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Vermischtes

Neue MBA-Studienangebote an der Ostfalia

An der Fakultät Verkehr-Sport-Tourismus-Medien der Ostfalia Hochschule für
angewandte Wissenschaften starten zum Wintersemester 2021/22 zwei MBA-
Studienangebote.

Am Campus Salzgitter der Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften
starten zum Wintersemester 2021/22 gleich zwei neue MBA-Programme (Master
of Business Administration). Es handelt sich dabei um die MBA-Studiengänge
„Stadtmarketing“ und „Management gesellschaftlicher Innovationen“ an der
Fakultät Verkehr-Sport-Tourismus-Medien. Beide werden als weiterbildende
Fernstudiengänge mit Präsenzphasen im Blended-Learning-Format angeboten.
Die Studiengänge arbeiten intensiv mit berufsständigen Organisationen und
potenziellen Arbeitgebern zusammen. „Insbesondere die intensive
Kooperation mit Städten, Kommunen und Firmen fördert gewinnbringende
Synergien, da flexibel sowohl auf die Bedürfnisse der Studierenden als
auch gleichermaßen auf die Anforderungen der Arbeitswelt eingegangen
werden kann“, sagt Studiengangsleiter Prof. Dr. Andreas Jain.

Die Konzeption des MBA-Studiengangs „Stadtmarketing“ ist in enger
Abstimmung mit der Bundesvereinigung City- und Stadtmarketing Deutschland
e.V. (bcsd) erfolgt, die mit weit über 400 Mitgliedern den Berufsstand
vertritt. Gemeinsam haben Praxis und Wissenschaft die Anforderungen an
einen zukunftsfähigen Studiengang definiert, sodass künftigen
Führungskräften fachspezifisches Know-how, wie kommunale Strukturen,
strategisches Stadtmarketing oder städtische Infrastruktur vermittelt
werden. Aber auch General Management Skills, wie Projektmanagement oder
Management-Techniken, sind Bestandteil des Studienplans.

Der MBA-Studiengang „Management gesellschaftlicher Innovationen“ wurde
gemeinsam mit der Fakultät Wirtschaft der Ostfalia Hochschule entwickelt
und wird in Kooperation beider Fakultäten mit abwechselnden Präsenzphasen
in Wolfsburg und Salzgitter durchgeführt. Der Studiengang greift aktuelle
Fragestellungen auf, die gesellschaftliche Veränderungsprozesse mit sich
bringen. Er vermittelt aber auch wichtiges Hintergrundwissen zu Themen wie
Klimafolgen, Innovationskultur und Managementdiagnostik.

Weitere Informationen zu den neuen MBA-Studiengängen sowie der Anmeldung
zur Online-Vorstellung am 28. April und 3. Juni unter: www.ostfalia.de/gi
und www.ostfalia.de/stm.

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Digitale Souveränität: acatech IMPULS entwirft Schichtenmodell als Handlungsrahmen für die EU

Cover acatech IMPULS
Cover acatech IMPULS

Es sei an der Zeit, dass die EU ihre digitale Souveränität stärkt,
schrieben Bundeskanzlerin Angela Merkel und Amtskolleginnen kürzlich in
einem offenen Brief. Doch wie lässt sich das komplexe Ziel in konkrete
Handlung übersetzen? Der heute erschienene IMPULS „Digitale Souveränität“
von acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften schafft den
Rahmen: Ein neues Schichtenmodell unterscheidet acht Ebenen digitaler
Souveränität, anhand derer sich punktgenaue Handlungsoptionen ergeben.

