Dürfen Angehörige ihre Lieben über oder nach Weihnachten aus dem Pflegeheim nach
Hause holen?
Ulrike Kempchen: Selbstverständlich dürfen Pflegeheimbewohnerinnen und
Pflegeheimbewohner die Feiertage bei ihren Angehörigen verbringen. Sie dürfen die
Einrichtung uneingeschränkt verlassen und zurückkehren, es sei denn es gibt eine konkrete
Quarantäneanordnung, die für sie gilt. In einzelnen Bundesländern, etwa in Rheinland-Pfalz,
ist lediglich vorgesehen, dass wiederkehrende Bewohnerinnen oder Bewohner häufiger als
ohnehin üblich auf das Corona-Virus getestet werden.
Müssen Betroffene nach einem Besuch zu Hause in Quarantäne?
Kempchen: Eine Quarantäne nach einem Aufenthalt außerhalb der Einrichtung ist nicht
automatisch notwendig, sondern nur dann, wenn ein konkreter Verdachtsfall besteht.
Allerdings stellt eine Quarantäne einen massiven Eingriff in die Grundrechte des Einzelnen
dar und hat aus gutem Grund besonders hohe Hürden. Die Auswirkungen sozialer Isolation
in Pflegeheimen sind gravierend und müssen dabei mit bedacht werden.
Zur Sicherheit aller empfehlen wir, dass sich alle Beteiligten vor und während der Besuche
regelmäßig testen, auf Krankheitssymptome achten, Kontakte minimieren,
Hygienemaßnahmen und Abstandsregeln einhalten und im Zweifel eher vorsichtig sind.
Wird ein Bürgertest für den Besuch im Pflegeheim anerkannt?
Kempchen: Der Gesetzgeber hat zum einen den Einrichtungen den Auftrag gegeben, Tests
anzubieten, und zum anderen den Nachweis eines negativen Testergebnisses für den
Besuch vorgeschrieben. Das meint aber nicht, dass nur der Test in der Einrichtung zum
Eintritt berechtigt. Auch das Ergebnis eines aktuellen Bürgertests ist ausreichend. Das ist
auch deswegen interessant, weil die Einrichtung oftmals kein Zertifikat ausstellt und
Getestete das Ergebnis nicht andernorts nutzen können. Eine Ausnahme stellt das Land
Baden-Württemberg dar. Dort müssen Ungeimpfte in Regionen mit hoher Inzidenz einen
PCR-Test vorlegen.
Kann die ganze Familie ins Heim kommen?
Kempchen: Die Anzahl der Personen, die gleichzeitig zu Besuch kommen können, hängt von
der jeweiligen Landesverordnung ab. Zahlenmäßige Einschränkungen gibt es aber nur in
wenigen Bundesländern. In Brandenburg dürfen derzeit nur zwei Besucherinnen oder
Besucher pro Tag empfangen werden; in Mecklenburg-Vorpommern ist die Anzahl an den
lokalen Inzidenzwert gekoppelt.
Ist ein Besuch mit den Enkelkindern geplant, sollte man genau nachschauen, denn teilweise
gibt es für Besuche von Kindern besondere Regeln. Wir empfehlen kurz vorher noch einmal
in der aktuellen Corona-Verordnung nachzusehen und im Vorfeld mit der Einrichtung in
Kontakt zu treten und Kontakte zu reduzieren sowie die allgemeinen Hygieneregeln zu
beherzigen.
Gelten im Zimmer Maskenpflicht und Mindestabstand?
Kempchen: Einige Corona-Verordnungen schreiben aktuell eine Maskenpflicht auf dem
Zimmer der Bewohnerin bzw. des Bewohners vor. Auch finden sich dort teilweise
verbindliche Regelungen für einen Mindestabstand. Es gibt in manchen Verordnungen aber
auch sogenannte Soll-Vorschriften. Das meint eine eindrückliche Empfehlung, die man
berücksichtigen sollte, aber nicht zwingend ist. Zudem gelten Ausnahmetatbestände für alle,
die aufgrund von Behinderung oder Pflegebedarf Probleme mit diesen Regeln haben. In
früheren Verordnungen war dies nicht so und es gab massive Probleme. Beispielsweise
hatten viele Menschen mit Demenz Probleme ihre Angehörigen mit Maske zu erkennen und
konnten Abstandsregeln nicht begreifen. Hier hilft es nur, sich im Vorfeld genau über die
aktuell gültigen Bestimmungen zu informieren, etwa unter https://www.biva.de/corona-im-
pflegeheim/besuchseinschraenkungen-in-alten-und-pflegeheimen-wegen-corona/
Was kann man tun, wenn in der Einrichtung andere Regeln gelten, die den
Verordnungen widersprechen?
Kempchen: Es kann im Einzelfall sein, dass für eine Einrichtung besondere Regeln gelten.
Allerdings nur dann, wenn eine zuständige Behörde, etwa das Gesundheitsamt oder die
Heimaufsicht, einschränkende Maßnahmen lokal angeordnet hat. Man sollte sich daher bei
den örtlichen Behörden über die aktuellen Bestimmungen in der betreffenden Einrichtung
erkundigen.
Wir hören aber immer wieder auch von Einrichtungen, die eigenmächtig strengere Regeln
umsetzen. Bei solchen Problemen ist wiederum die Heimaufsicht der richtige
Ansprechpartner, denn zu ihren Aufgaben gehört auch, die Würde und Selbstbestimmtheit
der Bewohnerinnen und Bewohner zu schützen.
An Weihnachten wird man aber in den meisten Behörden niemanden antreffen. Daher gilt
der Rat: Rechtzeitig den Kontakt zur Heimleitung suchen und sich über die konkreten
Anforderungen zu informieren. Dann kann man sich darauf einstellen und ggf.
Ungereimtheiten vorab klären.
Sollte man nicht eher auf Weihnachtsbesuche im Pflegeheim verzichten?
Kempchen: Auch wenn Besuche momentan mit besonderen Schwierigkeiten verbunden
sind, gilt es gerade jetzt seine Angehörigen im Pflegeheim zu besuchen.
Pflegeheimbewohnerinnen und -bewohner waren ohnehin die Hauptleidtragenden der
Pandemie und sollten nicht das zweite Weihnachten in Folge allein verbringen. Unter
Beachtung der gegebenen Regelungen und allgemeinen Schutzvorschriften sind Besuche
und auch Feiern zu Hause möglich.
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Der BIVA-Pflegeschutzbund vertritt seit 1974 bundesweit die Interessen von Menschen, die im
Alter Wohn- und Pflegeangebote in Anspruch nehmen. Der BIVA-Pflegeschutzbund ist
gemeinnützig, konfessionell ungebunden und überparteilich. BIVA ist die Abkürzung für
Bundesinteressenvertretung für alte und pflegebetroffene Menschen e.V.