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CAFIPLA-Projekt entwickelt innovatives Verfahren zur Vorbehandlung von Biomasse für die Bioökonomie

Die Verwendung von Biomasse für die Bioökonomie konzentriert sich bislang
vornehmlich auf Rohstoffe auf Zucker- oder Stärkebasis, die mit hohen
Kosten für die Umwelt im Hinblick auf die Landnutzung sowie auf den
Energie- und Ressourcenverbrauch verbunden sind. Ziel des
Forschungsprojekts „CAFIPLA“ mit Beteiligung des Deutschen
Biomasseforschungszentrums (DBFZ) war es vor diesem Hintergrund,
mindestens 80 Prozent biogenen Abfalls aus Haushalten als gemischte
Eingangsbiomasse zur Erzeugung von Plattformchemikalien und zur
Faserrückgewinnung zu nutzen. Hierfür konnte im Vorhaben ein pragmatischer
Ansatz für die Vorbehandlung von Biomasse umgesetzt werden.

Im dreijährigen EU-Vorhaben „Combining carboxylic acid production and
fibre recovery as an innovative, cost-effective and sustainable pre-
treatment process for heterogeneous bio-waste“ (CAFIPLA) wurde das
Potenzial biogener Abfallströme als Ausgangsmaterial für die Bioökonomie
erschlossen. Im Gegensatz zu den derzeitigen Bioökonomiesystemen, die von
zuckerbasierten Umwandlungen dominiert werden, stützt sich das CAFIPLA-
Projekt dabei auf die Kombination einer Carbonsäureplattform (CAP) sowie
einer Faserrückgewinnungsplattform (FRP), um Biomasse zu Biochemikalien,
Bioprodukten, Futtermitteln und Biomaterialien aufzuwerten.

In der in Teneville (Südbelgien) errichteten Pilotanlage können parallel
zwei Fraktionen von Biomasse (trocken und feucht) im sogenannten „CAFIPLA
LOOP“ fermentiert bzw. zu Faserstoffen verarbeitet werden. Der „Nasse Weg“
fermentiert die Biomasse, der Gärrest wird anschließend gepresst und
filtriert. Die resultierende Flüssigkeit ist ein SCCA-Konzentrat, welches
als Ausgangsstoff für die Produktion von Bioplastik, mittelkettigen
Milchsäuren und mikrobiellem Protein dient. Die kurzkettigen
Carboxylsäuren können darüber hinaus zu mikrobiellem Proteinpulver für
Nahrungs- und Futtermittelzusatz und Dünger weiterverarbeitet werden. Die
faserrückstände des Gärrestes sowie zerkleinerte Grün- und Papierabfälle
dienen als Zuschlagstoff für biogene Verbandstoffe, Isolier- und
Dämmmaterialien, die über den „trockenen Weg“ aus Grünschnitt gewonnen
werden.

Als Projektpartner haben Wissenschaftler:innen des DBFZ technisch und
legal nutzbaren Biomassen rund um die Pilotanlage kartiert und
quantifiziert. Für die EU-weite Etablierung der Technologie wurde zudem
ein Dashboard, der EU-Potential-Atlas (siehe Link) entwickelt. Im
interaktiven Tool werden nicht nur die Gebiete mit hohem theoretischem
Potential der einzelnen Biomassen visualisiert, sondern auch die zeitliche
Entwicklung von 2010 bis 2020 der Mengen angeben und Regionen verglichen.
Der Nutzende kann europaweit zwischen Ländern (NUTS 0) und Gemeindeebene
(NUTS 3) wählen.

Im Zuge des Biomasse-Screenings haben Wissenschaftler:innen des DBFZ auch
die Verwertungskette von der Biomassequelle bis hin zum CAFIPLA LOOP auf
seine sozio-ökonomischen Aspekte untersucht. Hierfür wurden unter anderem
Workshops mit Abfallunternehmen, Biomassebesitzer:innen,
Wissenschaftler:innen, Technologieunternehmen, Organisationen im Bereich
Biomassenutzung sowie mit politischen Entscheidungstragenden durchgeführt.
Hierbei fiel insbesondere die ungenaue und sich stetig ändernde
Gesetzgebung in der EU, aber auch einzelner Regionen auf, die eine
schnellere Etablierung neuer Verwertungspfade von Bioabfällen behindert.
Zudem brauche es, so die Erkenntnis der beteiligten Wissenschaftler,
Zertifizierungsverfahren, um die Einhaltung von Standards abfallbasierten
Produkte zu gewährleisten und eine noch fehlende Akzeptanz der Bevölkerung
zu schaffen.

