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Kooperationsprojekt im Magazin-Kino: „Lange Nacht der US-Wahl 2024“ am 5. November

Am 5. November 2024 wird in den USA ein neues Staatsoberhaupt gewählt.
Forschende der Universität begleiten die Wahlnacht in Kooperation mit der
Landeszentrale für politische Bildung Hamburg und dem kommunalen Magazin-
Kino. Das besondere Live-Programm startet um 20 Uhr und ist kostenlos.

Das amerikanische Wahlsystem ist kompliziert und das Ergebnis der
Abstimmung hat Auswirkungen auf die gesamte Welt. Bei der „Langen Nacht
der US-Wahl“ wird die Wahl mit einem abwechslungsreichen Programm
begleitet und eingeordnet.

Neben einer Vorführung des Films „Recount“, der die bis heute umstrittene
Wahl im Jahr 2000 thematisiert, wird es Kurzvorträge, Einspielfilme und
eine Podiumsdiskussion mit Expertinnen und Experten geben. Unter anderem
erhalten die Besucherinnen und Besucher Einblick in die Besonderheiten des
US-Wahlsystems und die Diskussionen um den oft politisch motivierten
Zuschnitt von Wahlkreisen. Neben den Beiträgen vor Ort gibt es den ganzen
Abend über immer wieder Schalten in die USA, um die Stimmung am Wahltag
einzufangen.

Das Programm startet um 20 Uhr im Magazin Filmkunsttheater (Fiefstücken
8A, 22299 Hamburg) und geht voraussichtlich bis 6 Uhr am nächsten Morgen.
Ab 1 Uhr wird die Wahlberichterstattung des nicht-kommerziellen
amerikanischen Senders PBS live übertragen und in kurzen Vorträgen und
Diskussionen kommentiert.

Durch den Abend führen Prof. Dr. Michaela Hampf und Prof. Dr. Thorsten
Logge vom Fachbereich Geschichte der Universität Hamburg. Sie organisieren
das „Public Viewing“ der richtungsweisenden Wahl gemeinsam mit der
Landeszentrale für politische Bildung Hamburg und dem Magazin-Kino. „Der
Ausgang dieser US-Wahl wird auch uns in Deutschland und Europa stark
betreffen. Wir wollen mit dieser Veranstaltung das Geschehen
nachvollziehbar machen“, erklärt Organisatorin Prof. Dr. Michaela Hampf,
Vertretung der Professur für nordamerikanische Geschichte an der
Universität Hamburg. Dabei solle die besondere Atmosphäre im Kino zum
Austausch anregen und das Thema über die verschiedenen Formate
niedrigschwellig zugänglich gemacht werden.

Alle Informationen zum Programm gibt es auf der Webseite der „Langen Nacht
der US-Wahl 2024“. Die kostenlosen Plätze können online reserviert werden.
Pressevertreterinnen und -vertreter können sich unabhängig davon bei Prof.
Hampf und dem Organisationsteam anmelden.

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Neue Kreationen aus der Spitze der Kochkunst für das Deutsche Archiv der Kulinarik von SLUB Dresden und TU Dresden

Am 28. Oktober 2024 hat Jürgen Dollase dem Deutschen Archiv der Kulinarik
in Dresden im Beisein der Spitzenköche Marc Haeberlin**, Christian Hümbs,
Torsten Michel***, Stefan Neugebauer* und Joachim Wissler** fünf neue
Dokumentationen übergeben. Damit sind hochklassige kulinarische Kreationen
und zeittypische Gerichte dieser Köche so präzise dokumentiert, dass ihre
Zubereitung und gustatorische Wahrnehmung auch von späteren Generationen
nachvollziehbar rekonstruiert werden können.

