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Elektromobilität: Logistikfuhrparke bieten gesicherte Flexibilität und können Stromnetze entlasten

Elektrische Fuhrparke der Logistikbranche bieten eine
gesicherte Flexibilität für das Stromnetz. Zusammen mit netzdienlichen
Ladestrategien können sie helfen, Engpässe oder Überlastungen in
Verteilnetzen zu vermeiden und Strom aus Erneuerbaren Energien flexibler
zu nutzen. Zu diesen Ergebnissen kommt das Team des Projekts Netz_eLOG.
Darin haben das Reiner Lemoine Institut (RLI), IAV und die E.DIS Netz GmbH
am Beispiel eines Fuhrparks der Deutschen Post in Kleinmachnow
Auswirkungen der Elektromobilität auf das Stromnetz untersucht.

In einem Praxistest mit 30 Elektrofahrzeugen (StreetScooter) der Deutsche
Post AG hat das Konsortium analysiert, wie die Flotte als flexible Last
für einen effizienten Betrieb des Verteilnetzes der E.DIS genutzt werden
kann. Dafür wurden betriebliche Anforderungen des Logistikunternehmens
berücksichtigt, wie Versorgungssicherheit und Wirtschaftlichkeit. Die
Ergebnisse zeigen: Mithilfe netzdienlicher Ladestrategien kann der
Stromverbrauch von Fahrzeugen an eine schwankende Einspeisung Erneuerbarer
Energien angepasst werden. Das hilft zum Beispiel, einspeisebedingte
Belastungsspitzen im Stromnetz zu reduzieren. Simulationen für geeignete
Netzgebiete ergaben außerdem, dass bis zu einem Viertel des Ladestroms für
einen vergleichbaren Fuhrpark durch Strom aus Erzeugungsanlagen
bereitgestellt werden könnte, die ohne diese Strategie abgeregelt worden
wären.

„Aktuelle Vorschläge der EU-Kommission für ein Reduktionsziel von 90
Prozent weniger CO2 im Bereich Nutzfahrzeuge bis 2040 werden den Hochlauf
der Elektromobilität weiter antreiben. Unser Projekt zeigt, dass gerade im
Logistikbereich netzdienliche Ladestrategien die Energiewende unterstützen
können. Wir sehen außerdem, dass netzdienliches Laden unter den richtigen
Rahmenbedingungen Kosten für Flotten- und Netzbetreiber reduzieren kann.
Dafür gilt es nun, die Netzentgelte als Anreizsystem weiterzuentwickeln“,
sagt Jakob Gemassmer, Leiter des Projekts und wissenschaftlicher
Mitarbeiter im Forschungsbereich Mobilität mit Erneuerbaren Energien am
RLI.

Fahrzeugflotte als große Batterie

Das Projektteam hat herausgefunden, dass E-Fahrzeuge einer Flotte mit
ähnlichen Ankunfts- und Abfahrtszeiten Verteilnetzbetreibern eine
gesicherte Flexibilität anbieten können. Solche Fuhrparke sind in der
Lage, innerhalb einer klaren Standzeit konkrete Leistungsvorgaben des
Netzbetreibers umzusetzen. Die Flotte dient dabei als große stationäre
Batterie. Ihre Flexibilität als mobiler Speicher bleibt immer auf die
Standzeiten der Fahrzeuge begrenzt.

Erfolgreiche netzdienliche Steuerung

Im Praxistest konnte E.DIS direkt aus der Leitstelle Steuersignale für die
Ladevorgänge des Fuhrparks senden und so zum Beispiel einen gewünschten
Ladefahrplan im Projekt umsetzen. Voraussetzung dafür war eine von IAV
entwickelte IoT-Plattform als Software as a Service-Anwendung. Dort waren
unter anderem Ladepunkte, Leistungsmesswerte und die Leitstelle für den
Netzbetrieb angebunden. Die Werte zum Standort und den Fahrzeugen, wie zum
Beispiel Energieverbrauch und Abfahrzeit dienten als Eingangsgrößen für
die Steuerung. Mit der Anwendung und entsprechenden Daten hat das
Projektteam Ladepläne für die Zukunft erzeugt und aus vergangenem
Ladeverhalten gelernt.

