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Neue Laser für die Klimaforschung

Die Alexandrit-Laser wurden im Labor so weit optimiert, dass sie in den LIDAR-Systemen über Tausende Stunden ohne Wartung oder Justierung arbeiten können.  Ralf Baumgarten  © Fraunhofer ILT, Aachen
Die Alexandrit-Laser wurden im Labor so weit optimiert, dass sie in den LIDAR-Systemen über Tausende Stunden ohne Wartung oder Justierung arbeiten können. Ralf Baumgarten © Fraunhofer ILT, Aachen

Wetterberichte, Klimamodelle oder Raketenstarts – sie alle benötigen
präzise Daten aus der Atmosphäre. LIDAR (LIght Detection And
Ranging)-Systeme schießen Laserstrahlen in den Himmel. Aus dem
rückgestreuten Licht lassen sich Wind- und Temperaturdaten berechnen – in
einer Höhe von bis zu 100 km. Ein Team vom Fraunhofer-Institut für
Lasertechnik ILT und dem Leibniz-Institut für Atmosphärenphysik IAP hat
ein portables LIDAR-System entwickelt, das autonom arbeitet. In Zukunft
sollen solche Systeme in Serie gefertigt werden, um als Netzwerk
Klimadaten in einer neuen Qualität zu liefern.

Der Blick nach oben

Ein Oktober-Abend am Ostseestrand: Das Wasser ist erstaunlich klar, doch
Josef Höffner blickt nach oben. Wo andere nur Himmel und Wolken sehen, tut
sich für ihn eine riesige Landkarte auf. »Gerade von der oberen Atmosphäre
wissen wir noch nicht viel«, kommentiert er. »Da sind noch reichlich weiße
Flecken auf der Landkarte.« Diese Flecken zu erforschen ist sein Beruf –
er ist Atmosphärenphysiker.

Mit seiner Forschung ist er schon viel herumgekommen: Für Messkampagnen
fuhr er mit dem Schiff Polarstern um die halbe Welt, er war in der
Antarktis, auf Spitzbergen und in Nordnorwegen. »Die Polregionen sind für
die Atmosphärenforschung am spannendsten, da sieht man einfach am
meisten.« Wenn Josef Höffner nicht gerade auf Reisen ist, dann forscht er
am Leibniz-Institut für Atmosphärenphysik IAP in Kühlungsborn an der
Ostsee. Auf einer Anhöhe stehen die Forschungsgebäude, über sanfte Hügel
blickt man von oben auf das Meer.

Nachts leuchten Laserstrahlen über dem Institut am Himmel. »Die lokalen
Zeitungen melden sich dann bei uns, weil die Leute UFOs vermuten«, erzählt
Höffner amüsiert. »Dabei sind das nur unsere LIDAR-Systeme.« Mit ihren
LIDAR- und Radar-Systemen forschen die Kühlungsborner seit Mitte der
1990er Jahre, inzwischen mit mehreren Teams.

Wird es mit der Höhe immer kälter?

LIDAR-Systeme schicken ihre Strahlen durch die Atmosphäre bis in Höhen von
über 100 km. Sie durchqueren dabei im Wesentlichen drei Schichten (Bild
2): Troposphäre (bis etwa 15 km Höhe), Stratosphäre (bis etwa 50 km) und
Mesosphäre (bis etwa 90 km). Die Höhe der Schichten hängt vor allem von
der Sonneneinstrahlung ab. Sie ändert sich aber auch mit der Jahreszeit
oder der geographischen Lage.

Die Grenzen zwischen den Schichten werden durch ein verblüffendes Phänomen
definiert: Unsere Erfahrung sagt uns, dass die Temperatur mit der Höhe
abnimmt. Zwischen den Schichten kehrt sich das allerdings wieder um, in
der Stratosphäre steigt die Temperatur mit der Höhe! Zwischen Strato- und
Mesosphäre kehrt sich der Temperaturgradient noch einmal um, es wird
wieder kälter. Die Schichten, in denen sich der Temperaturgradient
umkehrt, heißen Pause, also Tropopause, Stratopause und Mesopause.

Josef Höffner interessiert sich vor allem für die oberste Schicht, die
Mesosphäre. Der Luftdruck an deren oberem Ende liegt bei etwa einem
Millionstel dessen, was Menschen gewohnt sind. Dennoch gibt es in der Höhe
noch reichlich Teilchen: »Das ist die Höhe, wo die Nase der Space-Shuttles
beim Wiedereintritt zu glühen beginnt.« Das Gleiche gilt für Meteoriten:
Viele von ihnen verglühen in der Mesosphäre und hinterlassen dort
Metallatome, die den Atmosphärenphysikern enorm bei der Arbeit helfen.

»Mit dem LIDAR-Laser regen wir diese Atome in der Atmosphäre an, zum
Beispiel Kalium oder Eisen«, erklärt Höffner. Die Teilchen werfen das
Licht zurück, allerdings leicht verändert; der Physiker spricht von
Streueffekten. Das rückgestreute Licht wird mit Teleskopen im LIDAR-System
auf der Erde eingefangen. Aus den Spektren lassen sich Größen wie
Temperatur und Windgeschwindigkeit ableiten. Die Laufzeit der Laserpulse
ergibt die Höhe, die Anzahl der speziellen Photonen die Konzentration der
Teilchen in der Höhe.

Was passiert im Ozean über uns?

Damit ist das Handwerkszeug der Atmosphärenphysik grob erklärt, doch was
gibt es da oben zu messen? »Viel«, antwortet Höffner knapp, »und wir
entdecken immer mehr.«  Um die Vorgänge ‚da oben‘ besser zu verstehen,
kann man sich die Atmosphäre als einen Ozean vorstellen. Wie im Meer gibt
es dort Wellen, Strömungen und Gezeiten. Nichts davon verschwindet einfach
– jede Welle stößt wieder eine Welle an, führt zu Strömungen, alles ist
Tag und Nacht in Bewegung. Die Grenzen zwischen den Schichten heben und
senken sich, und die Schichten beeinflussen einander. Weswegen die LIDAR-
Messungen sehr wertvoll sind für Klimamodelle und Wetterberichte.