Projektwebseite:
https://cafipla.eu/

EU Potential-Atlas (BETA)
https://datalab.dbfz.de/resdb/maps?lang=en

Methodenpaper zum Biomassepotential (Preprint):
https://essd.copernicus.org/preprints/essd-2023-179/

Recomendation Paper wie Bioabfall zukünftig besser genutzt werden kann:
https://www.mdpi.com/2071-1050/15/17/13147

Smart Bioenergy – Innovationen für eine nachhaltige Zukunft

Das Deutsche Biomasseforschungszentrum arbeitet als zentraler und
unabhängiger Vordenker im Bereich der energetischen und stofflichen
Biomassenutzung an der Frage, wie die begrenzt verfügbaren
Biomasseressourcen nachhaltig und mit höchster Effizienz und Effektivität
zum bestehenden und zukünftigen Energiesystem beitragen können. Im Rahmen
der Forschungstätigkeit identifiziert, entwickelt, begleitet, evaluiert
und demonstriert das DBFZ die vielversprechendsten Anwendungsfelder für
Bioenergie und die besonders positiv herausragenden Beispiele gemeinsam
mit Partnern aus Forschung, Wirtschaft und Öffentlichkeit. Mit der Arbeit
des DBFZ soll das Wissen über die Möglichkeiten und Grenzen einer
energetischen und integrierten stofflichen Nutzung nachwachsender
Rohstoffe in einer biobasierten Wirtschaft insgesamt erweitert und die
herausragende Stellung des Industriestandortes Deutschland in diesem
Sektor dauerhaft abgesichert werden – www.dbfz.de.

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Start-ups mit Gemeinwohlmission: „Oxyle“ gewinnt Gemeinwohlpreis von HHL und Partnern

Die HHL Leipzig Graduate School of Management und Partner verliehen am
19.10.2023 zum siebten Mal den Public Value Award for Start-ups. Das
Schweizer Start-up „Oxyle“ konnte sich am Donnerstagabend in Leipzig vor
rund 250 Gästen im Finale durchsetzen. Die Plätze zwei und drei errangen
WILDPLASTIC® (Hamburg) und Energyminer (Inning am Ammersee). Das Start-up
WILDPLASTIC® sicherte sich zugleich auch den Publikumspreis.
Kurzbeschreibungen der Gewinnerteams finden Sie am Ende dieser Mitteilung.

Der Public Value Award for Start-ups
Aus über 120 Bewerbungen präsentierten sieben Final-Teams ihre Start-ups
am Abend des 19. Oktobers in der Kongresshalle am Leipziger Zoo vor Jury
und Publikum. Zudem stimmte das Publikum im Vorfeld der Veranstaltung
online über den Publikumssieger ab.

Der Public Value Award for Start-ups, der zum siebten Mal verliehen wurde,
zeichnet gemeinwohlorientierte Gründungen aus. Er bestärkt junge
Unternehmen darin, gesellschaftliche Werte aktiv mitzugestalten und ihr
individuelles Gemeinwohlprofil weiterzuentwickeln. Der Preis nimmt nicht
nur wirtschaftliche Aspekte in den Blick, sondern den gesamten Wert der
Start-ups für die Gesellschaft. Die Leitfrage ist: Tragen sie mit ihrem
Geschäftsmodell auch langfristig zum Gemeinwohl bei?

„Angesichts der enormen Herausforderungen der heutigen Zeit sind wir
dringend auf gemeinwohlorientierte Start-ups angewiesen, die Vorangehen
und Neues wagen. Seit 2016 haben sich fast 1.000 Start-ups für den Preis
beworben. Allein in diesem Jahr konnten wir 120 Einreichungen aus 18
Nationen verzeichnen. Im Rückblick zeigt sich, dass die große Mehrheit
aller Finalisten bis heute weiter erfolgreich ist. Ich bin fest überzeugt,
dass auch von den diesjährigen Finalisten und insbesondere von den
Gewinnern noch viel zu hören sein wird”, sagt Prof. Dr. Timo Meynhardt,
Co-Juryvorstand und Inhaber des Lehrstuhls für Wirtschaftspsychologie und
Führung an der HHL.

