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Gab es 1991 einen zweiten „Deutschen Herbst“? Tagung der Uni Halle thematisiert rechte Gewalt der Wendejahre

In den 1990er Jahren kam es in vielen Orten Deutschlands zu einem Anstieg
rechter Gewalttaten: Mehrere Hundert fremdenfeindliche Straftaten wurden
allein für September und Oktober 1991 registriert. Eine Tagung an der
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) geht den Ursachen,
Wahrnehmungen und Auswirkungen dieser Entwicklung nach. Neben zahlreichen
Vorträgen sind auch eine öffentliche Vorführung des Dokumentarfilms
"Zeinabs Wunden" und eine öffentliche Podiumsdiskussion geplant. Die
Tagung findet am 1. und 2. Oktober im Löwengebäude am Universitätsplatz
statt.

Am 3. Oktober 1991 beging Deutschland zum ersten Mal den Tag der Deutschen
Einheit. "Die Feierlichkeiten fielen in eine Zeit der rasanten und
unerwarteten Zunahme rechter Gewalt", sagt Prof. Dr. Till Kössler von der
MLU, der die Tagung gemeinsam mit seinem Mitarbeiter Dr. Janosch Steuwer
organisiert. Bereits Mitte September 1991 kam es zu mehreren rassistisch
motivierten Übergriffen im sächsischen Hoyerswerda, auf die weitere
Angriffe gegen Geflüchtete, Migrantinnen und Migranten in der gesamten
Bundesrepublik folgten. Fast 1.300 fremdenfeindliche Straftaten, darunter
allein 220 Brandanschläge, registrierten die Sicherheitsbehörden für
September und Oktober 1991 - mehr als fünf Mal so viele wie im gesamten
Jahr 1990.

"Alle Parteien appellierten an die Bevölkerung und riefen zu Solidarität,
zu einem friedlichen Miteinander auf. Doch die Lage eskalierte am ersten
Tag der Deutschen Einheit weiter", sagt Janosch Steuwer. Die größte
mediale Aufmerksamkeit fand damals ein Brandanschlag auf eine
Flüchtlingsunterkunft in Hünxe in Nordrhein-Westfalen, der in der Nacht
zum 3. Oktober stattfand und bei dem zwei libanesische Mädchen schwer
verletzt wurden. "Hünxe wurde gemeinsam mit Hoyerswerda im Herbst 1991 zur
politischen Chiffre für die Welle rassistischer Gewalt", sagt Kössler.

Die Tagung geht den Ursachen und Auswirkungen dieser Gewaltwelle nach:
Welche Entwicklungen machten diese überhaupt möglich? Wie nahmen
Migrantinnen, Migranten und die zusammenwachsende Mehrheitsgesellschaft in
Ost und West die weitgehend unerwartete Zunahme rechter Gewalt wahr?
Welchen Einfluss hatte sie auf ihre jeweiligen Vorstellungen vom
vereinigten Deutschland? Und wie prägte die Gewalt politische und
gesellschaftliche Debatten der folgenden Jahre? Diese Fragen stehen im
Zentrum der Tagung.

"Die dramatische Verdichtung der rassistischen Gewalt im Herbst 1991, so
die grundlegende These unserer Tagung, schuf wie im Deutschen Herbst 1977
einen historischen Moment, der intensive Diskussionen über das
Selbstverständnis des vereinten Deutschlands und die Frage aufwarf, wie
Staat und Gesellschaft der Gewalt begegnen sollten. Die Frage gehört zu
den drängendsten Herausforderungen der Gegenwart, wie die Anschläge von
Halle und Hanau zeigen", so Steuwer. Der Begriff "Deutscher Herbst 1991"
nimmt Bezug auf den "Deutschen Herbst 1977", mit dem eine Reihe
terroristischer Anschläge, Entführungen und Morde der Roten Armee Fraktion
bezeichnet werden, die zu einer der schwersten Krisen der Bundesrepublik
führten.

