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School of Commons – ein alternativer Ansatz zur Wissensproduktion und Bildung

Die School of Commons (SoC), ein zehnmonatiges hybrides Peer-Learning-
Programm an der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK), setzt neue Massstäbe
für selbstorganisierte Wissensproduktion.

Im Gegensatz zu traditionellen Bildungssystemen folgt die School of
Commons keinem festen Lehrplan. Stattdessen werden Inhalte, Methoden und
Ausrichtungen durch das kollektive Wissen, die Zusammenarbeit und die
Neugier der Teilnehmenden bestimmt. Dieses innovative Bildungsmodell
fördert einen kollaborativen Geist, der kontinuierliche Wissensexploration
und den Austausch von Ideen ermöglicht.

Die Projekte innerhalb des SoC-Programms zeichnen sich durch ihre Vielfalt
in Themen und Herangehensweisen aus. In den vergangenen acht Jahren wurden
zahlreiche Projekte erfolgreich umgesetzt, darunter der Schutz des Flusses
Vjosa in Albanien sowie die Gründung der ersten unabhängigen Zeitung im
Kosovo. Themen wie lebenslanges Lernen, kollektive Intelligenz nach
Naturkatastrophen und feministische Datenkompetenz zeugen von der Breite
und Relevanz der Projekte.

Vielfalt der Projekte und Peer-Learning
Ein wesentliches Element der SoC ist das Peer-Learning, das kollaboratives
Lernen in den Mittelpunkt stellt. Der Austausch von Wissen, Erfahrungen
und Perspektiven ermöglicht es den Teilnehmenden, ein tiefes Verständnis
für andere Ansätze zu entwickeln und ihre eigenen Projekte
weiterzuentwickeln. Dieser Ansatz fördert nicht nur kritisches Denken,
sondern auch soziale und interkulturelle Kompetenzen.
Ab Herbst 2024 bietet die SoC ihren Studierenden die Möglichkeit, ECTS-
Punkte zu erwerben. Jedes Jahr werden im Schnitt 16 bis 20 Projekte von 30
bis 40 Teilnehmenden durchgeführt. Die Auswahl erfolgt durch eine jährlich
wechselnde Peer-Jury in einem zweistufigen, anonymen Verfahren.
Studierende bewerben sich mit einem eigenen Projektvorschlag, der die
Grundlage ihrer Teilnahme bildet.

Neuer Digitaler Raum
In den jährlich stattfindenden «Kitchen Sessions» können die Teilnehmenden
ihre Projekte in einem informellen Rahmen vorstellen, offene Fragen
diskutieren und Unsicherheiten teilen. Diese Sessions fördern eine Kultur
des Verlernens und des dynamischen Austauschs. Auf der neu lancierten
Webseite der SoC https://schoolofcommons.org, ihrem «digital garden»,
steht das stetig wachsende Archiv des «Ways & Workings»-Verzeichnisses als
Ressource zur Verfügung. Dieses digitale Ökosystem bietet einen
gemeinsamen Raum für die kollaborative Erforschung und Verbesserung von
Infrastrukturen, die Peer-Learning und gemeinschaftliches Arbeiten
fördern.

Open Call
Die School of Commons sucht nach individuellen und kollektiven Projekten,
die die SoC-Lernumgebung von April 2025 bis Februar 2026 gestalten. Für
2025 werden 16 geförderte Projekte ausgewählt: Acht von Studierenden und
Teammitgliedern, die derzeit an der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK)
als Studierende oder Mitarbeitende eingeschrieben sind, und acht Projekte
ausserhalb der ZHdK. Jedes der 16 Projekte erhält ein Gesamtbudget von CHF
1'500 sowie Zugang zu Publikationsmöglichkeiten, Unterkunft in Zürich
während des Halbjahrestreffens, Mentor:innen/Referent:innen, Workshops
über alternative Wege und Arbeitsweisen, Peer-Learning, Kooperationen und
mehr. Am Mittwoch, den 16. Oktober 2024, findet von 16 bis 17.30 Uhr über
ZOOM eine Q+A-Session zum Open Call statt. Interessierte können sich
online anmelden: https://schoolofcommons.org/events/soc-open-call-2025

Wir vermitteln Ihnen gern Gespräche mit den verantwortlichen Personen.

