Über 50 Jahre herrschte in Kolumbien ein Bürgerkrieg mit
250.000 Todesopfern und fast sieben Millionen Vertriebenen. Seit dem
vergangenen Jahr gibt es endlich Hoffnung: Nach jahrelangen Verhandlungen
haben der Staat und die stärkste Guerillagruppe FARC einen Friedensvertrag
unterzeichnet. Doch wie können die staatlichen Akteure und ehemaligen
Guerillas, wirtschaftliche Eliten und Landbesitzer, aber auch Künstler,
Schriftsteller, Bürgerrechtler, soziale Aktivisten, Lokalpolitiker und
Kleinbauern, diesen Friedensprozess gemeinsam gestalten? Das wird Thema
eines Symposiums an der Goethe-Universität vom 3. bis 5. Mai sein.
„Die verschiedenen, internationalen am Friedensprozess beteiligten Akteure
mit ihren unterschiedlichen Erfahrungen, Erinnerungen, Erwartungen und
Bedürfnissen erhalten in Frankfurt auf neutralem Boden die Möglichkeit,
Bedingungen zu diskutieren, wie das Zusammenlebens in dieser zerrissenen
Gesellschaft aussehen könnte“, sagt der Frankfurter Romanistik-Professor
Roland Spiller. Er hat dieses internationale Symposium „Kolumbien –
Historisches Gedächtnis, Postkonflikt und Transmigration“, das in
spanischer Sprache (mit Übersetzungen der Eröffnungsveranstaltung)
stattfindet, gemeinsam mit dem katholischen Theologen Prof. Thomas
Schreijäck initiiert und mit einem interdisziplinären Team organisiert.
Bei der Eröffnung werden auch die kolumbianische Botschafterin in
Deutschland, Maria Lorena Gutiérrez, und der Grünen-Politiker Tom Koenigs,
Beauftragter der Bundesregierung für den kolumbianischen Friedensprozess,
sprechen.
International anerkannte Akteure der kolumbianischen Zivilgesellschaft
werden ebenso teilnehmen wie deutsche Experten, die seit Jahren in einem
Kolumbien-Netzwerks aktiv sind, von der Goethe-Universität sind
Wissenschaftler und Studierende verschiedener Fachrichtungen dabei:
Theologie interkulturell, Romanistik, Geschichte, Rechtstheorie,
Strafrecht und Strafprozessrecht. Außerdem sind beteiligt: Wissenschaftler
aus den Nachbaruniversitäten Gießen und Marburg, das Deutsch-
Kolumbianische Friedensinstitut (CAPAZ/DAAD) und der Deutsche
Spanischlehrerverband (DSV). Interessierte Bürger sind ebenfalls
eingeladen.
Die nun in Kolumbien begonnene Phase des Postkonflikts – das beweisen
ähnliche Prozesse in anderen Ländern -, ist entscheidend für die
gesellschaftliche Konsolidierung des Friedens. Dies erfordert eine
differenzierte Analyse des kollektiven Gedächtnisses und der
kolumbianischen Erinnerungskultur. Der fünf Jahrzehnte dauernde Konflikt
hat tiefe Wunden hinterlassen. Das Referendum über dem Friedensvertrag
fand zunächst nicht die erforderliche Mehrheit. Erst im zweiten Anlauf
wurde der überarbeitete Friedensvertrag unterzeichnet und vom Parlament
gebilligt. Kolumbiens Präsident Juan Manuel Santos war schon vor Abschluss
des Vertrags mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet worden. Nach Rückzug
der FARC haben inzwischen andere den lukrativen Kokainhandel übernommen,
wie die Guerillagruppen ELN und EPL, die dem Frieden ebenso wenig
zugestimmt haben wie kriminelle Banden und Paramilitärs. Dazu Spiller:
„Betrachtet man Frieden als Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln,
dann ist es eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die einer permanenten
Anstrengung bedarf.“
Während der Tagung werden Themenschwerpunkte aus interdisziplinärer Sicht
betrachtet, dazu gehören: die Friedensverhandlungen und der
innerkolumbianische Konflikt; Genealogie des Konflikts, Akteure und Opfer;
das historische Gedächtnis und die kollektive Erinnerung im Postkonflikt;
Übergangsjustiz; Armut und soziale Ungleichheit als Hauptursachen des
Konflikts; Initiativen der Zivilgesellschaft im Friedensprozess; Migration
und Gedächtnis; die Rolle der Literatur und des Films in der Postkonflikt-
Gesellschaft; 50 Jahre Gewalt – 50 Jahre Einsamkeit: Hommage an Gabriel
García Márquez, "Cien años de soledad" ("Hundert Jahre Einsamkeit"). Da
sich eine Friedenskultur nicht durch die bloße Abwesenheit von Krieg
definiert, spielen auch soziale, politische und kulturelle Kreativität
eine entscheidende Rolle. Diese finden sich insbesondere in der Literatur.
„Die kolumbianische Literatur zeichnet sich – wie die lateinamerikanische
insgesamt – dadurch aus, dass sie die Hindernisse des Zusammenlebens,
seine Dissonanzen und Traumata ästhetisch modelliert“, erläutert Spiller.
„Die Notwendigkeit, sich mit dem Wissen von dieser traumatischen
Geschichte auseinander zu setzen, geht einher mit dem Wissen um seine
mögliche Ausweglosigkeit, aber auch mit der Utopie seiner möglichen
Verarbeitung.“
In einer Hommage an den Literaturnobelpreisträger Gabriel García Márquez
wird die visionäre Auseinandersetzung mit Gewalt in seinem vor 50 Jahren
publizierten Jahrhundert-Roman "Cien anos de soledad" im Frankfurter
Instituto Cervantes gewürdigt. Die Schriftsteller Laura Restrepo und Luis
Fayad, die auch an der Tagung teilnehmen, lesen im Anschluss daran aus
ihren Werken, zum Abschluss des Symposiums gibt es Musik aus Kolumbien -
und zwar am 5. Mai (Freitag) um 19 Uhr, Instituto Cervantes, Frankfurt.
Unterstützt wird die Tagung von der Friedrich-Ebert-Stiftung sowie der
kolumbianischen Botschaft in Deutschland, der Heinrich Böll-Stiftung, dem
Deutschen Spanischlehrerverband, dem Instituto Cervantes, der Vereinigung
der Freunde und Förderer der Goethe-Universität, „Café azul“, der
studentischen Lateinamerika-Gruppe GIB am Institut für romanische Sprachen
und Literaturen und „Frankfurt Memory Studies Platform“.
Informationen: Prof. Dr. Roland Spiller, Institut für romanische Sprachen
und Literaturen, Campus Westend, Tel. (069) 798 32178, E-Mail: salerno-
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im Detail: www.symposiumkolumbien.de/