Zum Hauptinhalt springen

Coronavirus würgt Wirtschaftsmotor „Messe“ in Deutschland ab Verschiebungen und Absagen sind Risiko für deutschen Mittelstand warnt Bundesverband Industrie Kommunikation e.V.

Das Umsatzvolumen der Messeveranstalter in Deutschland liegt im Jahr bei rund vier Milliarden Euro. Als internationale Marktplätze sind Messen ein wichtiger Wirtschaftsfaktor in Deutschland – für Konzerne ebenso wie für den Mittelstand. Sie im großen Stil abzusagen oder zu verschieben trifft die Akteure mit aller Härte, warnt der Bundesverband Industrie Kommunikation e.V.  

Deutschland zählt mit rund zehn Millionen Besuchern überregionaler Messen zu den wichtigsten Messeplätzen weltweit. Laut Messeverband wurden 178 überregionale Messen gezählt – darunter bekannte Großveranstaltungen wie die Hannover Messe und eine Vielzahl kleinerer, hochgradig spezialisierte Leitmessen. Dieses Jahr steht aufgrund der Corona-Krise unter einem schlechten Stern. Für die Investitionsgüterindustrie bedeuten Verschiebungen und Absagen, einen ihrer Hauptauftragswege zu verlieren. Für eine Vielzahl von Unternehmen im Bereich Messebau, Hotellerie und Gastronomie droht schwerer wirtschaftlicher Schaden. 

1,6 Milliarden Euro Gesamtschaden befürchtet

Der BVIK – Industrie-Verband für Kommunikation und Marketing – warnt ausdrücklich vor den immensen, noch unabsehbaren, aber vielfach existenzbedrohenden Folgen der Absagen und Verschiebungen von Großveranstaltungen dieser Art. Die rund 220 Firmenmitglieder des Verbandes sind unmittelbar betroffen und stehen vor in Teilen schwer lösbaren Herausforderungen. Allein für den Bereich Messebau hat das Research Institute for Exhibition and Live-Communication (R.I.F.E.L.) den Schaden auf 670 Millionen Euro, den Gesamtschaden der Messewirtschaft sogar auf über 1,6 Milliarden Euro beziffert. 

„Es ist zu befürchten, dass viele Anbieter die Krise nicht überleben und im großen Umfang Arbeitsplätze in Deutschland verloren gehen werden“, warnt Rainer Pfeil, Geschäftsführer, bluepool GmbH Messen & Events und Vorstand des BVIK. Messestände sind heutzutage hochtechnisierte, designorientierte, sehr komplexe Konstrukte, an welchen eine Vielzahl von Gewerken und High-Tech-Dienstleistern beteiligt sind. Knapp 40 Prozent des jährlichen Marketing-Budgets von Industrieunternehmen fließt über die letzten Jahre konstant in den Bereich Messe, wie die BVIK-Studie „B2B-Marketing-Budgets“ belegt. Online-Kanäle nehmen zu, aber der deutsche Mittelstand setzt nach wie vor aus Überzeugung auf den persönlichen Kontakt mit Kunden. 

Digitale Lösungen können reale Messe nicht ersetzen

Aus Sicht der Industrie ist darüber hinaus zu bedenken, dass die Termine großer Leitmessen wichtige Meilensteine in Produktentwicklungszyklen von Industrieunternehmen darstellen. Die gesamte Kommunikation ist darauf ausgerichtet und muss nun wie im Falle der Hannover Messe mindestens für vier Monate kostenintensiv digital überbrückt werdenAber ob virtuelle Messen denselben Erfolg erzielen werden wie reale Messen, bezweifeln viele Marketing-Verantwortliche im BVIK-Netzwerk. Anders als im Konsumgütergeschäft basiert die Industriekommunikation mit ihrer viel komplexeren Einkaufs- und Kundenstruktur vom vertrauensbildenden persönlichen Kontakt. Großveranstaltungen wie Messen abzusagen bedeutet daher nicht nur einen immensen Schaden im Marketing-Bereich, sondern auch im Vertrieb durch ausbleibende Aufträge des Messegeschäfts. 