Co-Juryvorstand Markus Schweizer, Partner von EY: „Die diesjährigen
Finalisten zeigen wieder einmal, dass insbesondere junge Unternehmen der
Motor für eine zukunftsfähige Gesellschaft sein können. Gerade in Zeiten
mit akzentuierten wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen senden
sie damit ein wichtiges positives Signal.“

Der Award wurde 2016 von EY und dem Lehrstuhl für Wirtschaftspsychologie
und Führung der HHL ins Leben gerufen. Seitdem haben sich knapp 1.000
Start-ups für den Preis beworben. 2021 übernahm der gemeinnützige Verein
Forum Gemeinwohl e.V. die Trägerschaft. Weitere Partner sind die HHL, das
SpinLab – The HHL Accelerator, ZEISS, die Leipziger Messe, die LF-Gruppe
und die Stadt Leipzig. Hier lesen Sie weitere Informationen zum
Wettbewerb: https://www.publicvalueaward.de/

Die Public Value Scorecard und weitere Hintergründe
Die zur Bewertung genutzte wissenschaftliche Methodik der Public Value
Scorecard (PVSC) betrachtet die folgenden fünf Dimensionen
gleichberechtigt nebeneinander: Aufgabenerfüllung, Lebensqualität,
Zusammenhalt, Moral und Wirtschaftlichkeit. Der Beitrag zum Gemeinwohl
entsteht im Zusammenspiel aller Dimensionen. Die PVSC erweitert damit
traditionelle Bewertungsmodelle um Aspekte menschlicher Grundbedürfnisse
zu einer ganzheitlichen Navigationshilfe. In Form eines Spinnennetzes
macht sie Chancen und Risiken grafisch sichtbar. Nähere Erläuterungen
finden Sie hier: https://www.publicvalueaward.de/public-value

Kurzbeschreibung der erstplatzierten Start-ups
Platz 1: Oxyle (Schlieren, Schweiz) hat vielfältig aktivierbare
Katalysatoren für die Abwasserbehandlung entwickelt, die Mikroschadstoffe
im Wasser rückstandslos abbauen, die etwa durch Pharmazeutika, Pestizide,
Körperpflegeprodukte oder Industriechemikalien in den Wasserkreislauf
gelangen. Oxyle trägt zum Gemeinwohl bei, weil die Bereitstellung von
sauberem und sicherem Wasser für alle ein globales Gemeingut geworden ist.

Platz 2: Das Start-up WILDPLASTIC® (Hamburg) kauft wildes Plastik auf,
verarbeitet es gemeinsam mit Partnern zu Granulat und stellt daraus neue
Produkte wie Versandtaschen und Müllbeutel her – auf nachhaltige, CO2
einsparende Weise. WILDPLASTIC® trägt zum Gemeinwohl bei, weil das Start-
up die Plastikkrise, die uns alle angeht, verantwortungsvoll bekämpft.

Platz 3: Energyminer GmbH (Inning am Ammersee) erzeugt erneuerbaren Strom
durch kinetische Wasserkraft mithilfe von Mikrowasserkraftwerken für den
Einsatz in Flüssen. Wie ein Fischschwarm erzeugen die neuartigen
Turbinensysteme grundlastfähigen Strom. Mehrere Schwärme der effizienten
„Energyfische“ werden in Betreibergesellschaften gebündelt, an denen sich
jeder beteiligen und davon profitieren kann. Die Energyminer GmbH trägt
zum Gemeinwohl bei, weil sie grundlastfähigen Strom mit den Menschen vor
Ort sowie im Einklang mit Natur und Landschaft erzeugt.