Anders als im Meer werden die Gezeiten am Himmel von der Sonne
hervorgerufen: Sie erwärmt die Luft auf der einen Seite der Erde, die Luft
steigt auf, während sie auf der anderen Seite abkühlt und absinkt.
Strömungen und Wellen gibt es genauso: Sogenannte Schwerewellen sind
besonders wichtig für den Austausch zwischen der unteren und oberen
Atmosphäre. Sie entstehen, wenn zum Beispiel ein Sturm auf eine
Gebirgskette prallt. Die Luft drückt dort nach oben, der Impuls setzt sich
weit über die Troposphäre bis in die Mesosphäre fort. Dort schiebt der
Impuls von unten Strömungen an, die über Tausende von Kilometern messbar
sind.

Mit LIDAR- und Radar-Systemen können die Teams am Boden Bewegungen in der
Atmosphäre genau messen. Ballons kommen nicht so hoch, Satelliten liefern
im Überflug nur eine Momentaufnahme. Die stationären LIDAR-Systeme können
praktisch unbegrenzt die Strömungen entlang des Laserstrahls nach oben
messen. In den neunziger Jahren hatte Josef Höffner dafür am Leibniz IAP
ein LIDAR-System entwickelt, mit dem er um die Welt gereist ist.

Eine neue Lasergeneration als Gamechanger

Das System nahm einen Schiffscontainer ein. Der wog 10 Tonnen und
benötigte im Betrieb 30 kW elektrische Leistung. Das wiederum erforderte
tonnenweise Diesel in den Generatoren vor Ort. Immerhin war es das
einzige, halbwegs mobile System seiner Art weltweit und hat entsprechend
wissenschaftliche Meriten gesammelt. Für eine Zukunftsperspektive war es
aber zu groß, zu schwer und zu wartungsintensiv.

Deshalb suchte Josef Höffner Mitte der 2000er Jahre neue Partner für die
Laserentwicklung. Er fand sie am anderen Ende von Deutschland, am
Fraunhofer-Institut für Lasertechnik ILT in Aachen. Dort kannte man sich
mit den verschiedenen Lasertypen aus und auch mit der neuesten Technik, um
sie kleiner zu machen.

»Ein Alexandrit-Ringlaser, noch dazu mit Strahlung im UV, das war schon
ziemlich speziell«, berichtet der aktuelle Aachener Projektleiter Michael
Strotkamp. »Den konnten auch unsere Experten nicht einfach aus dem Regal
nehmen.« Im Kern ging es darum, die Energiequelle des Lasers, die
Blitzlampen, durch Laserdioden zu ersetzen. Eine Umstellung, die in etwa
so einfach ist wie der Ersatz eines turbogeladenen Benzinmotors durch
einen Elektromotor. Dementsprechend dauerte es zehn Jahre vom ersten
Gespräch bis zur ersten erfolgreichen Mesosphärenmessung mit dem neuen
diodengepumpten Alexandrit-Laser.

State-of-the-art Lasertechnik

Alexandrit ist ein sehr spezieller Laserkristall: Er kann über ein breites
Spektrum von 730 bis 800 nm abgestimmt werden. Im Unterschied zu Titan-
Saphir (ein noch bekannterer Laserkristall) kann er dabei aber auch
reichlich Energie speichern. Wegen dieser Eigenschaften eignet er sich
besonders für hohe Pulsenergien.

Allerdings muss er für die LIDAR-Messungen extrem schmalbandig betrieben
werden. Das heißt, nur eine räumlich schmale Mode darf im Kristall gepumpt
werden, sonst schwingen höhere Moden an, der Laser würde spektral
breitbandiger. Das war eines der Hauptprobleme bei der Verwendung von
Blitzlampen – die haben meist mehrere Moden angeregt. Auch die
thermooptischen Eigenschaften sind nicht ohne, Alexandrit wurde oft bei
deutlich über 100 Grad betrieben. »Ich hatte noch nie einen so
anspruchsvollen Laserkristall«, fasst Michael Strotkamp zusammen. »Mit den
Dioden konnten wir direkt das Modenvolumen pumpen, das hat viele Probleme
gelöst.«

Alexandrit absorbiert Licht bis in den roten Bereich, weshalb Pumpdioden
bei einer Wellenlänge von 638 nm eingesetzt werden. Am Anfang waren das
Barren mit 80 W Pulsspitzenleistung, deren Strahlprofil für die ersten
Prototypen aufwendig homogenisiert werden musste. Inzwischen nutzen die
Aachener fasergekoppelte Pumpdioden, was das Einkoppeln der Pumpstrahlung
erheblich vereinfacht.

Der Laser (Bild 5) ist als Ringresonator konzipiert, es gibt also keine
stehende, sondern eine umlaufende Laserwelle. Die wird mit einem
frequenzstabilisiertem cw-Laser (seed) angeregt. Dafür wird ein
Resonatorspiegel mit einem Piezoelement zum Schwingen gebracht. Immer
dann, wenn die Resonatorlänge genau einem Vielfachen der Wellenlänge des
Seed-Lasers entspricht, wird der in den Resonator eingekoppelt. Das
Prinzip heißt auch „ramp-and-fire“. Ausgekoppelt wird über einen
Güteschalter, der den umlaufenden Puls herauslässt, wenn seine Energie
groß genug ist.

Der erste Prototyp des Alexandritlasers lieferte 0,15 W, damals mit zwei
Kristallen aber ohne Homogenisierung der Pumpstrahlung. Mit
homogenisierter Pumpstrahlung lieferte der Laser mehr Leistung aus nur
einem Kristall. Seitdem wurde das System über mehrere Iterationen
erheblich verbessert. Um Platz zu sparen, ist der Strahlengang (2 m
Resonatorlänge) mehrfach gefaltet. Die Pumpstrahlung wird inzwischen nur
noch über Fasern zugeführt, wodurch die Pumpquelle ohne großen Aufwand
getauscht werden kann. Die neueste Pumpquelle liefert 400 Watt im
Pumppuls, der Laser wird dann mit einer Ausgangsleistung von 2,3 W bzw.
Pulsen von 4,6 mJ bei 500 Hz betrieben. Bei 750 Hz Repetitionsrate läuft
er sogar mit 2,7 W und 3,6 mJ Pulsen.

