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Ethikrat: Normalität als fragwürdiger Orientierungspunkt

Am 20. Oktober 2023 diskutiert der Deutsche Ethikrat im Rahmen einer
öffentlichen Anhörung die gesellschaftliche Relevanz von Normalität und
Normalisierungsprozessen. Im Austausch mit Sachverständigen soll es
insbesondere darum gehen, wie Normalitätsvorstellungen der normativen
Orientierung dienen, indem sie etwa Körperideale oder Auffassungen von
Gesundheit und Krankheit prägen. Auch der zweite Teil der Anhörung am 16.
November 2023 widmet sich den vielfältigen Beziehungen zwischen Normalität
und Normativität.

Was als „normal“ aufgefasst wird, steht keineswegs fest, sondern ist
kontextabhängig und zudem teils erheblichem Wandel unterworfen. Der
Deutsche Ethikrat beschäftigt sich aktuell mit der Dynamik von
Normalitätsvorstellungen insbesondere im Bereich der Lebenswissenschaften.
Im Austausch mit drei Sachverständigen aus Philosophie, Psychiatrie und
Medienwissenschaft soll nun unter anderem aufgezeigt werden, welche
gesellschaftlichen Akteure Einfluss nehmen auf Normalitätsvorstellungen
und welche ethischen bzw. rechtlichen Folgen dies haben kann.

Am 20. Oktober wird zunächst der Arzt und Philosoph Thomas Fuchs vom
Universitätsklinikum Heidelberg über die Bedeutung des Normalitätsbegriffs
in der Psychiatrie sprechen. Die aktuelle Tendenz, psychische Krankheiten
lediglich als problematische Abweichungen auf einem Spektrum der
Normalität aufzufassen, wirkt zwar der Ausgrenzung von Betroffenen
entgegen, könnte aber auch den rasanten Anstieg der Verordnung von
Psychopharmaka begünstigen.

Anschließend beleuchtet der Medienwissenschaftler Friedrich Balke von der
Ruhr-Universität Bochum die kulturhistorischen Wurzeln des
Normalitätsdiskurses. Unter anderem wird er darauf eingehen, welche Rolle
die (Massen-)Medien allgemein bei Verschiebungen der „Grenzen des
Normalen“ und insbesondere beim Aufweichen sexueller Normen spielen.

Im zweiten Teil der Anhörung am 16. November wird die Philosophin Maren
Wehrle von der Erasmus University Rotterdam der Frage nachgehen „Was ist
(noch) normal?“ Ihrer Auffassung zufolge sind Normalitätsvorstellungen
nicht nur eng mit normativen Wertungen verknüpft, sondern nehmen sogar
Einfluss auf unsere Auffassung von Wirklichkeit und Realität.

Die Anhörung am 20. Oktober von 9:30 bis 11:30 Uhr ist öffentlich und wird
live online übertragen unter www.ethikrat.org/live. Sie wird am 16.
November von 11:00 bis 12:00 Uhr fortgesetzt. Im Nachgang werden beide
Teile der Anhörung als Videoaufzeichnung und Transkript auf der Website
des Deutschen Ethikrates veröffentlicht.

Weitere Informationen unter: www.ethikrat.org/anhoerungen/normalitaet-und-
normalisierungsprozesse

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Nasschemisches Beschichtungsverfahren mit Sauerstoffbarrierepotential für Papier und papierähnliche Substrate

Beim Einsatz von Barrierebeschichtungen auf Papier und papierähnlichen
Substanzen wird Recycling und Alternativen zur Kunststoffbeschichtungen
immer bedeutender.
Im Rahmen eines Forschungsprojektes bei INNOVENT e.V. konnten Multi-
Layerbeschichtungsysteme auf der Basis von Sol-Gel derivierten
Hybridpolymeren und modifizierten Polysacchariden entwickelt werden. Die
Beschichtungssysteme demonstrierten sehr gute Sauerstoffbarrieren auch auf
sehr rauen Substraten.

