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DGINA und DIVI warnen vor geplantem Gesundheitsgesetz – „Triage- Software gefährdet Patientensicherheit“

In zwei Stellungnahmen haben die notfallmedizinischen Fachgesellschaften,
die Deutsche Gesellschaft für Interdisziplinäre Notfall- und Akutmedizin
(DGINA) und die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und
Notfallmedizin (DIVI) vor einem geplanten Gesetz des
Bundesgesundheitsministeriums gewarnt.

Der Referentenentwurf zum Gesetz zur Weiterentwicklung der
Gesundheitsversorgung (Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz –
GVWG) sei hinsichtlich der Notfallversorgung voller Mängel, sagt DGINA-
Präsident Martin Pin: „Der Entwurf ist weit davon entfernt, die dringend
erforderliche Reform der Notfallversorgung voranzubringen.“ – „Wenn das
Gesetz so kommt, wären die Leidtragenden die Patienten,“ pflichtet ihm der
medizinische Geschäftsführer der DIVI, Prof. Dr. Andreas Markewitz bei.

Beide Fachgesellschaften kritisieren insbesondere die geplanten Änderungen
zur Ersteinschätzung von Notfallpatienten, die zukünftig von der
Kassenärztlichen Vereinigung organisiert werden soll – auch in
Krankenhäusern. In dem Gesetzentwurf ist vorgesehen, dass alle
Notfallpatienten zunächst mithilfe einer Software ersteingeschätzt werden.
Diese „Triage-Software“, die von der Kassenärztlichen Vereinigung bestimmt
wird, soll unter anderem darüber entscheiden, ob ein Notfall ambulant oder
stationär behandelt wird – noch bevor die Betroffenen ärztlich untersucht
wurden. Aufgrund dieser Ersteinschätzung könnten Patienten auch ohne
vorherige ärztliche Beurteilung in eine Versorgungseinheit außerhalb des
Krankenhauses verwiesen werden.

Die Kopplung von Verwendung des Ersteinschätzungsinstruments und Vergütung
ist nicht zielführend und fachlich falsch

Der DGINA-Präsident warnt: „Eine ‚Ersteinschätzungs-Software‘ der KV kann
und darf nicht den ärztlichen Kontakt und die ärztliche Untersuchung
ersetzen. Wenn Notfälle aufgrund dieser Ersteinschätzung weggeschickt
werden, kann dies für die Betroffenen möglicherweise lebensbedrohliche
Folgen haben.“ So heißt es auch in der Stellungnahme der DIVI gegenüber
dem Bundesgesundheitsministerium: „Die obligate Verbindung des Einsatzes
eines Ersteinschätzungssystems mit der Leistungsvergütung geht an der
Realität vorbei, da eine sichere ex ante Zuordnung der Dringlichkeit der
Behandlungsnotwendigkeit in zahlreichen Fällen unmittelbar bei Eintreffen
der Patienten nicht sicher möglich ist.“

DIVI und DGINA fordern daher das Bundesministerium für Gesundheit auf, die
diesbezüglich geplanten Änderungen des bestehenden Gesundheitsgesetzes
(§120 SGB 5) zu streichen und weiter an einer grundlegenden,
zukunftsfähigen Reform der Notfallversorgung im Sinne der Patienteninnen
und Patienten zu arbeiten.

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US-Klimapolitik: Bidens ambitionierte Pläne kommen EU entgegen

fW-Umweltökonomin Sonja Peterson (https://www.ifw-kiel.de/de/experten/ifw
/sonja-peterson/
), Global Commons und Klimapolitik, IfW Kiel, kommentiert
die Ergebnisse der US-Präsidentschaftswahl in Bezug auf die Klimapolitik:

Ausgehend vom Wahlprogramm sind von einer Regierung Biden angemessene und
ambitionierte Schritte in der Klimapolitik zu erwarten vergleichbar mit
denen im „Green Deal“ der EU. So sollen die USA dem Wahlprogramm zufolge
bis spätestens 2050 treibhausgasneutral werden, und der Stromsektor soll
bereits 2035 CO2-frei sein. Um dies zu erreichen, will Biden unter anderem
Forschung, Entwicklung und Innovationen in saubere Energie fördern und in
den nächsten 10 Jahren 1,7 Billionen US-Dollar Bundesmittel bereitstellen.
Alle Infrastrukturinvestitionen im Transport, Gebäude- und Stromsektor
sollen mit Rücksicht auf Emissionsreduzierung und Resilienz gegen den
Klimawandel getätigt werden.