Die Geheimnisse des „Sternenstaubs“

Wenn Meteoriten in der Mesosphäre verglühen, bleiben einzelne Atome zurück
und schweben über viele Jahre dort oben. »Für die Atomsphärenphysik ist
das ein absoluter Glücksfall, denn außer diesem ‚Sternenstaub‘ ist da oben
nicht mehr viel«, erklärt Josef Höffner.

Für die LIDAR-Messungen werden verschiedene Atome oder Aerosole der
Atmosphäre von der Erde mit dem Laser angestrahlt und streuen einzelne
Photonen zurück. Bei den Messungen mit dem Alexandrit-LIDAR am Leibniz IAP
werden im Wesentlichen drei Effekte genutzt: Rayleigh-, Mie- und
Resonanzstreuung.

Die Rayleigh-Streuung ist der Grund, warum unser Himmel blau ist. Sie
beschreibt, wie Licht an Teilchen gestreut wird, die kleiner sind als
seine Wellenlänge. Die Streuung ist stark frequenzabhängig, deswegen wird
blaues Licht stärker gestreut als rotes. Deshalb sind Sonnenuntergänge rot
und der Himmel blau. Über etwa 60 km Höhe wird die Dichte der Sauerstoff-
und Stickstoffatome so klein, dass die Rayleigh-Streuung schwierig zu
messen ist.

Die Mie-Streuung beschreibt die Auswirkungen auf das Licht, wenn es an
Teilchen gestreut wird, die eine Größe ähnlich der Wellenlänge haben. In
der Atmosphäre sind das meist Aerosole, also Staub oder zum Beispiel
Vulkanasche. Solche Teilchen kommen bis etwa 30 km Höhe vor.

Je nach Fluggeschwindigkeit der Teilchen werden die Rayleigh- und Mie-
Spektren durch den Dopplereffekt verschoben. Der Vergleich solcher
rückgestreuter Spektren mit dem Licht der LIDAR-Quelle ergibt die
Geschwindigkeit der Teilchen. Genauer gesagt liefert die spektrale
Verschiebung eine vektorielle Komponente der Windgeschwindigkeit in
Richtung des Laserstrahls. Deswegen wird im neuen LIDAR-System mit
Strahlen in fünf Richtungen gemessen. So lässt sich der Wind auch in
großen Höhen gut bestimmen.

Die eigentliche Höhe ergibt sich aus der Laufzeit der Laserstrahlen, für
90 km brauchen sie 0,3 Millisekunden. Damit sich jeder Puls komplett
auswerten lässt, bevor der nächste folgt, arbeitet das System mit einer
Laser-Pulsfolge des Lasers von weniger als 1.000 Hz.

Wie misst man die Temperatur einzelner Atome in 90 km Höhe?

Die größte Herausforderung für die Laserbauer ist aber die
Resonanzstreuung. Sie ist der einzige Streueffekt, mit dem man auch in
Höhen bis über 90 km noch Wind und Temperatur messen kann. Für die
Temperatur wird am rückgestreuten Licht gemessen, wie sehr sich das
Spektrum verbreitert hat. Dafür werden einzelne Atome des „Sternenstaubs“
mit ihrer charakteristischen Wellenlänge angeregt. Ein Elektron geht ein
Niveau höher und fällt zurück. Dabei gibt es ein Photon derselben
Wellenlänge wieder ab. Allerdings schwirren die Atome entsprechend ihrer
Temperatur hin und her, was wiederum zu einer winzigen Dopplerverschiebung
des emittierten Photons führt. Auf der Erde kommen viele dieser Photonen
an, ihre unterschiedlichen Verschiebungen ergeben eine sehr geringe
Verbreiterung des Spektrums im Vergleich zur ursprünglichen
Laserstrahlung.

»Wir messen diese Verbreiterung über den Vergleich mit einer Gaszelle hier
am Boden«, beschreibt Atmosphärenphysiker Josef Höffner vom Leibniz IAP
das Verfahren. In einer nur daumengroßen Vakuumzelle im LIDAR-System wird
zum Beispiel Kalium verdampft. Auf dessen Spektrum wird der Seed-Laser
abgestimmt. Seine Linienbreite ist etwa 100 kHz, nach Verstärkung im
Alexandrit-Laser sind es immer noch 3 MHz. Eine derart genaue Abstimmung
ist sonst eher bei Quantencomputern üblich.

»Wenn wir Eisen messen, dann nehmen wir keine Gaszelle. Wir stimmen den
Laser gleich auf das Resonanzsignal der Atome in der Atmosphäre ab.« Einen
Laser auf das Signal einzelner Atome in 90 km Entfernung ultrapräzise
abzustimmen – das ist auch für erfahrene Laserphysiker eine extreme
Herausforderung. Das Team aus Aachen und Kühlungsborn hat sie bewältigt.
Die komplexen Filtersysteme zur Auswertung der Daten sind so gut, dass sie
die wenigen Photonen sogar bei Tageslicht aus dem Rauschen filtern können.

Wie geht es weiter mit den LIDAR-Systemen?

Im Mai und November 2022 wurde die neueste Lasergeneration in zwei der
LIDAR-Systeme in Kühlungsborn installiert und bereits Messungen bis in 100
km Höhe demonstriert. Die Basis dafür ist ein ständig wachsendes Team. Die
Arbeiten in Aachen und Kühlungsborn wurden im Projekt VAHCOLI (Vertical
And Horizontal COverage by Lidar) gefördert. Im Mittelpunkt steht die
Erforschung der Atmosphäre in vertikaler und horizontaler Richtung. Das
wird durch vier um 30° gekippte Laser und Teleskope (Bild 7) erreicht. Mit
vier solchen LIDAR-Systemen im Netzwerk lassen sich Flächen mit mehreren
10.000 km² am Himmel vermessen. Das ist dann das mit Abstand modernste und
leistungsfähigste LIDAR-System für die mittlere Atmosphäre weltweit.

