Neue Web-Plattform zur Planung der Hochwasservorsorge in Städten

Mit SaferPlaces lassen sich - basierend auf Open-Data und Berechnungen in
der Cloud - Gefahren abbilden und die Effekte von Schutz- und
Vorsorgemaßnahmen abschätzen. So können Szenarien bereits in
Planungssitzungen online durchgespielt und diskutiert werden.
Starkregen und Hochwasser machen zurzeit – wie schon im vergangenen Winter
– Schlagzeilen. Überschwemmungen wie diese, aber auch steigende
Meeresspiegel und Sturmfluten stellen – in Bezug auf die wirtschaftlichen
Schäden – zusammen mit Stürmen die größte Naturgefahr dar und können auch
Leib und Leben bedrohen. SaferPlaces, ein neuer Webservice zur
Überflutungsvorsorge, soll Städte und Gemeinden künftig dabei
unterstützen, gefährdete Bereiche zu identifizieren sowie Schutz- und
Vorsorgemaßnahmen systematisch und effizient zu planen, etwa an Gebäuden,
Deichen oder durch Schaffung von Versickerungsflächen. Das interaktive
Online-Tool wird im Rahmen der EU-Initiative Climate-KIC unter Mitwirkung
des Deutschen GeoForschungsZentrums GFZ Potsdam entwickelt und ist bereits
als Prototyp abrufbar. Es stützt sich auf offene Daten und basiert auf
neuen klimatischen, hydrologischen und hydraulischen, topografischen und
ökonomischen Modellierungstechniken.
Mit dem fortschreitenden Klimawandel nehmen extreme Wetterereignisse zu
und machen die Überflutungs- und Hochwasservorsorge auch in vielen
Regionen Europas zu einer Daueraufgabe. In den dicht besiedelten Städten
und Gemeinden ist das Schadenspotenzial besonders hoch. Informationen über
das Ausmaß, die Häufigkeit und die Folgen von Überschwemmungen werden zu
einer wesentlichen Grundlage für die Stadtplanung. Damit die Kommunen
gezielt und effizient Maßnahmen zum Schutz und zur Vorsorge planen können,
wurde im Rahmen des dreijährigen EU-Projektes SaferPlaces ein Web-
basiertes Werkzeug hierfür entwickelt. Unter Leitung des Consulting-
Unternehmens GECOSistema sind daran neben dem GFZ noch drei weitere
Forschungseinrichtungen bzw. Universitäten beteiligt sowie drei weitere
Unternehmen und die drei Pilot-Städte Köln (D), Rimini (Italien) und
Pamplona (Spanien).
Webservice zur Online-Planung zum Hochwasserschutz
„Das Besondere an unserem System ist der Plattformgedanke“, sagt Kai
Schröter, der das Projekt am GFZ leitet. „Die Auswirkungen von Maßnahmen
lassen sich auf unserer Plattform unmittelbar berechnen und darstellen,
von der Ausbreitung des Wassers bis hin zu den entstehenden Schäden.
Entsprechende Szenarien können so beispielsweise von den multi-
disziplinären Teams direkt in Planungssitzungen durchgespielt und
diskutiert werden.“ In Köln haben bereits Anwenderworkshops stattgefunden
mit den Stadtentwässerungsbetrieben, Hochwasserschutzbehörden und
Versicherern.
Damit das so schnell und unkompliziert funktioniert, finden alle
Berechnungen in der Webcloud statt: Die Nutzer*innen benötigen keine extra
Software sondern nur einen Browser, über den sie die verfügbaren Daten
eingeben. „Damit wollen wir explizit auch kleinere Städte und Gemeinden
ansprechen und unser Werkzeug in vielen Ländern und Städten nutzbar
machen“, betont Schröter.
Allgemein verfügbare Daten als Basis
Die Berechnungen basieren auf Open Data, also auf allgemein verfügbaren
Datensätzen wie flächendeckende Geländehöhen, Wasserständen von Flüssen
und Meer, Regenmengen und deren Häufigkeit, Durchflussmengen in Flüssen
sowie den kurz- wie langfristigen Prognosen, die es bereits für die
nächsten zwei bis drei Jahrzehnte hierfür gibt. Dazu kommen Informationen
über die Landschafts- und Infrastruktur der jeweiligen Regionen.