Grundlage für die sichere Nachrichtenübertragung zur Ladesäule bildete das
Open Charge Point Protokoll. Diese interoperable Kommunikation mit den
Ladepunkten und die Anbindung an die Leitstelle des Netzbetreibers sind
Voraussetzungen für die Nutzung netzdienlicher Flexibilität.

Open-Source-Modell für Ladestrategien entwickelt

Analysen in verschiedenen Netzgebieten und für weitere Anwendungsfälle
ergeben ähnliche Ergebnisse wie der Praxistest mit DHL. Das RLI hat zu
diesem Zweck SpiceEV, ein Open-Source-Modell zur Simulation und Analyse
von Ladestrategien entwickelt. Damit wurden weitere Fuhrparke aus den
Bereichen Logistik, Handel oder Dienstleistung untersucht.

Über das Projekt: Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz
fördert das Projekt im Zeitraum November 2019 bis März 2023. Die
Ergebnisse wurden am 10. März in Potsdam vorgestellt. Mehr Informationen
zum Projekt gibt es hier: https://reiner-lemoine-institut.de/intelligente-
netzintegration-e-mobilitaet/


Mehr Informationen zum Thema Netzintegration der Elektromobilität am RLI
gibt es hier: https://reiner-lemoine-institut.de/forschungsfelder/sp-
netzintegration-emobilitaet/


Über das RLI: Das Reiner Lemoine Institut (RLI) ist ein unabhängiges,
gemeinnütziges Forschungsinstitut, das sich seit 2010 für eine Zukunft mit
100 Prozent Erneuerbaren Energien einsetzt. Die Wissenschaftler*innen des
RLI forschen anwendungsorientiert und wissenschaftlich für die Energie-
und Verkehrswende in Deutschland und international. Seit der Gründung
haben sich die am Institut entwickelten Open-Source-Modelle fest in der
Energiesystemmodellierung etabliert. Die Mobilitäts- und
Elektrifizierungskonzepte des RLI werden von Unternehmen und der
öffentlichen Hand weltweit umgesetzt.

Über E.DIS: Die E.DIS AG mit ihrer Tochter E.DIS Netz GmbH ist einer der
größten regionalen Energienetzbetreiber Deutschlands. Mit etwa 2.500
Mitarbeitenden einschließlich rund 170 Auszubildenden ist die E.DIS-Gruppe
einer der größten Arbeitgeber in den neuen Ländern. Die E.DIS investiert
jedes Jahr weit über 100 Millionen Euro in ihre Netze, die eine
Leitungslänge von rund 80.000 Kilometern haben. Circa 1,3 Millionen
Haushalte, Gewerbe- und Industriebetriebe in Brandenburg und Mecklenburg-
Vorpommern sind an dieses Netz angeschlossen.

Über IAV: Als einer der global führenden Engineering- und
Technologiepartner der Automobilindustrie entwickelt IAV die digitale
Mobilität der Zukunft. Das Unternehmen entwickelt seit 40 Jahren
innovative Konzepte, Methoden und Lösungen, und hat 2022 einen Umsatz von
837 Mio. Euro erwirtschaftet. Mit 7.600 Mitarbeitenden bringt IAV das
Beste aus unterschiedlichsten Welten zusammen: Automotive- und IT-Welt,
Hard- und Software-Welt sowie Produkt- und Servicewelt. Neben der
Fahrzeug- und Antriebsentwicklung hat das Unternehmen bereits frühzeitig
auf Themen, wie beispielsweise E-Mobilität und autonomes Fahren gesetzt
und ist heute einer der führenden Technologieanbieter auf diesen Gebieten.

