Schaufenster Stadtgeschichte: „Schienenzeppelin am Bochumer Hauptbahnhof 1931“
Das „Schaufenster Stadtgeschichte“ präsentiert einmal im Monat ein besonderes Dokument
oder Objekt aus den Beständen des Stadtarchivs – Bochumer Zentrum für Stadtgeschichte.
Auf diese Weise werden nicht nur historische Ereignisse oder Persönlichkeiten vorgestellt.
Das
„Schaufenster Stadtgeschichte“ gewährt auch einen Einblick in die bunte Vielfalt der
historischen Zeugnisse, die zum kulturellen Erbe Bochums gehören und die im Stadtarchiv –
Bochumer Zentrum für Stadtgeschichte verwahrt werden.
Im Dezember geht es um den „Schienenzeppelin am Bochumer Hauptbahnhof, 28. Juni 1931“.
Interessierte können die Exponate auch im Stadtarchiv – Bochumer Zentrum für
Stadtgeschichte, Wittener Straße 47, besichtigen. Der Eintritt ist frei. Weitere Informationen
gibt es im Internet unter www.bochum.de/stadtarchiv.
Um 10.58 Uhr des 28. Juni 1931 sahen die zahlreichen Schaulustigen auf dem Bahnsteig des
Bochumer Hauptbahnhofes zunächst ein silbernes Glitzern in der Ferne. Dann war ein
melodisches Pfeifen zu hören, zusammen mit dem Wirbeln eines Holzpropellers. Die
Beamten auf dem Bahnsteig hielten die Menschen auf Distanz zur Bahnsteigkante, damit diese
dem im Bereich des Bahnhofes auf niedrigen Touren laufenden Propeller nicht zu nahekamen.
Was die Zuschauer hier sahen, mutete wie ein kurzer Blick in eine ferne Zukunft an: Ein damals
hochmoderner, mit einem 500-PS-Flugzeugmotor ausgestatteter Schnellzug, der noch eine
Woche zuvor, am 21. Juni 1931, mit einer Geschwindigkeit von 230 Stundenkilometern auf der
Strecke Hamburg – Berlin auf dem Teilstreckenabschnitt zwischen Karstädt und Dergenthin
einen bis 1955 unübertroffenen Welt-Geschwindigkeitsrekord für Schienenfahrzeuge
aufstellte. Entwickelt wurde der „Schienenzeppelin“ – dessen Name auf die durch
Stromlinienform, silbrigen Glanz und den Propellerantrieb bedingte Ähnlichkeit zu einem
Zeppelin hinwies - vom Ingenieur Franz Kruckenberg (Flugbahn-Gesellschaft).
Seite 2 von 2
Um die hohe Geschwindigkeit erreichen zu können, war die Bauweise des Schienenzeppelins
– ähnlich wie beim Luftschiff – besonders leicht gehalten, mit Aluminiumverstrebungen und
silbern lackierter Leinwand als Außenhaut des mittleren Fahrzeugteils. Während des
Aufenthaltes in Bochum war Interessierten auch ein kurzer Blick in den Fahrgastraum im
vorderen Zugteil möglich. Im Inneren war Platz für rund 20 Personen auf silbernen, im
Bauhaus-Stil gehaltenen Stahlmöbeln mit tiefblauem Bezug. Der Linoleum-Fußboden hatte
ebenfalls eine blaue Farbe, die Decke war hingegen rot. An den Fenstern waren zur Dekoration
Blumenvasen angebracht. Doch schnell schlossen sich wieder die Türen, da die Fahrt nach nur
dreiminütigem Aufenthalt in Bochum bereits um 11.01 Uhr weiter Richtung Dortmund ging.
International stieß das Fahrzeug auf großes Interesse. Ingenieure aus Japan, Mexiko und den
USA meldeten sich bei Kruckenberg, welcher die genaue Konstruktionsweise jedoch streng
geheim hielt. Obwohl der Schienenzeppelin durch seine Rekordfahrt und seine wegweisende
Stromlinienform weithin bekannt und beliebt war, blieb sein Ruhm nur von kurzer Dauer.
Durch seine hohe Geschwindigkeit konnte er nicht in bestehende Fahrpläne integriert werden.
Außerdem waren Rückwärtsfahrten über längere Strecken ohne Umbau des Propellers nicht
möglich, ebenso wie das Anhängen weiterer Wagons, was seine Kapazitäten sehr begrenzte.
Zudem war der Bremsweg sehr lang und die Kosten eines hierauf abgestimmten
Signalsystems sehr hoch. Im Vergleich zu konkurrierenden Schnellzügen der Reichsbahn, wie
etwa dem „fliegenden Hamburger“, war der Schienenzeppelin wegen mangelnder Effizienz
und hoher Betriebskosten trotz seiner größeren Geschwindigkeit im Nachteil.
Um die Wirtschaftlichkeit zu verbessern und neue Antriebsmöglichkeiten zu erproben, wurde
der Schienenzeppelin trotz hiermit verbundener Geschwindigkeitseinbußen schließlich
zweimal umgebaut. 1932 wurde der Fahrzeugkopf ausgetauscht, der Propeller entfernt und
ein zweiachsiges Drehgestell eingesetzt. Dieses wurde über eine Hydraulik, das „Föttinger-
Flüssigkeitsgetriebe“, angetrieben. Hiermit waren nun auch Fahrten in beide Richtungen
möglich. 1934 wurde der Schienenzeppelin schließlich letztmalig umgebaut, indem ein 410-
PS starker Dieselmotor von Maybach eingesetzt wurde. Für weitere Versuchsfahrten wurde er
an die Deutsche Reichsbahn verkauft. Diese fanden jedoch nicht statt und der
Schienenzeppelin wurde einige Jahre lang im Reichsbahnausbesserungswerk Berlin-
Tempelhof abgestellt und 1939 schließlich verschrottet.