Wie lässt sich Geschmack festhalten? Woher wird man in 100 Jahren wissen,
welch komplexe Gedanken sich Drei-Sterne-Koch Torsten Michel in der
Schwarzwaldstube des Hotels Traube Tonbach rund um seine kulinarischen
Kreationen gemacht hat oder wie der „Pfälzer Saumagen“, zubereitet von
Sternekoch Stefan Neugebauer, schmeckte? Um ein kulinarisches Gedächtnis
der Zeit von 1970 bis heute zu schaffen, dokumentiert der renommierte
Gastronomiekritiker Jürgen Dollase (FAZ) jedes Jahr fünf Gerichte, die die
heutige Kulinarik exemplarisch repräsentieren.

Am 28. Oktober 2024 hat Jürgen Dollase dem Deutschen Archiv der Kulinarik
in Dresden im Beisein der Spitzenköche Marc Haeberlin**, Christian Hümbs,
Torsten Michel***, Stefan Neugebauer* und Joachim Wissler** fünf neue
Dokumentationen übergeben. Damit sind hochklassige kulinarische Kreationen
und zeittypische Gerichte dieser Köche so präzise dokumentiert, dass ihre
Zubereitung und gustatorische Wahrnehmung auch von späteren Generationen
nachvollziehbar rekonstruiert werden können. Die bisher einzigartige Reihe
von Geschmacksdokumentationen hatten die Sächsische Landesbibliothek –
Staats- und Universitätsbibliothek (SLUB) Dresden und die Technische
Universität Dresden (TUD) 2023 gemeinsam initiiert.

Dazu Katrin Stump, Generaldirektorin der SLUB Dresden: „Für die
deutschlandweit einmalige Sammlung des Deutschen Archivs der Kulinarik
sind die Geschmacksdokumentationen eine große Bereicherung. Wir freuen
uns, fünf weitere Kreationen aus der Spitze der Kochkunst für kommende
Generationen festhalten und mit Torsten Michel erstmals auch einen in
Dresden gebürtigen Koch auszeichnen zu können. Die Dokumentationen bieten
der Wissenschaft herausragende Quellen zur Erforschung der deutschen
Kulinarik des späten 20. und frühen 21. Jahrhunderts.“

„Wie lässt sich ein so komplexes Erlebnis wie das kulinarische als
kulturelles Ereignis 'archivieren'? Ein Rezept alleine reicht nicht aus,
um die vielschichtigen Einflüsse auf das kulinarische Gesamterlebnis
festzuhalten – mit den Geschmacksdokumentationen aber versuchen wir genau
das“, sagte Prof.in Ursula Staudinger, Rektorin der TUD. „Geschmack als
eine wichtige Form der Ästhetik und der sensorischen Integration ist für
uns ein bedeutender interdisziplinärer Forschungsgegenstand. Wir freuen
uns, dabei mit der SLUB als wichtiger Partnerin und mit einem der
führenden Gastrosophen in Deutschland, Jürgen Dollase,
zusammenzuarbeiten.“

Die Dokumentationen enthalten detailliert beschriebene Step-by-step-
Anleitungen zur Zubereitung und zum Anrichten der kulinarischen
Kreationen, Degustationsnotizen, Vergleiche und Diskussionen von
Beispielen aus nationalen und internationalen Kochbüchern sowie
zusammenfassende Bewertungen und Einordnungen. Darüber hinaus hat Jürgen
Dollase mit allen Köchen ausführliche Interviews geführt, die ebenfalls
Bestandteil der Dokumentationen sind.

