Der Vortrag findet in der Reihe "InSight - Psychologie im Fokus" statt und wird vom Institut für Bad Mergentheimer Kurmedizin, Gesundheitsbildung und medizinische Wellness organisiert. Was verbirgt sich hinter dem Begriff Transidentität? Dr. Holdreich erklärt: "Transidentität bezeichnet das Erleben, dass die eigene Geschlechtsidentität nicht mit dem biologischen Geschlecht übereinstimmt." Das kann heißen, dass jemand, dem bei der Geburt "männlich" zugeordnet wurde, sich als Frau identifiziert - oder dass jemand weder ausschließlich mit "männlich" noch "weiblich" übereinstimmt, zum Beispiel non-binär oder genderfluid. "Wichtig ist, dass es um Identität geht, nicht um Sexualität." Transidentität fordert, dass Menschen in ihrer Selbstdefinition ernst genommen und anerkannt werden.
Diskriminierung und Unsicherheit sind bis heute Alltag
Viele transidente Menschen berichten, dass Diskriminierung und Unsicherheit Alltag sind - in der Schule, am Arbeitsplatz, in der Familie oder bei der medizinischen Versorgung. Mobbing, soziale Ausgrenzung und rechtliche Hürden wirken sich belastend aus. Dr. Holdreich betont: "Es ist nicht trans sein, das krank macht, sondern die Ablehnung und das Nicht-Sichtbarsein." Wer ignoriert wird oder ständiger Anpassung ausgesetzt ist, leidet häufiger unter Ängsten, Depressionen oder einem niedrigen Selbstwertgefühl.
Wie transidente Menschen stark bleiben können
Doch nicht alles bleibt außen vor: Es gibt Faktoren, die erheblich dazu beitragen, dass transidente Menschen stark bleiben. Dazu zählt die Unterstützung durch Familie, Freundinnen und Freunde sowie soziale Netzwerke ebenso wie die Anerkennung der Identität durch die Verwendung gewählter Namen und Pronomen. Auch professionelle Hilfe und sichere Räume sind wichtig. "Wenn Menschen sich gesehen und verstanden fühlen, stärkt das die psychische Widerstandsfähigkeit enorm", sagt Dr. Holdreich.
Rechtliche und gesellschaftliche Rahmenbedingungen
Mit dem Selbstbestimmungsgesetz, das 2024 in Kraft trat, wurde der rechtliche Rahmen für Transidentität in Deutschland verbessert. Trotzdem bleiben viele praktische Hürden - von der Zugänglichkeit medizinischer Leistungen bis zu Vorurteilen im Alltag. Gesellschaftliche Akzeptanz ist kein Selbstläufer. "Transfeindliche Äußerungen, Unsicherheit und fehlende Aufklärung", so die Psychologin, "erschweren Betroffenen das Leben deutlich."
Ein Thema mit vielen Missverständnissen
Noch immer ranken sich viele Missverständnisse um das Thema Transidentität. Ein weit verbreiteter Irrtum ist die Annahme, es handle sich um eine "Modeerscheinung". Dr. Holdreich stellt klar: "Transidentität ist historisch belegt und kulturübergreifend vorhanden - sie ist kein Trend, der irgendwann wieder verschwindet."
Ebenso falsch sei die Vorstellung, Betroffene seien "verwirrt" oder würden sich irgendwann "umentscheiden". "Transidentität ist keine Phase, sondern Ausdruck der inneren Identität", betont die Psychologin. Sie weist auch darauf hin, dass es nicht darum geht, starre, oft klischeehafte Rollenbilder zu erfüllen: "Transidente Menschen müssen weder hyperfeminin noch hypermaskulin auftreten, um in ihrer Identität anerkannt zu werden."
Im Kern geht es um Authentizität
Oft wird auch angenommen, medizinische Maßnahmen wie Hormontherapien oder Operationen seien zwingend notwendig. Doch das Gegenteil ist der Fall: "Diese Schritte sind Hilfsmittel, keine Ziele an sich. Im Kern geht es immer um Authentizität - darum, das eigene Leben in Übereinstimmung mit der wahren Identität zu gestalten."
Transidentität steht auch im Spannungsfeld gesellschaftlicher Erwartungen: Wer nicht in das gängige Bild von "männlich" oder "weiblich" passt, erlebt häufig Druck, Stigmatisierung oder Ausgrenzung. "Wie alle anderen möchten auch transidente Menschen nicht als ‚abweichend von der Norm‘ betrachtet werden", fasst Holdreich zusammen. "Es geht um Selbstentfaltung und darum, gesehen und respektiert zu werden."
Wie Angehörige und Freunde helfen können
Offenheit und Zuhören sind zentrale Hilfen. Den gewählten Namen benutzen, Pronomen respektieren, Fragen stellen, ohne zu werten und das Hinterfragen der traditionellen Vorstellungen von Geschlecht nicht als Angriff werten - all das sind Gesten mit großer Wirkung. Wichtig ist, nicht zu urteilen, sondern stattdessen Räume zu schaffen, in denen sich Menschen angenommen fühlen.
Eine Botschaft besonders an junge Menschen
"Du bist nicht allein, und du darfst sein, wie du bist", so Dr. Holdreich in einem Appell an Jugendliche und junge Erwachsene. Die Suche nach Identität sei normal, und Hilfe - etwa in Beratungsstellen oder durch Fachpersonen - sei da, wenn sie gebraucht wird.
Am 14. Oktober in Bad Mergentheim:
"Männlich? Weiblich? Anders! - Ein Vortrag zur Transidentität"
Am Dienstag, dem 14. Oktober 2025, um 19.30 Uhr referiert Dr. Martina Holdreich im Kurhaus Bad Mergentheim (Kursaal) über Lebensrealitäten transidenter Menschen. Der Vortrag trägt den Titel "Männlich? Weiblich? Anders!". Im Mittelpunkt stehen Fragen zu Identität, gesellschaftlicher Akzeptanz und rechtlicher Anerkennung: Wie entsteht ein authentisches Selbst, wie lassen sich Hindernisse im Alltag überwinden und wie gestalten wir als Gesellschaft mehr Offenheit und Inklusion?
Der Eintritt beträgt 5,50 Euro. Für Inhaber der Kur- und Gästekarte sowie der Jahres-Einwohnerkarte ist der Eintritt frei. Weitere Informationen gibt es beim GästeService im Haus des Gastes im Kurpark, telefonisch unter 07931/965-0 oder per E-Mail an
gesundheitsberatung@kur-badmergentheim.de.