Das letzte Luzerner Konzert der Festival Strings Lucerne führt nach Osten. Im Kammerkonzert am Sonntag, 4. Juni im Zeugheersaal des Schweizerhof Luzern spielen die Festival Strings Lucerne Chamber Players in grosser Besetzung von acht Musikerinnen und Musikern zwei wichtige Werke aus Osteuropa. Unter der Führung von Daniel Dodds erklingt das berühmteste Streichquartett von Antonín Dvořák, das «Amerikanische», entstanden während seines langen und glücklichen Aufenthaltes in den Vereinigten Staaten. Danach dann das selten zu hörende Meisterwerk, das Streichoktett, des rumänischen Komponisten George Enescu. Geschrieben vom gerade einmal 19jährigen Enescu spiegelt es das Paris der Belle Époque wider. Als Schüler von Gabriel Fauré und Jules Massenet hat Enescu das französische Idiom aufgenommen, bevor er der bedeutendste Komponist Rumäniens und später noch der Lehrer von Yehudi Menuhin wurde.
Mit diesem Konzert verabschieden sich die Festival Strings Lucerne Chamber Players vom Luzerner Publikum, bevor das Orchester mit Kian Soltani zum Würzburger Mozartfest und mit der Oboistin Christina Gómez Godoy zum Rheingau Musik Festival und zum 1. Städtepartnerschaftskonzert nach Potsdam bei Berlin geht.
SO 04.06.2023 17.00 UHR
Schweizerhof Luzern, Zeugheersaal
«ZU ACHT»
Festival Strings Lucerne Chamber Players
Daniel Dodds Violine
Thomas Schrott Violine
Regula Dodds Violine
Izabela Iwanowska Violine
Dominik Fischer Viola
Katrin Burger Viola
Jonas Iten Violoncello
Alexander Kionke Violoncello
ANTONÍN DVOŘÁK
Streichquartett F-Dur op. 96
«Amerikanisches»
GEORGE ENESCU
Streichoktett C-Dur op. 7
Karten von 10 bis 40 CHF Kartenverkauf: www.fsl.swiss & ️ | Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein. | 041 420 62 37
Jean Sibelius Rakastava (Der Liebende) op. 14 / Suite für Streichorchester, Pauken und Triangel Esa-Pekka Salonen Sinfonia concertante / Kompositionsauftrag von National Symphony NOSPR Katowice, Berliner Philharmoniker, Finnish Radio Symphony Orchestra, Philharmonie de Paris, Los Angeles Philharmonic und Elbphilharmonie Hamburg Hector Berlioz Liebesszene / aus: Roméo et Juliette / Dramatische Sinfonie op. 17 Alexander Skrjabin Le poème de l’extase für großes Orchester op. 54
«Im Rausch der Liebe», Motto des Internationalen Musikfest Hamburg 2023
Grundsätzliches zum Dirigenten – Komponisten
Der Allmacht des Orgelklangs stellt der Dirigent Salonen in einem klug komponierten Programm Orchesterwerke zwischen »soft« und »powerful«, zärtlicher Liebe und fast wahnsinniger Ekstase gegenüber. Jean Sibelius fing in seiner Suite »Rakastava« (Der Liebende) mit den bescheidenen, aber ungeahnt visionären Farben von Streichorchester und Schlagzeug eher die lyrisch-gefühlvollen Momente einer jungen Liebe ein – so wie sie in den inspirierenden Gedichten aus Elias Lönnrots finnischer Volkssammlung »Kanteletar« geschildert werden.
JEAN SIBELIUS (1865 – 1957) Rakastava (Der Liebende) – Suite op. 14 für Streichorchester, Pauken und Triangel
Der-Autor-im-Foyer-der-Elbphilharmonie
Jean Sibelius war lange ein Streitfall. Einerseits wurde er bewundert für den langen Atem und die genial geplante »Architektur« seiner Werke. Andererseits kam der Finne gerade in den mitteleuropäischen Hochbur- gen der Musik nicht gut weg. Am prominentesten äußerte der Musik- philosoph Theodor W. Adorno sein Unbehagen an der finnischen Kultur. Sibelius, so Adorno, sei nicht einmal im Stande, »einen vierstimmigen Satz auszumessen«. Seine »Originalität« bestünde in einer »Hilflosig- keit«, die »ein unverständliches Ganzes aus den trivialsten Details« pro- duziere.