Jürgen Dollase betonte: „Die Geschmacksdokumentationen zeigen in diesem
Jahr kulinarische Exzellenz zwischen regionaler Tradition, klassischer
Kochkunst und kulinarischer Avantgarde auf allerhöchstem Niveau und mit
überragenden Köchen wie Marc Haeberlin von der legendären Auberge de l’Ill
in Illhäusern, Torsten Michel, dem superben Drei-Sterne-Koch von der
Schwarzwaldstube in Baiersbronn, TV-Koch und Dessert-Avantgardist
Christian Hümbs, Stefan Neugebauer vom Deidesheimer Hof mit dem
kulinarisch wie gesellschaftspolitisch immer wieder diskutierten Pfälzer
Saumagen und dem Kopf der deutschen Moderne schlechthin, Joachim Wissler
vom Vendôme in Bensberg.“

Zur feierlichen Aufnahme ihrer Kreationen in das Deutsche Archiv der
Kulinarik erhielten die Köche neben Urkunden eigens gestaltete
Gefäßstatuetten der Berliner Designerin Stefanie Hering. „Als ich das
Projekt Geschmacksdokumentationen des Deutschen Archivs der Kulinarik
kennenlernte, war ich sofort begeistert“, sagte Stefanie Hering. „Die hohe
Kunst des Kochens ist eng mit meiner Arbeit verbunden, die für die Werke
der Spitzenköche die gebührende Bühne schafft. Es war mir daher eine große
Ehre und Freude, in Würdigung der ausgewählten Gerichte und ihrer Schöpfer
eine Serie von Porzellan-Unikaten zu schaffen, die als Statuetten
dauerhaft an diese Auszeichnung erinnern.“

Anlässlich der Übergabe bereiteten Marc Haeberlin**, Christian Hümbs,
Torsten Michel***, Stefan Neugebauer* und Joachim Wissler** ihre
kulinarischen Kreationen am 28. Oktober 2024 für ein Diner mit geladenen
Gästen im Dresdner Restaurant Bülow Palais zu. Die
Geschmacksdokumentationen sind unter
www.slubdd.de/geschmacksdokumentationen frei für Forschung und
Öffentlichkeit zugänglich.

Über das Deutsche Archiv der Kulinarik

Die Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek
(SLUB) Dresden und die Technische Universität Dresden (TUD) haben am 10.
Oktober 2022 das Deutsche Archiv der Kulinarik an der SLUB Dresden
gegründet. Die umfangreiche Kulinarik-Sammlung mit Handschriften, Büchern
und Zeitschriften sowie Menükarten, Gebrauchsgrafik, Fotografien und
audiovisuellen Medien gehört deutschlandweit zu den bedeutendsten ihrer
Art. Zu den Highlights zählen Sammlungen von Ernst Birsner, Walter Putz,
Wolfram Siebeck und Eckart Witzigmann.

Die Kulinarik-Sammlung bildet die Grundlage für die inter- und
transdisziplinäre Forschung in den Geistes-, Kultur- und
Naturwissenschaften rund um die Themen Kochkunst, Tafelkultur und
Ernährungskunde und deren Wirken in Kultur und Gesellschaft über die
Zeiten, wie sie bereits erfolgreich an der TUD etabliert ist. SLUB und TUD
beleben mit Veranstaltungen, Ausstellungen, partizipativen Formaten und
Publikationen den wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Diskurs rund
um die Themen Ernährung und Kulinarik und etablieren so das Deutsche
Archiv der Kulinarik als zentralen Akteur für Forschung, Lehre und
Wissenstransfer in die Gesellschaft.

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Der US-Wahlkampf und die Bildung

Die Präsidentschaftswahl in den USA steht kurz bevor. Am 5. November 2024
treten Kamala Harris für die Demokraten und Donald Trump für die
Republikaner gegeneinander an. Wie kann man dieses wichtige Ereignis im
Schulunterricht aufgreifen und welche Rolle spielen Bildungsthemen im US-
Wahlkampf? Antworten auf diese Fragen bieten zwei neue Web-Dossiers und
ein Podcast des Deutschen Bildungsservers.