Abbildung von Gefahren und Planung von Maßnahmen
Zunächst lassen sich so die Gefahren abbilden: Wo entstehen die größten
Schäden? Wohin breitet sich das Wasser aus, wenn Starkregen fällt, Flüsse
über die Ufer treten oder der Meeresspiegel steigt? Welche Gebäude und
Infrastrukturen werden wie stark betroffen? Mit welchen Schäden ist zu
rechnen?
Auf dieser Basis können dann Maßnahmen geplant werden. Sie reichen von
Umbauten an bestehenden Gebäuden wie erhöhte Zugangsschwellen und
abgedichtete Kellerfenster und -zugänge über neue oder verbesserte Deiche
und Hochwasserschutzschilde bis hin zur Schaffung von Versickerungsflächen
wie tiefliegenden Parks und Grünflächen, die notfalls wochenlang
überflutet bleiben können.
Nutzerfreundlichkeit Dank vereinfachter Berechnungsansätze
Damit die Auswirkungen der Maßnahmen auf der Plattform direkt
durchgespielt werden können, haben die Forschenden – im Gegensatz zu
bestehender Software und Modellierungssystemen – hier explizit
vereinfachte Berechnungsansätze verfolgt. Um den Rechenaufwand gering zu
halten, mussten sie Algrorithmen entwickeln, die möglichst wenig
Rechenkapazität benötigen.
Forschende am GFZ modellieren Schäden an der Infrastruktur
Während andere Projektpartner die Überflutungsflächen unter
Berücksichtigung der natürlichen Gegebenheiten wie der Topographie, also
der Form der Landschaft modelliert haben, stand im Fokus der GFZ-Forschung
die Schadenmodellierung an den Gebäuden. Hierfür wurden zusätzlich
Informationen über die Art der Flächennutzung, Gebäudetypen wie
Einfamilienhaus oder Gewerbe, aber auch über die sozioökonomischen
Eigenschaften der Einwohnerschaft wie deren Einkommensniveau
berücksichtigt. „Da wir probabilistische Modelle nutzen, können wir auch
die Unsicherheit beschreiben, die mit den Vorhersagen verbunden ist“,
betont Schröter.
Die erste Phase des Projektes ist im Juli zu Ende gegangen. „Die drei
ursprünglichen Pilotanwendungen laufen und sind schon ziemlich weit
ausgereift, auch hinsichtlich der Nutzerfreudlichkeit“, resümiert
Schröter. Mittlerweile sind mit Fuenlabrada und Coslada (Spanien), Mailand
und Ceriva (Italien), sowie Byronbay (Australien) weitere Fallstudien
hinzugekommen. Auch eine globale Anwendung für die Überflutungsberechnung
ist inzwischen verfügbar.
Weitere Entwicklungen
Künftig soll eine kommerzielle Nutzung etabliert werden, beispielsweise
über den Erwerb von Lizenzen.
Mitte Juli wurde SaferPlaces nach erfolgreicher Projektskizze eingeladen,
sich bis Oktober mit einem Vollantrag auf Förderung aus dem EIC Accelerate
programme zu bewerben. Damit unterstützt die EU Projekte darin, zur
Marktreife zu gelangen.
Die Projektpartner
Zum internationalenen Konsortium unter der Leitung von GECOSistema gehören
das CMCC - Euro-Mediterranean Centre on Climate Change, das Helmoltz
Zentrum Potsdam – Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ (Sektion Hydrologie),
die Universität Bologna, die Technische Universität Madrid und MEEO
Meteorological Environmental Earth Observation.
Die Finanzierung
Das Projekt wurde bis Juli 2021 über drei Jahre vom EIT Climate-KIC
gefördert, eine Wissens- und Innovationsgemeinschaft (KIC – Knowledge and
Innovation Community), die daran arbeitet, den Übergang zu einer
kohlenstofffreien, klimaresistenten Gesellschaft zu beschleunigen.
Weitere Informationen finden Sie auf der Projektwebsite:
www.saferplaces.co
Der Prototyp des Web-Service ist erreichbar unter: platform.saferplaces.co
(optimiert für Chrome bzw. Chromium Browser)
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