Weiter mit dem Lift in den 15. Stock
Zum Glück sind solche Worte heute passé. Sibelius ist heute regelrecht beliebt – und Gründe für die Anerkennung liefert unter anderem seine klei- ne Suite »Rakastava«, zu Deutsch: der Liebende.
In späteren Jahren einige Male umgeschrieben
Blick von der Elbphilharmonie Plaza auf Hamburg
Ursprünglich im Jahre 1893 für Chor komponiert, überarbeitete Sibelius das Werk einige Male, aber erst 1912 bearbeitete der Finne die Geschichte aus dem finni- schen Nationalepos »Kanteletar« rein instrumental um für Streicher, Pauken und Triangel.
Es ist eine luftige, sanfte instrumentierte Musik in drei abwechslungsrei- chen Sätzen mit verschiedenen Stimmungen. Vor allem der zweite Satz, den er mit einem Violinen Pizzicato eröffnet, zeigt Sibelius’ ganz eigenwilligen Personalstil. Um nur wenige Zentraltöne kreisen die Streicher in ihrer fließenden Triolen-Bewegung und in mancher Wiederholung. zeugen von der enormen Spannung, die Salonen dieser Partitur zu verleihen vermag.
Salonen motiviert das Orchester zu Höchstleistungen
Esa Pekka Salonen in der Elbphilharmonie Foto Clive Barda
Die Phrasierungen sind stets bestens aufeinander abgestimmt, Bögen werden weit gespannt und verlieren nicht an Binnenspannung, hier wird einfach eine in allen Details überzeugende, hervorragende Interpretation geboten. Denn selten hört man ein Orchester, das scheinbar bis in die Fingerspitzen angespannt ist, um die Vorgaben seines Dirigenten umzusetzen. So entsteht eine energiegeladene Realisation, die an Verve und Freude am Detail schwer zu überbieten ist.
Diese Meinung schloss sich das Publikum mittels eines langanhaltenden Applauses an.
ESA- PEKKA SALONEN (*1958) Sinfonia concertantefür Orgel und Orchester
Die spektakulär in den Konzertsal integrierte Orgel der Orgelbaufirma Klais in Bonn
In seinem neuen Werk »Sinfonia concertante« widmet sich der hochproduktive Komponist der »Königin der Instrumente«, also der Orgel, die ja mit ihren mannigfachen Pfeifen und Registern locker ein ganzes Orchester ersetzen könnte. Am spektakulären Surround-Instrument der Elbphilharmonie: nahm nun deren Titularorganistin, die Lettin Iveta Apkalna, die am 11. Januar 2017 auch als Solistin beim Eröffnungskonzert der Elbphilharmonie mit von der Partie war, Platz.
Iveta Apkalna Foto B. Schaeffer
Der erste mit dem Titel Pavane and Drones beginnt mit einer schönen Klangmischung aus Piccoloflöte und kristallklaren hohen Orgelregistern. Was darauf folgt ist leider zum größten Teil atonales melodisches Material, das zwischen verschiedenen Orchestergruppen hin und her geschoben und dabei ordentlich durchgenudelt wird. Für die Orgel ist dieses Konzept denkbar ungeeignet. Hier gibt es pro Ton nur die Wahl: an oder aus, Luft durch die Pfeife oder nicht. Das macht es nicht leicht, aus einem undifferenzierten Notenstrom Phrasen herauszuschälen.
Salonens Streicher aber sind äußerst effektiv und lassen das NDR Elbphiharmonieorchester gleichzeitig dicht und durchscheinend klingen. Es ist auch aufregend zu hören, wie Apkalna von ihrem Platz an der Orgel aus das gesamte Orchester überstrahlt – sie bespielt das ganze Gebäude. Nach dem eher traditionellen Höhepunkt der Sinfonia kommt von der Lettin ein Ton, der so tief ist, dass der Saal fast bebt. Leider vergeudet Salonen hier seine Chance und macht fast sofort weiter.