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Wie schädigen Operationen mit Herz-Lungen-Maschine die Darmflora?

Dr. med. Hristian Hinkov, Assistenzarzt, Klinik für Herz-, Thorax- und Gefäßchirurg, Charité – Universitätsmedizin Berlin  Foto: Charité – Universitätsmedizin Berlin
Dr. med. Hristian Hinkov, Assistenzarzt, Klinik für Herz-, Thorax- und Gefäßchirurg, Charité – Universitätsmedizin Berlin Foto: Charité – Universitätsmedizin Berlin

Forschungen zum Mikrobiom mit renommierter Dr. Rusche-Projektförderung der
Deutschen Stiftung für Herzforschung ausgezeichnet
Rund 90.000 Herzoperationen mit und ohne Herz-Lungen-Maschine (HLM) werden
pro Jahr in Deutschland durchgeführt. Die Anwendung der HLM ist nach wie
vor bei vielen Operationen am Herzen unentbehrlich. Allerdings hat ein
solcher invasiver Eingriff, bei dem das Herz „stillgelegt“ wird und die
HLM die Funktion von Herz und Lunge übernehmen muss, mitunter auch
unerwünschte Folgen. Gefürchtet ist nach herzchirurgischen Eingriffen mit
HLM zum Beispiel das system-inflammatorische Antwortsyndrom (SIRS). Dabei
kommt es zu heftigen Immunreaktionen, die in eine kaum zu kontrollierende
Kreislaufinstabilität und Störungen der Organfunktion münden können – mit
zum Teil tödlichem Ausgang für die betroffenen Herzpatienten. Gleichzeitig
ist inzwischen bekannt, dass die natürliche und intakte Keimbesiedelung
des Darms, das Mikrobiom (ehemals auch als Darmflora bezeichnet), eine
grundlegende, stabilisierende Rolle bei der Regulierung des Immunsystems
hat. Diese sogenannte Eubiose kann durch verschiedene Einflüsse gestört
werden und in den gesundheitlich ungünstigen Zustand der Dysbiose
übergehen.

Forschung zum Mikrobiom und SIRS für mehr Patientensicherheit bei Herz-OPs
Bei einer Dysbiose sind Anzahl und Vielfalt der normalen Mikrobiom-
Organismen reduziert. Dies begünstigt, dass sich potenzielle
Krankheitserreger ansiedeln bzw. vermehren können, was durch Ausschüttung
verschiedener Metaboliten und Toxinproduktion wiederum entzündliche
Prozesse aktivieren und erhalten kann. Einer der Schlüsselfaktoren für das
Gleichgewicht des Mikrobiom-Milieus ist eine physiologische
Darmdurchblutung – und eine Operation mit HLM beeinträchtigt diese
nachweislich. „Unverzichtbar für mehr Patientensicherheit sind neue
Erkenntnisse zu den Entstehungsmechanismen des SIRS im Zusammenhang mit
herzchirurgischen Eingriffen mit HLM. Die Rolle des durch Operation mit
HLM veränderten Mikrobioms rückt dabei zunehmend in den Fokus der
Forschung“, betont Herzchirurg Prof. Dr. Armin Welz, Vorsitzender des
wissenschaftlichen Beirats der Deutschen Stiftung für Herzforschung
(DSHF). Deshalb fördere die DSHF mit der diesjährigen Dr. Rusche-
Projektförderung eben zu dieser Problematik ein innovatives
Forschungsvorhaben.