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Welttag der Lehrer:innen am 5. Oktober: Neue Herausforderungen und mangelnde gesellschaftliche Anerkennung

Prof. Dr. Brigitte Latzko  Foto: Christian Hüller
Prof. Dr. Brigitte Latzko Foto: Christian Hüller

Haben sich die Anforderungen an Lehrer:innen in den vergangenen Jahren
verändert? Warum ist gerade diese Berufsgruppe besonders häufig von
Burnout betroffen? Was muss sich in der Lehrkräfteausbildung ändern, um
diesem Trend entgegenzuwirken? Dazu äußert sich
Erziehungswissenschaftlerin Prof. Dr. Brigitte Latzko von der Universität
Leipzig anlässlich des Welttages der Lehrerin und des Lehrers am 5.
Oktober.

Frau Prof. Latzko, welche Anforderungen sollte eine Lehrerin, ein Lehrer
heutzutage erfüllen, was ist anders als noch vor zehn Jahren?

Grundsätzlich ist der Kern der Anforderungen an Lehrkräfte gleich
geblieben: Sie sind Expert:innen für Lehr-Lern- und Entwicklungsprozesse
von Kindern und Jugendlichen, befördern deren Wissensaufbau und deren
Fähigkeiten zum selbstregulierten Lernen. Gleichzeitig haben sich in den
letzten Jahren durchaus auch inhaltliche Anforderungen verändert. Aufgrund
von neuen gesellschaftlichen Herausforderungen sind neue Lehr-Lerninhalte
hinzugekommen. Die zunehmende Digitalisierung unserer Gesellschaft ist ein
gutes Beispiel dafür, dass sich Anforderungen an Lehrkräfte in zweierlei
Hinsicht geändert haben: Zum einen wird von Ihnen gefordert, digitale
Kompetenzen bei Ihren Schüler:innen aufzubauen und zum reflexiven Umgang
mit digitalen Medien anzuregen. Zum anderen beziehen sich die
Anforderungen auch auf die Kompetenzen angehender und bereits etablierter
Lehrkräfte. Das heißt, die Ausbildung digitaler Lehr-Lernkompetenzen wird
sowohl Bestandteil des schulischen, als auch des universitären Curriculums
für die Lehrerbildung. Von Lehrpersonen im Schuldienst wird erwartet,
digitalisierungsbezogene Kompetenzen in Weiterbildungen zu erwerben.

Lehrkräfte unterrichten verstärkt auch Schüler:innen, die Deutsch als
Unterrichtssprache nicht beherrschen. Auch scheinen Lehrer:innen aller
Schularten verstärkt mit sozial-emotionalen Herausforderungen wie
mangelnder Impulskontrolle oder geringer Konfliktlösefähigkeit von
Schüler:innen konfrontiert zu sein, mit denen sie umgehen müssen. Sie
machen Schüler:innen fit für die Gesellschaft. Deshalb ergeben sich die
spezifischen Anforderungen aus der sich ändernden Gesellschaft. In einer
sehr heterogenen Gesellschaft liegt die Kernanforderung für Lehrende
darin, heterogene Lerngruppen zu unterrichten.

Geben Eltern Ihrer Ansicht nach zu viel Verantwortung in Sachen Erziehung
an die Lehrkräfte ab?