Der zweite Satz
Meister am Pult Esa-Pekka Salonen
Der zweite Satz der Sinfonia concertante, Variations and Dirge, beginnt mit einer einzigen gestrichenen Crotale: ein hübscher Klang, wenn auch ein wenig wie Neue Musik von 2012. Salonen meint Variationen eindeutig im klassischen Sinne, und es ist ihm hoch anzurechnen, dass die üppige Streichermelodie, die auf den Crotale-Ton folgt, in ihren verschiedenen Entwicklungen leicht nachzuvollziehen ist. Diese Leistung erscheint nur noch größer, wenn man bedenkt, dass die Melodie atonal ist, mit wenigen intervallischen Kombinationen, die für sich genommen auffällig sind und dass Salonen die Variationen gut orchestriert.
Auch in diesem Satz gibt es Figurationen ohne Ziel, das uninspirierte Material wird hier zum verbindenden Element. Die Orgelkandenz am Ende ist allerdings der beste Teil des ganzen Werks: Sie bewegt sich in einem weichen, hauchdünnen Bereich und gibt die Figurationen zugunsten von Erkundungen von Intervallen und Klangfarben auf. Ein besseres Stück in einer anderen Dimension.
Deutlicher ausgearbeitet im finalen Satz
Iveta Apkalna Foto Kristaps Anskens
Der letzte Satz, Ghost Montage, arbeitet mit deutlicher erkennbaren, eigenständigeren melodischen Zellen. Damit ist die Krux des ersten Satzes gelöst; Salonen hat sich für eine Seite entschieden. Aber die traditionelleren Motive bringen ein weiteres Problem mit sich. Der Satz klingt ein bisschen zu sehr nach einer Verfolgungsjagd auf Kinoleinwand, mit durchdringenden Streicheroktaven und virtuosen steigenden Sequenzen in der Orgel. Außerdem ist er durchweg sehr laut, und wie jeder, der schon einmal neben sich ein Telefongespräch in der U-Bahn erlebt hat, weiß, gibt es häufig eine Korrelation zwischen Lautstärke und Nerv Potential. Wenigstens endet die Sinfonia concertante nicht mit einem effektheischenden Knall, sondern schon fast unspektakulär.
HECTOR BERLIOZ (1803 – 1869) Scene d’amour aus der Symphonie Dramatique „Romeo et Juliette“ op. 17
Ähnlich unspektakulär machte es Hector Berlioz in seiner romantischen musikalischen Fassung der berühmten »Balkonszene« aus Shakespeares »Romeo und Julia«. Mit fluoreszierenden Farbpigmenten, brillanter Transparenz sogar bei hohen Lautstärken und einer pointierten Modellierung der dramatischen Akzente durch die diversen Register und Soloseqenzen.. Beim Residenzorchester und Salonen stimmt jeder Akzent. Akustisch gerät Berlioz› Geniestreich zu einer idealen Wiedergabe, die trotz ihrer geschmeidigen Eloquenz und vitalen Leichtigkeit nicht zum dramatischen Fliegengewicht wird gegenüber dem vorherigen und dem nun nachfolgenden Werk. Auch hier geizte das gutaufgelegte Publikum nicht mit Applaus.