Zusätzlich zum wissenschaftlichen Programm findet am Freitag, 1. Oktober,
ab 20 Uhr eine öffentliche Filmvorführung im Puschkino statt. Gezeigt wird
der Dokumentarfilm "Zeinabs Wunden", der die Geschichte eines der Mädchen
nacherzählt, die bei dem Brandanschlag in Hünxe verletzt wurden. Im
Anschluss findet ein Gespräch mit der Filmemacherin Esther Schapira statt.
Mit der Frage "Wie wollen wir an den 'Deutschen Herbst' 1991 erinnern?"
befasst sich zudem die Abschlussdiskussion der Tagung, die am Samstag, 2.
Oktober, um 15 Uhr im Audimax am Universitätsplatz beginnt. Daran
teilnehmen werden Thomas Krüger (Präsident der Bundeszentrale für
politische Bildung), Uta Bretschneider (Direktorin des Zeitgeschichtlichen
Forums Leipzig), Prof. Dr. Ralph Jessen (Vorstand der Bundesstiftung zur
Aufarbeitung der SED-Diktatur), Dr. Massimo Perinelli (Rosa-Luxemburg-
Stiftung) und Anetta Kahane (Amadeu Antonio Stiftung), moderiert wird die
Runde von Prof. Dr. Fabien Virchow von der Hochschule Düsseldorf.



Die Tagung wird von der Bundeszentrale für politische Bildung und der
Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur gefördert. Sie ist Teil
des Programms zu den Einheitsfeierlichkeiten der MLU zum Tag der Deutschen
Einheit.

Weitere Informationen zum Programm der Tagung unter:
https://deutscherherbst1991.de/




Tagung: "Deutscher Herbst 1991". Das vereinigte Deutschland, der 3.
Oktober 1991 und die Herausforderung rechter Gewalt
Freitag, 1. Oktober, bis Samstag, 2. Oktober 2021
Aula im Löwengebäude
Universitätsplatz 11
06108 Halle (Saale)

Die Teilnahme an der Konferenz ist nur mit Anmeldung via E-Mail möglich:
Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.le.de



Öffentliche Filmvorführung: Zeinabs Wunden. Brandspuren in einer deutschen
Stadt
Freitag, 1. Oktober, 20 bis 21.30 Uhr
Puschkino
Kardinal-Albrecht-Straße 6
06108 Halle (Saale)



Podiumsdiskussion: Wie sollen wir an den 'Deutschen Herbst' 1991 erinnern?
Samstag, 2. Oktober, 15 bis 16.30 Uhr
Audimax
Universitätsplatz 1
06108 Halle (Saale)

Grüne Finanzbranche im Aufwind

Die Grüne Finanzbranche ist im Aufwind. Der Bedarf an Expert*innen mit einem breiten Spezialwissen rund um Green Energy Finance wächst.  Sylke Schumann  Sylke Schumann / HWR Berlin
Die Grüne Finanzbranche ist im Aufwind. Der Bedarf an Expert*innen mit einem breiten Spezialwissen rund um Green Energy Finance wächst. Sylke Schumann / HWR Berlin

Der Bedarf an Expertenwissen im Bereich Erneuerbare Energien-,
Energieeffizienz- und Klimafinanzierung steigt. Alexander Boensch von der
RENAC AG im Interview zum Finanzmanagement für die Energiewende.

Zur Person
Alexander Boensch (M.A.) ist Project Director im Bereich Bio Energy /
Renewable Energy and Energy Finance der Renewables Academy AG (RENAC),
einem international ausgerichteten Bildungsanbieter, spezialisiert auf
Erneuerbare Energie-Technologien und Energieeffizienz. In Kooperation mit
der Berlin Professional School der Hochschule für Wirtschaft und Recht
Berlin (HWR Berlin) bietet die RENAC ab Oktober 2021 ein
berufsbegleitendes Online-Master-Weiterbildungsstudium mit dem Schwerpunkt
„Green Energy and Climate Finance“ an.

Wie können Banken dem Klimawandel etwas entgegensetzen?