Ja, sicher geben viele Eltern zu viel Verantwortung ab und stellen hohe
Erwartungen an Lehrkräfte – zumindest in der Wahrnehmung der Lehrkräfte.
Allerdings findet sich auch das andere Extrem, dass Lehrkräfte sich
wünschen, Eltern würden sich etwas zurücknehmen und die Lehr-Lern- und
Erziehungsexpertise im Schulkontext den Lehrkräften überlassen. Bei uns
hat die Schule als Institution einen Bildungs- und Erziehungsauftrag.
Dabei muss klar sein, dass Eltern die Personensorgenberechtigten sind.
Gleichwohl verbringen die Kinder und Jugendlichen viel Lebenszeit in der
Schule. Die Schulgemeinschaft ist neben der Familie eine weitere
Lebensgemeinschaft, in der Kinder und Jugendliche soziales Leben teilen.
Insofern kommt der Schule hier auch eine explizite Erziehungsverantwortung
zu. Aus empirischen Befunden wissen wir, dass sich nicht alle Lehrkräfte
in gleicher Weise für Erziehung verantwortlich fühlen. Sie vertreten
durchaus die Position, dass Erziehung in den Verantwortungsbereich der
Eltern gehöre und Wissensvermittlung in den Verantwortungsbereich der
Lehrkräfte. Wenn Sie Lehrkräfte und Eltern befragen, werden Ihnen die
eingangs gezeichneten unterschiedlichen Positionen begegnen. Dieser
Diskurs ist meiner Ansicht nach nicht hilfreich. Vielmehr sollten wir
versuchen, eine Erziehungspartnerschaft mit Lehrern, Eltern und Kindern zu
etablieren. Die Idee, dass Eltern Verantwortung abgeben, kann darauf
zurückzuführen sein, dass unterschiedliche Auffassung von Erziehung
vorherrschen. Ein konkretes Beispiel: Die Schule stellt die Regeln auf,
dass alle Erwachsenen gegrüßt werden müssen. Die Eltern sagen dagegen,
dass fremde Menschen nicht gegrüßt werden. Hier gibt es kein Richtig oder
Falsch, weil beide Regeln im jeweiligen Kontext sinnvoll sein können, aber
letztlich das Kind in ein Spannungsfeld bringt.

Lehrer:innen sind – wie man oft liest – überdurchschnittlich stark von
Burnout betroffen. Wo liegen hierfür die Ursachen? Was müsste sich ändern,
um dieser Entwicklung entgegenzuwirken?

Untersuchungen zur Gesundheit von Lehrkräften weisen schon seit längerem
auf die hohe psychische Belastung im Lehrerberuf hin. Die Ergebnisse
verdeutlichen, dass die langfristige Ausübung des Lehrerberufs bei vielen
Lehrkräften zu erheblichen gesundheitlichen und leistungsbezogenen
Beeinträchtigungen führt. Dies wirkt sich negativ auf die Schüler:innen
und letztlich auch auf die gesamte Gesellschaft aus. Die Forschung zur
Wirksamkeit unterschiedlicher Präventions- und Interventionsansätze ist
hier sehr weit und es gibt eine Vielzahl von guten Ansätzen, die teilweise
auch direkt von den Krankenkassen finanziert werden. Noch wichtiger aber
ist festzuhalten, dass auch strukturell einiges im Argen liegt. Die
Anforderungen an Lehrkräfte, gemessen an der Vielzahl der Aufgaben und der
dafür notwendigen Flexibilität, steigen. Lehrkräfte müssen im Berufsleben
neue Kompetenzen erwerben, wie ich zuvor bereits gesagt habe. Sie müssen
komplexere Aufgaben in der Selbstverwaltung der Schulen übernehmen,
bekommen dafür häufig nur wenig Abminderungsstunden. Klassengrößen von
teilweise über 28 Kindern, die binnendifferenziert und inklusiv
unterrichtet werden sollen, sind herausfordernd. Es herrscht
Lehrpersonenmangel.