Alexander SkrjabinLe poème de l’extase für großes Orchester op. 54
Dirigent Esa-Pekka Salonen
Alexander Skrjabin dagegen beließ es in seinem riesig besetzten »Poème de l’extase« von 1908 nicht bei sanften Andeutungen. Sein von manchem Zeitgenossen als »obszön« empfundenes Werk gipfelt in einem wahren Orchesterrausch. »Es war wie ein Eisbad, Kokain und Regenbogen«, kommentierte das der amerikanische Schriftsteller Henry Miller. Auf dem Weg von der Romantik zur Moderne stand die Auflösung der Tonalität durch den synthetischen, sogenannten mystischen Akkord aus sechs überlagerten Quarten, dem Skrjabin symbolischen Wert zumaß. Außerdem die assoziative Verbindung von zwei Sinneserfahrungen: Tönen und Farben – do entspricht Rot, re dem Gelb, sol Orange. Skrjabin wollte ein Gesamtkunstwerk schaffen, anders zwar als Richard Wagner, doch mindestens so anspruchsvoll. Sogar Körperempfindungen sollten mit Klängen verbunden werden. Als junger Musiker stand er unter dem Einfluss von Chopin und Wagner. Tschaikowskys Musik lehnte er als „schlechte Volkstümlichkeit“ ab. Denn Kultur war für Skrjabin höchste Vergeistigung. Im Laufe der Jahre hat er sich ohnehin von allen befreit und entwickelte seinen radikal persönlichen Stil. Der 2. Sinfonie c-Moll von 1901 hat er eine Art Programm unterlegt: Lebenskampf – Sieg oder Untergang, aber ohne Gesang auf Worte wie noch in seiner Ersten. Vier Sätze rahmen – jeweils zwei und zwei attacca verbunden – einen langen naturszenenen Mittelsatz. Den Schlusssatz, der nach Dur wechselt und Fanfarentriumph hören lässt, soll Skrjabin selbst als etwas missglückt beurteilt haben. Zu plakativ! Aber es gelingt Salonen und den Musikern des NDR Elbphilharmonieorchesters, ihn dank Dynamik und Phrasierung und mit feiner Tonbildung ohne falsches Pathos zu spielen. Zudem klingt durchgängig überzeugend, wie das Motto oder Thema der Sinfonie behandelt wird: Es tritt sehr oft auf – was man als Hörer erst nach und nach wahrnimmt, denn es klingt immer wieder neu. Die Interpretation bietet dem Ohr eine sprechende und bedeutungsnuancierte, farbige Klangwelt.Dann richtete der russische Komponist nach und nach mit der grösseren Kelle an und überführte die Partitur in einen äusserst geschickten, nervenaufreibenden Schlussteil. Der finnische Dirigent mäanderte dem Finale entgegen kontinuierlich die Spannung aufbauend die schlussendlich in einen akustischen Orgasmus mündete.Das begeisterte Auditorium feierte die Ausführenden mit einer langanhaltenden Standing Ovation.
Die längste Rolltreppe Westeuropas in der Elbphilharmonie Hamburg
Donna in der Mitte und ihre Freundinnen Foto Brinkhoff-Moegenburg
Besetzung Featured Ensemble Priester, Cover Sam, Cover Harry Gerd Achilles Robin ApostelvEnsemble, Cover Donna, Cover Tanja, Cover Rosie Rachel Bahler Swing, Cover Eddie René Becker Ensemble, Cover Ali Jara Buczynski Swing, Cover Pepper Jack Butcher Ensemble, Cover Rosie Rachel Colley Ensemble, Cover Donna, Cover Tanja Kristel Constant Swing, Cover Ali, Assistant Dance Captain Chiara Cook Ensemble Laura May Croucher Swing Lucy-Marie Fitzgerald Ensemble Shari Gall Swing, Cover Sky Fabian Kaiser Ensemble, Cover Sam, Cover Bill, Cover Priester Mischa Kiek Ensemble, Cover Eddie Pablo Martinez-Garcia Swing, Cover Lisa Luisa Ofelia Montero de la Rosa Ensemble, Cover Sophie Paula Niederhofer Swing, Assistant Choreographer, Dance Captain Kevin Hudson Ensemble, Cover Pepper Kevin Schmid Ensemble, Cover Sky Nico Schweers Ensemble, Cover Harry, Cover Bill, Priester René Siepen Swing, Cover Lisa Céline Vogt
Sehr gut erreichbar mit dem ÖV direkt gegenüber der S-Bahn-Station Holsten Strasse befindet sich das, schon äusserlich sehr imposante Stage Theater Neue Flora
Das wohl populärste Popmusical zurück in Hamburg
Rose-Anne van Elswijk als Sophie und die Darsteller Tetje Mierendorf (M) als Bill und Ramin Dustdar als Harry
Es ist ein Comeback der guten Laune! Das Musical „Mamma Mia!“ ist nach fast genau 20 Jahren an den Ort seiner deutschsprachigen Erstaufführung, damals am 3. November 2002 im Operettenhaus, aktuell im Stage Theater Neue Flora, nach Hamburg zurückgekehrt.