Eines der Dossiers im Bereich „Schule“ des Bildungsservers hat kostenlos
im Netz verfügbare Unterrichtsmaterialien zur US-Präsidentschaftswahl
zusammengestellt. Sie eignen sich am besten für den Politik-, Sozialkunde-
und Englischunterricht in der Sekundarstufe I und II. Die Materialien
bieten Informationen zum Wahlprozess, zu der Geschichte der US-Wahlen, zu
den Kandidat*innen und zum Wahlkampf selbst. Auch Projekte für den
Unterricht und Medientipps werden vorgeschlagen. Die Empfehlungen stellt
Caroline Hartmann, die hierfür verantwortliche Redakteurin des Deutschen
Bildungsservers, zudem in einem Podcast im Blog des Deutschen
Bildungsservers vor.

Ein weiteres Dossier im Bereich „Bildung weltweit“ gibt Einblick in die
Rolle von Bildungsthemen im US-Wahlkampf – zum Beispiel
Lehrer*innengehälter, Waffenverbote an Schulen oder Zensur bei
Schulbüchern. Die Leser*innen können anhand der Linkempfehlungen die
Positionen zu Bildung in den Wahlkampfprogrammen von Kamala Harris und
Donald Trump miteinander vergleichen. Außerdem erhalten sie einen
Überblick über diesbezügliche Medienberichte und Stimmen aus dem
Bildungssektor.

Hier finden Interessierte die genannten Online-Angebote:

•       Das Dossier „Digitale Unterrichtsmaterialien und Arbeitsblätter
zur US-Präsidentschaftswahl 2024 im Politik-, Sozialkunde- und
Englischunterricht“:
<www.bildungsserver.de/zur-us-praesidentschaftswahl-11696-de.html>

•       Den Podcast „Unterrichtsmaterialien zum Thema US-
Präsidentschaftswahl“:
<https://blog.bildungsserver.de/unterrichtsmaterialien-zum-thema-us-
praesidentschaftswahl/
>

•       Das Dossier „USA-Wahlen 2024: Welche Rolle spielt das Thema
Bildung?“:
<https://www.bildungsserver.de/USA-Wahlen-2024-Welche-Rolle-spielt-das-
Thema-Bildung-7573_ger.html
>

Pressekontakt:

Philip Stirm, +49 (0)69 24708-123, <Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.>, <Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.>

Über den Deutschen Bildungsserver:

Der Deutsche Bildungsserver bietet als zentraler Wegweiser zum
Bildungssystem in Deutschland sowie als Informationsangebot zum Thema
Bildung weltweit allen Interessierten Zugang zu hochwertigen Informationen
und Internetquellen – schnell, aktuell, umfassend und kostenfrei. Als
Meta-Server verweist er primär auf Internet-Ressourcen, die unter anderem
von Bund und Ländern, der EU, von Hochschulen, Schulen, Landesinstituten,
Forschungs- und Serviceeinrichtungen und Einrichtungen der Fachinformation
bereitgestellt werden. Der Bildungsserver wird am DIPF | Leibniz-Institut
für Bildungsforschung und Bildungsinformation koordiniert.
<www.bildungsserver.de>

Über das DIPF:

Das DIPF ist das Leibniz-Institut für Bildungsforschung und
Bildungsinformation mit Standorten in Frankfurt am Main und in Berlin. Es
will dazu beitragen, Herausforderungen in der Bildung und für das
Erforschen von Bildung zu bewältigen. Dafür unterstützt das Institut
Schulen, Kindertagesstätten, Hochschulen, Wissenschaft, Verwaltung und
Politik mit Forschung, digitaler Infrastruktur und Wissenstransfer.
Übergreifendes Ziel seiner Aktivitäten ist eine qualitätsvolle,
verantwortliche, international anschlussfähige und Gerechtigkeit fördernde
Bildung, die zudem bestmöglich erforscht werden kann. <www.dipf.de>

Wissenschaftliche Ansprechpartner:
US-Wahlkampf im Unterricht: Caroline Hartmann, Institut für Film und Bild
in Wissenschaft und Unterricht (FWU) und Deutscher Bildungsserver, +49
(0)89 6497-349, <Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.>
Bildung im US-Wahlkampf: Nadia Cohen, Deutscher Bildungsserver, +49 (0)69
24708-349, <Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.>