Digitalisierung im B2B-Marketing ist kostenintensiv 

„Einerseits geht es jetzt um Schadensbegrenzung und andererseits zugleich darum, den Weg nach vorne zu gestalten. Das derzeitige Geschehen ist wahrscheinlich der letzte, entscheidende Ruck nach vorn für die Digitalisierung im B2B-Marketing. Digitale Kommunikations- und Vertriebswege zu installieren verursacht jedoch hohe Kosten – jetzt Marketing-Budgets zu kürzen, wäre daher die denkbar schlechteste Maßnahme“, erläutert Ramona Kaden, Geschäftsführerin und Vorstand des BVIK. Sie ist davon überzeugt, dass im Industriesektor der intelligente Mix aus direktem Mensch-zu-Mensch-Kontakt und High-Tech-Anwendungen wie Virtual und Augmented Reality oder auch Marketing-Automation-Lösungen den Erfolg in Zukunft sichert. 

Unternehmen – egal ob Industrieunternehmen, Agenturen, Messebauer oder auch ein Blumenladen, der sein ganzes Frühjahrsgeschäft darauf ausgerichtet hatte, die Hannover Messe mit Blumendekoration auszustatten – alle werden am Ende die Zeche bezahlen. Die Mehrkosten auf der einen Seite und die sicher zu erwartenden Umsatzeinbußen durch entgangene Messeaufträge auf der anderen Seite werden keinesfalls spurlos an der mittelständischen Industrie und dem deutschen Arbeitsmarkt vorübergehen. 

„Der BVIK steht an der Seite seiner Mitglieder und fördert die Kommunikation zwischen allen Parteien. Eine ganze Branche ist in Gefahr und die Erwartungshaltung an die Politik und unsere Regierung ist ein schnelles Soforthilfeprogramm für alle Beteiligten“, fordert Ramona Kaden. 

  • Aufrufe: 504

Ungleiche Chancen bei der Jobsuche WZB-Studie: Mütter werden seltener zu Bewerbungsgesprächen eingeladen als kinderlose Frauen

Mütter werden in Bewerbungsverfahren benachteiligt und seltener zu
Vorstellungsgesprächen eingeladen als Frauen ohne Kinder. Väter werden
hingegen ebenso häufig eingeladen wie Männer ohne Kinder. Das hat Lena
Hipp vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) in einer
gerade veröffentlichten Studie über die Jobchancen von Eltern und Menschen
ohne Kinder herausgefunden. Um Diskriminierung zu verringern, fordert die
Wissenschaftlerin eine gesetzliche Regelung, dass in Lebensläufen künftig
private Informationen wie Elternschaft, Ehestand oder
Religionszugehörigkeit nicht mehr erwähnt werden sollten.
Für die Studie wurden über 800 fiktive Bewerbungen auf reale
Stellenangebote im Marketing- und Veranstaltungsbereich versandt. In
diesem Berufsfeld arbeiten ungefähr gleich viele Frauen und Männer. Die
Bewerberin bzw. der Bewerber unterschieden sich in ihrem Lebenslauf nur
darin, dass die einen ein Kind im Alter von drei Jahren hatten und die
anderen kinderlos waren.
Das Ergebnis der Studie zeigt die Diskriminierung von Frauen mit Kindern
bei der Stellensuche: Mütter wurden deutlich seltener zu
Vorstellungsgesprächen eingeladen als kinderlose Frauen. Sie mussten rund
ein Drittel mehr Bewerbungen schreiben, um eine Einladung zu erhalten.
Väter haben dagegen die gleichen Chancen, einen Job zu finden, wie
kinderlose Männer. „Damit wird das Prinzip der gleichen Jobchancen von
Männern und Frauen konterkariert“, sagt Lena Hipp. Für die WZB-
Wissenschaftlerin gehören private und für den Job nicht relevante
Informationen wie Elternschaft, Ehestand oder Religionszugehörigkeit, die
in deutschen Bewerbungen häufig angegeben werden, nicht in den Lebenslauf.
Eine entsprechende gesetzliche Regelung, diese Informationen wegzulassen,
könnte die Diskriminierung von Müttern und anderen benachteiligten Gruppen
verringern.
Die Studie von Lena Hipp ist unter dem Titel „Do Hiring Practices Penalize
Women and Benefit Men for Having Children? Experimental Evidence from
Germany” erschienen in: European Sociological Review, 2019, S. 1-15.
Zur Autorin: Prof. Lena Hipp Ph.D. ist Leiterin der Forschungsgruppe
Arbeit und Fürsorge am WZB und Professorin in Sozialstrukturanalyse, insb.
Arbeit und Organisation an der Universität Potsdam.