Viel hat sich getan in den letzten zwei Jahrzehnten. Während damals noch die Meinung vorherrschte, dass man die weltberühmten Songtexte von ABBA nicht auf Deutsch bringen könne, wurde Musical-Deutschland längst eines Besseren belehrt. Die deutschen Texte von Michael Kunze (Songs) und Ruth Deny (Dialoge) funktionierten bereits damals großartig und tun es noch heute – inzwischen wurde die Show weltweit sogar bereits in 16 verschiedenen Sprachen aufgeführt.
Was die Show in den letzten Jahren verändert hat – das wird auf der riesigen Bühne der Neuen Flora mehr als deutlich – , ist die Ausstattung (Mark Thompson). Das Bühnenbild ist kleiner als bei der Deutschlandpremiere 2002, bewegt sich nicht mehr vollautomatisch, sondern wird geschoben. Zudem gibt es den hydraulischen Steg und die einst in den Bühnenboden eingelassenen blinkenden Kacheln schon seit Jahren nicht mehr. Das ist schade für all diejenigen, denen die Show aus 2002 noch gut in Erinnerung ist, tut der Show insgesamt aber natürlich keinen Abbruch.
Was immer bleibt sind die zeitlosen Songs der schwedischen Band
Donna und die Dynamos Foto Brinkhoff Moegenburg
Auf der Habenseite ist immerhin die zeitlose Musik von ABBA, die von der siebenköpfigen Band unter der Leitung von Hannes Schauz frisch interpretiert wird. Ohnehin ist „Mamma Mia!“ immer noch eines der besseren Jukebox-Musicals, denn in wohl kaum einer anderen Compilation-Show wurden die Handlung und die Hits einer Band so gekonnt miteinander verwoben. Dramaturgisch ist die Produktion deshalb wirklich stark, die Handlung – Sophie sucht vor ihrer Hochzeit ihren Vater und findet dabei heraus, dass insgesamt drei Verflossene ihrer Mutter in Frage kommen – ist nach wie vor äußerst unterhaltsam.
Mamma Mia Szenenfoto
Erfreulich ist, dass inzwischen immer diverser gecastet wird. So stehen auch in „Mamma Mia!“ unglaublich tolle Menschen verschiedenster Identitäten und Ethnien auf der Bühne, die eine intensive Leistung bringen. Sabine Mayer sticht als Donna aus der Darstellerriege hervor. Schauspielerisch gibt sie die allein erziehende Mutter und Hotelbetreiberin authentisch. Ihre Mimik sowie Gestik und besonders Donnas Gefühlsschwankungen nimmt man Mayer zu jeder Sekunde ab. Dass sie auch noch ganz hervorragend singt – ihre Interpretation des Songs „Der Sieger hat die Wahl“ ist der stärkste Moment des Abends – macht ihre Darstellung perfekt. Ihr absolut ebenbürtige Bühnenpartnerinnen sind Jennifer van Brenk als Tanja und Franziska Lessing als Rosie, die ihren Rollen herrlich absurde Profile verleihen und zusammen mit Sabine Meyer ein starkes Trio bilden.
Nicht weniger stark agieren Sascha Oliver Bauer als Sam, Ramin Dustdar als Harry und Tetje Mierendorf als Bill. Hier hat man drei sehr überzeugende Schauspieler verpflichtet, die jedem der drei möglichen Väter einen eigenen Stempel aufdrücken. Bauers Sam glüht noch immer für seine Donna und sorgt sich rührend um seine mögliche Tochter Dustdar gibt einen sympathischen Harry „Headbanger“ und der Hüne Mierendorf erweist sich geradezu als Idealbesetzung für den von ihm wunderbar knurrig dargestellten Abenteurer Bill, der jetzt nicht mehr aus Australien kommt, sondern von St. Pauli.
Und um dieses Paar dreht sich alles
Mamma Mia Szenenfoto
Rose-Anne van Elswijk, die mit ihrem strahlenden Sopran in Songs wie „Mich trägt mein Traum“ oder „Honey, Honey“ verzaubert, punktet als Sophie mit jugendlicher Leichtigkeit und erfrischendem Schauspiel. Ihr zur Seite steht Robin Reitsma, der einen genauso smarten wie coolen Sky gibt und mit seiner klangschönen Stimme begeistert. Auch das Zusammenspiel von ihm und van Elswijk gelingt sehr gut – besonders in der Nummer „Leg dein Herz an eine Leine“. Das lässt auch beider leicht niederländischer Akzent vergessen.