Die Corona-Krise hat wie unter einem Brennglas den Nutzen digitaler
Anwendungen verdeutlicht. Sie hat aber auch gezeigt, wie wichtig digitale
Souveränität wird: Plattformen für Online-Meetings ermöglichen den Kontakt
auf Abstand, werfen aber auch Datenschutzfragen auf. Digitale
Unterrichtsangebote sind gefragter denn je, doch auch hier gibt es
Streitpunkte im Hinblick auf die Zuverlässigkeit und den Schutz der
Privatsphäre. Der Austausch von medizinischen Daten in Echtzeit ist
wichtiger denn je, doch immer noch werden viele Informationen mit Papier,
Stift, Drucker und Faxgerät ausgetauscht. Quer durch alle
Anwendungsbereiche dominieren Plattform- und Cloud-Anbieter außerhalb der
EU.

„Digitale Souveränität ist nicht nur eine Frage der Wettbewerbsfähigkeit,
sondern auch der politischen Selbstbestimmtheit der Europäischen Union und
ihrer Mitgliedsstaaten“, schreiben die Herausgeber des nun vorliegenden
acatech IMPULSES „Digitale Souveränität“: Karl-Heinz Streibich, Henning
Kagermann und Katrin Suder. „Die Idee einer Digitalen Souveränität
europäischer Prägung zielt auf eine Digitalisierung, die Wahlfreiheit
lässt, die europäischen Rechts- und Wertevorstellungen folgt, die sich der
Welt öffnet und fairen Wettbewerb fördert.“

Die Autorengruppe spricht sich in ihrem Impuls klar gegen Protektionismus
aus. Das wichtigste Element digitaler Souveränität sei
Gestaltungsfreiheit. Eine freie Gesellschaft mitsamt ihrer öffentlichen
Einrichtungen, Organisationen und Unternehmen müsse frei wählen können,
welche digitalen Technologien, Dienste oder Anbieter sie nutzt. Wo diese
Wahlfreiheit in Frage steht oder fehlt, müsse sie behauptet werden.

Die wichtigsten Hebel zur Behauptung digitaler Souveränität sind dem
Impulspapier zufolge Investitionen (am besten in die jeweils nächste
Generation digitaler Technologie), das Aufbrechen von Lock-in-Effekten
(also der Bindung an ein digitales Angebot durch Hürden beim
Anbieterwechsel) und europäisches Wachstum in strategisch wichtigen
Bereichen. Für die genaue Analyse von Stärken, Schwächen und sinnvollen
Handlungsmöglichkeiten entwirft das Impuls-Papier ein Schichtenmodell mit
acht Ebenen: Ausgehend von zugrundeliegenden Rohmaterialien und
Komponenten über Kommunikationsinfrastrukturen und Cloud-Plattformen, bis
hin zu europäischen Datenräumen, Softwaretechnologien und dem
rahmengebenden europäischen Rechts- und Wertesystem.

Für jede dieser acht Schichten analysiert der acatech IMPULS exemplarisch
kritische Bereiche. Eine der Schichten sind die Komponenten digitaler
Geräte und Infrastrukturen. Politischer Handlungsbedarf bestehe auf dieser
Ebene vor allem im Bereich Mikrochips. Der Grad an Abhängigkeiten von
Wirtschaftsräumen jenseits der EU sei hoch. Daraus ergeben sich
Verwundbarkeiten, die im ersten Quartal des Jahres 2021 durch eine
konkrete Mangelsituation in zahlreichen Branchen deutlich sichtbar wurden.

Auf Ebene der Datenräume konstatiert die Expertengruppe: Im B2C-Bereich
(Angebote für Privatnutzer) dominieren bereits digitale Plattformen aus
den USA und China. Innerhalb der B2C-Datenräume gehe es um europäische
Regulationshoheit (im Sinne eines  europäischen Digital Service Acts als
Antwort auf den US Cloud Act) sowie Governance-Hoheit, also die
Durchsetzung europäischer DSVGO-Standards gegenüber Anbietern außerhalb
der EU. Bei den Datenräumen im gewerblichen und öffentlichen Bereich (B2B)
sei der Wettbewerb dagegen noch offen. Ihr Aufbau muss dem Impuls-Papier
zufolge daher politisch begleitet und gefördert werden. Ausgangspunkte
seien die GAIA-X Initiative und die International Data Spaces (IDS).
Beispielgebend könne der Datenraum Mobilität werden, den acatech gemeinsam
mit der Bundesregierung sowie privaten und öffentlichen Mobilitätsanbieter
derzeit aufbaut.