Biden ist ein Pionier der Klimaschutzgesetzgebung. Schon 1987 als Senator
für Delaware hat er die erste Klimaschutzgesetzgebung unterstützt. Nun hat
er Weichenstellungen angekündigt, damit die Ziele von Paris erreichbar
bleiben. Sein Bekenntnis zu diesen Zielen hätte nicht deutlicher ausfallen
können: Schon am Tag des Austritts der USA aus dem Abkommen direkt nach
der Wahl, stellte Biden den Wiedereintritt bei einem potenziellen
Amtseintritt im Januar 2021 auf den Tag genau in Aussicht.

Biden wird sich jetzt daran messen lassen müssen, ob er diese
ambitionierten Ziele umsetzen kann. Wünschenswert wäre, dass er dabei auch
auf zentral von prominenten US-Ökonominnen und Ökonomen nachdrücklich
geforderte Bepreisung von Treibhausgasen setzt. Dies ist in den USA, die
staatlicher Regulierung generell kritisch gegenüberstehen, seit langem
politisch ein kontroverses Thema und Biden spricht bislang nur von einem
„Umsetzungsmechanismus“. Hier sollte Biden als President-elect Farbe
bekennen und seinem Ruf als Pionier für den Klimaschutz gerecht werden.
Ein Preismechanismus für CO2 in den USA könnte dem Instrument weltweit
neuen Schwung verleihen und würde auch verhindern, dass die EU im Zuge des
geplanten Grenzausgleichs Importe aus den USA mit einem CO2-Preis versehen
müsste.

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Islamische Friedenspädagogik: Für interreligiösen Dialog und den gemeinsamen Einsatz für weltanschauliche Pluralität

Angesichts der Terroranschläge in Nizza und Wien plädiert das Institut für
Islamische Theologie und Religionspädagogik der Pädagogischen Hochschule
Karlsruhe für interreligiösen Dialog und dafür, sich gemeinsam und
religionsübergreifend für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und
weltanschauliche Pluralität einzusetzen.

Seit vielen Jahren widmet sich das Institut für Islamische Theologie und
Religionspädagogik der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe in seiner
Forschung den Ursachen von religiöser Gewalt sowie den Friedensaspekten
und Friedenspotenzialen des Islam. Außerdem engagiert es sich für den
interreligiösen Dialog und bietet das Zertifikat „Interreligiöses
Begegnungslernen“ an. Dieses Studienangebot qualifiziert angehende
Lehrerinnen und -lehrer religionsübergreifend dafür, in den Schulen
kompetent mit religiöser Vielfalt umzugehen.

Angesichts der Terroranschläge in Nizza und Wien sagt Jun. Prof. Dr. Jörg
Imran Schröter: „Es zeigen sich gefährliche Tendenzen einer zunehmenden
Polarisierung zwischen Musliminnen und Muslimen und der
Mehrheitsgesellschaft. Die große gesamtgesellschaftliche Herausforderung
besteht deshalb darin, eine weitere Eskalation zu verhindern.“ „Für den
sozialen Frieden in Deutschland und in der Welt müssen wir einerseits zu
einer differenzierteren Wahrnehmung von Muslimen beigetragen und
andererseits Gewalt und Terror im Namen des Islam rückhaltlos
verurteilen“, so der Leiter des Instituts für Islamische Theologie und
Religionspädagogik.