Publikumspreis: WILDPLASTIC® (Hamburg) (vgl. Platz 2)

Die HHL Leipzig Graduate School of Management
ist eine universitäre Hochschule mit Promotions- und Habilitationsrecht.
Laut Financial Times-Ranking zählt sie zu den führenden internationalen
Business Schools und erreicht global Top-Platzierungen in den Bereichen
Karriereberatung, Alumni-Netzwerk und Gehalt. Ziel der ältesten
betriebswirtschaftlichen Hochschule Deutschlands ist die Ausbildung
unternehmerisch denkender, verantwortungsbewusster und leistungsfähiger
Führungspersönlichkeiten. Die HHL zeichnet sich aus durch exzellente
Lehre, klare Forschungsorientierung und praxisnahen Transfer sowie
hervorragenden Service für ihre Studierenden. Der Stifterverband für die
Deutsche Wissenschaft hat die HHL 2021 zum fünften Mal in Folge als
führende Gründerhochschule Deutschlands ausgezeichnet. Aus der HHL sind in
den letzten 30 Jahren über 530 Unternehmensgründungen hervorgegangen mit
mehr als 50.000 Mitarbeitenden. Als erste deutsche private Business Schule
wurde die HHL durch die international renommierte AACSB akkreditiert und
erlangte diesen Qualitätsstatus seither vier Mal in Folge. Mehr Daten zur
HHL unter https://www.hhl.de/de/die-hhl/we-are-hhl/zahlen-fakten/

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Weltweit massive Zunahme der Schlaganfall-Last – DGN fordert zum Weltschlaganfalltag verbesserte Präventionsmaßnahmen

Die globale Krankheitslast durch Schlaganfälle wird bis 2050 um bis zu 50
% ansteigen – so die alarmierende Prognose der WSO („World Stroke
Organisation“) - Lancet Neurology Commission [1]. In Europa scheint es
durch die zunehmend flächendeckenden Versorgungsstrukturen zu einer
Stagnation und in Deutschland sogar zu einer rückläufigen Tendenz zu
kommen. Dennoch muss, da weltweit (auch in „high-income-countries“) die
altersstandardisierte Schlaganfall-Inzidenz in jüngeren Altersgruppen <55
Jahren zunimmt, die Prävention unbedingt einen höheren Stellenwert
erhalten – fordert die DGN zum Weltschlaganfalltag am 29. Oktober.

Schlaganfälle sind weltweit die zweithäufigste Todesursache,
dritthäufigste Ursache für Behinderung und eine der häufigsten Ursachen
für Demenz. Zu den globalen Nachhaltigkeitszielen der WHO Agenda 2030
gehört die Verringerung der globalen Krankheitslast durch Schlaganfälle,
d. h. der Zahl der Menschen, die an Schlaganfällen sterben oder danach
eine Behinderung aufweisen. Kurz vor dem Welt-Schlaganfalltag erschien nun
eine Studie der „Lancet Neurology Commission“, die jedoch eine
ernüchternde Prognose abgibt – sie besagt, dass bis 2050 weltweit die
absolute Zahl der Menschen, die an Schlaganfällen sterben, um 50 % steigen
wird: von 6,6 Millionen im Jahr 2020 auf 9,7 Millionen im Jahr 2050. Da
nicht alle Betroffenen versterben, wird auch die Belastung durch
Behinderung (DALYs/„disability-adjusted life-years“) im gleichen Zeitraum
zunehmen – um 31 % von 144,8 auf 189,3 Millionen. Die Prognosen zur
globalen Schlaganfall-Last basieren auf Schätzungen von Mortalität,
Inzidenz und Prävalenz; wichtige Faktoren bei der Prognose sind auch
Alterung und Wachstum der Bevölkerung.

Die absolute Zahl der Menschen, die von einem Schlaganfall betroffen sind,
hat sich in den letzten drei Jahrzehnten fast verdoppelt. Der größte Teil
der aktuellen Schlaganfall-Last entfällt dabei auf Länder mit niedrigem
und mittlerem Einkommen, nämlich 86% der weltweiten Schlaganfall-
Todesfälle und 89% der weltweiten Schlaganfall-DALYs im Jahr 2020. Bis
2050 werden dort die schlaganfallbedingten Todesfälle von 5,70 auf 8,81
Millionen steigen (und die DALYs von 128,81 auf 173,68 Millionen). Dagegen
ist in Ländern mit hohem Einkommen kein Anstieg, sondern eine rückläufige
Tendenz der Schlaganfall-Last zu erwarten, von weltweit 920.000 auf
910.000 Todesfälle (und von 15,95 auf 15,56 Millionen DALYs) – was die
Kluft zwischen armen und reichen Ländern weiter vergrößern wird. Parallel
zur steigenden globalen Schlaganfall-Last ist ein dadurch verursachter
Kostenanstieg zu erwarten. Die geschätzten direkten (d. h. Behandlung und
Rehabilitation) und indirekten (Produktivitätsverlust) durch Schlaganfälle
verursachten Kosten beliefen sich 2017 weltweit auf über 891 Milliarden
US-Dollar; sie werden bis 2050 auf 2,31 Billionen US-Dollar/Jahr steigen.