Die Autorengruppe konstatiert: Sollte es digitalen außereuropäischen
Hyperscalern gelingen, neben ihrer Dominanz in den Konsumentenplattformen
auch in den industriellen Datenräumen eine vorherrschende Position zu
erlangen, hätte dies gravierende wirtschaftliche Konsequenzen und würde
die Spielräume digitaler Souveränität empfindlich einschränken. Die
Ausgangsposition ist nach den Worten von Karl-Heinz Streibich besser als
oft behauptet: „Wenn Deutschland und die Europäische Union die
Handlungsfelder digitaler Souveränität strategisch und konzertiert
angehen, haben wir gute Chancen auf einen selbstbestimmten Weg in die
Digitalisierung. Denn in der anstehenden Phase der Digitalisierung fällt
es industriell geprägten Unternehmen leichter, sich zu digitalisieren, als
dass es Digitalunternehmen gelingt, industrielle Wertschöpfung
nachzuvollziehen.“

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Maximalversorgung am Uniklinikum Dresden startet bereits im Kreißsaal bei angenabeltem Frühgeborenen

Prof. Mario Rüdiger (r.) und OA Dr. Cahit Birdir zeigen den Geburtstisch „Concord Birth Trolley“, der bei der Geburt von Frühgeborenen am Uniklinikum Dresden nun zum Einsatz kommt.  UKD/Marc Eisele
Prof. Mario Rüdiger (r.) und OA Dr. Cahit Birdir zeigen den Geburtstisch „Concord Birth Trolley“, der bei der Geburt von Frühgeborenen am Uniklinikum Dresden nun zum Einsatz kommt. UKD/Marc Eisele

Am Zentrum für feto/neonatale Gesundheit am Universitätsklinikum Carl
Gustav Carus Dresden wurde jetzt erstmals ein frühgeborenes Kind auf einem
neuartigen Geburtstisch versorgt. Deutschlandweit ist es der erste Einsatz
eines solchen Tisches überhaupt. Der Einsatz wurde zuvor in den
Niederlanden sowie in Österreich erprobt. Der Geburtstisch „Concord Birth
Trolley“ ermöglicht es den Medizinern, dem zu früh geborene Kind noch im
angenabelten Zustand direkt bei der Mutter die notwendige medizinische
Unterstützung zu geben. „Unser Zentrum für feto/neonatale Gesundheit ist
damit Vorreiter bei der Versorgung von extrem unreifen Frühgeborenen“,
sagt Direktor Prof. Mario Rüdiger.

„Wir sind sehr stolz, als erstes Zentrum in Deutschland eine Methode
einzuführen, die auch Frühgeborenen einen sanften Start in das Leben
ermöglicht.“ Maira kam am 19. März zusammen mit ihrem Bruder Avik in der
34. Schwangerschaftswoche zur Welt. Beide Kinder werden jetzt in der
Kinderklinik am Uniklinikum versorgt. Da der Junge bei dem Kaiserschnitt
als erster zur Welt kam, wurde er im Nachbarraum zum Kreißsaal versorgt.
Maira haben die Ärzte auf dem „Concord Birth Trolley“ direkt bei der
Mutter stabilisiert und erst danach die Nabelschnur durchtrennt.

