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Lifestyle

LSO Michael Sanderling dirigiert Mozart und Mahler, 6. 12. 2023, besucht von Léonard Wüst

Luzerner Sinfonieorchester aktuelles Portraitfoto, Foto Vera Hartmann

Martin Helmchen Foto Giorgia Bertazzi

Mozart und Mahler Konzertfoto von Fleur Fuchs

 

Besetzung und Programm
Dirigent Michael Sanderling
Klavier Martin Helmchen
Sopran Chen Reiss
W. A.Mozart (1756 ‒ 1791) Konzertarie «Ch’io mi scordi di te? ‒ Non temer, amato bene» KV 505
Wolfgang Amadeus Mozart Konzert für Klavier und Orchester Nr. 20 d-Moll KV 466
Gustav Mahler (1860 ‒ 1911) Sinfonie Nr. 4 G-Dur

Die, 1979 in Israel geborene Sopranistin Chen Reiss in eleganter mit  goldenen Pailletten bestickter Abendrobe und der gebürtige Berliner Martin Helmchen (*1982), Markenzeichen die immer ausgeprägtere Wuschelkopffrisur, gesellten sich zu Orchester und Dirigent und das Konzert, im quasi vollbesetzten Konzertsaal,  konnte beginnen.

Meisterhafte Interpretation: Chen Reiss und das Luzerner Sinfonieorchester in Mozarts Konzertarie KV 505

Chefdirigent Michael Sanderling
Chefdirigent Michael Sanderling

Die musikalische Fusion zwischen der herausragenden Sopranistin Chen Reiss und dem klanggewaltigen Luzerner Sinfonieorchester versprach ein unvergessliches Erlebnis. In Mozarts Konzertarie “Ch’io mi scordi di te? ‒ Non temer, amato bene” KV 505 entfaltet sich ein faszinierendes Wechselspiel zwischen der kraftvollen Stimme der Solistin und den nuancenreichen Klängen des Orchesters.

Einführung in die Harmonie der Klänge

Sopranistin Chen Reiss Foto Paul Marc Mitchell
Sopranistin Chen Reiss Foto Paul Marc Mitchell

Das Luzerner Sinfonieorchester unterstreicht von Anfang an die erhabene Atmosphäre der Komposition. Die eröffnenden Streicher setzen den Rahmen für die glanzvolle Erscheining von Chen Reiss, die mit ihrer Präsenz das Publikum sofort in ihren Bann zieht. Der Dirigent lenkt geschickt die Dynamik, um die perfekte Balance zwischen Orchester und Solistin zu gewährleisten.

Chen Reiss’ Virtuosität: Ein Hauch von Genialität

Chen Reiss betrat die Bühne mit einer Ausstrahlung, die das Auditorium erfüllt. Ihr Sopran erklingt mit einer Klarheit, die die feinen Nuancen von Mozarts Komposition offenbart. Jeder Ton ist durchdacht und setzt die Emotionen der Arie präzise in Schwingung. Die Sängerin navigiert mühelos durch die herausfordernden Passagen und verleiht der Arie eine persönliche Note.

Die Magie der Zusammenarbeit: Sopran und Orchester verschmelzen

Sopranistin Chen Reiss, Pianist Martin Helmchen und das Luzerner Sinfonieorchester Fotp Philipp Schmidli
Sopranistin Chen Reiss, Pianist Martin Helmchen und das Luzerner Sinfonieorchester Fotp Philipp Schmidli

In den gemeinsamen Momenten von Chen Reiss und dem Luzerner Sinfonieorchester entsteht eine harmonische Einheit. Die präzise Abstimmung zwischen Stimme und Instrumenten zeugt von einem tiefen Verständnis für die musikalische Vision des Werks. Das Orchester schafft einen beeindruckenden Rahmen, der die Sopranstimme von Chen Reiss perfekt umrahmt.

Dynamische Palette: Von zart bis kraftvoll

Die Arie selbst bietet Raum für eine breite dynamische Palette, die von zarten, lyrischen Passagen bis zu kraftvollen, dramatischen Höhepunkten reicht. Chen Reiss beherrscht diese Spannung meisterhaft und verleiht der Arie eine emotionale Tiefe, die das Publikum in ihren Bann zieht. Das Orchester unterstützt diese Dynamik, indem es geschickt zwischen den unterschiedlichen Stimmungen wechselt und die Intensität der Aufführung steigert.

Klangliche Raffinesse: Das Luzerner Sinfonieorchester in Höchstform

Das Luzerner Sinfonieorchester zeigt in dieser Aufführung eine beeindruckende klangliche Raffinesse. Die Streicher erzeugen subtile Klangfarben, während die Holzbläser und Blechbläser mit präzisen Artikulationen und warmen Klängen brillieren. Die orchestralen Zwischenspiele sind nicht nur Begleitung, sondern erweitern die musikalische Erzählung und tragen zur Gesamtwirkung der Aufführung bei.

Chen Reiss’ Bühnenpräsenz: Charismatisch und Einfühlsam

Die Bühnenpräsenz von Chen Reiss ist charismatisch und einfühlsam zugleich. Sie versteht es, das Publikum mit ihrer Ausdruckskraft zu fesseln und gleichzeitig in die emotionale Welt der Arie einzuführen. Jede Geste, jeder Blick scheint genau auf die musikalische Erzählung abgestimmt zu sein und trägt zur Intensität des Moments bei.

Fazit: Ein Konzerthighlight voller Brillanz und Emotion

In der Aufführung von Mozarts Konzertarie KV 505 durch Chen Reiss und das Luzerner Sinfonieorchester verschmelzen virtuose Gesangskunst und orchestrale Pracht zu einem beeindruckenden Konzerthighlight. Die subtile Abstimmung, die klangliche Brillanz und die emotionale Tiefe machen diese Interpretation zu einem unvergesslichen Erlebnis für Liebhaber klassischer Musik. Eine Hommage an Mozarts Meisterschaft und ein eindrucksvoller Beweis für die herausragende Qualität des Luzerner Sinfonieorchesters unter der Leitung ihres Chefdirigenten, die das Publikum mit einem langanhaltenden Applaus belohnte.