»Wir haben natürlich mehrere Ideen, wie wir die Technik weiterentwickeln
wollen«, erklärt Josef Höffner. »So wollen wir mit Partnern aus dem Umland
die LIDAR-Systeme in die Industrie überführen.« Das Projekt mit insgesamt
10 Partnern startet im Juni 2023 im Rahmen des RUBIN-Förderprogramms. »Wir
wollen davon unabhängig eine Verstärkerstufe für den Alexandrit-Laser
entwickeln«, ergänzt Laserexperte Strotkamp.

Die wissenschaftliche Arbeit wird ab Januar 2023 im Projekt EULIAA
(EUropean LIdar Array for Atmospheric climate monitoring) vorangetrieben.
Die Laserentwickler haben sich das Thema UV vorgenommen: »Wir wollen eine
Intra-cavity-Verdopplung installieren«, so Strotkamp. Gemeint ist damit
der Einbau eines Kristalls, der im Laserresonator die Laserstrahlung zu
einer Wellenlänge von 386 nm konvertiert. Damit nutzt man eine
Fraunhoferlinie mit geringem solarem Hintergrund und es können dann auch
Eisen-Atome vermessen werden. Das ging bisher nur recht aufwendig mit
einer viel ineffizienteren externen Frequenzverdopplung. Erste Tests sind
bereits vielversprechend.

Außerdem werden 2023 zwei neue LIDAR-Systeme aufgebaut. Bei sieben
Partnern in fünf Ländern sollen sie für eine neue Qualität beim Erfassen
von Klimadaten im Bereich oberhalb von 10 km, für den derzeit keine Daten
verfügbar sind, sorgen. »Das Ziel ist die Integration der LIDAR-Daten in
europäische Datenbanken – in Echtzeit«, erklärt Höffner.

»Der nächste Schritt wäre dann der Aufbau eines europäischen Netzwerks für
diese Messungen.« Die Daten stehen dann für Wetterberichte und
Klimamodelle zur Verfügung, denn solche LIDAR-Systeme können in Echtzeit
die Wind- und Temperaturverteilung in 10 bis über 1050 km Höhe messen -
Tag und Nacht. Auch für Raketenstarts liefert das System die relevanten
Daten. Langfristig ist auch eine satellitenbasierte Version des LIDARs
denkbar. In Projekten wie der MERLIN-Mission haben die Aachener Partner
sich reichlich Know-How für satellitenbasierte Laser erarbeitet.

Wie wichtig die Arbeit ist, zeigt die Erforschung des Klimawandels in der
mittleren, bisher wenig erforschten Atmosphäre. »Wir sehen erhebliche
Veränderungen in der Mesosphäre«, erklärt Höffner. »Mit den neuen Systemen
wollen wir die Veränderungen kontinuierlich und über weite Flächen
beobachten. Das wird längerfristige Klimaprognosen erheblich
beeinflussen.« Der Himmel wird für ihn ein spannendes Forschungsfeld
bleiben: Ein geheimnisvoller Ozean mit Wirbeln und Wellen – aber
wesentlich weniger weißen Flecken.

Fraunhofer ILT auf der LASER World of PHOTONICS

Auf der Photonik-Weltleitmesse LASER World of PHOTONICS in München wird
der Prototyp des Alexandritlasers ausgestellt, der die Konversion von
(infra)rot nach (ultra)violett veranschaulicht. Vom 27. bis zum 30. Juni
2023 stehen Expertinnen und Experten des Fraunhofer ILT am Fraunhofer-
Gemeinschaftsstand 441 in Halle A3 für Auskünfte rund um das LIDAR-System
und den wegweisenden Anwendungen dieser Technologien zur Verfügung.

Förderhinweis
Das Projekt EULIAA wird unter der Nummer 101086317 durch die Europäische
Union im Rahmen des Horizon Europe Innovation Action Programms gefördert

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„Selten allein“ – Kunst und neue Strukturen machen Betroffenen Mut

Anke Schmidt ist stolz darauf, dass ihr Bild in stattlicher Größe nun für mehrere Wochen in fünf großen Bahnhöfen Deutschlands zu sehen ist.  Holger Ostermeyer  Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden
Anke Schmidt ist stolz darauf, dass ihr Bild in stattlicher Größe nun für mehrere Wochen in fünf großen Bahnhöfen Deutschlands zu sehen ist. Holger Ostermeyer Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden

Gemeinsam mit der Allianz Chronischer Seltener Erkrankungen (ACHSE e.V.)
und fünf Einkaufsbahnhöfen sowie 21 Zentren für Seltene Erkrankungen in
Deutschland setzt das UniversitätsCentrum für Seltene Erkrankungen (USE)
am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden die bundesweite Aktion
„Selten Allein“ fort. Die Ausstellungen mit Bildern Betroffener werden
nach und nach in den füng teilnehmenden Bahnhöfen eröffnet. Neben Dresden
sind dies die Hauptbahnhöfe in Erfurt, Mainz und Mannheim sowie der
Bahnhof Berlin Südkreuz. In Dresden startet die zweite Ausstellung
pünktlich zum Welttag der Seltenen Erkrankungen (SE) am heutigen Dienstag
(28. Februar).

Neben den Kunstwerken gibt es für viele Menschen mit seltenen Erkrankungen
einen weiteren Lichtblick: Dank der mit 40 Krankenkassen geschlossenen
Selektivverträge zur besonderen Versorgung ist die Finanzierung modernster
hochauflösender genetischer Untersuchungen zur Diagnostik seltener
Erkrankungen für die entsprechend Versicherten zunächst gesichert. Das
eigens hierfür am Dresdner Universitätsklinikum gegründete Zentrum für
Klinische Genommedizin konnte dadurch zu Beginn des Jahres 2022 seine
Arbeit aufnehmen. Mit Hilfe der genomweiten genetischen Untersuchung
wurden bereits bisher ungelöste Krankheitsursachen entdeckt. Für die
Patientinnen und Patienten ließ sich dadurch die Diagnose stellen und die
weitere Behandlung darauf ausrichten.