Die Analysen deuten darauf hin, so die Kommission, dass unzureichende
Versorgungsstrukturen und ein ungleicher Zugang zu hochwertigen
Präventions-, Akut- und Rehabilitationsmaßnahmen eine große Rolle spielen
– weltweit, jedoch insbesondere in „low income“-Ländern. Besonders
besorgniserregend sei, so die Kommission, dass die altersstandardisierte
Schlaganfallinzidenz weltweit in armen wie auch in reichen Ländern bei
Menschen unter 55 Jahren zunimmt (die Altersstandardisierung dient dem
Vergleich von Krankheitsraten unter Berücksichtigung von Unterschieden der
Altersstrukturen). Diese Zunahme stimme mit dem Prävalenzanstieg von
Diabetes mellitus und Übergewicht in jüngeren Altersgruppen überein.

Vorgeschlagene Lösungen zur Senkung der globalen Schlaganfall-Last
umfassen die Verbesserung des weltweiten Monitorings der
Schlaganfalldaten, z. B. mit nationalen Schlaganfallregistern (derzeit nur
in 31 der 216 WHO-Mitgliedsländer vorhanden). Eine ideale Überwachung, wie
sie die WHO empfiehlt, umfasst landesweit repräsentative Indikatoren der
Schlaganfall-Last, also Daten zur Inzidenz, Prävalenz, Rückfallraten und
den Folgen (Mortalität, Behinderung) sowie zur Qualität der Versorgung von
Schlaganfällen und darüber, ob Risikofaktoren vorlagen. Register dienen
als Basis für die Verbesserung des Schlaganfallmanagements und es können
davon ausgehend Strategien zur Reduzierung der Schlaganfallbelastung
entwickelt werden. Deutschland ist hier relativ gut aufgestellt: 1999
wurde von der Deutschen Schlaganfall Gesellschaft, der Deutschen
Gesellschaft für Neurologie und der Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe
die ADSR (Arbeitsgemeinschaft Deutschsprachiger Schlaganfall-Register) [2]
gegründet, die 20 evidenzbasierte Qualitätsindikatoren definiert hat und
jedes Jahr ca. 300.000 Datensätze standardisiert auswertet.

Der zweite Ansatz zur Senkung der Schlaganfalllast ist die Stärkung und
Verbesserung der Prävention. Zu den wichtigsten modifizierbaren
Schlaganfall-Risikofaktoren gehören Bluthochdruck, Diabetes mellitus,
Vorhofflimmern, Übergewicht, erhöhte Blutfette und eine ungesunde
Lebensweise (schlechte Ernährung, Bewegungsmangel, Stress, Rauchen,
Drogen/Alkohol), aber auch psychosoziale Faktoren und Umweltfaktoren wie
z.B. Luftverschmutzung. Beispielsweise kann auf Bevölkerungsebene eine
Senkung des systolischen Blutdrucks um nur 2 mm Hg zu einem Rückgang der
Schlaganfallneuerkrankungsrate um etwa 10–24 % führen. Nach Ansicht der
Lancet-Kommission müssten Gesundheitsbewusstsein und -kompetenz der
Bevölkerung verbessert werden; Schwerpunkt präventiver Strategien müsse
demnach eine Änderung des Lebensstils bilden. Ein individuelles
Risikoscreening mit Hilfe digitaler Technologien könne sensibilisieren.
Nach Ansicht der Kommission müsste ein fester Anteil des jährlichen
Gesundheitsbudgets für die Schlaganfallprävention bereitgestellt werden.