Wolfgang Amadeus Mozart  Konzert für Klavier und Orchester Nr. 20 d-Moll KV 466

Solist am Klavier Martin Helmchen
Solist am Klavier Martin Helmchen

Über zweieinhalb Minuten vergehen, bis der Solist, Martin Helmchen, erstmals in das Geschehen eingreift. Die klassische Struktur des Werks und der Dialog zwischen Orchester und Solist würden bereits genügen, um Zufriedenheit zu schaffen. Doch Helmchen geht einen entscheidenden Schritt weiter. Er begeistert mit Tonkaskaden, mit abrupten Rhythmuswechseln, mit einer Klangfülle, die von einem Moment zum andern ins Nichts abfällt, um von einem andern Standort aus neu zu beginnen.

Helmchens Interpretation: Zwischenbrodelnde Kräfte in Mozarts Klavierkonzert

Helmchen  entdeckt die “brodelnden Kräfte hinter der äußeren Heiterkeit und Beschwingtheit”, besonders in den in Moll komponierten Werken wie dem d-Moll-Klavierkonzert KV 466. Die düstere Schattenwelt hinter der äußeren Leichtigkeit in Mozarts Moll-Kompositionen findet ihre Gegenseite im strahlenden Licht seiner Dur-Werke.

Zwischen Eleganz und Dramatik: Helmchens interpretatorische Meisterschaft

Dirigent Michael Sanderling
Dirigent Michael Sanderling

Helmchens interpretatorische Meisterschaft manifestierte sich in der gekonnten Balance zwischen Eleganz und Dramatik. Insbesondere im zweiten Satz, dem Romanze, schuf er mit seinem einfühlsamen Spiel eine intime Atmosphäre. Die lyrischen Phrasen flossen geschmeidig, während Helmchen gleichzeitig die emotionale Tiefe dieser Musik auslotete. Im Kontrast dazu brachte er im dritten Satz, dem rasanten Rondo, eine mitreißende Energie und Virtuosität zum Ausdruck, die das Publikum regelrecht in Begeisterung versetzte.

Magische Momente und musikalische Dialoge: Helmchen und das Orchester im Zusammenspiel

Die Magie dieser Aufführung offenbarte sich besonders in den Momenten des musikalischen Dialogs zwischen Helmchen und dem Orchester. Das luzide Zusammenspiel, die aufmerksame Kommunikation und die scheinbar mühelose Symbiose ließen die Musik atmen und schufen Momente von erhabener Schönheit. Die subtilen Wechselwirkungen zwischen Solist und Orchester enthüllten die Tiefe von Mozarts Komposition auf eine Weise, die selbst für erfahrene Hörer neu und faszinierend war.

Fazit: Eine klangliche Reise durch Mozarts Meisterwerk

Solist am Piano Martin Helmchen
Solist am Piano Martin Helmchen

In dieser beeindruckenden Aufführung durch Martin Helmchen und das Luzerner Sinfonieorchester unter Michael Sanderling verschmolzen Virtuosität und musikalisches Genie zu einer unvergesslichen klanglichen Reise. Die Eleganz von Helmchens Spiel, die kraftvolle Präsenz des Orchesters und Sanderlings souveräne Leitung schufen ein Konzerterlebnis, das die zeitlose Schönheit von Mozarts Meisterwerk in all ihrer Pracht entfaltete.

Die nicht enden wollenden  Applauskaskaden des Auditoriums belohnte der Solist schlussendlich mit Robert Schumanns «Vogel als Prophet» als Zugabe.

Kraftvolle Inszenierung unter Michael Sanderling: Mahlers Monumentalwerk, die Sinfonie Nr. 4 G-Dur, in neuer Perspektive

Dirigent Michael Sanderling verstand es geschickt, die Spannung aufzubauen und die Dramatik in Mahlers Komposition genüsslich auszuloten. Souverän und präzise führte er seine Mitmusiker durch das Werk, setzte vermehrt auf Gestik und Körpereinsatz beim Dirigat. Erstaunlicherweise stiess das Monumentalwerk in seiner Urfassung bei Publikum und Kritikern auf Ablehnung. Selbst überarbeitete Fassungen hatten einige Jahre später keinen leichten Stand. Die Sinfonie, ursprünglich von Mahler als “Titan” betitelt, gilt heute als Meilenstein der Musikgeschichte. Ihr Weg dorthin war jedoch von Ablehnung und Herausforderungen geprägt, und auch heute noch wirkt sie mit ihren Brüchen und ihrer Doppelbödigkeit aufwühlend verwirrend.

Die eindrückliche Demonstration des Luzerner Renommierorchesters

Michael Sanderling Chefdirigent
Michael Sanderling Chefdirigent

Die Aufführung durch das Residenzorchester des KKL Luzern machte deutlich, warum diese Sinfonie ihren Platz in der Musikgeschichte zu Recht verdient. Alle Sinfonien Mahlers werden als “Finalsinfonien” betrachtet, wie bereits der einflussreiche Musikkritiker Paul Bekker im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts feststellte. Trotzdem klingt der schliessende D-Dur-Jubel im Kontext der tragischen Geschichte, die Mahler rein musikalisch erzählt, nicht erlösend, sondern fast schmerzlich. Der Philosoph Theodor W. Adorno drückte es treffend aus: Mahler war ein schlechter Jasager.

Mahlers Monument im modernen Kontext

Michael Sanderling Dirigent
Michael Sanderling Dirigent

Die eindrückliche Inszenierung unter Michael Sanderling brachte Mahlers Monumentalwerk, bei dem man nie weiss, wird Mahler jetzt aufbrausend oder sentimental, in eine neue Perspektive. Durch geschicktes Dirigat und eine präzise Führung entfalteten sich die Facetten dieser Sinfonie vor dem Publikum. Die Luzerner Sinfoniker vereinten sich zu einem kraftvollen Klangkörper, der die Herausforderungen des Werks bestens bewältigte. Die Ambivalenz zwischen Jubel und Tragik wurde dabei auf eine Weise hervorgehoben, die das zeitlose und emotionale Erleben dieser Sinfonie unterstrich.

Ein schmerzlich-erlösender Schluss: Mahlers musikalisches Statement

Sopranistin Chen Reiss Foto ab ihrer Homepage
Sopranistin Chen Reiss Foto ab ihrer Homepage

Die Schlussklänge in D-Dur, die im Verbund mit der tragischen Erzählung stehen, vermittelten keine Erlösung, sondern vielmehr eine schmerzhafte Empfindung. Michael Sanderling und das Luzerner Sinfonieorchester verstanden es meisterhaft, die tiefe Emotionalität und die Kontroversen dieses Werks herauszuarbeiten. Adornos Einschätzung von Mahler als “schlechter Jasager” fand hier musikalischen Ausdruck, der weit über die Zeit des Komponisten hinausreicht und das Publikum nachhaltig beeindruckt.