  • Aufrufe: 564

Fachkräftezuwanderung kann nicht per Gesetz verordnet werden

Die Bundesregierung will mit einem neuen Einwanderungsgesetz mehr
Fachkräfte aus Drittstaaten nach Deutschland holen. Ob das gelingt, hängt
vor allem von begleitenden Maßnahmen ab.

Am 01. März tritt das neue Einwanderungsgesetz in Kraft, das die große
Koalition im Sommer 2019 nach jahrelangem Hin und Her als Teil des
sogenannten Migrationspakets verabschiedet hat. Das Gesetz bestimmt in
erster Linie den Zuzug von Fachkräften aus Drittstaaten außerhalb der EU.

Die Bundesregierung setzt mit dem neuen Gesetz einige Maßnahmen um, die
das Berlin-Institut bereits vor vier Jahren in der Studie „Internationale
Arbeitskräfte einstellen“ vorgeschlagen hat: Beispielsweise dürfen künftig
nicht nur Akademiker, sondern alle Personen mit einem anerkannten
Berufsabschluss, die einen Arbeitsvertrag vorlegen können, zum Arbeiten
nach Deutschland kommen. Auch die Gruppe derjenigen, die ohne einen
Arbeitsvertrag nach Deutschland kommen können, um hier für sechs Monate
nach einer Stelle zu suchen, wird ausgeweitet. Neben Akademikern betrifft
dies nun auch Personen mit anerkannter Berufsausbildung und junge
Schulabsolventen auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz.

Das neue Gesetz ist unzweifelhaft ein Schritt in die richtige Richtung. Ob
es die gewünschte Wirkung entfaltet – den Zuzug von Fachkräften aus
Drittstaaten deutlich zu steigern – wird maßgeblich von der Umsetzung
begleitender Maßnahmen abhängen, von denen die Bundesregierung einige in
ihrer Fachkräftestrategie angekündigt hat. „Wer Fachkräfte aus
Drittstaaten davon überzeugen will, zum Arbeiten nach Deutschland zu
kommen, muss ihre Zugangswege im Ausland konsequent bewerben und
transparent machen. Unternehmen müssen bei der Rekrutierung im Ausland
unterstützt werden“, so Catherina Hinz, Direktorin des Berlin-Instituts
für Bevölkerung und Entwicklung.

Die bürokratischen Verfahren müssen unkompliziert und zügig gestaltet
werden. Es ist äußerst kontraproduktiv, wenn potentielle Fachkräfte
teilweise erst nach Monaten einen Termin in der deutschen Botschaft
bekommen um ein Visum zu beantragen und im Anschluss noch einmal lange
Zeit auf die Anerkennung ihrer Qualifikation warten müssen. Die
Ankündigung, Fachkräfte schon im Ausland im Anerkennungsverfahren zu
unterstützen, muss konsequent umgesetzt werden. Und da in der Regel
bereits vor Einreise gute Deutschkenntnisse vorausgesetzt werden, muss
auch im Ausland die notwendige Kapazität an deutschen Sprachkursen gegeben
sein.