Dr. med. Hristian Hinkov von der Klinik für Herz-, Thorax- und
Gefäßchirurgie am Deutschen Herzzentrum der Charité - Universitätsmedizin
Berlin, will daher nun zusammen mit Kollegen den Einfluss einer
Herzoperation mit HLM auf das Mikrobiom genauer untersuchen. Das mit der
Dr. Rusche-Projektförderung ausgezeichnete Projekt möchte unter anderem
klären, wie sich das Mikrobiom, seine Stoffwechselprodukte und Botenstoffe
(Metabolom) nach Operationen mit HLM verändern. Diese Erkenntnisse sollen
dann mit der Aktivierung verschiedener Entzündungsmechanismen und mit dem
Heilungsverlauf nach OP in Zusammenhang gesetzt werden, um so wichtige
Hinweise zum Entstehen eines SIRS zu erhalten.
„Denn lässt sich tatsächlich eine Verbindung zwischen spezifischer
Mikrobiom-Veränderung und SIRS-Mechanismen nachweisen, könnten sich daraus
auch neue Therapieansätze bei SIRS ergeben, zum Beispiel durch eine
gezielte Mikrobiom- bzw. Metabolom-Modulation“, hofft Dr. Hinkov.
Entsprechende Maßnahmen könnten entweder vor dem Eingriff erfolgen, um das
Mikrobiom zu stabilisieren oder nach dem Eingriff, um die Mikrobiom-
Zusammensetzung zu regenerieren und wieder herzustellen. Darüber hinaus
soll erforscht werden, ob sich bereits vor einer Operation anhand von
bestimmten Mikrobiom-Profilen ein erhöhtes Risiko für das Auftreten von
SIRS erkennen lässt. „Damit könnte potenziell betroffenen Patienten eine
angepasste Therapie angeboten und der Einsatz einer HLM ein Stück sicherer
gemacht werden“, so Hinkov.

Mikrobiom von 80 Patientinnen und Patienten nach Bypass-OP untersucht
Das Projekt sieht konkret vor, bei 80 herzchirurgisch behandelten
Patienten das Mikrobiom zu untersuchen: davon 40 Patienten mit aorto-
koronarer Bypass-Operation und HLM sowie 40 Patienten mit Bypass-
Operation, bei der keine HLM-Unterstützung nötig ist. „Vor der Operation,
unmittelbar nach dem Eingriff, während des Krankenhausaufenthaltes sowie
sechs Monate nach Entlassung werden Blut- und Stuhlproben entnommen und
hinsichtlich Mikrobiom-Zusammensetzung, Entzündungszeichen und
Immunzellaktivierung ausgewertet. Die Befunde werden dann mit dem
jeweiligen Verlauf von OP und Heilungsprozess abgeglichen, um mögliche
Zusammenhänge zu erkennen“, erläutert Hinkov.

Das Projekt von Dr. Hinkov „Die Effekte der Herz-Lungen-Maschine auf das
intestinale Mikrobiom und die Relation zum postoperativen SIRS“ erhält
aufgrund seines innovativen Forschungsansatzes daher auch die Dr. Rusche-
Projektförderung der Deutschen Stiftung für Herzforschung (DSHF) 2023 in
Höhe von 58.800 Euro, die jährlich von der DSHF zusammen mit der Deutschen
Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie (DGTHG) für ein
Forschungsvorhaben auf dem Gebiet der Herzchirurgie vergeben wird. Die
DSHF wurde von der Deutschen Herzstiftung 1988 gegründet. Der Antrag der
Berliner Nachwuchsforscher wurde im Februar auf der 52. Jahrestagung der
DGTHG ausgezeichnet.
(ne)

Forschung nah am Patienten
Dank der finanziellen Unterstützung durch Stifterinnen und Stifter,
Spender und Erblasser kann die Deutsche Herzstiftung gemeinsam mit der von
ihr 1988 gegründeten Deutschen Stiftung für Herzforschung (DSHF)
Forschungsprojekte in einer für die Herz-Kreislauf-Forschung
unverzichtbaren Größenordnung finanzieren. Infos zur Forschungsförderung
der Deutschen Herzstiftung: www.herzstiftung.de/forschung-und-foerderung
Die 2008 eingerichtete „Dr. Rusche-Projektförderung“ ist mit 60.000 Euro
dotiert und wird jährlich von der DSHF zusammen mit der Deutschen
Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie (DGTHG) vergeben.
Benannt ist der Stiftungsfond nach dem Internisten Dr. Ortwin Rusche (1938
bis 2007) aus Bad Soden, der die DSHF in seinem Testament bedachte, um
Forschungsprojekte auf dem Gebiet der Herzchirurgie zu fördern. Bewerben
können sich junge Wissenschaftlerinnern und Wissenschaftler, die in
Deutschland auf dem Gebiet der Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie tätig
sind (www.dshf.de).