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EU-Mindestlohnrichtlinie gibt Referenz für Mindestlohn deutlich über 14 Euro

Neue Analyse

EU-Mindestlohnrichtlinie gibt Referenz für Mindestlohn deutlich über 14
Euro – in Deutschland droht oberflächliche Umsetzung

Bis zum 15. November 2024 muss die Europäische Mindestlohnrichtlinie in
nationales Recht der Mitgliedsstaaten umgesetzt werden. Das Ziel: EU-weit
etwas gegen Armut durch Niedriglöhne zu erreichen. Bei der Umsetzung haben
die Mitgliedsstaaten allerdings erhebliche Freiheiten, die auch dazu
genutzt werden können, sich auf kosmetische Änderungen zu beschränken.
Auch in Deutschland droht eine nur sehr oberflächliche Umsetzung, ergibt
eine neue Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts
(WSI) der Hans-Böckler-Stiftung.* So hat die Bundesregierung gerade
erklärt, dass aus ihrer Sicht die bestehende Gesetzeslage ausreiche und
keine gesonderten Anpassungen nötig seien. Bleibe es dabei, stehe das
„politisch für eine verpasste Chance, um in Deutschland angemessene
Mindestlöhne durchzusetzen“, warnt Prof. Dr. Thorsten Schulten, Leiter des
WSI-Tarifarchivs. Beispielsweise liefert die Richtlinie fundierte
Richtgrößen dafür, wie hoch der gesetzliche Mindestlohn sein sollte, um
als „angemessen“ zu gelten: Nach WSI-Berechnungen wären das in Deutschland
aktuell 14,61 Euro und im kommenden Jahr 15,12 Euro (mehr unten und in der
Abbildung in der pdf-Version dieser PM; Link unten). Zur Stärkung des
Tarifsystems, die die EU ebenfalls als Ziel setzt, wären ein
wirkungsvolles Bundestariftreuegesetz nötig und zusätzlich weitere
Reformen.

Mit der im Herbst 2022 verabschiedeten Mindestlohnrichtlinie existiert
erstmals ein EU-weiter gesetzlicher Rahmen, um überall in der EU
„angemessene“ Mindestlöhne durchzusetzen. Die Mitgliedsstaaten sind
aufgefordert, die Richtlinie bis zum 15. November in nationales Recht
umzusetzen. Die Bundesregierung hat nun am 23. Oktober offiziell im
Bundesgesetzblatt bekannt gegeben, dass die Anforderungen der Richtlinie
bereits durch bestehende Gesetze wie das Mindestlohngesetz oder das
Tarifvertragsgesetz erfüllt seien und es keiner gesonderten gesetzlichen
Änderungen bedarf. Diese Entscheidung sei auch „juristisch höchst
umstritten“, so Studienautor Schulten.

„Die EU-Kommission hat richtig erkannt, dass der Schutz gegen Niedriglöhne
mehr Verbindlichkeit braucht und dass eine hohe Abdeckung durch
Tarifverträge und klare Kriterien für angemessene gesetzliche Mindestlöhne
sich ergänzende Schlüssel dafür sind“, sagt Prof. Dr. Bettina Kohlrausch,
wissenschaftliche Direktorin des WSI. „Die Ampelkoalition sollte sich auf
keinen Fall damit zufriedengeben, deutlich hinter der EU-Kommission
zurückzubleiben, sondern substanziell nachlegen.“
Stärkung der Tarifbindung