Mit großem Stolz fieberte Anke Schmidt dem Welttag der Seltenen
Erkrankungen entgegen. Die an Mukoviszidose erkrankte 25-Jährige ist
leidenschaftliche Hobbykünstlerin und stellt eines ihrer Bilder zum ersten
Mal öffentlich aus – und das gleich bundesweit an fünf Orten. Mit Pinsel
und Farben, aber auch mit Buntstiften setzt sie sich mit Ihrer Erkrankung
und ihren Folgen auseinander. Anke Schmidt will sich nicht auf ihre
Mukoviszidose reduzieren lassen, sondern aktiv am Leben – auch am
Arbeitsleben – teilnehmen. Die von der Sebnitzerin gemalten Lungenflügel
künden auf der einen Seite von ihren krankheitsbedingten Limits und auf
der anderen Seite von einem aufblühenden Dasein. Ihr Optimismus hat auch
einen medizinischen Grund: Eine innovative Medikamentenkombination sorgt
dafür, dass sich ihre Lungenfunktion drastisch verbesserte. So konnte die
in Erwägung gezogene Lungentransplantation ad Acta gelegt werden und einer
Schwangerschaft stand damit nichts mehr im Wege. Seit eineinhalb Jahren
ist Anke Schmidt nun stolze Mutter eines Sohnes.

Anke Schmidt alias Loky ist nur eine von vielen Personen, die auf
künstlerische Weise ihre gesundheitliche Situation, ihre Hoffnungen und
Wünsche aber auch ihre Nöte in Bildern ausdrücken. Aus den berührenden
Kunstwerken wurden zwölf ausgewählt, die stellvertretend für die
teilnehmenden Zentren für Seltene Erkrankungen stehen. Die anderen Werke
sind online unter www.seltenallein.de zu sehen. Höhepunkt der
Ausstellungsaktion ist der 28. Februar – der 16. weltweite Tag der
Seltenen Erkrankungen. Bereits im Vorfeld dieses Tages präsentieren einige
fünf teilnehmenden Einkaufsbahnhöfe die künstlerischen Selbstportraits,
die Menschen mit Seltenen Erkrankungen in den letzten Monaten gemalt,
gezeichnet oder fotografiert haben. Diese Bilder sind zusammen mit einer
kurzen Selbstauskunft zur Person und ihrer Krankheit vor Ort zu sehen. Ein
zu den Bildern gehörender QR-Code ist mit der Website www.seltenallein.de
verlinkt. Dort sind ebenfalls Informationen zu seltenen Erkrankungen zu
finden. Zudem sensibilisiert die Seite Besuchende für das Thema und bietet
direkt oder indirekt Betroffenen die Gelegenheit, sich zu vernetzen.

Umfassende genetische Diagnostik ermöglicht Chance zur Diagnose
Die interdisziplinäre Arbeit verschiedenster Fachdisziplinen steht im
Mittelpunkt der Arbeit des Zentrums für Klinische Genommedizin am
UniversitätsCentrum für Seltene Erkrankungen (USE). Die
Indikationsstellung für die moderne Diagnostik erfolgt in einer
gemeinsamen Fallkonferenz, ebenso wie die Bewertung der Ergebnisse. Damit
wird die oft langjährige Odyssee der Menschen mit einer seltenen
Erkrankung auf dem Weg zur Diagnose erheblich kürzer. Mit der Klärung der
Diagnose durch eine genomweite Exomsequenzierung wird es oft auch möglich,
die richtigen und adäquaten Therapie-, Vorsorge- und Versorgungsmaßnahmen
zu definieren. Den Weg für die auskömmliche Finanzierung für diese
aufwändigen genetischen Untersuchungen, die am Institut für Klinische
Genetik ausgeführt werden, hat das vom Innovationsfonds mit Bundesmitteln
finanzierte Projekt „Translate NAMSE“ geebnet, an dem sich auch das USE
Dresden beteiligte. Das positive Gesamtresümee des mehrjährigen
Versorgungsprojekts überzeugte den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) und
damit auch die Krankenkassen. Sie ermöglichen bei Vorliegen des Verdachts
auf eine seltene Erkrankung ohne Diagnosestellung seit Anfang 2022 die
Finanzierung der erweiterten genetischen Diagnostik. Derzeit haben sich 40
Krankenkassen, unter anderem fast alle Allgemeine Ortkrankenkassen (AOK)
einige Ersatzkassen und etliche Betriebskrankenkassen, angeschlossen. Das
Projekt läuft vorerst bis Ende 2023.

Seit Anfang Februar des vergangenen Jahres werden wie schon bei Translate
NAMSE mindestens einmal wöchentlich, multidisziplinäre Fallkonferenzen
durchgeführt, in denen Ärztinnen und Ärzte verschiedenster Disziplinen
Patientinnen und Patienten mit Verdacht auf eine seltene Erkrankung bei
bisher unklarer Diagnose vorstellen und diese mit anderen Expertinnen und
Experten bewerten. Lässt sich in diesem Expertengremium keine Diagnose
stellen, aber das Vorliegen einer genetisch bedingten Erkrankung erscheint
wahrscheinlich, besteht die Möglichkeit der erweiterten genetischen
Diagnostik. Bis Ende des Jahres haben die Expertinnen und Experten
insgesamt 186 Fälle diskutiert, wobei bei 108 Patientinnen und Patienten
einer genetischen Diagnostik mittels genomweiter Exomsequenzierung zur
Diagnosefindung zugestimmt wurde. Bei rund 30 Prozent der untersuchten
Patientinnen und Patienten konnte damit eine auf dem Ergebnis der
genetischen Analyse basierende genaue Diagnose gestellt werden. „Damit
konnten wir bei einem Drittel der Patientinnen und Patienten den Weg für
gezieltere Therapien ebnen – dies wäre ohne Translate NAMSE und dem
Selektivvertrag nicht möglich gewesen. Das ist ein großer Erfolg unserer
bundesweiten Initiative“, sagt Prof. Michael Albrecht, Medizinischer
Vorstand des Dresdner Uniklinikums.