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Klavierfestival «Le piano symphonique» – Martha Argerich & Friends, 11.2.2023, KKL Luzern besucht von Léonard Wüst

Martha Argerich am Piano
Martha Argerich am Piano

Besetzung und Prigramm_
Martha Argerich Klaviier
Mischa Maisky Violoncello
Thomas Hampson Bariton

Frédéric Chopin (1810 ‒ 1849)
Sonate für Violoncello und Klavier g-Moll op. 65
Robert Schumann (1810 ‒ 1856)
«Dichterliebe», Liederzyklus op. 48

Robert Schumann «Phantasiestücke» op. 73

Intendant Numa Bischof Ullmann Photo Alexander Hana
Intendant Numa Bischof Ullmann Photo Alexander Hana

Der Intendant des Residenzorchesters des KK, Numa Bischof Ullmann begrüsste die Besucher, zeigte sich auch an diesem, letzten Abend des Klavierfestivals 2023, erfreut über den vollen Konzertsaal und informierte, dass das Klavierfestival, 2024, also das «Le piano symphonique Festival 2024» nicht mehr im Februar, sondern vom 16. bis 21. Januar 2024 geplant sei.und dass heute  Abend, im Gegensatz zum gedruckten Programm, Schumanns «Dichterliebe» mit Thomas Hampson als erster Konzertteil dargeboten werde, dementsprechend  der ursprünglich geplante erste mit Chopins Cello Sonate nach der Pause zur Aufführung käme.

Darauf hin betrat der amerikanische Bariton die Bühne und gab seinerseits, übrigens in perfektem Deutsch, einige Erläuterung zu Schumanns Komposition, die er ja gleich, mit Klavierbegleitung seiner langjährigen, guten Freundin Martha Argerich zum Besten geben werde.

Robert Schumann (1810–1856) «Dichterliebe», Liederzyklus op. 48

Fotoimpression des Konzertes von Philipp Schmidli Luzerner Sinfonieorchester
Fotoimpression des Konzertes von Philipp Schmidli Luzerner Sinfonieorchester
Galanter Handkuss von Hampson für Martha Argerich  Philipp Schmidli Luzerner Sinfonieorchester
Galanter Handkuss von Hampson für Martha Argerich Philipp Schmidli Luzerner Sinfonieorchester

 

Auch dem Sänger gehört in Teil des Strausses findet Martha Argerich Foto Philipp Schmidli
Auch dem Sänger gehört in Teil des Strausses findet Martha Argerich Foto Philipp Schmidli

Fast schon Luxus, die Grossmeisterin der Tastenakrobatik als Liedbegleiterin an seiner Seite zu haben. Martha Argerich gibt die Nuancen  vor und bestimmt die Richtung. Thomas Hampson zeichnet für Inhalt und  Emotionen. Es ist ein hochemotionaler Vortrag. Die Interpretation von Schumanns «Dichterliebe» wie man sie höchst selten hört bewegte und begeisterte das sachkundige Auditorium und die beiden Ausnahmekünstler*innen wurden dafür mit einer stehenden Ovation belohnt, Martha Argerich zusätzlich mit einem Blumenstrauss. Sie unterliess es aber nicht, eine Rose aus ebendiesem an  den Sänger weiterzureichen.