„Angesichts der Ergebnisse dieser Erhebung unterstützt die Deutsche
Gesellschaft für Neurologie zum Weltschlaganfalltag die politische
Forderung zur Verbesserung der Schlaganfallprävention weltweit“, so Prof.
Dr. med. Peter Berlit, Pressesprecher der DGN. „Obwohl wir in Deutschland
im weltweiten Vergleich, insbesondere bei der akuten
Schlaganfallversorgung, sehr gut dastehen, ist auch bei uns im Bereich der
Prävention noch viel Raum für Verbesserungen. Gemeinsam mit der Deutschen
Hirnstiftung leisten wir hier gerne unseren Beitrag zur Information der
Bevölkerung.“

[1] Feigin VL, Owolabi MO; World Stroke Organization–Lancet Neurology
Commission Stroke Collaboration Group. Pragmatic solutions to reduce the
global burden of stroke: a World Stroke Organization-Lancet Neurology
Commission. Lancet Neurol. 2023 Oct 6:S1474-4422(23)00277-6. doi:
10.1016/S1474-4422(23)00277-6. Epub ahead of print. PMID: 37827183.
https://doi.org/10.1016/S1474-4422(23)00277-6
[2] https://www.schlaganfallregister.org/

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Christliche und nicht-religiöse Personen nutzen Online-Pornografie gleich häufig

Die Verwendung von Web-Tracking-Panel-Daten liefert neue Erkenntnisse über
die Online-Pornografie-Nutzung der Deutschen. Laut einer neuen Studie, die
in Archives of Sexual Behavior veröffentlicht wurde, nutzen deutsche
Angehörige des Katholizismus, des Protestantismus sowie religiös
Ungebundene mit gleicher Wahrscheinlichkeit Online-Pornografie. Im
Vergleich dazu nutzen Angehörige von Minderheitsreligionen wie dem Islam
oder dem orthodoxen Christentum in Deutschland Online-Pornografie
seltener.

Die Verwendung von Web-Tracking-Panel-Daten liefert neue Erkenntnisse über
die Online-Pornografie-Nutzung der Deutschen. Laut einer neuen Studie, die
in Archives of Sexual Behavior veröffentlicht wurde, nutzen deutsche
Angehörige des Katholizismus, des Protestantismus sowie religiös
Ungebundene mit gleicher Wahrscheinlichkeit Online-Pornografie. Im
Vergleich dazu nutzen Angehörige von Minderheitsreligionen wie dem Islam
oder dem orthodoxen Christentum in Deutschland Online-Pornografie
seltener.

„Frühere Studien haben gezeigt, dass die Religiosität ein starker
Prädiktor für die Nutzung von Pornografie sein kann“, sagt Dr. Pascal
Siegers vom GESIS - Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften. „Wir
wollten diese Fragen noch einmal anhand von Webtracking-Daten untersuchen,
die weniger von sozial erwünschtem Verhalten beeinflusst sind.“

Die Autoren der Studie, Maximilian T.P. von Andrian-Werburg, Pascal
Siegers und Johannes Breuer, kombinierten Daten aus einem groß angelegten
deutschen Online-Webtracking-Panel mit Umfragedaten, die von den
Teilnehmer*innen des Panels erhoben wurden. Im Großen und Ganzen stimmen
ihre Ergebnisse mit früheren Resultaten aus umfragebasierten Studien in
Deutschland und anderen Ländern überein.

Die Studie hat jedoch auch nennenswerte neue Einsichten hervorgebracht,
wie eben den Unterschied in der Rolle der religiösen Zugehörigkeit beim
Konsum von Online-Pornografie, insbesondere zwischen Angehörigen der
religiösen Mehrheit und Nichtreligiösen in Deutschland sowie Angehörigen
von Minderheitsreligionen.

