Enge Zusammenarbeit zwischen Versorgungsforschung und Implementierungswissenschaft für ein resilientes Gesundheitssystem

Freitagabend endete der 23. Deutsche Kongress für
Versorgungsforschung (DKVF) in Potsdam. An drei Tagen präsentierten und
diskutierten rund 800 Teilnehmende in mehr als 500 wissenschaftlichen
Beiträgen, wie ein Transfer von Erkenntnissen aus der Versorgungsforschung
in den Versorgungsalltag besser als bisher gelingen kann. Die
Veranstaltung des Deutschen Netzwerks Versorgungsforschung (DNVF e.V.)
stand in diesem Jahr unter dem Motto „Implementierungswissen schafft
innovative Versorgung“.
Kongresspräsidentin Prof. Dr. Juliane Köberlein-Neu vom Lehrstuhl für
Versorgungsforschung und Gesundheitsökonomische Evaluation an der
Bergischen Universität Wuppertal zieht ein positives Resümee: „Ich schaue
auf einen Kongress zurück, der deutlich aufzeigen konnte, welche Chancen
eine enge Zusammenarbeit von Versorgungsforschung und
Implementierungswissenschaft für die Weiterentwicklung der
Gesundheitsversorgung eröffnet. Es war beeindruckend zu sehen, mit wieviel
Engagement Patientinnen und Patienten, Wissenschaft und Versorgungspraxis
an einer Verbesserung der Gesundheitsversorgung arbeiten. Damit aus
wissenschaftlichen Erkenntnissen Versorgungspraxis werden kann, müssen
Implementierungsprozesse aber nicht zuletzt auch politisch gestaltet
werden.“
Prof. Dr. Karl Lauterbach, Bundesminister für Gesundheit betonte in seinem
Video-Grußwort, dass das Zusammenwirken von Versorgungsforschung und
Implementierungswissenschaften das Potential für eine fruchtbare Symbiose
hat, aus der nutzenbringende Konzepte im Sinne der Patientinnen und
Patienten erwachsen können. Er dankte den Versorgungsforscher:innen für
ihre wichtige Arbeit und forderte sie zugleich dazu auf, sich mit ihren
wissenschaftlichen Methoden an der Lösung der aktuellen großen
Herausforderungen zu beteiligen. Eine wichtige Rolle übernimmt hierbei, so
Lauterbach, der Innovationsfonds.
Prof. Dr. Wolfgang Hoffmann, MPH, Vorstandsvorsitzender des
veranstaltenden DNVF und geschäftsführender Direktor des Instituts für
Community Medicine der Universitätsmedizin Greifswald betonte in seinem
Statement, dass die Versorgungsforschung sich diesen Herausforderungen
gerne und gut vorbereitet stellt. „Unser Kerngeschäft sind die
wissenschaftlichen Grundlagen für das Gesundheitswesen. Wir wollen aber
auch ganz konkrete Lösungen für die aktuellen Probleme in der Versorgung
liefern. Und dazu brauchen wir nicht nur die fachliche und methodische
Kompetenz, sondern auch die Handlungskompetenz, dieses Wissen in die
Praxis, also in den Versorgungsalltag, zu integrieren. Wir wissen, dass
dabei Barrieren unterschiedlichster Art überwunden werden müssen. Dieser
Kongress hat uns eindrücklich gezeigt, wie uns Versorgungsforschenden die
Implementierungswissenschaft dabei helfen kann.“
Ein Beispiel dafür ist die Einbeziehung von Social Design, vorgestellt in
der Keynote Lecture von Diana Cürlis, Münster School of Design. Sie hob
hervor, wie gut geeignet Social Design gerade auch für vulnerable Gruppen
ist und veranschaulichte dies anhand eines partizipativen Projekts mit
Demenzkranken und deren pflegenden Angehörigen.
Breit gefächertes Programm
Neues zu etablieren ist zur Stärkung unseres Gesundheitssystems ebenso
wichtig, wie Überversorgung und wenig nutzbringende Versorgung abzubauen.
Mit dieser Thematik befassten sich zwei weitere Plenarvorträge. Prof. Dr.
Thomas Kühlein, praktizierender Hausarzt und Direktor des
Allgemeinmedizinischen Instituts am Uniklinikum Erlangen, hielt zahlreiche
Beispiele für Überversorgung in Diagnostik und Therapie hierzulande
bereit. Er kritisierte, dass es in Deutschland zu wenig De-Implementierung
gäbe. Simone van Dulmen, PhD, von der Radboud Universität Nijmegen stellte
vor, wie eine De-Implementation von wenig nutzbringender Versorgung (engl.