Frédéric Chopin (1810 ‒ 1849)  Sonate für Violoncello und Klavier g-Moll op. 65

Martha Argerich mit ihrem langjährigen Freund Mischa Maisky am Cello Foto Philipp Schmidli
Martha Argerich mit ihrem langjährigen Freund Mischa Maisky am Cello Foto Philipp Schmidli

Mit jugendlicher Unbekümmertheit komponiert Frédéric Chopin Ende der 1820er ein Klaviertrio. Zufrieden sei er damit, schreibt er in einem Brief an einen Freund. Ganz anders dagegen klingt, was Chopin knapp zwanzig Jahre später über seine einzige Cello-Sonate in einem Brief berichtet.

 

 

 

 

 

 

 

Mischa Maisky spielt die Copin Sonate Foto Philipp Schmidli
Mischa Maisky spielt die Copin Sonate Foto Philipp Schmidli

„Ich bin einmal zufrieden, ein andermal nicht. Ich werfe sie in die Ecke, dann sammle ich sie auf.“ Eine schwere Geburt also, das letzte Werk, das noch zu Chopins Lebzeiten erschien.

Eine Viertelstunde dauert das Allegro moderato und damit länger als die drei noch folgenden Sätze der Sonate zusammen.

In den Händen von Martha Argerich lag  es, die Chopin’sche Notenflut zu meistern. Außerdem hat sie die Aufgabe, das klangliche Gleichgewicht zu wahren bzw. erst einmal herzustellen. Schließlich bringt sie das Klavier als Melodieinstrument zum Singen, wie etwa im Largo der Cellosonate.

Der Knoten ist offensichtlich geplatzt: In den Sätzen zwei, drei und vier der Cellosonate findet Frédéric Chopin zu weitaus organischeren Proportionen zurück. Der Kampf ist beendet.

Fotoimpression des Konzertes von Philipp Schmidli Luzerner Sinfonieorchester
Fotoimpression des Konzertes von Philipp Schmidli Luzerner Sinfonieorchester

Dass der Cellist und seine kongeniale Klavierpartnerin über eine makellose Spieltechnik verfügen, muss eigentlich gar nicht erwähnt werden. Denn erst sie ermöglicht eine solch klangliche Trennschärfe, wie sie die Beiden präsentieren. Es setzt spürbar auf ein harmonisches, ein geist- und reizvolles Miteinander der zwei Instrumente und gibt sich in Sachen glänzender Virtuosität und Ornamentik eher zurückhaltend. Bei allem jugendlich konzertanten Charme stehen dramaturgische Dichte und Ökonomie an erster Stelle, welchen Argerich und Maisky mit souveräner Gestaltungskraft begegnen. Meisterhaft strukturieren und konturieren sie im vorwärtsdrängenden Kopfsatz die musikalischen Linien und lassen keinen Zweifel daran, dass trotz der Dominanz des Klaviers die Streicherstimme maßgeblich an Entwicklungssträngen beteiligt ist. Ihr mal leichtfüßiger, mal straffer rhythmischer Zugriff atmet im Scherzo und dem lebhaft-koketten Finale einen Hauch von jugendlicher Frische und Unschuld, verführerisch und biegsam gestalten die Pianistin und der 1948 in Riga,  im damals sowjetischen Lettland, geborene Cellist schließlich die expressive Melodik des pathetischen Adagios.

Maiskys Cellostimme macht das mit dem schlanken, beweglichen und niemals näselnden Ton seines Domenico Montagnana Cellos aus dem 18. Jahrhundert hervorragend.

Etwas wirre und verschwommene «Phantasiestücke» op. 73

Martha Argerich und  Mischa Maisky freuen sich über die Ovationen Foto Philipp Schmidli
Martha Argerich und Mischa Maisky freuen sich über die Ovationen Foto Philipp Schmidli

Fast nahtlos dann der Übergang zu Schumanns «Phantasiestücken», eigentlich für zwei K komponiert, also Klavier und Klarinette, kann der Klarinettenpart natürlich auch von einem Cello übernommen werden. Was allerdings das ganze  weniger klar tönen lässt, zeitweise gar etwas verschwommen, das vermag aber die Freude des Publikums am virtuosen Spiel der beiden keinesfalls zu trüben, was sich auch mit dessen stürmischem, langanhaltenden Applaus manifestierte.