Die Ursachen liegen sowohl in der Person, als auch im System. Es gibt
Lehrkräfte, die eine hohe Belastung empfinden. Entweder man prüft, welche
Personen für den Lehrerberuf geeignet sind oder aber man versucht, über
eine Eingangsdiagnostik Risikogruppen herauszufiltern, die dann während
des Studiums entsprechende Kompetenzen ausbauen oder aber auch die
Kompetenz entwickeln, mit diesen Eigenschaften konstruktiv umgehen zu
können. Bereits im Lehramtsstudium müssen die kommenden Belastungen
reflektiert, über mögliche individuelle Bewältigungsstrategien gesprochen
und diese auch erprobt werden.

Welche Änderungen hat es in den vergangenen Jahren in der Lehrerausbildung
an der Universität Leipzig gegeben, um den veränderten Anforderungen an
die Lehrerschaft gerechter werden zu können?

Die Universität Leipzig hat sich in vielerlei Hinsicht den veränderten
Anforderungen gestellt: Das Curriculum wurde weiterentwickelt, Inhalte der
Lehrerbildung angepasst, Kooperationen zwischen Universität und Schulen
aufgebaut, insbesondere bezogen auf den Aufbau digitaler Kompetenzen
beziehungsweise dem Umgang mit digitalen Medien, entsprechende Module
wurden verankert.

Wie schätzen Sie die gesellschaftliche Anerkennung des Lehrer:innenberufes
in Deutschland und im Vergleich dazu im Ausland ein?

Schlecht!!! Ansehen und Respekt liegen im Vergleich zu den Niederlanden,
Finnland, Großbritannien oder Frankreich unten. Das heißt: Dem Lehrerberuf
gegenüber wird bei uns weniger Anerkennung und Respekt gezollt. Im
aktuellen "Education and Training Monitor" der Europäischen Kommission
zeigte sich, dass eine deutliche Mehrheit, 76 Prozent, der Ansicht ist,
dass der Lehrerberuf in ihrer Region oder ihrem Land nicht respektiert und
geschätzt wird. Noch mehr Befragte, nämlich 82 Prozent, sind der Meinung,
dass die Arbeit der Lehrer:innen nicht ausreichend gewürdigt wird. Das
Bild der Öffentlichkeit beeinflusst die Arbeitsbedingungen der
Lehrpersonen, die Bezahlung und die Nachwuchsgewinnung von Lehrkräften. In
den meisten EU-Ländern ist es jedoch schwierig, junge Lehrkräfte zu
gewinnen und erfahrene Lehrkräfte im Beruf zu halten, so dass die
Attraktivität des Lehrerberufs gesteigert werden muss. Das öffentliche
Bild geht wahrscheinlich mit einer eher grundsätzlichen Unzufriedenheit
mit dem System Schule einher. Auf individueller Ebene wird immer wieder
versucht, Anerkennung durch mehr Gehalt, Verbeamtung oder ähnliches zu
erhöhen. Wenn dies aber nicht mit einer Verbesserung von
Arbeitsbedingungen einhergeht, dann verpufft der Effekt. Oder anders
gesagt: Wenn ich erschöpft bin, dann nützt mir auch mehr Geld in der
Tasche wenig. Dennoch möchte ich auch dafür sensibilisieren, dass sich
wahrscheinliche jede:r an eine Lehrperson im Laufe ihres Schullebens
erinnert, die sie beeindruckt hat. Nach wie vor nehmen Lehrkräfte eine
zentrale Position und Rolle im Leben von Schüler:innen ein. Manchmal frage
ich mich, ob sich Lehrkräfte darüber im Klaren sind.

Die Fragen stellte Susann Sika.

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DemokratieTag 2024 mit über 200 Schüler*innen an der Universität Koblenz

In einem der Workshops beim DemokratieTag der Universität Koblenz setzten sich die Jugendlichen mit den Landtagswahlen im Osten auseinander.  Bild: Universität Koblenz
In einem der Workshops beim DemokratieTag der Universität Koblenz setzten sich die Jugendlichen mit den Landtagswahlen im Osten auseinander. Bild: Universität Koblenz

Mehr als 200 Schülerinnen und Schüler aus dem nördlichen Rheinland-Pfalz
haben am DemokratieTag 2024 der Universität Koblenz teilgenommen. Die
Veranstaltung stand unter dem Motto „Aufstehen, rausgehen, Demokratie
gestalten!“.