Sehr gut besetzte Nebenrollen
Donna und die Dynamos voll im Schuss
Ein gelungenes Musical-Debüt gibt Benjy Stevens als Pepper, der seinen großen Auftritt im Song „Wenn das Mami wüsst“ hat und dort neben Jennifer van Brenks Vamp namens Tanja bestehen kann. Mit locker-authentischem Spiel glänzen zudem Samuel Hoi-Ming Chung als Eddie, Lyssa Tejero als Ali und Bathoni Buenorkuor als Lisa.
Taufrische, dynamische Choreografie
Mamma Mia Szenenfoto
Was nichts an Genialität eingebüßt hat, ist die spritzig-dynamische Choreografie von Anthony van Laast. Auch nach all den Jahren wirkt diese noch immer genauso frisch wie genial. Einen frischen Touch hat Regisseur Paul Garrington außerdem der Originalinszenierung von Phyllida Lloyd verpasst, was vor allem bei der Rollenzeichnung von Donna und den Dynamos auffällt. So zeigt sich „Mamma Mia!“ nach 20 Jahren frischer denn je in der Stadt, in der 2002 der deutsche Erfolgsweg der Show begann.
„Mamma mia, es geht schon wieder los…“ lautet die erste Refrain Zeile des ABBA-Welthits in der deutschen Musical-Fassung. Das Revival des Revival-Musical verführt, nimmt gefangen und verbreitet ausgelassene Freude, der sich praktisch niemand im Saal entziehen kann. Der Abend endet mit Standing Ovations bei den Zugaben – inklusive „Waterloo“.
Dezent aktualisiert, schön wie eh und je
Mamma Mia Szenenfoto
Sensationell sind die Kostüme, die von schlicht und schlabbrig bis zu glitzernd und glänzend die späten Siebziger- und den ABBA-Look der Achtzigerjahre auferstehen lassen, die späten Jahre der Akustik-Gitarren an südlichen Stränden und die Welten der Discokugel. Das war die Zeit, in der ABBA ihre größten Hits kreierten. Säule des Musicalerfolgs sind neben den Hits von Björn Ulvaeus und Benny Andersson sowie tollen Choreografien von Anthony van Laast – mit starken Chorbildern und einem Spitzen-Froschmannballett – die schauspielerischen und sängerischen Leistungen der Hauptdarsteller.
Die Helden auf der griechischen Fantasie-Insel Kalokairi spielen in der Regie von International Associate Director Paul Harrington erfolgreich eine – streckenweise schrille – volkstümliche Inselkomödie mit selbstironischen Elementen. Auch wurden die feministischen Textstrecken von damals, die heute leicht verstaubt wirken könnten, behutsam an unsere Tage angepasst – so spricht eine Darstellerin in aktuell gebräuchlichem Genderspeech schon mal von ihren „Kolleg*innen“
Mayer, van Brenk und Lessing rocken die Flora
Mamma Mia Szenenfoto
Emotional bewegend und komisch glänzen die drei alten Freundinnen: Sabine Mayer als Donna, Jennifer van Brenk als Tanja und Franziska Lessing als Rosie. Die Requisite und der Regisseur lassen die drei mit allem spielen, was ihnen in die Finger fällt, vom Obst aus einem Korb, über den Fön und den Blumenstrauß als Mikrofonen bis hin zu den Original-80er-Utensilien, die Donna in einem alten Koffer unter dem Gästebett verwahrt – mit Blumengirlande und einem alten Plakat der drei Damen, die zwei Dekaden zuvor als „Donna & The Dynamics“ auf dem griechischen Festland begeisterten und stimmlich immer noch auf der Höhe sind.
Die Musicalgeschichte erzählt, wie der später entstandene Film mit Meryl Streep als Donna, die Geschichte der alleinerzogenen Tochter Sophie (sängerisch und tänzerisch stark: Rose-Anne van Elswijk), deren Mutter Donna nicht weiß, ob nun Bill (bärig komisch: Tete Mierendorf) oder Harry (witzig rührend: Detlef Leistenschneider) oder Sam (liebenswert ernsthaft: Sascha Oliver Bauer) der Vater von Sophie ist. Als Sophie im Vorwege ihrer Hochzeit mit ihrem Freund Sky (tapfer dauerlächelnd: Robin Reitsma) alle drei einlädt, weil sie deren Namen im Tagebuch der Mutter gefunden hat, ist das Chaos perfekt. Dabei wüsste sie doch so gern, wer ihr Vater ist.