„Uns geht es um einen gemeinsamen Einsatz für Menschenwürde und
Menschenrechte, für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sowie für
Meinungsfreiheit und für weltanschauliche Pluralität. Dafür setzen wir uns
in Forschung und Lehre sowie in der Zivilgesellschaft mit ganzer Kraft
ein“, macht der Wissenschaftler deutlich. Schröter sieht einen großen
Bedarf, sich sowohl an den Hochschulen, speziell an islamisch-
theologischen Instituten, sowie im Religionsunterricht an den Schulen
offenen und kritisch mit problematischen Quelleninhalten und
Gewalttheologien auseinanderzusetzen.

Über die Pädagogische Hochschule Karlsruhe

Als bildungswissenschaftliche Hochschule mit Promotions- und
Habilitationsrecht forscht und lehrt die Pädagogische Hochschule Karlsruhe
zu schulischen und außerschulischen Bildungsprozessen. Ihr
unverwechselbares Profil prägen der Fokus auf MINT, mehrsprachliche
Bildung und Heterogenität sowie eine aktive Lehr-Lern-Kultur. Das
Studienangebot umfasst Lehramtsstudiengänge für Grundschule und
Sekundarstufe I, Bachelor- und Masterstudiengänge für andere
Bildungsfelder sowie professionelle Weiterbildungsangebote. Rund 220 in
der Wissenschaft Tätige betreuen rund 3.600 Studierende. Weitere Infos auf
https://www.ph-karlsruhe.de

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Eine Chance zur Veränderung im Kosovo

Kommentar von Südosteuropahistoriker Dr. Konrad Clewing zum Rücktritt des
kosovarischen Präsidenten Hashim Thaçi

Am Donnerstag ist Kosovos Präsident Hashim Thaçi zurückgetreten, nachdem
das Kosovo-Sondertribunal in Den Haag die zunächst vorläufige Anklage
gegen ihn infolge seiner Rolle bei der „Befreiungsarme“ UÇK bestätigt
hatte. Am Leibniz-Institut für Ost- und Südosteuropaforschung (IOS) in
Regensburg beschäftigt sich der Historiker Dr. Konrad Clewing intensiv mit
Vergangenheit und Gegenwart des Kosovo. Er kommentiert den Rücktritt
Thaçis:

Der beginnende Prozess in Den Haag bringt der kosovarischen Gesellschaft
die Chance, sich endlich mit den Vorwürfen ernsthaft auseinanderzusetzen,
die eng mit der Geschichte der eigenen Unabhängigkeit verbunden sind. Ein
weniger verklärter Blick auf die damalige eigene Kriegsführung zur
Befreiung von der serbischen Herrschaft wäre gut, ebenso eine
Enttabuisierung der von der UÇK auch gegen kosovoalbanische Konkurrenten
angewandten einstigen Gewalt. Als gesellschaftliche und politische
Herausforderung ist dieser Prozess heikel genug – zumal auf der anderen
Seite das politische Serbien seine eigene kollektive Rolle im Kosovokrieg
und im heutigen Kosovo ganz unkritisch betrachtet und sich bis heute
weigert, die Unabhängigkeit Kosovos als Folge jener Kriegsereignisse
anzuerkennen. Nicht von ungefähr werden jetzt in Prishtina Stimmen in der
Regierung laut, den Dialog mit Serbien angesichts des Prozesses in Den
Haag erst einmal bis auf Weiteres ganz zu unterbrechen. Kurzfristig könnte
der Westen, der Thaçi lange Zeit als Stabilitätsanker hofierte und sich
mittlerweile auch darüber zwischen der EU und den trumpschen USA
zerstritten hat, dieser Art von Stabilität am Ende noch nachtrauern. Auf
lange Sicht aber könnte der Prozess in Den Haag doch Positives für Kosovo
und seine Nachbarschaft bewirken.

Eine ausführliche Version des Kommentars ist auf dem Blog des IOS
erschienen: https://ostblog.hypotheses.org/1741

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