Green Energy Finance liefert einen Rahmen für die systematische,
standardisierte Arrangierung und anschließende sichere Umsetzung von Green
Energy-Investitionen. Banken, andere Finanzinstitutionen und die
weltweiten Kapitalmarktakteure können mit ihrer bewussten Entscheidung,
zukünftig nur noch diese Energieprojekte und fossile
Energieerzeugungsprojekte nicht mehr zu finanzieren, das Fortschreiten des
Klimawandels direkt beeinflussen. Voraussetzung ist natürlich immer, dass
neue Green Energy-Projekte auch wirklich in gleichem Maße bestehende
konventionelle Energieerzeugungseinheiten ersetzen. Hierfür muss die
Politik klare Vorgaben zur Reduzierung der fossilen Energieproduktion
machen.

Was ist Green Energy Finance?

Green Energy Finance befasst sich mit Methoden und Modellen zur
Strukturierung und Finanzierung von Erneuerbaren Energien,
Energieeffizienz- und Klimafinanzierungsprojekten. Das hierfür benötigte
interdisziplinäre Fachwissen umfasst klassische kaufmännische Bereiche wie
Finanzierung, Bewertung, Transaktionsstrukturierung, Marketing und
Strategieformulierung. Hinzu kommen technisch-ingenieurwissenschaftliche
Kenntnisse sowie juristisches Wissen in Hinblick auf branchentypische
Vertragsstrukturen und das Aufsetzen geeigneter
Gesellschaftskonstellationen.

Welche besonderen Faktoren spielen hier eine Rolle?

Das Hauptziel ist die „Erlangung der ‚Bankability‘“. Es geht darum, in
ausreichendem Maße Geldmittel für die schnelle, flächendeckende und
professionelle Realisierung von Green Energy-Projekten zu beschaffen und
zur Verfügung zu stellen. Hierfür ist eine geeignete Vorstrukturierung
erforderlich, damit die Projekte einen qualitativen Status erlangen, der
es Eigen- und Fremdkapitalgeber auf Basis ihrer jeweiligen
Investitionskriterien ermöglicht einzusteigen. Ein wichtiger Aspekt dabei
sind oft neben projektspezifischen Faktoren vorhandene oder nicht-
vorhandene politische und institutionelle Rahmenbedingung.

Bei Green Energy Finance geht es auch um die Minimierung bzw. das Managen
von Klimarisiken für Kreditinstitute?

Die meisten Kreditinstitute haben in der Vergangenheit in nennenswertem
Umfang Kredite an Unternehmen der fossilen Energiewirtschaft vergeben.
Durch das zunehmende Fortschreiten der Energiewende sind manche dieser
fremdfinanzierten Investitionen bereits unwirtschaftlich geworden. Für
andere besteht die akute Gefahr, dass die Unwirtschaftlichkeit in den
nächsten Jahren einsetzt oder Assets gar nicht mehr gebraucht werden und
nur noch abgeschaltet werden können, unter anderem auch verursacht durch
steigende CO2-Preise. Solche sogenannten „stranded assets“ können bei den
geldgebenden Instituten zu existenzbedrohenden Kreditausfällen führen,
wenn sie nicht rechtzeitig erkannt und angemessen gemanagt werden. Mehr
und mehr Kreditinstitute finanzieren heute gar keine konventionellen
Energieinvestitionen mehr, sondern fokussieren ausschließlich auf Green
Energy-Projekte.

Wie unterscheidet sich Green Energy Finance von anderen Finanzbereichen?

Ein wichtiges Merkmal ist die ausgeprägte Stakeholder Value-Orientierung
mit dem Ziel der Harmonisierung der Interessen aller Projektbeteiligten.
Mehr als sonst müssen vielfältige Perspektiven berücksichtigt und
kompromissorientiert in Einklang gebracht werden. Das erfordert ein hohes
Maß an Kooperationsbereitschaft.  Zudem werden nachhaltige
Finanzierungsinstrumente angewendet, die einen expliziten Bezug zu einem
oder mehreren der drei ESG-Kriterien Umwelt, Soziales und
Unternehmensführung (Environmental, Social und Governance) haben. Es
braucht Wissen um die umfassende Einbindung von ESG-kompatiblen
Organisationsprozessen. Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal ist der Fokus
auf Projektfinanzierung als zentrales (und ein Stück weit auch
demokratisches) Finanzierungsinstrument, das die Akteursvielfalt
unterstützt.