Nachwachsende und recycelbare Materialien wie Papier zeichnen sich in der
Regel durch ihre faserige Struktur aus. Diese Struktur macht sie besonders
wasser- und schmutzaufnahmefähig und durchlässig für Gase wie Sauerstoff
und Wasserdampf. Dies kann die Stabilität der Verpackungsmaterialien
erheblich beeinträchtigen und in vielen Anwendungsfällen nachteilige
Auswirkungen haben. Zum Beispiel können diese Eigenschaften im
Verpackungsbereich dazu führen, dass nicht ausreichend Schutz gegen
Permeation, Migration und Absorption für den Inhalt der Verpackung
gewährleistet ist. Dies wiederum kann bei empfindlichen Produkten in der
Lebensmittelindustrie oder der Medizintechnik zu unerwünschten Reaktionen
führen, die sich in Form von Geschmacksveränderungen (Off-Flavor), Farb-
und Stabilitätsverlusten sowie mikrobiologischem Verderb des Inhalts
bemerkbar machen. Darüber hinaus sind die Verpackungsmaterialien selbst
anfällig für Feuchtigkeit, was ihre Wiederverwendbarkeit und
Langzeitstabilität oft einschränkt

Neue Multi-Layerbschichtungen
Kaum ein nasschemisches Verfahren erweist sich in seiner Vielseitigkeit
der Sol-Gel-Technik gleich. Diese Methode findet Anwendung auf einer
breiten Palette von Substratmaterialien, darunter Glas und Metall, aber
auch temperaturempfindliche Werkstoffe wie Polymere, Textilien und
Fasermaterialien. Dank der Fülle an verfügbaren Vorläufersubstanzen und
der präzisen Steuerung der Reaktionsbedingungen können vielfältige
Schichteigenschaften erzielt werden, die unabhängig vom jeweiligen
Substratmaterial sind. Die Versiegelung von Fasermaterialien gestaltet
sich aufgrund ihrer speziellen strukturellen Beschaffenheit als
anspruchsvoll, da sie Mikrometer-Zwischenräume und äußerst raue
Oberflächen aufweisen. Aus diesem Grund wird zunächst eine
Ausgleichsschicht auf Basis modifizierter Polysaccharide wie Stärkeester
oder Chitosan aufgetragen, um das Substrat grundlegend zu versiegeln.
Anschließend können dünne Sauerstoffbarrierebeschichtungen in Form von
Hybridpolymeren oder Nanocompositen mithilfe der Sol-Gel-Technik
hergestellt und aufgetragen werden [1,2].

Über INNOVENT

Die Industrieforschungseinrichtung INNOVENT e.V. analysiert, forscht und
entwickelt seit 25 Jahren in den Bereichen Oberflächentechnik, Magnetisch-
Optische Systeme und Biomaterialen. Das Institut aus Jena beschäftigt etwa
130 Mitarbeiter, leitet verschiedene Netzwerke und führt bundesweit
Fachtagungen durch. INNOVENT ist Gründungsmitglied der Deutschen
Industrieforschungsgemeinschaft Konrad Zuse.

1.      Trodtfeld, F.; Tölke, T.; Wiegand, C. Antimicrobial
Functionalization of Prolamine–Silica Hybrid Coatings with Fumaric Acid
for Food Packaging Materials and Their Biocompatibility. Antibiotics 2022,
11, 1259, doi: 10.3390/antibiotics11091259.
2.      Trodtfeld, F.; Tölke, T.; Wiegand, C. Developing a Prolamin-Based
Gel for Food Packaging: In-Vitro Assessment of Cytocompatibility. Gels
2023, 9, 740, doi:10.3390/gels9090740.

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Neuartiges Protein soll Angriffe des Immunsystems auf eigenen Körper verhindern - EXIST-Föderung für Ulmer Startup

Die Ulmer Unternehmensgründer Dr. Arthur Dopler und Matteo Mohr erhalten
1,2 Millionen Euro für zwei Jahre aus dem EXIST-Forschungstransfer-
Programm. Das Förderprogramm des Bundes und der EU unterstützt
Gründungsvorhaben, die mit hohem Risiko und Entwicklungsaufwand verbunden
sind. In dem geförderten Projekt geht es um ein neuartiges Protein, das
Fehlregulationen in der Immunabwehr beheben soll. Speziell im Fokus steht
dabei das sogenannte Komplementsystem, ein Teil des angeborenen
Immunsystems, dessen Fehlfunktion mit gravierenden Krankheiten verbunden
ist.