Die Nabelschnur verbindet das Ungeborene mit der Mutter und versorgt es
unter anderem mit Sauerstoff. Nach der Geburt ist das Neugeborene auf sich
selbst angewiesen und muss selbstständig atmen. Bei einer normalen Geburt
wird die Nabelschnur meistens erst durchtrennt, wenn das Neugeborene die
ersten Atemzüge gemacht hat. Bei Frühgeborenen ist es schwieriger, diese
Abläufe einzuhalten. Bedingt durch die Unreife benötigen sie sehr häufig
eine Unterstützung. Ausreichende Atmungsaktivitäten stellen sich oft erst
nach einigen Minuten ein. Da diese Kinder oft per Kaiserschnitt zur Welt
kommen und gleich abgenabelt werden, findet während dieser ersten
Lebensminuten auch keine Versorgung über die Nabelschnur mehr statt. Damit
einher geht bei unreifen Kindern die Gefahr einer langfristigen
Schädigung.

Durch die verbesserte Erstversorgung im Kreißsaal haben Mediziner nun die
Hoffnung, dass sich diese Schäden künftig minimieren beziehungsweise
vermeiden lassen. Diese Annahme beruht auf klinischen Studien, deren
Ergebnisse in der Vergangenheit auf dem internationalen Treffen der
Forscher am Zentrum für feto/neonatale Gesundheit in Dresden vorgestellt
wurden. So müsste es auf dem Concord Geburtstisch gelingen, das
frühgeborene Kind erst dann abzunabeln, wenn es eine ausreichende
Eigenatmung aufweist. Diese Erkenntnis in die Praxis umzusetzen war bisher
schwierig. Die Arbeitsgruppe um Prof. Arjan te Pas, ein langjähriger
Kooperationspartner des Zentrums für feto/neonatale Gesundheit Dresden,
hat im niederländischen Leiden einen speziellen Tisch entwickelt, der es
ermöglicht, dem Kind die notwendige medizinische Unterstützung zu geben,
obwohl es noch durch die Nabelschnur mit der Mutter verbunden ist.

Der neue CE-zertifizierte Geburtstisch „Concord Birth Trolley“ (con –
„mit“, cord – „Nabelschnur“) wurde erstmals 2019 auf dem internationalen
Symposium in Dresden von dem Startup Concord Neonatal der Öffentlichkeit
vorgestellt und kam im vergangenen Jahr in acht niederländischen Zentren
bei der Versorgung extrem unreifer Frühgeborener zur Anwendung. „Unser
Kooperationspartner in Leiden ist von der Versorgung begeistert. Deshalb
wollen wir die Vorteile des Tisches nun auch in Dresden anbieten und die
Erkenntnisse in die Praxis überführen“, sagt Prof. Mario Rüdiger, Direktor
des Zentrums für feto/neonatale Gesundheit. Damit bietet das Uniklinikum
Dresden als erste Einrichtung deutschlandweit eine Versorgung von
Frühgeborenen auf dem Geburtstisch „Concord Birth Trolley“ an. Am 19. März
wurde das erste Kind darauf versorgt: Das kleine Mädchen Maira wurde in
der 34. Schwangerschaftswoche mit einem Gewicht von 1975 Gramm geboren.
Bei der Zwillingsgeburt per Kaiserschnitt hat Mama Soni Singh zunächst
einen Jungen zur Welt gebracht. Mairas Bruder Avik wog 2040 Gramm und
wurde im Nebenraum des Kreißsaals versorgt. Maira dagegen haben die Ärzte
auf dem Geburtstisch direkt bei der Mutter stabilisiert Der Kaiserschnitt
in der 34. Schwangerschaftswoche war notwendig, weil die Kinder im Bauch
der Mutter nicht mehr gut genug versorgt wurden.