Wie grün ist Green Energy Finance (wirklich), Stichwort „Greenwashing“?

Es geht in der Tat primär ums Geld – aber um Geld, mit dem Erneuerbare
Energien-, Energieeffizienz- und Klimaprojekte realisiert werden können,
damit diese in Zukunft die fossile Energieerzeugung möglichst umfassend
ersetzen und den weltweiten CO2- und Schadstoffausstoß der
Bestandstechnologien reduzieren. Akteurinnen und Akteure in diesem
Finanzbereich arbeiten also aktiv an der weltweiten Energiewende mit.
Welche Farbe das Geld letztlich hat, darf jeder selbst entscheiden.
Wichtig ist dabei, dass es für Vorhaben bereitgestellt wird, die die
genannte Definition von „Green Energy“ erfüllen.

Was kann und muss getan werden, um den Einsatz sauberer
Energietechnologien zu beschleunigen?

Die Standardisierung von Projekt- und Finanzierungsansätzen ist wichtig
für die Erhöhung der Umsetzungsgeschwindigkeit, ebenso die Bündelung
kleiner und Kleinstprojekte zu größeren, finanzierbaren Einheiten, damit
Transaktionskosten reduziert werden. Für Investitionen in Schwellen- und
Entwicklungsländern müssen neue De-risking-Instrumente erarbeitet und die
Anwendung bestehender Instrumente ausgebaut werden. Gut ausgebildete
Spezialist*innen können die komplexen Herausforderungen des
Projektgeschäftes besser umsetzen und kennen alternative
Handlungsstrategien zur zielgerichteten Lösung von Problemen in diesem
Feld.

Welchen Anteil hat Green Energy Finance aktuell am Bankensektor?

Angaben des UNEP Centres an der Frankfurt School of Finance (UNEP ist das
Umweltprogramm der Vereinten Nationen) und Bloomberg New Energy Finance
zufolge wurden im Jahre 2019 weltweit insgesamt 282,2 Milliarden US-Dollar
für Green Energy-Investitionen bereitgestellt (2018: 280,2 Milliarden US-
Dollar). Diese Zahlen schließen allerdings Eigen- und Fremdkapitalbeträge
ein und fokussieren damit nicht nur auf den Bankensektor.

Welche Entwicklung sehen Sie?

Während die Investitionen weltweit in vielen Märkten stark steigen, liegt
Deutschland aktuell mit 4,4 Milliarden US-Dollar in 2019 ca. 30 Prozent
unter dem Vorjahresniveau, hat aber in den vergangen 20 Jahren in Summe
bereits mehr als 330 Milliarden US-Dollar investiert und erzeugt
mittlerweile 50 Prozent seines Stromes aus Erneuerbaren Energien. EU-weit
betrug das Investitionsvolumen in 2019 insgesamt 54,6 Milliarden US-Dollar
(ein Minus von 7 Prozent im Vergleich zu 2018).

Die absoluten Beträge sind indes nur begrenzt aussagefähig, da die
spezifischen Investitionskosten für die beiden Haupttechnologien Wind und
Solar infolge von Skaleneffekten stetig sinken, wodurch die gleiche
Kapazität jährlich zu niedrigeren Gestehungskosten errichtet werden kann.
Insgesamt ist für mindestens die kommenden zwei Jahrzehnte mit einer
weiterhin anhaltend hohen Nachfrage nach Green Energy Finance und in
diesem Bereich gut ausgebildeten Spezialist*innen zu rechnen.

Was zeichnet Green Energy Finance-Spezialist*innen aus?