Zentren und Netzwerke stehen für eine umfassende Versorgung
Um Menschen flächendeckend und unabhängig vom Krankheitsbild zu versorgen,
bedarf es weiterer Anstrengungen. Dazu wurden vor allem an den deutschen
Uniklinika in den vergangenen Jahren entsprechende Zentrumsstrukturen
aufgebaut und bundesweite Netzwerke geschaffen. Auch das Dresdner
Uniklinikum hat frühzeitig die Initiative ergriffen und im November 2014
das UniversitätsCentrum für Seltene Erkrankungen (USE) gegründet. Als
sogenanntes A-Zentrum nach den Empfehlungen des Nationalen Aktionsplans
für Menschen mit Seltenen Erkrankungen (NAMSE) erfüllt das USE
koordinierende und krankheitsübergreifende Aufgaben und ist zuständig für
unklare Krankheitsfälle. „Entscheidend für den Erfolg unserer Arbeit in
dem Zentrum ist das Zusammenwirken vieler Expertinnen und Experten in
interdisziplinären Fallkonferenzen, wie es nur in einer solchen Struktur
vorgehalten werden kann“, sagt Prof. Reinhard Berner, Sprecher des USE und
Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin.

Was ist eine seltene Erkrankung?
In der Europäischen Union gilt eine Erkrankung als selten, wenn nicht mehr
als fünf von 10.000 Menschen von ihr betroffen sind. Da es mehr als 6.000
unterschiedliche seltene Erkrankungen gibt, ist die Gesamtzahl der
Betroffenen trotz der Seltenheit der einzelnen Erkrankungen hoch. Allein
in Deutschland leben Schätzungen zufolge etwa vier Millionen Menschen mit
einer seltenen Erkrankung. Seltene Erkrankungen bilden eine Gruppe von
sehr unterschiedlichen und zumeist komplexen Krankheitsbildern. Die
meisten dieser Erkrankungen verlaufen chronisch und gehen mit
gesundheitlichen Einschränkungen beziehungsweise eingeschränkter
Lebenserwartung einher. In der überwiegenden Mehrzahl bilden Betroffene
bereits im Kindesalter Symptome aus. Etwa 80 Prozent der seltenen
Erkrankungen sind genetisch bedingt oder mitbedingt, selten sind sie
heilbar.

Wie lassen sich seltene Erkrankungen besser diagnostizieren und behandeln?
Das Ziel der Versorgung von Patientinnen und Patienten mit seltenen
Erkrankungen ist es, ihnen trotz und mit ihrer Erkrankung ein möglichst
beschwerdefreies Leben zu ermöglichen. Deshalb bedürfen sie einer
besonders zeitintensiven ärztlichen Zuwendung und oft einer aufwendigen
Spezialdiagnostik. Denn seltene Erkrankungen weisen einige Besonderheiten
auf: Dazu zählen vordringlich die geringe Anzahl an Betroffenen mit einer
bestimmten seltenen Erkrankungen und die weit über das ganze Land
gestreute Verteilung der Betroffenen, was nicht nur die ärztliche
Versorgung, sondern auch wissenschaftliche Untersuchungen – etwa in Form
von Studien – erschwert. Darüber hinaus gibt es meist nur eine geringe
Anzahl von Expertinnen und Experten, die Menschen mit der jeweiligen
seltenen Erkrankung versorgen und die Erkrankung weiter erforschen können.
Auch sind die Wege zu guten Behandlungs- und Versorgungsmöglichkeiten
nicht immer auf Anhieb ersichtlich. Dies kann dazu führen, dass die
Betroffenen sich mit ihrer Erkrankung allein gelassen fühlen und die
Diagnose erst deutlich verzögert gestellt wird.

Die Seltenheit der einzelnen Erkrankungen erschwert also aus medizinischen
und ökonomischen Gründen häufig die medizinische Versorgung und die
Forschung für die betroffenen Patientinnen und Patienten. „Diagnose und
Therapie der Erkrankungen stellen alle Beteiligten – Betroffene,
Angehörige, medizinisches, therapeutisches und pflegerisches Personal –
vor besondere Herausforderungen“, sagt der Kaufmännische Vorstand, Frank
Ohi: „Deshalb hat das Dresdner Uniklinikum mit dem UniversitätsCentrum für
Seltene Erkrankungen Strukturen etabliert, um bei unklaren
Krankheitsfällen die Chancen auf eine Diagnose deutlich zu verbessern.“

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Technologie rettet Mittelalter: Dom unter Laserbehandlung

Die Chorskulptur des Apostels Bartholomäus im Halberstädter Dom vor (l.) und nach der Restaurierung mit neuen restauratorischen Methoden und mit Hilfe einer Projekt-Förderung durch die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU).  Corinna Grimm-Remus
Die Chorskulptur des Apostels Bartholomäus im Halberstädter Dom vor (l.) und nach der Restaurierung mit neuen restauratorischen Methoden und mit Hilfe einer Projekt-Förderung durch die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU). Corinna Grimm-Remus

DBU fördert Projekt zur Beseitigung von Umweltschäden
Der Halberstädter Dom leidet sichtbar unter menschengemachten
Umwelteinflüssen – die Steine werden zunehmend schwarz. Erstmals im
Denkmalschutz wird nun ein Anwendungskatalog für die Reinigung mit
Lasertechnik entwickelt. Die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) fördert
das Vorhaben der Kulturstiftung Sachsen-Anhalt mit rund 125.000 Euro. Dies
ist nicht das erste gemeinsame Projekt am national bedeutsamen Dom in
Halberstadt. Bereits die Chorskulpturen konnten mit DBU-Mitteln und neuen
restauratorischen Techniken gerettet werden.

Schwefelsaure Luftverschmutzung und Klimawandel schaden vielen Bauwerken
in der Region

Die durch Menschen verursachten Umwelteinflüsse haben am mittelalterlichen
Dom großen Schaden angerichtet. Eine Ursache: Schwefeldioxid, das
hauptsächlich bei der Verbrennung schwefelhaltiger Brennstoffe wie Kohle
entsteht, führt zu Luftverschmutzung und setzt Schadensprozesse an
Steinmaterialien in Gang. „Der sogenannte saure Regen führt zum Beispiel
zur schadhaften Umwandlung von Kalk in Gips“, sagt Sybille Weigelt-Röseler
von der Kulturstiftung Sachsen-Anhalt. Zwar sind die Schwefeldioxid-
Emissionen laut Umweltbundesamt (UBA) seit 1990 um rund 96 Prozent
zurückgegangen – etwa durch Stilllegung oder technische Nachrüstung von
Betrieben in den ostdeutschen Bundesländern, den Einsatz schwefelsparender
Brennstoffe sowie verschärfte Auflagen für die Abgasreinigung bei
Großfeuerungsanlagen. Zwischen den Jahren 2017 bis 2020 nahm zudem nach
UBA-Angaben der Einsatz von Kohle ab.

