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Maximalversorgung am Uniklinikum Dresden startet bereits im Kreißsaal bei angenabeltem Frühgeborenen

Prof. Mario Rüdiger (r.) und OA Dr. Cahit Birdir zeigen den Geburtstisch „Concord Birth Trolley“, der bei der Geburt von Frühgeborenen am Uniklinikum Dresden nun zum Einsatz kommt.  UKD/Marc Eisele
Prof. Mario Rüdiger (r.) und OA Dr. Cahit Birdir zeigen den Geburtstisch „Concord Birth Trolley“, der bei der Geburt von Frühgeborenen am Uniklinikum Dresden nun zum Einsatz kommt. UKD/Marc Eisele
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Prof. Mario Rüdiger (r.) und OA Dr. Cahit Birdir zeigen den Geburtstisch „Concord Birth Trolley“, der bei der Geburt von Frühgeborenen am Uniklinikum Dresden nun zum Einsatz kommt.  UKD/Marc Eisele
Prof. Mario Rüdiger (r.) und OA Dr. Cahit Birdir zeigen den Geburtstisch „Concord Birth Trolley“, der bei der Geburt von Frühgeborenen am Uniklinikum Dresden nun zum Einsatz kommt. UKD/Marc Eisele

Am Zentrum für feto/neonatale Gesundheit am Universitätsklinikum Carl
Gustav Carus Dresden wurde jetzt erstmals ein frühgeborenes Kind auf einem
neuartigen Geburtstisch versorgt. Deutschlandweit ist es der erste Einsatz
eines solchen Tisches überhaupt. Der Einsatz wurde zuvor in den
Niederlanden sowie in Österreich erprobt. Der Geburtstisch „Concord Birth
Trolley“ ermöglicht es den Medizinern, dem zu früh geborene Kind noch im
angenabelten Zustand direkt bei der Mutter die notwendige medizinische
Unterstützung zu geben. „Unser Zentrum für feto/neonatale Gesundheit ist
damit Vorreiter bei der Versorgung von extrem unreifen Frühgeborenen“,
sagt Direktor Prof. Mario Rüdiger.

„Wir sind sehr stolz, als erstes Zentrum in Deutschland eine Methode
einzuführen, die auch Frühgeborenen einen sanften Start in das Leben
ermöglicht.“ Maira kam am 19. März zusammen mit ihrem Bruder Avik in der
34. Schwangerschaftswoche zur Welt. Beide Kinder werden jetzt in der
Kinderklinik am Uniklinikum versorgt. Da der Junge bei dem Kaiserschnitt
als erster zur Welt kam, wurde er im Nachbarraum zum Kreißsaal versorgt.
Maira haben die Ärzte auf dem „Concord Birth Trolley“ direkt bei der
Mutter stabilisiert und erst danach die Nabelschnur durchtrennt.

Die Nabelschnur verbindet das Ungeborene mit der Mutter und versorgt es
unter anderem mit Sauerstoff. Nach der Geburt ist das Neugeborene auf sich
selbst angewiesen und muss selbstständig atmen. Bei einer normalen Geburt
wird die Nabelschnur meistens erst durchtrennt, wenn das Neugeborene die
ersten Atemzüge gemacht hat. Bei Frühgeborenen ist es schwieriger, diese
Abläufe einzuhalten. Bedingt durch die Unreife benötigen sie sehr häufig
eine Unterstützung. Ausreichende Atmungsaktivitäten stellen sich oft erst
nach einigen Minuten ein. Da diese Kinder oft per Kaiserschnitt zur Welt
kommen und gleich abgenabelt werden, findet während dieser ersten
Lebensminuten auch keine Versorgung über die Nabelschnur mehr statt. Damit
einher geht bei unreifen Kindern die Gefahr einer langfristigen
Schädigung.

Durch die verbesserte Erstversorgung im Kreißsaal haben Mediziner nun die
Hoffnung, dass sich diese Schäden künftig minimieren beziehungsweise
vermeiden lassen. Diese Annahme beruht auf klinischen Studien, deren
Ergebnisse in der Vergangenheit auf dem internationalen Treffen der
Forscher am Zentrum für feto/neonatale Gesundheit in Dresden vorgestellt
wurden. So müsste es auf dem Concord Geburtstisch gelingen, das
frühgeborene Kind erst dann abzunabeln, wenn es eine ausreichende
Eigenatmung aufweist. Diese Erkenntnis in die Praxis umzusetzen war bisher
schwierig. Die Arbeitsgruppe um Prof. Arjan te Pas, ein langjähriger
Kooperationspartner des Zentrums für feto/neonatale Gesundheit Dresden,
hat im niederländischen Leiden einen speziellen Tisch entwickelt, der es
ermöglicht, dem Kind die notwendige medizinische Unterstützung zu geben,
obwohl es noch durch die Nabelschnur mit der Mutter verbunden ist.