Wenn das Immunsystem massiv gegen körpereigene Zellen anstatt gegen
Krankheitserreger vorgeht, hat der Körper ein Problem: Schwerwiegende
Organ- und Gewebeschäden sind die Folge. Die Ursache hierfür liegt häufig
in genetisch bedingten Fehlregulationen, wodurch lebensbedrohliche
Krankheiten ausgelöst werden. Ein Großteil davon kann bis heute nur
unzureichend oder gar nicht behandelt werden. Bei dem Ulmer Startup, das
pharmakologische und biomedizinische Forschung verbindet, dreht sich alles
um ein vielversprechendes Protein, das in der Lage ist, Fehlregulationen
in einem Teil des angeborenen Immunsystems – dem Komplementsystem –
abzuwenden.

Das Startup, das bereits über das GO-Bio Initial Programm des BMBF
gefördert wurde, erhält nun eine Förderung durch das Programm EXIST-
Forschungstransfer des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz
(BMWK) und des Europäischen Sozialfonds Plus (ESF Plus) der Europäischen
Union in Höhe von 1,2 Millionen Euro für die Dauer von zwei Jahren. Mit
diesem Geld soll es gelingen, das neuartige Protein zu produzieren, es
biochemisch und biophysikalisch zu charakterisieren und dessen Wirksamkeit
in vivo nachzuweisen.

„Unser Ziel ist es, dieses Molekül in die klinische Anwendung zu bringen,
um Erkrankungen des Komplementsystems wirkungsvoller und zugleich
schonender zu behandeln“, sagt Projektleiter Matteo Mohr. Der
Wissenschaftler, der an der TU München Bioprozesstechnik und Management
studiert hat, forscht seit 2022 am Institut für Experimentelle und
Klinische Pharmakologie, Toxikologie und Naturheilkunde des
Universitätsklinikums Ulm. Zu diesen seltenen, wenn auch gravierenden
Erkrankungen des Komplementsystems gehören beispielsweise die Paroxysmale
Nächtliche Hämoglobinurie (PNH) oder das atypische Hämolytisch-Urämische
Syndrom (aHUS) sowie die C3-Glomerulopathie (C3G). Zum klinischen Bild
solcher Erkrankungen gehören beispielsweise die Auflösung roter
Blutkörperchen, die verstärkte Neigung zu Blutgerinnseln sowie die
Schädigung der Blutgefäßinnenwände oder der Nierenfunktion.

Überreaktionen des Immunsystems führen zu lebensbedrohlichen Erkrankungen

Aufgabe des Komplementsystems als Teil des angeborenen Immunsystems ist
es, Krankheitserreger zu bekämpfen sowie alte und beschädigte Zellen zu
eliminieren, indem diese erkannt, markiert und zerstört werden. Das
Netzwerk aus über 40 verschiedenen Proteinen kann über unterschiedliche
Aktivierungswege in Gang gesetzt werden, die wiederum hochkomplexe
Reaktionskaskaden auslösen. „Dieser Prozess ist strikt reguliert. Mehrere
Mechanismen schützen davor, dass das Komplementsystem überreagiert und
eigene, gesunde Zellen zerstört werden. Durch Genmutationen, aber auch
durch Transplantationen, kann es allerdings zu Fehlregulationen kommen,
die lebensbedrohliche Erkrankungen zur Folge haben“, erklärt Dr. Arthur
Dopler. Der Ulmer Immunbiologe, der nach der Gründung des Startups die
wissenschaftliche Leitung übernehmen wird, hat über das Komplementsystem
promoviert.

Das neuartige Molekül soll nun dafür sorgen, dass ein fehlreguliertes
Komplementsystem wieder richtig reguliert wird. Entwickelt wurde es in
langjähriger Forschung von Professor Christoph Schmidt, der seit 2011 am
Institut für Experimentelle und Klinische Pharmakologie, Toxikologie und
Naturheilkunde der Universität Ulm forscht. Schmidt, der auch der
Doktorvater von Dr. Dopler ist, hat das Protein gemeinsam mit den
Medizinern Professor Markus Huber-Lang (Institut für Klinische und
Experimentelle Trauma-Immunologie) und Professor Hubert Schrezenmeier
(Institut für Transfusionsmedizin) international als Patent angemeldet.
Das neu entwickelte Regulatorprotein basiert auf natürlich vorkommenden
Proteinen des Komplementsystems und vereint deren Eigenschaften in einem
einzigartigen Molekül. Dieser innovative Regulator kann aufgrund seiner
Enzym-ähnlichen Wirkweise eine Vielzahl von Zielmolekülen deaktivieren,
ohne dabei „verbraucht“ zu werden. Im Vergleich zu den bereits verfügbaren
Therapien ist dies ein großer Vorteil, da das neuartige Molekül eine sehr
hohe Wirksamkeit aufweist. Zudem ermöglicht es die Behandlung einer
Vielzahl von Krankheiten und wirkt genau dort, wo es wirken soll.