Dabei unterscheiden sich die Daten für Deutschland von denen anderer
Länder: „In Deutschland verringert die Zugehörigkeit zur protestantischen
oder katholischen Religion die Wahrscheinlichkeit, Online-Pornografie zu
nutzen, nicht signifikant. Dies unterscheidet sich von den Befunden aus
anderen Ländern, wie zum Beispiel den Vereinigten Staaten", sagte Dr.
Johannes Breuer, ebenfalls von GESIS. „Wir vermuten, dass dies daran
liegt, dass deutsche christliche Personen tendenziell liberaler sind als
zum Beispiel amerikanische Evangelikale“ fügt Breuer hinzu und ergänzt:
„Zu beachten ist, dass die Teilnehmenden des Webtracking-Panels aus
Datenschutzgründen das Tracking pausieren können. Daher kann es auch sein,
dass konservative amerikanische christliche Personen, die an Webtracking-
Studien teilnehmen, eher dazu neigen, das Webtracking stumm zu schalten,
wenn sie eine pornografische Website besuchen, so dass es so aussieht, als
würden sie solche Seiten nicht besuchen.“

In den Sozialwissenschaften ist der Konsum von Pornografie gut erforscht,
ebenso die Persönlichkeitsmerkmale, die diese Nutzung vorhersagen. Frühere
Forschungen haben sich auf Umfragen gestützt, um Daten zu erheben.
Umfragen basieren jedoch auf Selbstauskünften, was, wie in diesem Fall, zu
Einschränkungen führen kann. So kann es vorkommen, dass Befragte zu wenig
über ihren Pornografie-Konsum berichten, weil sie sich nicht mehr genau an
die Häufigkeit erinnern können, oder dass sie aus Scham keine genauen
Angaben machen. „Mit der Auswertung von Web-Tracking-Panels haben wir eine
neue Möglichkeit, die Nutzung von Online-Pornografie zu messen, die weit
über die Daten aus Selbstauskünften hinausgeht“, lobt Siegers den neuen
methodischen Ansatz. „Frühere Studien von Morichetta und Kollegen haben
gezeigt, dass die Panelteilnehmer*innen im Durchschnitt 37 Minuten pro
Woche mit Online-Pornografie verbrachten, aber nur 24 Minuten angaben. Man
kann also definitiv festhalten, dass die im Internet verfolgten
Aktivitäten uns ein genaueres Bild davon geben, was die Leute online tun“.


Der vollständige Artikel ist kostenlos bei Archives of Sexual Behavior
erhältlich:

von Andrian-Werburg, M.T.P., Siegers, P. & Breuer, J. A. Re-evaluation of
Online Pornography Use in Germany: A Combination of Web Tracking and
Survey Data Analysis. Arch Sex Behav (2023).
https://doi.org/10.1007/s10508-023-02666-8

Ansprechpartnerin bei GESIS – Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften:

Dr. Sophie Zervos
Pressesprecherin
Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.

Unter Sachsenhausen 6-8
D-50667 Köln
Tel.: +49(0)221 / 47694 – 136

www.gesis.org
www.facebook.com/gesis.org
www.twitter.com/gesis_org

Als eine der weltweit führenden Infrastruktureinrichtungen für die
Sozialwissenschaften steht das GESIS - Leibniz-Institut für
Sozialwissenschaften Forscher*innen auf allen Ebenen ihrer
Forschungsvorhaben mit seiner Expertise und seinen Dienstleistungen
beratend zur Seite, so dass gesellschaftlich relevante Fragen auf der
Basis neuester wissenschaftlicher Methoden, qualitativ hochwertiger Daten
und Forschungsinformationen beantwortet werden können. Um diesen Service
heute und in Zukunft sicherzustellen, verknüpft GESIS seine integrierte
Erhebungs- und Dateninfrastruktur mit Methoden, Modellen und Algorithmen
der Informatik im Anwendungsfeld Sozialwissenschaften und erweitert
kontinuierlich sein Angebotsportfolio im Bereich digitaler
Verhaltensdaten. GESIS ist Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft,
Konsortialführerin von KonsortSWD in der NFDI und unterhält
institutionelle und projektbezogene Kooperationen mit vielen Universitäten
und Forschungseinrichtungen im In- und Ausland. GESIS ist an wichtigen
europäischen Projekten wie u.a. dem European Social Survey (ESS), der
European Value Study (EVS), dem europäischen Archivverbund CESSDA oder dem
OECD-Projekt Programme for the International Assessment of Adult
Competencies (PIAAC) beteiligt. Außerdem arbeitet das Institut
kontinuierlich daran, das junge Forschungsfeld der Computational Social
Science durch internationale Konferenzen, Symposien und Workshops in
Deutschland und Europa zu stärken und eine weltweite Vernetzung
voranzutreiben.