Die Finanzierung von Green Energy-Investitionen verlangt ganz verschiedene
Spezialkenntnisse, über die generalistisch ausgebildete Finanzierer*innen
in der Regel so nicht verfügen. Dies betrifft insbesondere die
internationale Projektfinanzierung, Management und Durchführung von
branchenüblichen Due Diligence-Prozessen und Asset-basierte
Finanzmodellierung in Excel. Darüber hinaus werden umfassende Kenntnisse
über Vergütungsmechanismen und Output-Vermarktung zum Beispiel von
Grünstrom benötigt. Die zielgerichtete Einbindung internationaler,
multilateraler und von Entwicklungsfinanzierungsinstitutionen sowie des
Kapitalmarktes (Stichwort: Green Bonds) spielt ebenfalls eine wichtige
Rolle. Außerdem bedarf es natürlich detaillierten Wissens über die
wichtigsten Technologien, die bei derartigen Vorhaben zum Einsatz kommen,
sowie über die zugehörigen Vertragsstrukturen.

Wo kann man sich diese Kompetenzen aneignen?

RENAC hat im Vorfeld eine interne Marktanalyse durchgeführt und den Bedarf
an akademischen Finanzkursen im Bereich Erneuerbare Energien-,
Energieeffizienz- und Klimafinanzierung ermittelt. Zusätzlich konnte aus
der weltweit starken Nachfrage für das von uns bereits angebotene ‚Green
Energy Finance Specialist‘-Zertifikatsprogramm abgeleitet werden, dass es
auch für weiterführende Qualifizierungsangebote einen Markt gibt.

Um interessierten Studierenden die Möglichkeit zu geben, mit dem Thema
„Green Energy and Climate Finance“ eine akademische Weiterbildung
abschließen zu können, wurde ein berufsbegleitender Master-Studiengang in
Zusammenarbeit mit der Berlin Professional School der Hochschule für
Wirtschaft und Recht Berlin entwickelt. Er startet im Oktober 2021 und
wird als Online-Studium angeboten. Bewerbungen können übrigens noch bis
31. August eingereicht werden.

Herr Boensch, ich danke Ihnen für das Gespräch.

Das Interview führte Sylke Schumann, Pressesprecherin der Hochschule für
Wirtschaft und Recht Berlin.

Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin

Die Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR) Berlin ist mit über 11 500
Studierenden eine der großen Hochschulen für angewandte Wissenschaften –
mit ausgeprägtem Praxisbezug, intensiver und vielfältiger Forschung, hohen
Qualitätsstandards sowie einer starken internationalen Ausrichtung. Das
Studiengangsportfolio umfasst Wirtschafts-, Verwaltungs-, Rechts- und
Sicherheitsmanagement sowie Ingenieurwissenschaften in über 60
Studiengängen auf Bachelor-, Master- und MBA-Ebene. Die HWR Berlin
unterhält 195 aktive Partnerschaften mit Universitäten auf allen
Kontinenten und ist Mitglied im Hochschulverbund „UAS7 – Alliance for
Excellence“. Als eine von Deutschlands führenden Hochschulen bei der
internationalen Ausrichtung von BWL-Bachelorstudiengängen und im Dualen
Studium belegt die HWR Berlin Spitzenplätze in deutschlandweiten Rankings
und nimmt auch im Masterbereich vordere Plätze ein. Die HWR Berlin ist
einer der bedeutendsten und erfolgreichen Hochschulanbieter im
akademischen Weiterbildungsbereich und Gründungshochschule. Die HWR Berlin
unterstützt die Initiative der Hochschulrektorenkonferenz „Weltoffene
Hochschulen – Gegen Fremdenfeindlichkeit“.

https://www.hwr-berlin.de

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Kollektives Selbstwissen - DFG-Förderung für Lukas Schwengerer

Gruppen-Selbstwissen im Blick: Dr. Lukas Schwengerer
Gruppen-Selbstwissen im Blick: Dr. Lukas Schwengerer

Jeder Mensch kennt seine Überzeugungen und Absichten. Besitzen Gruppen
auch so ein Selbstwissen? Das fragt Dr. Lukas Schwengerer von der
Universität Duisburg-Essen (UDE). Der Philosoph analysiert, wie es
entsteht und wie viel etwa soziale Gruppen in Online-Medien davon haben.
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert sein Projekt
„Kollektives Selbstwissen“ ab April 2022 für drei Jahre mit dem Programm
„Eigene Stelle“.