Gleichwohl bleibt eine entscheidende Herausforderung: „Die zunehmende
Feuchtigkeit als eine Folge der Klimakrise verschlimmert den schon
bestehenden Schaden durch Schwefeldioxid“, so Weigelt-Röseler. Diese
aktiviert nach ihren Worten die vorhandenen schwefel- und
stickstoffhaltigen Salze und verursacht dadurch zusätzlichen Bauschaden.
„So geht es vielen Bauwerken in der Region“, sagt sie. Vor diesem
Hintergrund konzipierte die Kulturstiftung Sachsen-Anhalt in Kooperation
und zur wissenschaftlichen und restauratorischen Unterstützung mit der
Diplomrestauratorin und promovierten Kunsthistorikerin Corinna Grimm-Remus
sowie dem Institut für Diagnostik und Konservierung an Denkmalen in
Sachsen und Sachsen-Anhalt (IDK) dieses modellhafte Forschungsprojekt.

DBU-Generalsekretär Alexander Bonde: „Wir sind in der Lage, etwas zu
ändern.“

Die gute Nachricht: „Wir sind in der Lage, etwas zu ändern“, sagt DBU-
Generalsekretär Alexander Bonde. Bei den Schwefeldioxid-Emissionen sei das
schon weitgehend gelungen. „Die Umsetzung des Pariser Klimaschutzabkommens
von 2015 ist wichtig, um die Erderwärmung aufzuhalten.“ Zudem müsse
entstandener Schaden ausgeglichen werden. „Wiederherstellen und Erhalten
national bedeutender Kulturgüter liegt in unserer Verantwortung“, so
Bonde. „Eine besondere Rolle spielen digitale Methoden, deren Anwendung
für die Praxis erleichtert werden muss.“

Erstmalig Anwendungs- und Einstellungskatalog für Lasertechnologie im
Denkmalbereich

Seit den 1990er-Jahren hat sich die Lasertechnologie „für die Reinigung
von Oberflächen in der Denkmalpraxis etabliert“, sagt Constanze Fuhrmann,
Leiterin des DBU-Referats Umwelt und Kulturgüterschutz. Sie sei als
hochqualitative Reinigungsmethode in der Restaurierungswissenschaft
anerkannt, insbesondere aufgrund der berührungslosen Handhabung, so die
Restauratorin. Noch sei deren Einsatz aber mit einem gewissen Zeitaufwand
verbunden und erfordere besonders geschultes Personal. Eine weitere
Herausforderung: Die Einstellungsparameter der Geräte an die verschiedenen
existierenden Schadphänomene und Materialien müssen kontinuierlich für
erfolgreiche Ergebnisse angepasst werden. „Hier kommt der Halberstädter
Dom ins Spiel“, sagt Fuhrmann. „Er ist deshalb so interessant, weil er
viele unterschiedliche Schadensbilder am Stein aufweist, an denen
modellhaft verschiedene Laseranwendungen getestet werden können.“ Im
Projekt soll erstmalig ein Anwendungs- und Einstellungskatalog für die
Bedienung der Lasertechnologie im Denkmalbereich entwickelt werden.

DBU förderte Reinigung und Farberhalt der Chorskulpturen

Das Laser-Vorhaben ist nicht das erste Projekt, das die Deutsche
Bundesstiftung Umwelt im Halberstädter Dom unterstützt. Auch die Rettung
der 14 farbigen Chorskulpturen aus dem 15. Jahrhundert wurde seitens der
DBU mit 120.000 Euro gefördert. „Der im Mittelalter als Bestandteil der
Farbfassungen verwendete Gips hielt der permanenten klimatisch und
mikrobiologisch ungünstigen Umgebung nicht stand“, sagt Restauratorin und
Kooperationspartnerin Corinna Grimm-Remus. „Deshalb lösten sich die
Farbfassungen ab.“ Zudem wirkten sich nach ihren Worten
schwefeldioxidhaltige Luft und mangelnde Pflege negativ aus. Mit Störleim,
Seide und neuen restauratorischen Methoden gelang es, die lebensgroßen
Figuren zu reinigen und ihre ursprüngliche Farbe herauszuarbeiten. In
Kooperation mit der Bauhaus-Universität Weimar halfen ferngesteuerte
Drohnen bei der Dokumentation.

„Die Laserreinigung wollen wir zudem an den ebenfalls national bedeutsamen
gotischen Domen in Halle und Magdeburg durchführen, um umfassende
Erfahrungswerte über verschiedene Materialuntergründe und Verschmutzungen
zu bekommen“, so Grimm-Remus.

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DGN warnt vor Botoxspritzen in die Magenwand zur Appetitzügelung und initiiert eine wissenschaftliche Aufarbeitung

Nach einer Behandlung mit „Magen-Botox“ sind mehrere Menschen schwer an
Botulismus, einer lebensbedrohlichen Botox-Vergiftung, erkrankt und werden
in Deutschland neurointensivmedizinisch behandelt. Die DGN möchte
Betroffene sowie Ärztinnen und Ärzte für die Symptome sensibilisieren,
damit möglichst schnell eine Therapie eingeleitet werden kann. Fälle wie
diese könnten zunehmen – Prof. Dr. Tim Hagenacker, Klinik für Neurologie,
Universitätsklinikum Essen, Mitglied der Kommission Motoneuron- und
Neuromuskuläre Erkrankungen der DGN, hat nun eine Fallserie zur
wissenschaftlichen Auswertung dieses Botulismus-Ausbruchs initiiert und
bittet Kolleginnen und Kollegen, ihre Fälle zu melden.