Der neue CE-zertifizierte Geburtstisch „Concord Birth Trolley“ (con –
„mit“, cord – „Nabelschnur“) wurde erstmals 2019 auf dem internationalen
Symposium in Dresden von dem Startup Concord Neonatal der Öffentlichkeit
vorgestellt und kam im vergangenen Jahr in acht niederländischen Zentren
bei der Versorgung extrem unreifer Frühgeborener zur Anwendung. „Unser
Kooperationspartner in Leiden ist von der Versorgung begeistert. Deshalb
wollen wir die Vorteile des Tisches nun auch in Dresden anbieten und die
Erkenntnisse in die Praxis überführen“, sagt Prof. Mario Rüdiger, Direktor
des Zentrums für feto/neonatale Gesundheit. Damit bietet das Uniklinikum
Dresden als erste Einrichtung deutschlandweit eine Versorgung von
Frühgeborenen auf dem Geburtstisch „Concord Birth Trolley“ an. Am 19. März
wurde das erste Kind darauf versorgt: Das kleine Mädchen Maira wurde in
der 34. Schwangerschaftswoche mit einem Gewicht von 1975 Gramm geboren.
Bei der Zwillingsgeburt per Kaiserschnitt hat Mama Soni Singh zunächst
einen Jungen zur Welt gebracht. Mairas Bruder Avik wog 2040 Gramm und
wurde im Nebenraum des Kreißsaals versorgt. Maira dagegen haben die Ärzte
auf dem Geburtstisch direkt bei der Mutter stabilisiert Der Kaiserschnitt
in der 34. Schwangerschaftswoche war notwendig, weil die Kinder im Bauch
der Mutter nicht mehr gut genug versorgt wurden.

„Diese neue Methode ist ein Meilenstein in der perinatalen Medizin. Die
innovative Infrastruktur ermöglicht mit dem interdisziplinären Team auch
den unreifen Frühgeborenen einen optimalen Start ins Leben“, sagt Prof.
Michael Albrecht, Medizinischer Vorstand des Universitätsklinikums.
„Dresden ist seit vielen Jahren Vorreiter in der interdisziplinar
ausgerichteten Medizin. Begonnen hatte es mit dem innovativ konzipierten
Kinder-Frauenzentrum, in dem Geburtshilfe und Kinderklinik Tür an Tür
angesiedelt sind. In den vergangenen 20 Jahren konnte sich auf dieser
Grundlage eine Expertise entwickeln, die auch auf dem Gebiet der feto-
neonatalen Medizin die führende Rolle der Hochschulmedizin Dresden
untermauert.“ Zehn Prozent aller Kinder in Deutschland kommen zu früh,
also vor der 37. Schwangerschaftswoche, auf die Welt. Ein Prozent der
Schwangerschaften endet sogar bereits vor der 32. Woche – Mediziner
sprechen dann von extrem zu früh Geborenen. Diese Kinder wiegen unter
1.500 Gramm und benötigen eine besondere medizinische Versorgung. 2020
kamen am Uniklinikum Dresden insgesamt 409 Frühgeborene zur Welt.

Auch für die Mütter ist diese Methode von großem Vorteil. Während sie in
der Vergangenheit ihr frühgeborenes Kind während der ersten Lebensminuten
nicht sehen konnten, sind sie jetzt dabei und erleben, wenn es die ersten
Atemzüge macht. „Davon profitieren auch Mütter, deren Kinder zum
errechneten Geburtstermin per Kaiserschnitt zur Welt kommen“, sagt PD Dr.
Cahit Birdir, Leiter der Pränatalmedizin und Geburtshilfe an der Klinik
für Frauenheilkunde und Geburtshilfe. „Die sogenannte Kaisergeburt kann
jetzt auch für Mütter von Frühgeborenen angeboten werden.“

Damit erfüllt sich ein weiterer Schritt hin zu der Vision, auch die
Geburten von Frühgeborenen so zu gestalten, dass der Kontakt zwischen
Eltern und Kind von Anfang an gestärkt wird. Die Mediziner wissen aus der
langjährigen Erfahrung, wie wichtig der Kontakt zwischen Eltern und
Kindern gerade bei Frühgeborenen ist. Sobald das Baby ausreichend versorgt
und der Kaiserschnitt der Mutter beendet ist, kommen beide wieder
zusammen, um dann – gemeinsam mit dem Vater – die Nähe in der neuen
Familie zu spüren.