Mitreißende ABBA-Hits von der Liveband
Mamma Mia Szenenfoto
Nach allerlei neuen und verwirrenden Gefühlslagen, die sich in insgesamt 19 ABBA-Hits von „Honey, Honey“ über „Thank You for the Music“, „Dancing Queen“, „Super Trouper“ bis zu „Knowing me, knowing you“ und natürlich den Titelsong „Mamma Mia“ spiegeln, kommt es zum Happy End für alle Beteiligten. Die Live-Band unter Leitung von Hannes Schauz macht ihre Sache in der Neuen Flora erstklassig, wobei die Musiker nicht im Bühnengraben, sondern im Nebenraum sitzen und der Dirigent per Kamera auf Monitore im Saal übertragen wird.
Knallig bunte, fulminante Zugaben
Fulminante Zugaben gabs zum Dank für die Standing Ovation, beginnend mit dem titelgebenden Song „Mamma mia“, der „Dancing Queen“, dazu noch einmal großartige Tanzeinlagen des Gesamtensembles zum finalen „Waterloo“ Tutti, für das sich die sechst Hauptfiguren, zum Gaudi des Publikums, in den Original Abba Kostümen präsentierten. Eine Show ohne jegliche Durchhänger, mitreißend von der ersten bis zur letzten Sekunde.
Besetzung und Programm: SWR Symphonieorchester Teodor Currentzis Leitung R. Wagner * Lorin Maazel (Bearbeitung Lorin Maazel) «Der Ring ohne Worte». Ein orchestrales Abenteuer Das Rheingold, Die Walküre, Siegfried, Götterdämmerung
Teodor Currentzis dirigierte das SWR-Symphonieorchester, auf dem Programm standen sinfonische Opernparaphrasen von Richard Wagner, nämlich Lorin Maazels Der Ring ohne Worte: Diese paar Fakten reichen aus, um den Ausnahmerang des Konzertes zu verdeutlichen. Wagner selbst sah sich selbst als legitimen Nachfolger Beethovens und so liegt es nahe, Wagners Musik einmal rein sinfonisch aufzufassen. Currentzis liebt solche historischen Verweise und macht sein ganz eigenes Ding daraus, wie man das vom genialen Griechen gewohnt ist.
Keine Symphonien des Musikgenies Richard Wagner?
Theodor Currentzis Dirigent
Bereits Wagners Zeitgenossen beklagten, dass dieser große Musikdramatiker keine Symphonien komponiert hat und somit den nicht an Opernhäusern beschäftigen Dirigenten und Orchestern nur eine sehr schmale Auswahl an Vorspielen und Ouvertüren zu ihrer musikalischen Verfügung hinterliess. Lorin Maazel, selbst Dirigent, hat diesem Desiderat einst mit seinem Arrangement Ring ohne Worte abgeholfen, einer gut auf einer CD unterzubringenden Kompilation der vier großen Musikdramen Wagners, die in dieser Fassung im Grunde wirken wie eine lange, vielgestaltige Symphonie: eine schöne Sache für Wagnerianer, die gerade keine 16 Stunden Zeit haben, um einmal wieder (fast) alle Motive zu hören; eine feine Einführung für Einsteiger ins Wagner-Universum. Und Maazel hat hier tatsächlich ausschließlich Musik von Wagner verbaut, da er sich u.a.selbst auferlegt hatte, keine einzige Note dazu zu komponieren.
Die Musiker*innen des zahlenmässig äusserst grossen Orchesters ca. 100 Mitwirkende auf der Konzertbühne, darunter allein vier Harfen und neun Kontrabässe, waren, wie bei Teodor Currentzis üblich und wie man es schon bei seinem Projekt «musicAeterna Orchestra» immer wieder sehen konnte, alle ganz schwarz gekleidet.
