Forschungsschiff DVocean – Unterwegs im Auftrag der Wissenschaft
Seit zwei Jahren ist das HCU-Vermessungsschiff DVocean im Dienst der
Wissenschaft unterwegs. Im Mai 2019 war die feierliche Taufe, seitdem
können die Studierenden mit der DVocean vielfältige Forschungsprojekte
realisieren.
Auf der ganzen Welt kann man Hydrographie nur an wenigen Orten studieren,
einer davon ist Hamburg. Seit 2009 ist die Hydrographie-Ausbildung eine
Spezialisierung im zweijährigen Master of Science Geodäsie und
Geoinformatik an der HCU. Meere, Seen und Flüsse zu vermessen ist eine
gewaltige Aufgabe. Unsere Welt ist mit einem Anteil von 71 Prozent
hauptsächlich mit Wasser bedeckt.
Dazu Harald Sternberg, Professur für Hydrographie und Geodäsie und
Vizepräsident Lehre und Digitalisierung der HafenCity Universität Hamburg:
"Nur etwa ein Fünftel der von Meeren bedeckten Fläche ist bis heute
hochauflösend vermessen. Die Gebiete beziehen sich zum überwiegenden Teil
auf die offenen Ozeane mit großen Wassertiefen. Die klassische
Hauptaufgabe der Hydrographie sind die Tiefenmessung und die Erstellung
von Seekarten zur Sicherstellung der Seefahrt.
Dafür werden seit mehr als 100 Jahren Echolote verwendet, die auf Schiffen
installiert und mit Hilfe von akustischen Signalen und Laufzeitmessungen
die Wassertiefe berechnen. Seitdem haben sich die eingesetzte Sensorik
sowie auch die Anwendungsfelder stetig erweitert. Mit Vermessungsschiffen
wie der DVocean kann die Umgebung nicht nur unter Wasser, sondern auch
über Wasser präzise erfasst werden. Verschiedenste Sensoren können
parallel Messdaten sammeln, die in vielen Disziplinen verwendet werden".
Das acht Meter lange und 2,65 Meter breite Vermessungsboot DVocean kann in
Binnengewässern und in küstennahen Regionen eingesetzt werden. Aufgrund
seines geringen Tiefgangs sind auch flache Gewässer erreichbar:
"Die DVocean wurde so geplant und gebaut, dass es uns möglich ist ein
breites Spektrum an Gewässern befahren zu können. Das fängt bei der Elbe,
dem Heimatgewässer direkt vor den Türen der Universität an. Dadurch, dass
die DVocean getrailert werden kann, sind aber auch Messungen in weiter
entfernten Gebieten ohne direkte Wasserverbindung realisierbar.
Die DVocean kann mit bis zu drei verschiedenen Echoloten gleichzeitig
bestückt werden. Zusätzlich besteht die Möglichkeit einen Sensorfisch zu
schleppen. Das Dach ist mit einem flexiblen Schienensystem für
unterschiedliche "Überwasser"-Anwendungen ausgestattet. Somit stehen uns
für unterschiedlichste Fragestellungen die Anbringungen verschiedener
Messsysteme zur Verfügung."
Die Einsatz- und Anwendungsbereiche der DVocean sind vielfältig. Dazu
gehören die Erkundung und Überwachung von Wasserwegen und deren bebauten
Ufern, sowie die Erzeugung von 3D-Oberflächenmodellen, beruhend auf
präzisen Echolotdaten, kombiniert mit schiffsbasierten Laserscanner-
Messungen.