Zahlreiche empirische Studien zeigen, dass der Niedriglohnsektor eines
Landes umso kleiner ist, je höher die Reichweite von Tarifverträgen
ausfällt. Ein wesentliches Ziel der Richtlinie liegt deshalb darin, die
Tarifvertragssysteme in Europa zu stärken. Überall dort, wo weniger als 80
Prozent der Beschäftigten tarifgebundene Arbeitgeber haben, werden die
nationalen Regierungen verpflichtet, konkrete Aktionspläne zur Förderung
von Tarifverhandlungen vorzulegen. Deutschland gehört zur Mehrheit der
Mitgliedsstaaten, auf die das zutrifft, denn hierzulande arbeitet nur noch
etwa jede*r zweite Beschäftigte in einem Unternehmen mit Tarifvertrag.
Obwohl sich die Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag eindeutig zur
Stärkung der Tarifbindung bekannt hat, seien bislang kaum konkrete
politische Maßnahmen ergriffen worden, analysiert Schulten. „Mit dem
offiziellen Entwurf für ein Bundestariftreuegesetz hat die Bundesregierung
nun einen ersten, sinnvollen Vorschlag gemacht, um die Tarifbindung in
Deutschland zu stabilisieren. Insgesamt wird dies jedoch nicht ausreichen,
um eine Trendwende herbeizuführen.“

In Wissenschaft und Gewerkschaften werden weitere Instrumente diskutiert,
von denen einige seit langem in europäischen Nachbarländern erfolgreich
eingesetzt werden. Der Deutsche Gewerkschaftsbund hat dazu einen
umfassenden Maßnahmenkatalog vorgelegt mit zahlreichen Vorschlägen, die in
einen konkreten Aktionsplan zur Stärkung der Tarifbindung eingehen
könnten. Dazu gehören u.a. der Ausbau von Allgemeinverbindlicherklärungen
(AVE) von Tarifverträgen, ein Verbot so genannter OT-Mitgliedschaften in
Arbeitgeberverbänden, eine Stärkung der Nachwirkung von Tarifverträgen bei
Betriebsabspaltungen, bessere (digitale) Zugangsrechte von Gewerkschaften
und Betriebsräten zu Beschäftigten in Unternehmen sowie erweiterte
Nutzungsmöglichkeiten von Vorteilsregelungen für Gewerkschaftsmitglieder.
„Die Bundesregierung ist nun gefordert, die Initiative zu ergreifen und
Strukturen und Verfahren festzulegen, um – in Kooperation mit
Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden – einen konkreten Aktionsplan zu
entwickeln“, schreibt Schulten.

Kriterien für einen angemessenen (gesetzlichen) Mindestlohn

Parallel zur Stärkung der Tarifbindung fordert die Europäische
Mindestlohnrichtlinie speziell diejenigen Mitgliedsstaaten, die über einen
gesetzlichen Mindestlohn verfügen, auf, diesen nach klar definierten
Kriterien festzulegen und regelmäßig anzupassen. Während die
Mitgliedstaaten in der Festlegung und Gewichtung dieser Kriterien
weitgehend frei sind, nennt die Richtlinie vier Mindestkriterien, die in
jedem Fall berücksichtigt werden müssen. Das sind: Die Kaufkraft der
gesetzlichen Mindestlöhne unter Berücksichtigung der Lebenshaltungskosten;
das allgemeine Niveau der Löhne und ihre Verteilung; die Wachstumsrate der
Löhne sowie langfristige nationale Produktivitätsniveaus und
-entwicklungen.

Außerdem gibt die Richtlinie verbindlich vor, dass die Mitgliedsstaaten
„bei ihrer Bewertung der Angemessenheit der gesetzlichen Mindestlöhne
Referenzwerte zugrunde (legen)“, so Schulten. Konkret benannt werden
hierbei die „auf internationaler Ebene üblichen Referenzwerte wie 60
Prozent des Bruttomedianlohns und 50 Prozent des Bruttodurchschnittslohns
und/oder Referenzwerte, die auf nationaler Ebene verwendet werden“. Da die
EU keine rechtliche Kompetenz hat, ein verbindliches Mindestlohnniveau
vorzugeben, bleibt die Entscheidung über den konkreten Referenzwert bei
den Mitgliedsstaaten. Allerdings gebe „die Richtlinie die eindringliche
Empfehlung, sich an den international üblichen Standards für zu
orientieren“, betont der Wissenschaftler.