«Das Rheingold»
Dirigent Theodor Currentzis zeigt wos lang geht
Mit Rheingold war der Start ins Abenteuer für Wagnersche Verhältnisse fast sanft, trotzdem düster mystisch, ein Genre, das Currentzis natürlich mit allen Facetten auslotete, wobei hier das ausloten am richtigen Ort steht, lotet man den Rhein ja noch immer aus, manchmal gar bei der Suche nach dem legendären Gold. So lässt er akustisch die Rheintöchter Floßhilde, Wellgunde und Woglinde auftreten. Diese naiven Naturwesen, die einen zauberhaften Schatz besitzen und in der Tiefe des Flusses hüten – das Rheingold.
Der Ausführenden Galopp durch den Konzertsaal
Dirigent Theodor Currentzis kommuniziert mit seinem Orchester sehr intensiv und persönlich.
Wie Currentzis bei der «Walküre» mit seinem Orchester die Dramatik kontinuierlich aufbaute, schon der Tremolo-Auftakt zu Beginn hatte mehr Feuer als das gesamte vorherige «Rheingold». Danach legt er über die gesamte Strecke ein Tempo vor, das es in sich hatte. Da gelingen tolle Akzente und Farben zwischen den Instrumentengruppen frei nach dem Motto: gleich weiter. Und wie die Musiker*innen dann durch den Konzertsaal brausten, schlicht Extraklasse, da wurden Erinnerungen wach an: Kampfhubschrauber nähern sich einem vietnamesischen Dorf, aus ihren Lautsprechern dröhnt Richard Wagners “Walkürenritt”. Im Zusammenspiel mit den wahnsinnig anmutenden Bildern entfaltet die Musik eine bedrohliche Stimmung in Francis Ford Coppolas Antikriegsfilm “Apocalypse Now” (1979) und hat so den Ritt der Walküren zum populären Hit unter den Wagner-Kompositionen gemacht. https://youtu.be/hn37QfXw1-E?t=5 Das Auditorium fasziniert und weg vom musikalisch Gebotenen, aber auch vom Charisma und der Aura die dieser unglaubliche Spielleiter verbreitet und wie er seine Mistreiter*innen motovieren und mitreissen kann.
«Siegfried»
Etwas ruhiger gings dann weiter, alle im Saal noch irgendwie atemlos, aber nicht durch die Nacht wie bei Helene Fischer, sondern durch den Ring des Nibelungen bei Wagner und Currentzis.Die sehr hohen Tempi behält er zwar bei, aber er setzt sie gezielter ein, bündelt die Kräfte und gibt sie mit breiter Klangfarbenpalette, aber weniger Lautstärke, wieder. Bleibt das, vorläufige, Happy End: Mit Siegfried ist ein neuer Held ist geboren: Der furchtlose Siegfried fügt das zerstörte Schwert “Nothung” zusammen und erlegt den Drachen Fafner. So kommt er in Besitz des Nibelungen-Rings und gewinnt zudem Brünnhilde
Die finale «Götterdämmerung»
Dirigent Theodor Currentzis formt die Musik auch gestenreich
Wagner zitiert in der „Götterdämmerung“ viele Motive aus den andern drei Ringopern und fügt so alles zu einem schlüssigen Ganzen, eben einem Ring, wie es hier auch der Dirigent mit grossen Gesten und viel Körpereinsatz, meist in leicht gebückter Haltung, perfekt vollbrachte. Der fast unendlich scheinende dramaturgische Aufbau bis zum finalen Finale führt über viele lautstärkemässige Steigerungen, etliche abrupte tonale Schritte ins Nichts, Wiederaufbau der Spannung inklusive kurzer Solosequenzen einzelner Stimmen oder Register, Currentzis schält sämtliche Feinheiten der Partitur heraus, feilt an Nuancen, lässt uns, auch visuell an seiner Vorgehensweise teilhaben, bindet so das Publikum noch weiter als üblich ein, lässt uns fast vor Spannung platzen und schlussendlich dämmert es nicht nur den Göttern, dass Wagner uns da vorführt indem er die fast unerträgliche Spannung in einem fade out auflöst, also nichts mit finalem Donner und Getöse. Das wissen natürlich die Wagnerianer und den andern wurde es meisterlich vor Augen, respektive vor Ohren geführt.