Die Sinfonie endet im vierten Satz mit einem Lied „Das himmlische Leben“ («Wir geniessen die himmlischen Freuden»), nach einem Text aus „Des Knaben Wunderhorn“. Die Sopranistin A Chen Reiss, die sich inzwischen beim Dirigenten aufgestellt hatte, meisterte die schwierige Aufgabe, einer grossen Orchesterbegleitung mit ihrer glockenreinen, filigranen Stimme standzuhalten, dieses gar zu übertönen, grossartig.

Das Publikum belohnte die Ausführenden mit einem langanhaltenden, stürmischen Schlussapplaus, bedachte die einzelnen Register mi Extraakklamationen und steigerte diesen noch bei der Hervorhebung der Sopranistin durch den Dirigenten.

Text: www.leonardwuest.ch

Fotos: www.sinfonieorchester.ch

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Blickrichtung Luzerner Seebecken aus dem KKL Luzern

Dirigent Michael Sanderling Foto Marco Borggreve

Martin Helmchen Solist am Klavier

 

Sopranistin Chen Reiss, Pianist Martin Helmchen und das Luzerner Sinfonieorchester Foto Philipp Schmidli

Sopran Chen Reiss

Mozart und Mahler Konzertfoto von Fleur Fuchs

 

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Luzerner Theater Bellinis I Capuleti e i Montecchi, besucht von Marinella Polli

Das Publikum wartet auf das Luzerner Sinfonieorchester, das diesmal auf der Bühne sein wird Foto Marinella Polli

 

I Capuletti Montecchi Szenenfoto von Ingo Hoehn

I Capuletti Montecchi Szenenfoto von Ingo Hoehn

Giulietta Elizabeth Bailey
Roméo Solenn’ Lavanant Linke
Tebaldo Daniel Jenz
Lorenzo Vladyslav Tlushch
Opernchor Luzerner Theater
Luzerner Sinfonieorchester

Eine glanzvolle semi-konzertante Aufführung von Vincenzo Bellinis tragedia lirica in zwei Akten ‚I Capuleti e i Montecchi’ (1830 in Venedig uraufgeführt) ist seit letztem Sonntag am Luzerner Theater zu geniessen.

Eine leider selten aufgeführte Oper 

Capuletti Montecchi Szenenfoto von Ingo Hoehn
Capuletti Montecchi Szenenfoto von Ingo Hoehn

Da der Komponist die Partitur – wie es bei ihm fast jedesmal der Fall war – unter grossem Zeitdruck liefern musste, bediente er sich einiger Nummern aus seiner früheren Oper ‚Zaira’. Bellini ist und war ja für seine intensiven, reichen Melodien bekannt, und für diese wollte er auch bekannt bleiben. Die Änderungen, die er vornahm, waren in den Jahren vielleicht deswegen viele. Man weiss übrigens auch, wie sogar Wagner von seiner Fähigkeit fasziniert war, Musik und psychologische Texte zu verbinden. Das Endresultat ist was wir heute hören können, und man kann kaum verstehen, dass ein Belcanto-Juwel wie diese Oper nach der erfolgreichen Uraufführung fast in Vergessenheit geriet. Glücklicherweise, obwohl es immer noch nicht leicht ist, ‚‘I Capuleti e i Montecchi’ auf der Bühne zu erleben, scheint diese Bellinis Oper in der letzten Zeit eine wahrhaftige Renaissance zu erleben.

Das Duo Vincenzo Bellini und Felice Romani

Capuletti Montecchi Szenenfoto von Ingo Hoehn
Capuletti Montecchi Szenenfoto von Ingo Hoehn

Das Libretto schrieb Felice Romani, der wie erwähnt nicht direkt auf Shakespeare zurückgriff, sondern auf den Textbuch der Nicola Vaccais Oper ‚Giulietta e Romeo’, den er einige Jahre zuvor verfasst hatte. Die Geschichte von Romeo und Julia, bestimmt die berühmteste Liebesgeschichte aller Zeiten, fängt bei Bellini erst an, als die Katastrophe nicht mehr zu verhindern ist.

Die neue Luzerner Produktion

Dottor Lorenzo, Romeo, Giulietta und Capelio (v. l. n. r)
Dottor Lorenzo, Romeo, Giulietta und Capelio (v. l. n. r)

Am Dirigentenpult ist Jonathan Bloxham, der das Luzerner Sinfonieorchester (diesmal auf der Bühne) durch die teils stürmische teils wunderbar melancholische Partitur mit Begeisterung leitet. Maestro und Orchester bringen das Seelendrama wirklich intensiv aber mit sauberem Klang zu Gehör; einfach herzbewegend die Hörner und die Klarinette. Ohne zu sprechen von dem Cello und von der filigranen Begleitung der Arien durch die Harfe.

 

 

 

Sängerisch alle grossartig

Elizabeth Bailey als Giulietta
Elizabeth Bailey als Giulietta

Makellos auch die Leistung vom Gesangsensemble sowie vom Opernchor Luzerner Theater unter der Leitung von Manuel Bethe. Alles wird wirkungsvoll und wunderschön vermittelt. In der Rolle der Giulietta kann man Elizabeth Bailey nur bewundern; auch für die Akustik des Luzerner Hauses singt sie perfekt und mit einer sehr sauberen Intonation, einer tadellosen Gesangskunst und einer ebenmässigen Linienführung. Als Romeo kann man die Mezzosopranistin Solenn’ Lavanant Linke erleben und man kann nur staunen, wie sie mit stimmlicher Agilität und bewundernswerter Klangfarbe, so einen grossartigen, mal stürmischen und dramatischen, mal romantischen Romeo singt. Rührend schon in der AuftrittsarieAscolta, se Romeo t’uccise un figlio’, herzzerreissend  in   ‚Deh! tu bell’anima’. Die Stimmen der beiden Sängerinnen verschmelzen sich buchstäblich in den Duetten: Bellini schuf ja hier einen fantastischen Kontrast, dies auch zur vor allem mit Männerstimmen besetzten Oper. Gut und mit einer schön timbrierten Stimme Daniel Jens als Tebaldo. Sehr gut und mit tadelloser, klarer Diktion Christian Tschelebiew als gnadenloser Vater Capellio, so wie auch Vladyslav Tluschch als Dottor Lorenzo und Giuliettas Vertrauter. Stimmgewaltig, sehr präsent, und mit ihren stark geschminkten Gesichtern manchmal irgendwie auch unheimlich und grotesk die Männer des Chors.