An manchen Stellen wäre mehr Mut bei der Formulierung des Gesetzes
wünschenswert gewesen – etwa angesichts einer Ausdehnung der
Aufenthaltserlaubnis zur Jobsuche von sechs auf zwölf Monate. Ein halbes
Jahr ist nicht viel Zeit, um in einem neuen Land einen neuen Job zu
finden. Auch wäre eine flexiblere Handhabung der Anerkennung ausländischer
Berufsabschlüsse wünschenswert gewesen. Personen, die zur Arbeitssuche
nach Deutschland kommen wollen, müssen zudem bereits vor der Einreise gute
deutsche Sprachkenntnisse nachweisen. Die Hürden für interessierte
Fachkräfte aus Drittstaaten liegen damit hoch.

Deutschland ist auf Arbeitskräfte aus dem Ausland angewiesen. Die
geburtenstarken Jahrgänge der Babyboomer gehen allmählich in Rente und die
Gesellschaft altert. Das belastet die Sozialsysteme und führt zu einem
Mangel an Fachkräften. Obwohl so viele Menschen arbeiten wie noch nie,
waren Ende 2019 über 1,4 Millionen Stellen in Deutschland unbesetzt.
Gerade im Bereich Pflege und Gesundheit, aber auch im MINT-Bereich und im
Handwerk fehlt schon heute oft der Nachwuchs.

  • Aufrufe: 570

Wir sind eins - Die Mauer muss auch beim Gehalt fallen

Die Upstalsboom-Gruppe gleicht die Löhne ihrer Hotelmitarbeiter in Mecklenburg-Vorpommern mit den Standorten Kühlungsborn und Usedom vollständig dem Westniveau an. Damit steigen die Gehälter der dort rund 200 Beschäftigten Menschen um rund 30 Prozent. Der Impuls für diesen Schritt kam aus einer Arbeitsgruppe von 14 Mitarbeitern, teilte Bodo Janssen, Geschäftsführer der Upstalsboom Hotel + Freizeit GmbH & Co. KG (Emden), heute mit: „30 Jahre nach der Wiedervereinigung gibt es keinen ersichtlichen Grund mehr, warum bei den Gehältern immer noch die Mauer steht.“

Upstalsboom führt eigenen Mindestlohn von 10,64 Euro ein
Upstalsboom werde deshalb für 2020 auch einen für ihre Hotels und Ferienwohnanlagen definierten und verbindlichen Mindestlohn von 10,64 Euro einführen. Dieser liegt deutlich höher als der von den Tarifpartner in Deutschland vereinbarte Satz von 9,15 Euro. Führungskräfte inklusive des Geschäftsführers verdienten zudem maximal das Vierfache der Fachkräfte. In manchen Bereichen bestimmten die Mitarbeiter als Gemeinschaft ihre Löhne eigenständig und unabhängig von geltenden Tarifverträgen. „Wir sind aus der Tarifvertragsbindung ausgestiegen, weil sie nicht den Menschen stärken, sondern viel zu stark einengen, kaum Flexibilität eröffnen und beispielsweise auch die Ungleichheit der Löhne zwischen Ost und West festschreiben“, so Janssen. Dahinter wolle man sich nicht verstecken, sondern eigene Lösungen entwickeln. So habe die Arbeitsgruppe „Upstalslohner“ festgestellt, dass die unterschiedlich geltenden Tarifwerke Lohnunterschiede in der Hotellerie und Gastronomie zwischen Ost und West von knapp 30 Prozent offenbarten. „Dies kann nicht im Sinne des Menschen sein, der für die gleiche Arbeit eine unterschiedliche materielle Wertschätzung erhält“, so Janssen.

 

  • Aufrufe: 925