„Diese neue Methode ist ein Meilenstein in der perinatalen Medizin. Die
innovative Infrastruktur ermöglicht mit dem interdisziplinären Team auch
den unreifen Frühgeborenen einen optimalen Start ins Leben“, sagt Prof.
Michael Albrecht, Medizinischer Vorstand des Universitätsklinikums.
„Dresden ist seit vielen Jahren Vorreiter in der interdisziplinar
ausgerichteten Medizin. Begonnen hatte es mit dem innovativ konzipierten
Kinder-Frauenzentrum, in dem Geburtshilfe und Kinderklinik Tür an Tür
angesiedelt sind. In den vergangenen 20 Jahren konnte sich auf dieser
Grundlage eine Expertise entwickeln, die auch auf dem Gebiet der feto-
neonatalen Medizin die führende Rolle der Hochschulmedizin Dresden
untermauert.“ Zehn Prozent aller Kinder in Deutschland kommen zu früh,
also vor der 37. Schwangerschaftswoche, auf die Welt. Ein Prozent der
Schwangerschaften endet sogar bereits vor der 32. Woche – Mediziner
sprechen dann von extrem zu früh Geborenen. Diese Kinder wiegen unter
1.500 Gramm und benötigen eine besondere medizinische Versorgung. 2020
kamen am Uniklinikum Dresden insgesamt 409 Frühgeborene zur Welt.

Auch für die Mütter ist diese Methode von großem Vorteil. Während sie in
der Vergangenheit ihr frühgeborenes Kind während der ersten Lebensminuten
nicht sehen konnten, sind sie jetzt dabei und erleben, wenn es die ersten
Atemzüge macht. „Davon profitieren auch Mütter, deren Kinder zum
errechneten Geburtstermin per Kaiserschnitt zur Welt kommen“, sagt PD Dr.
Cahit Birdir, Leiter der Pränatalmedizin und Geburtshilfe an der Klinik
für Frauenheilkunde und Geburtshilfe. „Die sogenannte Kaisergeburt kann
jetzt auch für Mütter von Frühgeborenen angeboten werden.“

Damit erfüllt sich ein weiterer Schritt hin zu der Vision, auch die
Geburten von Frühgeborenen so zu gestalten, dass der Kontakt zwischen
Eltern und Kind von Anfang an gestärkt wird. Die Mediziner wissen aus der
langjährigen Erfahrung, wie wichtig der Kontakt zwischen Eltern und
Kindern gerade bei Frühgeborenen ist. Sobald das Baby ausreichend versorgt
und der Kaiserschnitt der Mutter beendet ist, kommen beide wieder
zusammen, um dann – gemeinsam mit dem Vater – die Nähe in der neuen
Familie zu spüren.

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„Science“-Titelgeschichte: Forscher lösen Rätsel um Adlermörder

Cover von
Cover von "Science" Reprinted with permission from AAAS

Im Süden der USA sterben seit den 1990er Jahren Weißkopfseeadler, aber
auch andere Vögel sowie Reptilien und Fische an einer mysteriösen
neurodegenerativen Krankheit. Ein Forschungsteam unter Leitung der Martin-
Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) und der University of Georgia,
USA, konnte nun die Ursache für das Sterben identifizieren: ein Gift, das
von Cyanobakterien gebildet wird, die wiederum auf invasiven
Wasserpflanzen in den betroffenen Regionen wachsen. Verstärkt wird das
Problem möglicherweise durch den Einsatz von Herbiziden zur Bekämpfung der
Pflanzen. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift "Science"
veröffentlicht.

1994 kommt es im Bundesstaat Arkansas in den USA zu einem Massensterben
des Weißkopfseeadlers. Die Tiere verlieren die Kontrolle über ihren Körper
und in ihrem Gehirn entstehen Löcher. Die zuvor unbekannte
neurodegenerative Krankheit wird Vacuolar Myelinopathy (VM) genannt. "Es
war ein Mysterium, woher die Krankheit kommt", sagt Prof. Dr. Timo
Niedermeyer vom Institut für Pharmazie der MLU.