Eine eloquente Semi-Inszenierung

Capuletti Montecchi Szenenfoto von Ingo Hoehn
Capuletti Montecchi Szenenfoto von Ingo Hoehn

Für diese sogenannte semi-konzertante Aufführung hat Christine Cyris eine Art Auftrittschoreographie, oder eben eine Semi-Inszenierung kreiert, die auch ohne Bühnenbild eloquent genug ist. Die Fehde zwischen den beiden Familien, den Capuleti und den Montecchi, die Rivalität zwischen Tebaldo und Romeo, die grosse Liebe zwischen den Protagonisten, also alle Gefühle und Empfindungen bis zum tragischen Schicksal werden beeindruckend und durch eine perfekte Führung der dramatis Personae dargestellt. Optisch interessant, nicht zuletzt wegen Ivo Schniders Light Design, sind auch Ulrike Schneiderers Kostüme: schwarz und dunkelgrau für die Männer, weiss und sehr romantisch für Giulietta.

Eine umjubelte Première

Dank dieser neuen Luzerner Produktion von Bellinis ‚I Capuleti e i Montecchi’ darf das zahlreiche Publikum in den Genuss von wunderbaren musikalischen Kostbarkeiten kommen. Der entsprechend lange und begeisterte Applaus am Ende der Première am letzten  Sonntag war daher keine Überraschung. (Bis Februar 2024)

Text: https://marinellapolli.ch/

Fotos: arinella Polli und Ingo Hoehn   https://www.luzernertheater.ch

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I Capuletti Montecchi Szenenfoto von Ingo Hoehn

Der Opernchor Luzerner Theater unter der Leitung von Manuel Bethe Foto Marinella Polli

I Capuletti Montecchi Szenenfoto von Ingo Hoehn

I Capuletti Montecchi Szenenfoto von Ingo Hoehn

I Capuletti Montecchi Szenenfoto von Ingo Hoehn

Die Ausführenden am Ende der Vorstellung Foto Marinella Polli

Maestro Jonathan Bloxham und das Luzerner Sinfonieorchester am Ende der Vorstellung Foto Marinella Polli

 

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Martinisymposium 2023 Sursee, Motto “Gehirngerecht arbeiten im 21. Jahrhundert”, 25.11.2023, besucht von Léonard Wüst

O.K. Präsidentin des Events und Stadtpräsidentin von Sursee, Sabine Beck – Pflugshaupt begrüsste die Akteure und Symposiumsteilnehmenden

Auch Moderator Stephan Klapproth begrüsst die Teilnehmenden

Programm:
Tagungsleitung: Stephan Klapproth,ehemaliger Fernsehmoderator und Kommunikationsdozent
Referenten: Dr. Henning Beck und Yannick Blättler
Podiumsdiskussion mit it Dr. Henning Beck, Yannick Blättler, Delia Herger
und Manuela Ottiger, Leitung: Stephan Klapproth
Schlusswort von Sabine Beck-Pflugshaupt, Stadtpräsidentin, Sursee

Martinisymposium 2023 Impression
Martinisymposium 2023 Impression

Das Martinisymposium 2023 in Sursee versprach eine fesselnde Auseinandersetzung mit dem Thema “Gehirngerecht arbeiten im 21. Jahrhundert”. Unter der Leitung des erfahrenen Kommunikationsdozenten und ehemaligen Fernsehmoderators Stephan Klapproth gaben renommierte Referenten wie Dr. Henning Beck und Yannick Blättler Einblicke in die Welt der neurozentrierten und Generation Z gerechten Arbeitsweisen. Mit 350 Teilnehmenden, die den inzwischen schweizweit bekannten Anlass besuchten und den Saal komplett füllten, wurde eine neue Rekordmarke erreicht.

Die «Hausherrin», O.K. Präsidentin des Events und Stadtpräsidentin von Sursee, Sabine Beck – Pflugshaupt begrüsste die Akteure,  die gutgelaunte Gästeschar, darunter auch lokale, regionale, kantonale und eidgenössische Behördenmitglieder und frühere Politprominenz wie z.B. Dr. Franz Wicki, alt CVP Ständerat des Kantons Luzern ( Dezember 1995 bis Dezember 2007).

Martinisymposium 2023 Impression
Martinisymposium 2023 Impression

Dann übergab sie das «Tagungszepter» an Moderator Stephan Klapproth der uns sogleich mit einem Pilotenwitz erheiterte, den bekannten Cartoonisten Carlo Schneider vorstellte, der sich links der Bühne an einem Tisch mit seinen Zeichenutensilien eingerichtet hatte und schon fleissig zeichnete. Bevor es zur Sache, d.h. der Tagesordnung überging, konnte es der Politprofi nicht unterlassen, einige spitze Bemerkungen zu machen  in Richtung der aktuellen Wahlresultate in Argentinien und Holland, platzierte noch ein paar pointierte Seitenhiebe zur ev. Wiederwahl des, wie er es nannte, Mannes mit Stroh im und auf dem Kopf in den USA und schloss dieses Kapitel ab, mit der Frage, im Fall  einer Wiederwahl Trumps: wer sind dann die nahesten Nachbarn von Dummheit und beantwortete diese grad selbst mit: Mexiko und Kanada.

Zur Person des Moderators, Kommunikationsdozenten und ehemaligen Fernsehmoderators Stephan Klapproth

Martinisymposium 2023 Impression
Martinisymposium 2023 Impression

Eine missglückte Gleitschirmlektion vor über 30 Jahren bescherte ihm einen gebrochenen Wirbel und in der Folge einen Haltungsschaden. Der fiel am Bildschirm zwar nicht auf, sorgt jedoch für Erstaunen bei manchem, dem Klapproth einfach so begegnet. Dieses sportliche Missgeschick zeitigt aber keinerlei mentale Nachwehen, im Gegenteil, der Mann, Jahrgang 1958,  strotzt nur so von Energie und Tatendrang, Mit seinem ansteckenden Humor und  überschäumenden Temperament fesselt der begnadete Formulierer seine Zuhörerschaft, entlockt seine Partner*innen auf dem Podium diesen und jenen «Trick» im Umgang mit der «Generation Z», analysiert deren Aussagen, kommentiert sie und stellt sie in den richtigen Kontext. Klapproth ist ein begnadeter Rhetoriker. Als Vorbild zitiert er oft und gerne den römischen Dichter Horaz: «Wer ein breites Publikum informieren möchte, der muss unterhalten, muss nützen und ergötzen können.»