Mit der EXIST-Förderung soll nun die Wirksamkeit des Regulators in vivo
nachgewiesen werden. Außerdem werden die Gründer einen Produktionsprozess
etablieren, mit dessen Hilfe sich das neuartige Molekül im Labormaßstab
herstellen lässt. Um diese Ziele zu erreichen, wird das Gründungsteam um
zwei weitere Personen verstärkt, die auf die Produktion und Analyse von
Proteinen spezialisiert sind. Das Team wird in den nächsten zwei Jahren
außerdem einen Businessplan erarbeiten, die Unternehmensgründung
vorantreiben und sich um eine Anschlussfinanzierung kümmern. „Danach muss
sich das Projekt den anspruchsvollen und langjährigen Prozessen der
Arzneimittelentwicklung stellen“, so die Startup-Gründer. Hilfestellung
kommt dabei von Professor Holger Barth, dem Direktor des Instituts für
Experimentelle und Klinische Pharmakologie, Toxikologie und
Naturheilkunde, an dem das Gründungsteam angesiedelt ist. Unterstützt wird
das Gründungsvorhaben vom Entrepreneurs Campus sowie dem Life Science
Inkubator und dem Technologietransfer der Universität Ulm.

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Entwicklungshilfe zur Reduktion von Migration: kostspielig und teils ineffektiv

Entwicklungshilfe ist weitgehend ineffektiv bei der Reduzierung
irregulärer Migration. Eine neue umfassende Studie des Kiel Instituts für
Weltwirtschaft (IfW Kiel) kommt zu dem Ergebnis, dass Entwicklungshilfe
die Zahl der Asylsuchenden nur vorübergehend senken kann – in den
instabilsten Ländern wirkt sie zu diesem Zweck überhaupt nicht. Im Laufe
der Zeit führt Entwicklungshilfe zu einem Anstieg regulärer Migration, zu
der Arbeits-, Studien- und Familienmigration gehören.

„Da die Flüchtlingszahlen stark steigen, stehen europäische und
amerikanische Politikschaffende unter Druck, Lösungen zu finden, um die
Zahl der Flüchtlinge und anderer Asylsuchender zu begrenzen. Fast täglich
werden neue Vorschläge zur Eindämmung irregulärer Migration diskutiert. Ob
sie wirksam sind, ist oft unklar, da Belege fehlen“, sagt Moritz
Schularick, Präsident des IfW Kiel. „Aus diesem Grund haben unsere
Forscher den Einfluss von Entwicklungshilfe auf Migration mit neuen und
außergewöhnlich detaillierten Daten erneut untersucht – und dabei eine der
sehr häufig in der Politik vertretenen Annahmen widerlegt.“

Hilfe bremst irreguläre Migration nur temporär, erhöht reguläre Migration

Die Studie (Fuchs et al., 2023) verwendet national repräsentative Umfragen
des Gallup World Poll. Die Umfrage deckt fast eine Million Menschen in 106
Ländern ab und wurde mit regional zugeordneten Daten zur Zuweisung von
Weltbank-Hilfsprojekten zwischen 2008 und 2019 verbunden. Das ermöglicht
eine beispiellos detaillierte Untersuchung. Auswirkungen von
Entwicklungshilfe lassen sich so einzeln mit Blick auf verschiedene
Aspekte der Migration auswerten: auf die Migrationsambitionen,
-fähigkeiten und tatsächlichen Migrationsmuster der Menschen.

In den vergangenen Jahren haben Europa und die USA Milliarden an Euros und
Dollars für Entwicklungshilfe ausgegeben, um die Migration aus ärmeren
Ländern zu bremsen. Die Idee ist einfach: Entwicklungshilfe soll die
Ursachen irregulärer Migration in den Herkunftsländern verringern wie
Armut, mangelnde Chancen und Unsicherheit. Mit besseren Lebensbedingungen
vor Ort würde die Auswanderung weniger attraktiv, so die Annahme.