Aktuell wird von 12 „Health-Touristen“ berichtet, die ihren Aufenthalt in
der Türkei dazu nutzten, sich in Privatkliniken Botox in die Magenwand
spritzen zu lassen und die nun in Folge der Behandlung schwer erkrankt
sind. Ziel dieser Behandlung ist die Gewichtsabnahme. Denn die durch das
Nervengift verringerte Peristaltik führt dazu, dass die Nahrung länger in
Magen verbleibt und das Sättigungsgefühl länger andauert.

Die Betroffenen erkrankten an Botulismus, einer lebensbedrohlichen
Vergiftung durch das Botulinum-Nervengift. Typisch sind
Lähmungserscheinungen, die auf die Atemmuskulatur übergreifen und so zum
Tod führen können. Einige von ihnen werden derzeit auf
Neurointensivstationen in Deutschland behandelt. „Wir möchten uns nicht an
Spekulationen beteiligen, warum es zu diesen Fällen kam, ob sie durch
Überdosierungen verursacht wurden, z.B. durch Verunreinigung der Substanz,
die zu einer Wirkungsverstärkung führen kann, – oder ob die Therapie per
se ein höheres Risiko für Botulismus aufweist, da deutlich höhere Botox-
Dosen verwendet werden als z.B. bei der kosmetischen Behandlung und das
Botox hier auch „off label“, also außerhalb der Zulassung angewendet wird.
Wir möchten Menschen, die sich einem solchen Eingriff in den letzten zehn
Tagen unterzogen haben, sowie unsere hausärztlichen Kolleginnen und
Kollegen für die Symptome sensibilisieren, damit möglichst schnell eine
Therapie eingeleitet werden kann“, erklärt Prof. Dr. Tim Hagenacker,
Leiter des Zentrums für Neuromuskuläre Erkrankungen der Klinik für
Neurologie am Universitätsklinikum Essen und Mitglied der Kommission
Motoneuron- und Neuromuskuläre Erkrankungen der Deutschen Gesellschaft für
Neurologie (DGN). „Botulismus ist eine sehr selten auftretende Krankheit
und ist daher nicht immer das erste, woran Medizinerinnen und Mediziner
bei diesen Symptomen denken.“ Auch sei die Abgrenzung von anderen
neurologischen Krankheiten wie der Myasthenia gravis oder dem Guillain-
Barré-Syndrom nicht immer einfach. Um die Diagnostik abzukürzen, ist es
daher wichtig, dass Patientinnen und Patienten bei der Ärztin/beim Arzt
angeben, wenn sie sich zuvor einer Botox-Behandlung unterzogen haben. Das
kann die Diagnostik verkürzen.

Zu Beginn zeigt sich Botulismus mit unspezifischen Symptomen.
Typischerweise treten zunächst Magen-Darm-Beschwerden auf, also Übelkeit,
Erbrechen, Durchfall, dann Schluckstörungen und Lähmungserscheinungen.
„Betroffene sollten sich möglichst schnell neurologisch vorstellen.“
Binnen 48 Stunden nach der Botox-Behandlung kann ein Anti-Toxin
verabreicht werden, das Zeitfenster wird aber häufig verpasst. Laut
Einschätzung des Experten ist auch nicht ganz klar, ob bzw. wie gut es bei
dieser iatrogen verursachten Botulismus-Form wirkt. Die Betroffenen werden
immer auch symptomatisch behandelt, die S1-Leitlinie zur Diagnostik und
Behandlung des Botulismus der Deutschen Gesellschaft für Neurologie [1]
stellt die Therapiemöglichkeiten dar. Neu ist der Einsatz von
Pyridostigmin, einem Arzneimittel, das sonst bei der Myasthenia gravis zur
Anwendung kommt. Besonders wichtig ist bei schweren Fällen die
Unterstützung der Schluck- und Atemfunktion, damit es nicht zu schweren
Lungenentzündungen oder anderen lebensbedrohlichen Komplikationen kommt.
Die gute Nachricht: „Auch Betroffene, die neurointensivmedizinisch betreut
werden müssen, haben Aussicht auf vollständige Genesung“, erklärt
Hagenacker. Oft dauere der Genesungsprozess aber mehrere Wochen und Monate
„Das Gift baut sich nur langsam ab und die geschädigten Synapsen, die die
Lähmungssymptome verursachen, müssen erst wieder gebildet werden.“

In Deutschland erkranken pro Jahr durchschnittlich nur etwa 5 Menschen an
Botulismus. Die häufigste Form ist der sogenannte Lebensmittelbotulismus.
Er entsteht dadurch, dass man Lebensmittel – häufig Eingemachtes oder
Konserven – verzehrt, die mit Clostridien-Bakterien oder ihren Sporen
belastet sind. Diese Bakterien produzieren dann das Nervengift Botox im
Körper. „Doch angesichts der zunehmenden Verwendung von Botox im Medizin-
bzw. Lifestyle-Bereich, müssen wir daran denken, dass perspektivisch auch
in diesem Zusammenhang mehr Fälle von Botulismus auftreten können“,
erklärt Prof. Dr. Peter Berlit, DGN-Generalsekretär und -Pressesprecher.

Um den derzeitigen Botulismus-Ausbruch durch die „Magenspritze“ zu
untersuchen, Komplikationen, Outcome und Schwere der Symptome zu
analysieren, hat Prof. Hagenacker mit seinem Team eine Fallserie
initiiert. Ärztinnen und Ärzte, die aktuell entsprechende Verdachtsfälle
behandeln, werden gebeten, Kontakt mit ihm oder der DGN aufzunehmen. „Die
wissenschaftliche Aufarbeitung dieses Botulismus-Ausbruchs ist wichtig, um
zukünftig Betroffenen schneller helfen zu können“, erklärt Prof.
Hagenacker abschließend.

[1] Pfausler B. et al. S1-Leitlinie Botulismus. 2017. In: Deutsche
Gesellschaft für Neurologie, Hrsg. Leitlinien für Diagnostik und Therapie
in der Neurologie. Online: www.dgn.org/leitlinien (abgerufen am
18.03.2023)

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