Was versteht man unter Generation Z um die es am Symposium fast alles drehte

Martinisymposium 2023 Impression
Martinisymposium 2023 Impression

Für ungewöhnliche Lösungen und neue Ideen steht die Generation Z. Also jene, um die Jahrtausendwende Geborenen, die das Zeitalter vor WLAN und Smartphone nie kennen gelernt haben. Die Generation Z ist technologieaffin. Sie verschmelzt das reale mit dem digitalen Leben und wird als ungeduldig, unverbindlich, fordernd, gesundheits- und umweltbewusst umschrieben.

Referat Dr. Henning Beck: Neurowissenschaftler und Bestsellerautor

 Dr. Henning Beck Referent Martinisymposium 2023
Dr. Henning Beck Referent Martinisymposium 2023

Dr. Henning Beck, Neurowissenschaftler und Autor, erklärte, wie man die Prinzipien des Gehirns für innovatives Denken nutzen kann. Er studierte Biochemie in Tübingen und promovierte 2012 an der dortigen Graduiertenschule für Neurowissenschaften. Anschließend arbeitete er an der University of California in Berkeley und entwickelte für Unternehmen in der San Francisco Bay Area moderne Präsentations- und Marketingstrategien. Derzeit ist er am Scene Grammar Lab der Universität Frankfurt tätig. Henning Beck publiziert regelmäßig für die WirtschaftsWoche, als Videokolumnist für web.de und ist wöchentlicher Interviewgast beim Deutschlandfunk. In seinen populären Büchern schafft er einen verständlichen Zugang zur Welt der Hirnforschung, seine Vorträge machten ihn zum Deutschen Meister im Science Slam 2012. Er ist international gefragter Redner zu Themen wie «Neurobiologie und Kreativität» und unterstützt Firmen, innovative Lern- und Arbeitswelten nach Vorbild des Gehirns zu schaffen.

Dr. Henning Beck gab Einblicke in die Funktionsweise des Gehirns und deren Auswirkungen auf die Arbeitswelt . Seine wissenschaftliche Expertise und praxisnahen Ansätze war ein spannender Beitrag zur Frage, wie wir unsere Arbeitsweisen an die Funktionsweise des Gehirns anpassen können, ins besonders an die Gehirne der sogenannten Generation Z. Auch was passiert bei künftiger Arbeit mit der K I. Diese kenne ja nur Daten und von Menschen generierte Fakten, ein taugliches, wenn auch beschränktes Hilfsmittel für wiederkehrende, relativ einfache, routinemässige Aufgaben, das, wenn richtig angewandt, durchaus nützlich und entlastend sein kann. «Menschen brauchen Freiheit, um auszuprobieren
und Ideen entwickeln zu können», so Beck. Er illustrierte, wie innovatives Denken
funktioniert, was Kreativität ist und wie das menschliche Gehirn ungewöhnliche Lösungen entwickeln kann.

Sein Fazit einfach zusammengefasst: Daten sind tot, Wissen aber lebendig.

Referat Yannick Blättler: Experte für Neuroleadership und Innovationsmanagement

Yannick Blättler Referent Martinisymposium 2023
Yannick Blättler Referent Martinisymposium 2023

Yannick Blättler ist Gründer und Inhaber der auf die Gen Z spezialisierte NEOVISO AG. Sie untersuchen mit eigenen Studien in verschiedenen Industrien regelmässig die 14-25 Jährigen der Schweiz. Dazu beraten sie KMU und Grosskonzerne im Umgang mit dieser jungen Zielgruppe und produzieren Content für Social Media. Yannick hält einen Masterabschluss in Business Innovation der Universität St. Gallen, ist neben seinem 34-köpfigen Team auch Verwaltungsrat der Chrampfcheibe AG und Co- Founder des schweizweiten Studierendenvereins NEO Network. Er steht für Themen wie Marketing, Leadership oder HR nicht nur regelmässig auf der Bühne, sondern auch hinter dem Mikrofon für seinen eigenen Podcast.

Martinisymposium 2023 Impression
Martinisymposium 2023 Impression

Yannick Blättler, Experte für Neuroleadership und Innovationsmanagement, schlug in seinem Vortrag die Brücke zwischen Neurowissenschaften und modernem Führungsverständnis. Neue Generation, neue Arbeitswelt? Er erklärte wie die Mitarbeitenden und Kunden von morgen funktionieren und welche Auswirkungen das auf die Wirtschaft und Gesellschaft hat. Die Jungen wollen nicht mehr in Jahren, gar Dekaden denken, sondern relativ kurzfristige Ziele erreichen und Resultate generieren können, nicht wie z.B. ihre Väter, Berufsziel vom Bauarbeiter, nach Jahren Vorarbeiter, wieder Jahre später Polier und irgendwann gar Bauführer und das wahrscheinlich alles in der gleichen Firma bis zur Pensionierung. Wie können Führungskräfte durch neurozentrierte Ansätze ihre Teams effektiver leiten und innovative Prozesse fördern? Fachkräfte würden, statistisch gesehen, sowieso ein noch rareres Gut auf dem Arbeitsmarkt, kamen in der Schweiz im Jahr 1958, also Babyboomer Generation, noch 90000 Menschen auf die Welt, waren es 2009 grad noch 76000. Diese und andere Fragen standen im Mittelpunkt von Blättlers Beitrag. Sein Motto für die heutige Arbeitswelt mit der nachrückenden Generation Z, für die Wohlstand ganz normal ist und die Technik alles laufend verändert, lautet, instant, flex, klar. New tech, new work, new challenges. Genration Z ist durchschnittlich drei Stunden täglich auf dem Smartphone unterwegs, konsumiert news usw. online und korrespondiert auch digital und gilt als mutiger, lauter aber auch unbequemer.

Podiumsdiskussion: Brückenschlag zwischen Theorie und Praxis

Martinisymposium 2023 Impression
Martinisymposium 2023 Impression

Bei der Podiumsdiskussion nach der Pause, moderiert von Stephan Klapproth, den beiden Referenten und ergänzt mit Delia Herger, Co-Founder/Sales & Marketing jobeagle und Manuela Ottiger, CHRO der CALIDA GROUP und Mitglied der Gruppenleitung, CEO/Inhaberin Ottiger Consulting., entwickelte sich eine vielseitige Diskussion über die Anwendung dieser Erkenntnisse in der Praxis.