So kamen die beiden fast nicht umhin, dem nun stehend applaudierenden  Publikum Zugaben zu gewähren, die erste in Form eines «Chopinwerkes»( Nocturne in Cis-Moll, Op. Posthum?), die zweite mit dem “Lerchengesang” von Brahms aus den 4 Gesängen für Klavier op.70.

Fazit

Ein würdiger sensibler Abschluss des Klavierfestivals 2023, der Vorfreude weckt und «gluschtig» macht auf «Le piano symphonique Festival 2024»

 

Text: www.leonardwuest.ch

Fotos: Philipp Schmidli   www.sinfonieorchester.ch

Homepages der andern Kolumnisten:  www.gabrielabucher.ch  www.herberthuber.ch  www.maxthuerig.ch

Martha Argerich begleitet Thomas Hampson Foto Philipp Schmidli

Martha Argerich und Thomas Hampson freuen sich übrer die Blöumen Foto Philipp Schmidli

Martha Argerich und Mischa Maisky intonieren Chopin Foto Philipp Schmidli

Martha Argerich mit ihrem langjährigen Freund Mischa Maisky am Cello Foto Philipp Schmidli

Mischa Maisky spielt die Copin Sonate Foto Philipp Schmidli

Martha Argerich und Mischa Maisky bedanken sich für die Ovationen Foto Philipp Schmidli

 

Akademisierung der Therapieberufe: Deutschland droht, den Anschluss zu verlieren

Starke Nachfrage nach akademischen Angeboten im Therapiebereich  CHE
Starke Nachfrage nach akademischen Angeboten im Therapiebereich CHE

International ist die akademische Ausbildung von Logopäd*innen, Ergo- und
Physiotherapeut*innen mittlerweile Standard. Dagegen dominiert in
Deutschland  weiterhin die dreijährige Berufsausbildung an einer
Berufsfachschule. Trotzdem hat sich mittlerweile eine Vielzahl von
Studienangeboten für Therapieberufe an deutschen Hochschulen etabliert.
Dies zeigt eine Auswertung des CHE Centrum für Hochschulentwicklung im
Rahmen der Reihe „Spotlight“ in der aktuellen Ausgabe der Deutschen
Universitätszeitung (DUZ). Am Beispiel der Schweiz zeigen die beiden
Autorinnen, dass eine Vollakademisierung der drei Berufszweige gelingen
kann, wenn es einen klaren politischen Willen zur Ausbildungsreform gibt.

Die Hebammenausbildung erfolgt in Deutschland seit 2020 in Form eines
praxisnahen Bachelorstudiums. Für die Therapieberufe fehlt jedoch
weiterhin eine flächendeckende Lösung. Während international für
Ergotherapie, Logopädie und Physiotherapie eine hochschulische Ausbildung
seit Jahrzehnten Standard ist, gibt es in Deutschland weiterhin sowohl
einen beruflichen als auch eine akademischen Ausbildungsweg.

Eine Auswertung des CHE Centrum für Hochschulentwicklung im Rahmen eines
Dossiers aus der Reihe DUZ Spotlight – Gute Praxis international zeigt für
die bestehenden hochschulischen Angebote eine stark steigende Nachfrage.
Zwischen den Wintersemestern 2005/2006 und 2021/2022 hat sich die Zahl der
Studierenden in Studiengängen für nichtärztliche Heilberufe/Therapien fast
verfünffacht. Aktuell sind in diesem Studienbereich rund 15.000
Studierende eingeschrieben.