„low-value care“) gelingen kann – anhand von konkreten Projekten aus den
Niederlanden. Die Projekte einte, dass für eine erfolgreiche Umsetzung die
enge Zusammenarbeit zwischen Ärzt:innen, Pflegefachkräften und den anderen
medizinischen Professionen entscheidend ist.
Ein weiterer Kongressschwerpunkt lag auf der partizipativen
Versorgungsforschung. Hierzu wurden zahlreiche auch durch den
Innovationsfonds geförderte Projekte vorgestellt. In einem interaktiven
Workshop am Patient:innentag wurde gemeinsam diskutiert, wie partizipative
Forschung besser gelingen kann. Patient:innen und Wissenschaftler:innen
sind sich einig: Erfolgreich evaluierte Projekte müssen schneller und
verlässlicher in die Regelversorgung überführt werden. Dafür bedarf es
klarer rechtlicher Regelungen und die Überwindung struktureller Barrieren.
Zahlreiche Auszeichnungen und Preise vergeben
In der Eröffnungsveranstaltung am 25. September 2024 wurde zum zehnten Mal
der Wilfried-Lorenz-Versorgungsfor
der Weiterentwicklung der Versorgungsforschung in Deutschland. Er wird in
Erinnerung an das Ehrenmitglied des DNVF, Prof. Dr. Wilfried Lorenz
(1939-2014), verliehen. In Anwesenheit von Margit Lorenz, der Ehefrau von
Wilfried Lorenz und ihrer beiden Söhne ging die Auszeichnung dieses Jahr
an Prof. Dr. Felix Miedaner, Ostfalia Hochschule für angewandte
Wissenschaften, Fakultät Gesundheitswesen, Campus Wolfsburg, und sein Team
für eine Studie zu den Auswirkungen zu vieler unmittelbar
aufeinanderfolgender Arbeitstage auf die Versorgungsqualität in der
neonatologischen Intensivpflege.
Beim vergnüglichen Science Slam präsentierten vier Teilnehmende ihre
Forschungsarbeiten auf sehr unterhaltsame Weise und erhielten tosenden
Applaus. Dessen Lautstärke – gemessen mit einem Applausometer – enschied:
Gewinnerin des begehrten Preises wurde Sandra Lau aus Oldenburg. Darüber
hinaus wurden Posterpreise verliehen und erstmalig – gemeinsam vom
Deutschen Netzwerk Versorgungsforschung und der Deutschen Gesellschaft für
Kinder- und Jugendmedizin – der „Versorgungspreis Kinder und Jugendliche
2024“ vergeben. Den Preis erhielt das Projekt „Familien-SCOUT“, ein
Modellprojekt für die Unterstützung krebskranker Eltern mit minderjährigen
Kindern.
Ausblick auf den 24. Deutschen Kongress für Versorgungsforschung 2025
Die Resilienz und Zukunftsfähigkeit unseres Gesundheitssystems zu stärken,
ist dem DNVF ein zentrales Anliegen. Die zeigt deutlich auch die
Schwerpunktsetzung des nächsten DKVF. Der 24. DKVF steht unter dem Motto
„Zukunftskompetenz für ein resilientes Gesundheitswesen“ und findet vom
24. bis 26. September 2025 in Potsdam statt. In der Abschlussveranstaltung
erfolgte die Staffelübergabe der diesjährigen Kongresspräsidentin
Köberlein-Neu an den Kongresspräsidenten des 24. DKVF, Prof. Dr. Horst
Christian Vollmar, MPH, Leiter der Abteilung für Allgemeinmedizin an der
Ruhr-Universität Bochum.
Weitere Informationen zum 23. Deutschen Kongress für Versorgungsforschung
finden Sie unter: https://www.dkvf.de/de/
Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung
Der gemeinnützige Verein „Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e.V.“
(DNVF) wurde 2006 in Berlin gegründet. Das DNVF steht als
interdisziplinäres Netzwerk allen Institutionen und Arbeitsgruppen offen,
die mit der Sicherung der Gesundheits- und Krankenversorgung unter
wissenschaftlichen, praktischen oder gesundheitspolitischen
Gesichtspunkten befasst sind. Das DNVF hat es sich zum Ziel gesetzt, die
an der Versorgungsforschung im Gesundheitswesen beteiligten
Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen zu vernetzen, Wissenschaft und
Versorgungspraxis zusammenzuführen sowie die Versorgungsforschung
insgesamt zu unterstützen und voranzubringen. Darüber hinaus fördert das
DNVF den wissenschaftlichen Nachwuchs, beispielsweise durch die Bildung
interdisziplinärer Arbeitsgruppen zu fächerübergreifenden Themen der
Versorgungsforschung. Mehr unter: http://www.dnvf.de/
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