Henning Beck erläuterte, man müsse aktivieren statt passivieren.

Yannick Blättler: herausfordern, aber auch erreichbare Ziele in relativ kurzer Zeitspanne vorgeben und/oder Eigeninitiative einfordern. Delia Herger erläuterte, dass Bewerbungen mit ellenlangen CV`s usw. nicht mehr zeitgemäss sind und beispielsweise durch Portraits mit Kurzvideos zielführender sind. Ebenso das gleiche mit Stellenangeboten. Kurztrailer über den Betrieb. Worauf Blättler ergänzt, wer lese heute noch ein 36seitiges Pfd. über die Stellenanforderungen und den Betrieb?

Manuela Ottiger, als CHRO der Calida, schlug in etwa in dieselbe Kerbe, erklärte auch, dass junge Bewerber*innen kaum mehr Stellen suchten aufgrund ev. Aufstiegsmöglichkeiten, sondern etwas Passendes für den Moment und dann schaun mer mal.

Martinisymposium 2023 Impression
Martinisymposium 2023 Impression

Alle waren sich im, von Klapproth souverän choreografiertem Podium einig, dass es die Arbeitswelt, wie wir sie kennen, kaum, oder höchstens noch vereinzelt, geben wird. Chat GPT, Onlinekommunikation, Social media usw. halten Einzug, flexiblere Arbeitszeiten, Sozialverträglichkeit moderne Hierarchiegefüge, anders gestaltete Arbeitsplätze, mental helth, eine möglichst optimale work – life Balance, umweltverträglich usw. werden für Firmen vorausgesetzt, um überhaupt noch Stellen besetzen zu können.

Viel wurde auch von Klarheit und Transparenz geredet, Eibindung der Mitarbeitenden in Formulierung und Erstellung von Geschäftszielen, die Wege dorthin, deren Vereinbarkeit mit der heutigen Ethik etc.

Henning Becks grundsätzliche Erkenntnis: Die Klarheit gibt es nicht, die wächst nicht auf den Bäumen, die muss man schaffen.

Zwischendurch gabs auch noch eine Gesangseinlage in Form eine vielstimmigen „Happy Birthday“ und ein Stück Kuchen samt Geburtstagskerze für Henning Beck, das an diesem Tag 40 Jahre jung wurde.

Fazit eines informativen Nachmittages

Die Cartoonpinnwand
Die Cartoonpinnwand

Die Podiumsdiskussion rundete das Symposium ab, indem es den Brückenschlag zwischen Theorie und Praxis vollzog und konkrete Handlungsempfehlungen für eine gehirngerechte Arbeitswelt lieferte. Sursee wurde somit, für kurze Zeit, zum Zentrum für die Zukunft der Arbeit, indem es Denken und Handeln miteinander verband.

Stadtpräsidentin Sabine Beck – Pflugshaupt ergriff wie immer das Schlusswort, bedankte sich bei den Akteur*innen, Gönnern und Sponsoren, sowie den vielen Mitwirkenden im Organisationskomitee, den engagierten Mitarbeiter*innen der Stadtverwaltung usw. und informierte, dass das nächste Martini Symposium am 27. November 2025 stattfände.

Dann lud sie die Teilnehmenden wie üblich noch zu einem Apero riche, wo noch lange „genetztwerkt und über das gehörte diskutiert wurde.

Die Bilder von Cartoonist Carlo Schneider finden Sie über den eingefügten Link

Die genialen Cartoons von Carlo Schneider

https://www.sursee.ch/_docn/4863619/Cartoons_Martini_Symposium_2023_Schneider_Carlo.pdf

Text: www.leonardwuest.ch

Fotos: Christian Hodel, Stadt Sursee   www.sursee.ch

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Dr. Henning Beck beim Referat

Referent Yannick Blättler

Die Podiumsrunde ist bereit zur Diskussion

v.l. Manuela Ottiger Stephan Klapproth und Delia Herger

Auch Altständerat Franz Wicki gab sich die Ehre als Teilnemer

Selbst 007 war irgendwie dabei

Martinisymposium 2023 die Cartoonpinnwand von Carlo Schneider

 

 

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Migros-Kulturprozent-Classics, BALTIC SEA PHILHARMONIC, KKL Luzern, 21.11. 2023, besucht von Léonard Wüst

BALTIC SEA PHILHARMONIC Foto Bernd Possardt

Konzertimpression Foto Maria Ulrich

Die jungen Solisten des Baltic Sea Philharmonic treten ins Rampenlicht, Kristjan Järvi (links) steht als Motivator, nicht als allmächtiger Dirigent inmitten der Musiker seines Orchesters. Foto Bernd Possardt

Besetzung und Programm:
Baltic Sea Philharmonic
Kristjan Järvi – Leitung
Olga Scheps – Klavier
PROGRAMM — «NUTCRACKER REIMAGINED»
Kristjan Järvi: «Ascending Swans», basierend auf «Lobgesang» aus der Bühnenmusik von Jean Sibelius zu «Schwanenweiss» op. 54
Peter Tschaikowski: «Der Nussknacker», dramatische Sinfonie nach der Ballettmusik op. 71, arrangiert von Kristjan Järvi (Auszüge)
Edvard Grieg: Konzert für Klavier und Orchester a-Moll op. 16
Arvo Pärt: «Swansong» für Orchester
Edward Elgar: «Nimrod» aus «Enigma-Variationen» op. 36
Marius Malancheti Winter Sky
Maria Mutso Sireen
Kristjan Järvi Stringsong Infinity
Johnny Kliemek Precision

 

Es ist nirgendwo in Stein, respektive in Noten gemeisselt, dass klassische Musik per se todernst sein muss.Kristjan Järvi und sein jugendliches Orchester manifestierten dies einzigartig und rockten den KKL Konzertsaal.

Wenn das Publikum die Musiker*innen minutenlang stehend feiert und der Chef derselben wie ein Kobold auf der Bühne rum hüpft ist das nicht unbedingt ein Konzert der «Rolling Stones» im Hallenstadion und der hüpfende Derwisch nicht zwangsläufig Mick Jagger.
Kaum vorstellbar, aber es ist tatsächlich der fulminante Abschluss eines Konzertes der Migros Kulturprozent Classics Reihe im Luzerner KKL..