Kennzeichnend für das deutsche Mindestlohnregime ist, dass die Entwicklung
des gesetzlichen Mindestlohns nach der politischen Festlegung seines
Ausgangsniveaus im Jahr 2015 nicht durch den Staat, sondern durch eine
Mindestlohnkommission bestimmt wird. Nach dem Mindestlohngesetz (MiLoG)
setzt sich diese aus jeweils drei Arbeitgeber- und
Gewerkschaftsvertreter*innen plus einer*m „unabhängigen“ Vorsitzende*n
(und zwei beratenden Wissenschaftler*innen) zusammen und spricht
regelmäßig Empfehlungen für die Anpassung des Mindestlohns aus. Die
einzige Ausnahme bildete die außerordentliche Mindestlohnanpassung im
Herbst 2022, bei der unter anderem mit Verweis auf die Europäische
Mindestlohnrichtline das Mindestlohnniveau strukturell erhöht werden
sollte.

Für die regulären Anpassungen durch die Mindestlohnkommission macht das
deutsche Mindestlohngesetz nur relativ allgemeine Vorgaben. Die dort unter
anderem genannte Entwicklung der Tariflöhne war, so Schulten, in den
ersten Jahren der Minimalkonsens, auf den sich Arbeitgeber und
Gewerkschaften bei der Erhöhung des Mindestlohns verständigen konnten.
Allerdings sei schnell deutlich geworden, dass eine ausschließliche
Orientierung an den Tariflöhnen nicht ausreicht, um den Mindestlohn
strukturell auf ein angemessenes Niveau anzuheben. Die Gewerkschaften
unterstützten deshalb den in der EU-Mindestlohnrichtlinie genannten
Referenzwert von 60 Prozent des Medianlohns als Untergrenze für ein
angemessenes Mindestlohnniveau. Die Arbeitgeber hätten sich hingegen von
Beginn an gegen die Richtlinie ausgesprochen und lehnten auch nach ihrer
Verabschiedung den Orientierungswert von 60 Prozent des Medianlohns strikt
ab, schreibt der Forscher. Stattdessen hätten sie bei der jüngsten
Entscheidung der Mindestlohnkommission im Sommer 2023 erstmals das bis
dato konsensuale Verfahren aufgekündigt und führten zusammen mit der
Vorsitzenden und gegen die Stimmen der Gewerkschaften erstmals einen
Mehrheitsbeschluss herbei. „Dieser sah lediglich eine sehr geringe
Erhöhung des Mindestlohns vor und hat dabei die Kriterien der Europäischen
Mindestlohnrichtlinie komplett ignoriert“, schreibt Schulten.

60 Prozent des Medianlohns entsprächen aktuell 14,61 Euro Mindestlohn

Das Grundproblem des deutschen Mindestlohnregimes besteht laut der WSI-
Analyse darin, dass es mit der Orientierung an den Tariflöhnen zwar über
ein Kriterium zur Entwicklung des Mindestlohns verfügt, Kriterien für die
angemessene Höhe des Mindestlohns jedoch fehlen „und damit ein einmal
politisch festgelegtes Mindestlohnniveau einfach fortgeschrieben wird“. In
diese Regelungslücke stoße nun die Europäische Mindestlohnrichtlinie mit
ihrer Empfehlung für einen Referenzwert von 60 Prozent des Medianlohns.