Amerikanische Forscher stellen zunächst fest, dass nicht nur Adler,
sondern auch ihre pflanzenfressenden Beutetiere betroffen sind. Sie finden
einen Zusammenhang mit einer invasiven Wasserpflanze (Hydrilla
verticillata), die in Süßwasserseen der betroffenen Regionen wächst.
Allerdings gibt es auch Seen mit der Wasserpflanze, an denen die Krankheit
nicht auftritt. Susan B. Wilde, Professorin an der Warnell School of
Forestry and Natural Resources an der University of Georgia, findet 2005
schließlich ein bisher unbekanntes Cyanobakterium auf den Blättern der
invasiven Pflanze, das offenbar für die Krankheit verantwortlich ist: Nur
dort, wo das Cyanobakterium auf der Pflanze wächst, kommt es zu VM. Sie
nennt das Bakterium "Adlermörder, der auf Hydrilla wächst": Aetokthonos
hydrillicola.

"Ich bin über eine Pressemitteilung der Universität gestolpert und war von
dieser Entdeckung begeistert, weil ich seit Jahren mit Cyanobakterien
gearbeitet habe", sagt Niedermeyer. Er lässt sich Proben zuschicken,
kultiviert die Bakterien im Labor und schickt sie in die USA zurück. Doch
die dortigen Tests ergeben nichts, die Krankheit wird durch die
Laborkulturen nicht ausgelöst. "Nicht nur die Vögel hat das in den
Wahnsinn getrieben, uns auch. Wir wollten dieses Rätsel unbedingt lösen",
sagt Niedermeyer. Erneut lässt er sich Blätter mit dem Bakterium
zuschicken. Steffen Breinlinger, Doktorand in seiner Arbeitsgruppe,
untersucht nun mit einem neuen bildgebenden Massenspektrometer Molekül für
Molekül die Zusammensetzung auf der Blattoberfläche. Und findet dabei eine
neue Substanz, die auf den Blättern nur dort vorkommt, wo die
Cyanobakterien wachsen. In den kultivierten Bakterien findet man sie
jedoch nicht.

Seine Untersuchungen der chemischen Struktur des isolierten Moleküls
ergeben, dass es fünf Bromatome enthält. "Die Struktur ist wirklich
spektakulär", sagt Breinlinger. Die Eigenschaften seien ungewöhnlich für
ein von Bakterien gebildetes Molekül. Und sie liefern die Erklärung dafür,
warum das Gift unter Laborbedingungen nicht gebildet wurde: Standardmedien
für die Kultivierung von Cyanobakterien enthalten kein Bromid. "Wir haben
dann unsere Laborbakterien mit Bromid versetzt und daraufhin haben sie das
Toxin ebenfalls gebildet", so Breinlinger. Wilde und ihre Mitarbeiter
testen das isolierte Molekül, das nun endlich, nach fast einem Jahrzehnt
Forschung in den Laboren von Wilde und Niedermeyer, ein Treffer ist: Es
löst VM aus. In Anlehnung an das Bakterium nennen die Forscher ihre
Entdeckung Aetokthonotoxin - "Adlermördergift". "Jetzt hatten wir endlich
den Täter überführt, und sogar die Tatwaffe gefunden", sagt Susan B.
Wilde.

Eine beteiligte Arbeitsgruppe der tschechischen Akademie der
Wissenschaften hat zudem bereits DNA-Abschnitte gefunden, die
Erbinformationen für die Synthese des neuen Moleküls enthalten. Warum die
Cyanobakterien auf den Wasserpflanzen das Gift bilden, ist jedoch nicht
abschließend geklärt. Möglicherweise spielt dabei eines der Herbizide zur
Bekämpfung der invasiven Wasserpflanze eine Rolle: Es enthält Bromid und
stimuliert so möglicherweise die Bildung des Gifts.

In Europa ist die Nervenkrankheit bisher nicht aufgetreten, es sind auch
noch keine Vorkommen des Toxin-bildenden Cyanobakteriums bekannt.

Die Studie wurde finanziert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft
(DFG), die tschechische Wissenschaftsstiftung GAČR, das US Department of
Interior, US Fish and Wildlife, die Florida Fish & Wildlife Conservation
Commission, die Gulf States Marine Fisheries Commission, den National
Institute of Food and Agriculture McIntire-Stennis Capacity Grant und die
American Eagle Foundation.

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