Für die Bereiche Ergotherapie, Logopädie und Physiotherapie gab es im
vergangenen Jahr deutschlandweit 112 Studienangebote, die meisten davon in
Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg. Von diesen folgt fast die
Hälfte einem dualen Ansatz und beinhaltet ein ausbildungsintegrierendes
oder begleitendes Studium. 17 Studienangebote sind primärqualifizierend,
d.h. die Berufsqualifizierung wird durch erfolgreiches Absolvieren eines
Hochschulstudiums in Vollzeit erreicht. 70 Prozent der Studiengänge
konzentrieren sich auf eines der drei Fächer, es gibt aber auch Angebote,
die bis zu drei Fächer kombinieren.

Fast drei Viertel aller Studiengänge werden von Fachhochschulen bzw.
Hochschulen für angewandte Wissenschaften angeboten, die sich oftmals in
privater Trägerschaft befinden.„Trotz der steigenden Nachfrage nach
Studienangeboten verharrt man in Deutschland politisch bei der
Ausbildungsreform in der Ergotherapie, Logopädie und Physiotherapie in
einer unentschlossenen Zwischenposition. Seit rund 15 Jahren wird über die
Akademisierung diskutiert, aber eine klare Richtungsentscheidung fehlt “,
bilanziert Sigrun Nickel.

„Die Stagnation dürfte dabei sicher auch finanzielle Gründe haben“,
vermutet die Leiterin Hochschulforschung beim CHE. Schließlich würden sich
bei einer Vollakademisierung Teile der Ausbildungskosten vom
Gesundheitssektor auf die Länder als Träger der Hochschulen verlagern.
Auch steigende Durchschnittsgehälter in den Therapieberufen bei einem
akademischen Abschluss könnten als Kostentreiber gesehen und das Vorhaben
deshalb entsprechend ausgebremst werden.
Dass es auch anders geht, zeigen die Dossier-Autorinnen Sigrun Nickel und
Anna-Lena Thiele am Beispiel der Schweiz. Trotz ähnlicher politischer
Diskussionen und einem ebenfalls starken und anerkannten
Ausbildungssystem, verlagerten die Eidgenoss*innen seit den 2000er Jahren
die Ausbildung von Logopädie, Physio- und Ergotherapie sukzessive an die
Hochschulen. Mittlerweile ist der Akademisierungsprozess dort vollständig
abgeschlossen und die Nachfrage nach entsprechenden Studienplätzen wächst
weiter.

Der Schwerpunkt zum Thema ist am 17. Februar im Rahmen der Ausgabe 02/2023
der DUZ erschienen und wurde von Sigrun Nickel und Anna-Lena Thiele
erstellt. Das Dossier ist die zwölfte Ausgabe des gemeinsam von CHE und
DUZ Deutsche Universitätszeitung entwickelten Formats „DUZ Spotlight –
Gute Praxis international“, das in loser Folge in der DUZ und auf
www.che.de veröffentlicht wird.

Bereits erschienen sind Spotlight-Dossiers zum österreichischen Modell der
lebensbegleitenden Matrikelnummer (Ausgabe 09/2017), dem britischen
Professional Doctorate (01/2018), dem niederländischen Lehrführerschein
(08/18), der Transfergemeinschaft nach Schweizer Vorbild (12/2018), der
Etablierung wissenschaftlicher Weiterbildungszertifikate in der Schweiz
(11/2019), Instructional Designern im Hochschulbetrieb (02/2020),
Lernräumen der Zukunft (08/2020), zu Sozialen Innovationen vom Campus
(11/2020), zur Gewinnung internationaler Promovierender (06/2021) sowie
gerechten Regelungen beim Hochschulzugang (09/21),  zu internationalen
Medizinstudiengängen in Südosteuropa (02/22) sowie zu neuen
Studienmodellen gegen den IT-Fachkräftemangel (11/22). Alle Publikationen
sind online unter https://www.che.de/projekt/praxis-spotlight-
international/ abrufbar.

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