Als Satellitenveranstaltung des Bündnisses „Demokratie gewinnt!“ zielte
die Veranstaltung darauf ab, politische Bildung zu fördern und
Möglichkeiten einer aktiven Mitgestaltung in einer Demokratie zu zeigen.
Am Vormittag setzten sich die Schüler*innen der 9. und 10. Klasse in
parallel stattfindenden Workshops u.a. mit Themen wie den Landtagswahlen
im Osten, Entscheidungsfindung in einer Demokratie, Fake News oder der
Notwendigkeit demokratischer Regeln für KI auseinander.

„Demokratie ist kein Hotel. Demokratie ist ein Zuhause, hoffentlich auch
euer Zuhause“, sagte Landtagsvizepräsidentin Kathrin Anklam-Trapp bei der
anschließenden offiziellen Eröffnung des Demokratie-Tages in Richtung der
versammelten Schüler*innen. Und in einem Zuhause, so Anklam-Trapp weiter,
müsse man manchmal auch anpacken und aufräumen. Nach der Eröffnung, die
auch Universitätspräsident Prof. Dr. Stefan Wehner für eine Begrüßung der
Jugendlichen und interessierten Gäste nutzte, folgte eine Keynote von
Jalil Moradi zum Thema „Digitale Propaganda, Social Media, Online-
Narrative islamistischer Akteure.“

Nach der Mittagspause fand eine abschließende Fishbowl-Diskussion zum
Mitmachen statt. Grünen-Politiker Carl-Bernhard von Heusinger, Henrik
Lenzgen (Mehr Demokratie e.V.), Michell Dittgen (Deutsche Gesellschaft für
Demokratiepädagogik e.V., Vorsitzender des Landesverbands Rheinland-Pfalz)
sowie Jannis Graber (Referent für Strategische Steuerung Nachhaltigkeit in
der Staatskanzlei Rheinland-Pfalz), diskutierten mit den Schüler*innen und
interessierten Bürger*innen über aktuelle Herausforderungen der
Demokratie.

„Die aktive Einbindung junger Menschen in demokratische Prozesse ist
essenziell, um unsere Gesellschaft zukunftsfähig zu gestalten und neue
Perspektiven in den politischen Diskurs einzubringen. Besonders
beeindruckend war, wie engagiert die Schüler*innen an der Diskussion
teilgenommen haben – dafür ein großes Dankeschön! Demokratie lebt vom
Mitmachen, und gerade in Zeiten, in denen rechte Tendenzen wieder
erstarken, ist es umso wichtiger, dass wir gemeinsam für Toleranz,
Vielfalt und gegen jede Form von Extremismus einstehen“, sagte Inka Engel,
Referentin für Transfer an der Universität Koblenz und Organisatorin der
Veranstaltung.

Der DemokratieTag wurde gefördert durch das Bundesministerium für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend im Rahmen des Programms „Demokratie leben!“ in
der Partnerschaft für Demokratie Koblenz.

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Gemeinschaftsdiagnose Herbst 2024: Deutsche Wirtschaft im Umbruch – Konjunktur und Wachstum schwach

Eckdaten der Prognose für Deutschland
Eckdaten der Prognose für Deutschland

Die Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose prognostiziert für das Jahr 2024
einen Rückgang des BIP in Deutschland um 0,1%. Für die kommenden beiden
Jahre erwarten die Institute eine schwache Erholung mit Zuwächsen von 0,8%
(2025) und 1,3% (2026). Gegenüber der Prognose vom Frühjahr bedeutet dies
eine Abwärtsrevision um 0,2 (2024) und 0,6 (2025) Prozentpunkte. „Neben
der konjunkturellen Schwäche belastet auch der strukturelle Wandel die
deutsche Wirtschaft“, sagt Dr. Geraldine Dany-Knedlik, Leiterin Prognose
und Konjunkturpolitik am DIW Berlin. „Dekarbonisierung, Digitalisierung,
demografischer Wandel und wohl auch der stärkere Wettbewerb mit
Unternehmen aus China haben (...)