Entgegen eines scheinbaren Konsens unter politisch Verantwortlichen in den
wohlhabenderen Ländern stellen die Autoren der Studie fest, dass sich
Migrationsbewegungen durch Entwicklungshilfeprojekte allenfalls kurzzeitig
verringern. Weltweit senkten die Hilfszahlungen die Migration von
Asylsuchenden. Im Falle eines durchschnittlichen Herkunftslands und der
durchschnittlichen jährlichen Entwicklungshilfezahlung von 130 Millionen
US-Dollar finden wir in den folgenden zwei Jahren eine Reduktion der Zahl
der Asyl-Erstanträge um je 8 Prozent. Dieser dämpfende Effekt verschwindet
jedoch bereits nach zwei Jahren. Darüber hinaus ist die Entwicklungshilfe
in Subsahara-Afrika zu diesem Zweck unwirksam und senkt die Zahl der
Asylsuchenden gar nicht.

Längerfristig betrachtet kann Entwicklungshilfe, sofern sie wichtige
Migrationsursachen wie den Lebensstandard und das Einkommen der Menschen
erhöht, Migrationsmöglichkeiten vergrößern, da mehr Menschen die damit
verbundenen Kosten tragen können. Ein wichtiges Ergebnis der Studie ist,
dass sich dies – entgegen den Erwartungen – im globalen Mittel nicht in
höheren Zahlen von Asylsuchenden niederschlägt. Stattdessen nimmt zwei bis
drei Jahre nach den Zahlungen die reguläre Migration zu, da mehr Menschen
sicher, mit Arbeitsvisum, fürs Studium oder die Familienzusammenführung
migrieren können.

Kein Allheilmittel für irreguläre Migration

Die Ergebnisse der Studie legen nahe, dass nur eine unrealistisch starke
Erhöhung der Entwicklungshilfe einen Großteil der irregulären Migration
verhindern würde. Die Wirkung der Entwicklungshilfe gegen irreguläre
Migration ist daher nicht das Allheilmittel, wie es politische
Entscheidungsträger oft darstellen oder sich erhoffen, und sollte nicht
überschätzt werden.

„Das Problem ist komplex – und erfordert daher einen umfassenden,
mehrschichtigen Ansatz“, sagt Tobias Heidland, Leiter des
Forschungszentrums „Internationale Entwicklung“ und Mitautor der Studie.
„Man kann versuchen, irreguläre Migration mit Entwicklungshilfe
einzudämmen, aber man muss realistisch hinsichtlich der Wirksamkeit sein.
Entwicklungshilfe ist nicht die Lösung. Zäune zu bauen und Grenzen zu
überwachen wird irreguläre Migration ebenfalls nicht vollständig stoppen –
insbesondere angesichts der Situation am Mittelmeer.

Wir müssen mehr Flüchtlingsschutz in der Nähe von Konfliktzonen bieten und
gleichzeitig die Anreize für irreguläre Migration senken. Stattdessen
sollten wir dafür mehr legale Kanäle öffnen. Die wissenschaftliche Evidenz
zeigt, dass viele der derzeit eingesetzten Mittel nicht sehr wirksam sind.
Wir brauchen ein Bewusstsein für evidenzbasierte Politik mit
kosteneffektiven, kombinierten Ansätzen, um eine maximale Wirkung zu
erzielen, anstatt Werkzeuge isoliert einzusetzen.

Das primäre Ziel der Entwicklungshilfe ist die Förderung nachhaltiger
Entwicklung und die Reduzierung der Armut in den Empfängerländern –
unabhängig von indirekten Auswirkungen auf die Migration. Wenn sie auch
irreguläre Migration bremst, indem sie einige der Ursachen der Migration
reduziert, ist das großartig, aber es sollte nicht das Hauptmotiv für
Entwicklungshilfe sein.“

Jetzt lesen:

- Wirtschaftspolitischer Beitrag  „Does Foreign Aid Reduce Migration?“
(https://www.ifw-kiel.de/de/publikationen/reduziert-entwicklungshilfe-
migration-32084
)

- Forschungspapier „The Effect of Foreign Aid on Migration: Global Micro-
Evidence from World Bank Projects“ (https://www.ifw-kiel.de/publications
/the-effect-of-foreign-aid-on-migration-global-micro-evidence-from-world-
bank-projects-32087/
)

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