Bei Kristjan Järvis Projekt «Nutcracker Reimagined» wird die Werkfolge aufgelöst, die einzelnen Stücke gehen gleichsam assoziativ ineinander über. In dem rund neunzigminütigen Klangstrom bildet Järvis eigene Adaption der «Nussknacker»-Musik von Peter Tschaikowsky einen roten Faden; andere Werke, darunter die drei separierten Sätze von Edvard Griegs Klavierkonzert mit Olga Scheps, werden zwanglos integriert.

Ein Orchester in ständiger Bewegung

Kristjan-Jaervi-dirigiert-das-Baltic-Sea-Philharmonic-Foto-Peter-Adamik
Kristjan-Jaervi-dirigiert-das-Baltic-Sea-Philharmonic-Foto-Peter-Adamik

Dazu bewegen sich die während des gesamten Konzerts auswendig und im Stehen spielenden Musiker kreuz und quer über die Bühne, auch Järvi selbst schaut ab und an in den hinteren Reihen nach dem Rechten. Stimmungswechsel und einzelne Solisten werden obendrein durch eine farbenfrohe Lichtregie hervorgehoben.

Mal positionieren sich eine Handvoll Musiker*innen, wie wir als Buben bei den Pfadfindern knieend ums Lagerfeuer, und übernehmen abwechselnd Soloparts, befeuert von den Gesten des Dirigenten.

 

 

 

Kristjan Järvi verkörpert die neue Generation von Dirigent*innen

Dirigent Kristjan Jaervi Foto Sunbeam Productions Siiri-Kumari
Dirigent Kristjan Jaervi Foto Sunbeam Productions Siiri-Kumari

Es ist diese neue Generation von Dirigenten, dazu zähle ich, nebst Kristjan Järvi, z.B. auch Teodor Currentzis, Tugan Sokhiev, die Ukrainerin Oksana Lyniv und auch den Schweizer Titus Engel, die durchaus die Aura von gefeierten Popstars verströmen und mit ihrem Charisma, nicht nur das Publikum, sondern zuerst und vor allem, ihre Mitmusiker motivieren und begeistern und so auf die Reise in diese neuen Welten der Klassik Interpretationen mitnehmen.

«Nutcracker Reimagined» ein Konzert der anderen Art: ein Gesamtkunstwerk aus Musik und Licht, gespielt vom jungen Baltic Sea Philharmonic (Durchschnittsalter der Musiker*innen 23 Jahre) – stehend, auswendig und mit vollem Körpereinsatz.

«Nutcracker Reimagined» nimmt mit auf eine musikalische Reise. Den Auftakt macht das Stück «Ascending Swans», komponiert von Dirigent Kristijan Järvi selbst, basierend auf der Bühnenmusik von Jean Sibelius zu «Schwanenweiss».

Kristjan Järvi knackt die Nuss der verkrusteten Strukturen

Anschliessend begibt man sich in die Welt des «Nussknackers», mit einer neu arrangierten, dramatischen Sinfonie nach der Ballettmusik von Tschaikowski. Dann betritt die phänomenale Pianistin Olga Scheps die Bühne – mit Edward Griegs Klavierkonzert a-Moll.

Nahtloser Übergang von Tschaikowski zu Grieg

Konzertimpression Foto Maria Ulrich
Konzertimpression Foto Maria Ulrich

Vom Nusskacker steigt Kristjan Järvi nahtlos frisch und forsch in das sehr viel gehörte Klavierkonzert des norwegischen «Nationalheiligen» Edvard Grieg ein, das die Streicher mit dunklen Untertönen, die Holzbläser mit fein abschattierten Pastelltönen, das Blech edel gerundet angehen. Olga Scheps am Flügel wirkt darin erfrischend aufgeräumt und gutgelaunt.

Pianistin Olga Scheps Foto Uwe-Arens
Pianistin Olga Scheps Foto Uwe-Arens

Sie setzt auf vollgriffige romantische Attacke, ihr Fortissimo ist dabei freilich nie plärrend laut, sondern wohl gerundet, sie trifft für Grieg die ideale Mitte aus packendem und poetischem Zugriff. Ja, dieser Grieg klingt wie ein nordischer Brahms, mal so gar nicht verniedlicht. Ein feuriger cooler Nordländer, ja das gibt’s, wie Scheeps, eine Pianistin von meisterhafter Eleganz, Kraft und Einsicht, eindrücklich demonstrierte, sehr zur Freude des sachkundigen Auditoriums. Die Pianistin reißt das Publikum mit entschiedenem Anschlag und einer angenehmen Dosis an Präzision und Klarheit mit sich. Im Adagio rollt dann zwar auch das Orchester einen wunderbar samtenen Klangteppich aus, gesamt gesehen bleibt es aber meist wohltuend zurückhaltend und überlässt der Solistin die Oberherrschaft.
Der Dirigent lässt der Russin nicht nur viel Freiheiten, er bestärkt sie gar darin mit Gesten und Blicken.
Diese weiss diesen Auslauf weidlich zu nutzen, präzis ihre Staccato, feinfühlig die perlenden Läufe liebevoll, streichelt sie das Elfenbein unter ihren Fingern, ohne deshalb verweichlicht zu tönen, denn die gebürtige Moskovitin kann auch sehr energisch, wo vom Komponisten angedacht. Sie führt das Orchester durch die anspruchsvolle Partitur, ohne voranzutreiben, immer in Symbiose mit dem jugendlichen nordischen Orchester, das von Kristjan Järvi mit Gesten, Kopfzeichen, ach mal mit hüpfen usw. geleitet wird. Der gebürtigen Este, Mitbegründer des aus Musiker*innen der Ostseeanrainerstaaten bestehenden Klangkörpers  bewegt sich durch die lose aufgereihten Musiker*innen, motiviert hier mit einem Fingerzeig, dort mit einem intensiven Augenkontakt.

Auch die Werke stammen von Komponisten aus der Heimatregion des Orchesters

Den Abschluss des Programms machen Arvo Pärts «Swansong» für Orchester und Edward Elgars «Nimrod» aus «Enigma-Variationen».
Die ganzen Abläufe haben auch etwas mystisches mit einem Kristjan Järvi als eine Art Guru dazwischen, der mit einer verschworenen Truppe Musk zelebriert und auch optisch aufbereitet.