(...) strukturelle Anpassungsprozesse ausgelöst, die die
Wachstumsperspektiven der deutschen Wirtschaft dämpfen.“

Die deutsche Wirtschaft tritt seit über zwei Jahren auf der Stelle. Im
kommenden Jahr dürfte eine langsame Erholung einsetzen, aber an den Trend
von vor der Corona-Pandemie wird das Wirtschaftswachstum auf absehbare
Zeit nicht mehr anknüpfen können. Die sich überlagernden Wirkungen von
Strukturwandel und konjunktureller Flaute zeigen sich besonders im
Verarbeitenden Gewerbe. Betroffen sind vor allem die
Investitionsgüterhersteller und energieintensive Industriezweige. Ihre
Wettbewerbsfähigkeit leidet unter den gestiegenen Energiekosten und der
zunehmenden Konkurrenz durch hochwertige Industriegüter aus China, die
deutsche Exporte auf den Weltmärkten verdrängen. Konjunkturell macht dem
Verarbeitenden Gewerbe aber auch die schwächelnde globale Industrie und
der damit verbundene Mangel an neuen Aufträgen zu schaffen. Abgemildert
wird dies durch die teilweise kräftig gestiegene Bruttowertschöpfung in
den – insbesondere staatlich geprägten – Dienstleistungsbereichen wie dem
Erziehungs- und Gesundheitswesen.

Symptomatisch für die Probleme im Verarbeitenden Gewerbe ist nach
Einschätzung der Institute die anhaltende Investitionsschwäche.
Konjunkturell dürfte in Deutschland vor allem das nach wie vor hohe
Zinsniveau und die hohe wirtschafts- und geopolitische Unsicherheit die
Investitionstätigkeit der Unternehmen und die Anschaffungsneigung der
privaten Haushalte belastet haben. Die privaten Haushalte legen ihr
Einkommen vermehrt auf die hohe Kante, statt Geld für neue Wohnbauten oder
Konsumgüter auszugeben.

Die strukturellen Anpassungsprozesse dürften dem Gutachten zufolge
andauern und die konjunkturellen Bremsen sich nur langsam lösen. Getragen
wird die zaghafte Erholung von einer Belebung des privaten Verbrauchs, der
von kräftigen Zuwächsen der real verfügbaren Einkommen getragen wird. Das
Anziehen der Konjunktur in wichtigen Absatzmärkten, wie den europäischen
Nachbarländern, wird den deutschen Außenhandel stützen. Zusammen mit
günstigeren Finanzierungsbedingungen kommt dies den Anlageinvestitionen
zugute.

Auf dem Arbeitsmarkt zeigt der wirtschaftliche Stillstand mittlerweile
deutlichere Spuren: Die Zahl der Arbeitslosen ist zuletzt weiter leicht
gestiegen. Erst im Verlauf des kommenden Jahres, wenn sich die
wirtschaftliche Aktivität allmählich erholt, dürfte die Arbeitslosigkeit
wieder zurückgehen.

Die Inflationsrate ist im August auf den niedrigsten Stand seit mehr als
drei Jahren zurückgegangen und wird im Prognosezeitraum voraussichtlich in
der Nähe des Inflationsziels der Europäischen Zentralbank (EZB) von zwei
Prozent liegen.

Langfassung des Gutachtens

Die Langfassung des Gutachtens ist unter
https://gemeinschaftsdiagnose.de/category/gutachten/ abrufbar.

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