Auch können neue Ansätze zur Positionsbestimmung und von
Bodenstrukturanalysen zur Bestimmung der Stabilität von Gebäuden und
Unterwasserkonstruktionen untersucht werden:
"Aktuell sind wir in mehreren Projekten tätig. Im Rahmen des CIAM
Projektes geht es darum, einen Unterwasserroboter über eine größtmögliche
Zeitspanne autonom zu positionieren ohne schiffsbasierte
Navigationslösungen. Dabei kommen auch Ansätze auf Basis künstlicher
Intelligenz zum Einsatz. Das bedeutet eine sehr hohe Flexibilität, denn
zum Beispiel könnte das Unterwasserfahrzeug einen Tag im Atlantik
eingesetzt werden und den nächsten Tag in der Ostsee.
Die DVocean wird als Testplattform eingesetzt. Wir haben bereits in
verschiedenen Studierendenprojekten low-cost Sensoren auf kleinen
unbemannten Messplattformen zusammengebaut und nutzen die Möglichkeit,
diese mit Hilfe der DVocean ausgiebig zu testen und weiterzuentwickeln.
Weiterhin soll in Zukunft ein Testfeld entstehen, mit dessen Hilfe
Sensoren getestet werden können."
Prof. Sternberg geht gemeinsam mit seinem Team den Dingen auf den Grund.
Hydrographische Ausbildung und Forschung braucht eine Messplattform, um
Wissen nicht nur theoretisch zu vermitteln. Bis zu zehn Personen dürfen
gleichzeitig an Bord. Die Studierenden lernen ganz konkret, wie Echolot-
Messungen durchgeführt werden:
"Dabei nutzen wir verschiedene Echolote wie zum Beispiel
Einzelstrahlecholote oder Fächerecholote, sogenannte Multibeam
Echosounder. Weiterhin haben wir die Möglichkeit verschiedene Schichten
des Gewässerbodens mit einem Sedimentecholot zu erfassen.
Aber nicht nur die unterschiedlichen Arten von Echoloten, sondern auch das
Zusammenspiel aller Sensoren an Bord wird unseren Studierenden
nahegebracht. Eine Messung mit dem Echolot allein reicht nicht, um den
Gewässerboden zu kartieren. Die Messung muss auch georeferenziert werden,
um sie hinterher an der richtigen Position in der Karte darstellen zu
können. Dazu gehören neben den GNSS-Antennen zur Positionierung auch
Wasserschallsonden zur Bestimmung der korrekten
Wasserschallgeschwindigkeit und Bewegungssensoren, die die
Schiffsbewegungen aufzeichnen.
All das wird in einer entsprechenden Software zusammengeführt und muss von
den Studierenden nicht nur überwacht, sondern auch verstanden und
hinterfragt werden. Weiterhin nutzen wir zusätzliches Equipment wie einen
kleinen Unterwasserroboter, einen Magnetometer oder eine Secchi-Disk zur
Bestimmung der Wassertrübheit".
Vermessung und Positionsbestimmung bekommt im Zeitalter wachsender
Digitalisierung eine immer wichtigere Bedeutung. Mit der Datenerfassung
werden dreidimensionale Abbilder der Realität erschaffen, die ganz
unterschiedlich genutzt werden können:
"Das spannende ist, dass die Hydrographie stets im Kontext der
Interdisziplinarität zu sehen ist, denn sie ist Teil vieler
unterschiedlicher Anwendungsfelder. Dabei ist in Abhängigkeit der
Anforderungen des jeweiligen Anwendungsfalls die Auswahl der richtigen
Sensorik und die Gewährleistung der benötigten Datenqualität ein wichtiger
Aspekt.
Hydrographische Daten werden neben der Erzeugung von Seekarten, zur
Interpretation von Gewässerbodenstrukturen, bei der Planung und
Überwachung von Offshore-Windpark-Anlagen, bei der Verlegung von
Meereskabeln, bei der Bauwerksüberwachung oder bei dem Schutz der Meere
und Umwelt durch die Kartierung von Habitaten eingesetzt, um nur mal ein
paar Beispiele zu nennen.
Die Hydrographie trägt somit auch dazu bei, ein besseres Verständnis für
die natürlichen Prozesse und Abläufe auf unserem Planeten zu entwickeln".