Vertreter einer estnischen Musikerdynastie

Kristjan Jaervi Foto Siiri Kumari
Kristjan Jaervi Foto Siiri Kumari

Der jüngere Bruder des Tonhalle-Chefs Paavo Järvi experimentiert gern mit neuen Konzertformen. Sein «Nutcracker Reimagined»-Projekt rüttelt auf unterhaltsame, auch anregende Weise an den Strukturen des klassischen Musikbetriebs.
Kann man Verwandtschaftsverhältnisse zwischen Musikern hören? Die Frage liegt bei keinem Brüderpaar so nahe wie bei Paavo und Kristjan Järvi. Denn sowohl der Musikdirektor des Tonhalle-Orchesters als auch sein zehn Jahre jüngerer Bruder sind international erfolgreiche Dirigenten. Zudem wurden beide schon in frühester Jugend durch die Persönlichkeit und den Erfahrungsschatz ihres Vaters Neeme geprägt, der als Patriarch dieser Dirigentenfamilie den Namen Järvi mit über 400 CD-Einspielungen zu einer Marke gemacht hat.
Und tatsächlich: Es gibt zwischen den Järvi-Söhnen bemerkenswerte Ähnlichkeiten in der Körpersprache. Beide pflegen einen ausgesprochen pragmatischen, im Kern fast nüchternen Dirigierstil, der auf die optimale Umsetzung des Notentextes fokussiert ist. Auf dieser handwerklichen Ebene braucht es keine grossen Gesten; für interpretatorische Akzente sorgen beide hingegen durch die intensive Interaktion mit jedem einzelnen Musiker, vor allem über den Blickkontakt. Trotzdem ist Kristijan Järvi nicht einfach der jüngere Doppelgänger von Zürichs Paavo.

Ein Kollektiv-Kunstwerk

Als Benjamin der Musikerdynstie Järvi nimmt sich Kristjan Järvi das Recht, aus der Reihe zu tanzen. Mit seinem Baltic Sea Philharmonic, einem Ensemble, das er 2008 zunächst als Jugendorchester am Usedomer Musikfestival gegründet hat, mischt er gezielt den Musikbetrieb auf. Järvi zielt dabei auf die seit dem 19. Jahrhundert kaum veränderten Gepflogenheiten des klassischen Konzerts.

Nicht “normale” Stückabfolge

Konzertimpression Foto Maria Ulrich
Konzertimpression Foto Maria Ulrich

Warum muss man die Werke eines zuvor festgelegten Programms immer säuberlich voneinander getrennt und der Reihe nach abarbeiten? So fragt er sich beispielsweise. Warum müssen die Mitglieder eines Sinfonieorchesters immer starr nach einer wenig variablen Sitzordnung auf der Bühne Platz nehmen, traditionell ausgerichtet auf den Dirigenten? Und warum nicht auch einmal die Hierarchie zwischen dem Podium und der weitgehend passiven Hörerschaft im dunklen Saal durchbrechen? So animiert der Dirigent nicht nur seine Mitmusiker*innen, sondern auch das Auditorium mit Gesten und auffordernden Blicken.

Konzept soll auch junges Publikum in die Konzertsäle holen

Konzertimpression Foto Maria Ulrich
Konzertimpression Foto Maria Ulrich

Neue Formen um eine neue, jüngere Zielgruppe in die Konzertsäle zu holen
Solche Überlegungen stellen mittlerweile viele Interpreten an, um den Zugang zu klassischen Konzerten, gerade für Neulinge, zu erleichtern. Das Publikum «abholen» heisst das im Zeitgeist-Jargon – Krystian Järvi aber macht damit auf ebenso radikale wie unterhaltsame Weise Ernst. Bei seinem auf der Tournee präsentierten Projekt «Nutcracker Reimagined» wird die Werkfolge aufgelöst, die einzelnen Stücke gehen gleichsam assoziativ ineinander über. In dem rund neunzigminütigen Klangstrom bildet Järvis eigene Adaption der «Nussknacker»-Musik von Peter Tschaikowsky einen roten Faden; andere Werke, darunter die drei separierten Sätze von Edvard Griegs Klavierkonzert mit Olga Scheps, werden zwanglos eingeflochten

Überraschende, sehr erfrischend anregende Inszenierung

Konzertimpression Foto Maria Ulrich
Konzertimpression Foto Maria Ulrich

Dazu bewegen sich die auswendig und im Stehen spielenden Musiker*innen kreuz und quer über die Bühne, auch Järvi selbst schaut ab und an in den hinteren Reihen nach dem Rechten. Stimmungswechsel und einzelne Solisten werden obendrein durch eine farbenfrohe Lichtregie hervorgehoben. Das Ergebnis erinnert eher an eine Performance, an einen Flash-Mob oder auch an ein Filmkonzert, bei dem die Darbietung selbst der beste Film ist. Die Suggestivität dieses Musik-Happenings trifft jedenfalls beim Publikum auf offene Ohren und wache Sinne – am Ende gibt es Ovationen für ein nahezu perfekt durchchoreografiertes überraschendes Konzerterlebnis.

Neue Konzertformate

Konzertimpression Foto Maria Ulrich
Konzertimpression Foto Maria Ulrich

Aber ist dies nun das Konzert der Zukunft? Sicher nicht, dazu sind die praktischen Zwänge und auch die Beharrungskräfte des Musikbetriebs zu stark. Traditionalisten dürfte das beruhigen. Allerdings hat jüngst auch Paavo Järvi – nach seiner vollzogenen Vertragsverlängerung in Zürich – angekündigt, er wolle verstärkt mit neuen Konzertformaten experimentieren. Es liegt offenbar in der Familie.
Kristjan Järvi und sein Orchester werden ihr Ding durchziehen und uns noch etliche Male überraschen und zum Staunen bringen. Dass dies nicht überall auf ungeteilte Zustimmung stossen wird ist ebenso sicher wie die Gewissheit, dass dies den Dirigenten und seine Truppe nicht aufhalten wird, neue Wege zu beschreiten, die gewohnten Pfade zu verlassen.
Das Publikum jedenfalls honorierte diesen besonderen Konzertgenuss mit einer nicht enden wollenden begeisterten stehenden Ovation und etliche hüpften gar mit, wie es der Dirigent auf der Bühne vormachte.

Das animierte die Protagonisten dazu, noch eine längere Zugabe zu geben, auch diese genossen und bejubelt vom Auditorium.

Text: www.leonardwuest.ch

Fotos: Mria Ulrich und  http://www.migros-kulturprozent-classics.ch/  

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Konzertimpression Foto Maria Ulrich

Kristjan Jaervi Leitung Foto Siiri Kumari

Konzertimpression Foto Maria Ulrich

Olga Scheps Solistin am KlavierFoto Uwe Arens

Konzertimpression Foto Maria Ulrich

Konzertimpression Foto Maria Ulrich

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