Nach Berechnungen der Industrieländerorganisation OECD schwankt der
deutsche Mindestlohn seit seiner Einführung zwischen 46 und 48 Prozent des
Medianlohns von Vollzeitbeschäftigten. Lediglich die außerordentliche
Mindestlohnerhöhung auf zwölf Euro hat diesen Wert zeitweilig auf knapp 52
Prozent ansteigen lassen. Damit lag der deutsche Mindestlohn nach
Schultens Berechnung in der Regel mindestens zwei Euro unterhalb der
Angemessenheitsschwelle der Europäischen Mindestlohnrichtlinie (siehe auch
Abbildung 1 im Anhang). Um 60 Prozent des Medianlohns zu entsprechen,
hätte der gesetzliche Mindestlohn danach schon bei seiner Einführung im
Jahr 2015 bei 10,59 Euro liegen und im Jahr 2023 bereits auf rund 14 Euro
angehoben werden müssen. Lege man die aktuellen Prognosen für die
Lohnentwicklung für 2024 und 2025 zugrunde, so müsste der Mindestlohn in
diesem Jahr 14,61 Euro betragen und 2025 auf über 15 Euro ansteigen.

Deutsches Mindestlohngesetz und EU-Mindestlohnrichtlinie

Ob für die Umsetzung der Europäischen Mindestlohnrichtlinie eine Änderung
des deutschen Mindestlohngesetzes notwendig ist, ist in der juristischen
Debatte höchst umstritten. Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages
kam 2022 zu dem Ergebnis, dass die Anpassungskriterien des
Mindestlohngesetzes so allgemein und weit gefasst sind, dass sie auch im
Sinne der Europäischen Mindestlohnrichtlinie interpretiert werden können.
Andere Stimmen aus der Rechtwissenschaft argumentieren hingegen, dass die
deutlich präziser gefassten Kriterien der Europäischen
Mindestlohnrichtlinie auch explizit in das deutsche Mindestlohngesetz
übernommen werden müssten. Ähnliche Positionen finden sich auch in anderen
EU-Staaten, wie z.B. in den Niederlanden, die die Kriterien der
Europäischen Mindestlohnrichtlinie vollständig in ihr nationales
Mindestlohngesetz übernommen haben, zeigt die WSI-Analyse.

Die Bunderegierung hat sich bislang der Position angeschlossen, wonach
keine Änderung des Mindestlohngesetzes nötig sei. Angesicht der jüngst
durch die Arbeitgeber bestimmten Entscheidung der Mindestlohnkommission
habe sich der Bundesarbeitsminister Hubertus Heil jedoch genötigt gesehen,
in einem offiziellen Brief zu betonen, dass er die Vorgaben der
Europäischen Mindestlohnrichtline dann als gegeben ansieht, „wenn die
Mindestlohnkommission den Referenzwert von 60 Prozent des
Bruttomedianlohns bei den nächsten Anpassungsentscheidungen
berücksichtigt“, so Schulten. Demgegenüber haben die Arbeitgeberverbände
in einem Antwortschreiben deutlich gemacht, dass sie den Referenzwert der
Europäischen Mindestlohnrichtlinie von 60 Prozent des Medianlohn lediglich
für eine unverbindliche Orientierungsgröße halten.

Wenn für die Zukunft sichergestellt werden solle, dass auch in Deutschland
der gesetzliche Mindestlohn nicht mehr unterhalb der
Angemessenheitsschwelle von 60 Prozent des Medianlohn liegen soll, sollte
diese Zielsetzung auch explizit im deutschen Mindestlohngesetz
festgeschrieben werden, argumentiert der WSI-Forscher. Eine entsprechende
Änderung des Mindestlohngesetzes werde „mittlerweile von einer breiten
politischen Allianz gefordert, die vom ehemaligen ver.di-Chef Frank
Bsirske bis zum neuen CDA-Vorsitzenden und `Vater der Europäischen
Mindestlohnrichtlinie´ Dennis Radtke reicht.“ Eine Übernahme der
Referenzwerte der Mindestlohnrichtlinie in die nationale
Mindestlohngesetzgebung werde auch in einer Reihe anderer EU-Staaten
diskutiert bzw. sei in einigen Ländern auch schon umgesetzt worden.

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