trotz eines Exportrückgangs in den letzten Jahren zählt Großbritannien in
allen Bundesländern nach wie vor zu den wichtigsten Handelspartnern. Im
Fünfjahres-Zeitraum 2015 bis 2019 exportierte das Saarland 14 Prozent
seiner Ausfuhren ins Vereinigte Königreich, Bremen 8,6 Prozent, Sachsen-
Anhalt 8,1 Prozent. Der Bundesdurchschnitt lag bei 6,7 Prozent.
Schlusslicht war Brandenburg mit 3,3 Prozent.

Kiel Policy Brief: Klaus Schrader, Levke Jessen-Thiesen: „Deutsche
Arbeitsplätze und Brexit: Die Bedeutung des Exports nach Großbritannien
für die Beschäftigung in den deutschen Bundesländern“ (https://www.ifw-
kiel.de/de/publikationen/kiel-policy-briefs/2021/deutsche-arbeitsplaetze-
und-brexit-die-bedeutung-des-exports-nach-grossbritannien-fuer-die-
beschaeftigung-in-den-deutschen-bundeslaendern-0/
)

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