Wie kommen wir zu Wissen und Überzeugungen? Das ist die Frage, die den
33-Jährigen grundsätzlich beschäftigt. Statt den Blick auf die
Einzelperson zu richten, betrachtet er vor allem soziale Gruppen oder
unsere Interaktion mit technologischen Dingen wie Internet und Handy.

Selbstwissen hilft Einzelpersonen, über eigene Vorurteile oder den eigenen
Dogmatismus zu reflektieren. Dasselbe gilt für Selbstwissen in Gruppen.
Doch darüber, wie diese ihr Wissen erlangen, ist noch wenig bekannt. „Im
Alltag sprechen wir oft so, als könnten soziale Gruppen ihre Absichten
ähnlich gut erkennen wie eine Person“, sagt Schwengerer. Ein einfaches
Beispiel: „Wenn Rot-Weiß Essen bekannt gibt, neue Spieler verpflichten zu
wollen, zweifeln wir nicht, dass der Verein von dem Wunsch weiß.“ Das gilt
auch für Familien, Freunde oder Firmen, die als Einheit handeln.

Aber lassen sich die Gruppen über einen Kamm scheren? Sie sind doch
vollkommen anders aufgestellt als einzelne Menschen, verfolgen
verschiedene Ziele. „Das stimmt. Wichtiger ist, dass ihre Einstellungen im
Prozess entwickelt werden – entweder in Diskussionen oder darüber, dass
sich die Mehrheitsmeinung durchsetzt“, sagt Schwengerer. Die Gruppe leitet
ihre Absichten aus Beobachtungen der Prozesse ab. „Je genauer diese
festgehalten werden, desto mehr Wissen gewinnt die Gruppe über sich. Aber
wenn die Entscheidungen diffus sind, kennt sie ihre Wünsche und
Überzeugungen oft nicht.“ Spannend sei herauszufinden, wie sie sie in
total unstrukturierten Situationen wissen kann.

Im DFG-Projekt wird Schwengerer unter anderem analysieren, wie relevant
das Selbstwissen für Gruppen in Online-Medien ist. „Wenn sie ihre Meinung
bilden und ihre mentalen Zustände kennen, können die Gruppen in der online
vernetzen Welt besser erkennen, ob ihre Meinungsbildung durch Filterblasen
beeinträchtigt wird“, erklärt er. Zugleich helfe es ihnen, besser
gerechtfertigte Überzeugungen zu formen. „Die Gruppen können das
Selbstwissen als Basis nutzen, um intellektuell tugendhafter zu werden –
offener, undogmatischer, vorsichtiger, weniger polarisiert“, so der
soziale Erkenntnistheoretiker.

Neues nationales Netzwerk zur Fernerkundung der Wälder

Nicht nur bei Waldbränden bieten die Copernicus-Dienste großräumige und detaillierte Informationen zu auftretenden Schäden  © Thünen-Institut/CEMS
Nicht nur bei Waldbränden bieten die Copernicus-Dienste großräumige und detaillierte Informationen zu auftretenden Schäden © Thünen-Institut/CEMS

Feuer, Trockenheit, Sturm, Insekten – die Schäden der letzten Jahre haben
einmal mehr deutlich gemacht, wie verletzlich unsere Waldökosysteme sind.
Und sie haben gezeigt, dass Informationen schnell und unbürokratisch für
die verschiedenen Akteure verfügbar sein müssen, um gezielte Maßnahmen
einleiten und umsetzen zu können. Hier setzt das neue Copernicus-
Netzwerkbüro „Wald“ an: Seit dem 1. August 2021 schafft es eine
Schnittstelle zwischen den Akteuren im Wald und
Fernerkundungsexpert*innen.

Das neue, am Thünen-Institut für Waldökosysteme in Eberswalde angesiedelte
Projekt wurde durch die Deutsche Raumfahrtagentur am Deutschen Zentrum für
Luft- und Raumfahrt (DLR) initiiert und durch das Bundesministerium für
Verkehr und digitale Infrastruktur finanziert. Die Copernicus-Produkte
bieten besonders in Bereichen der Schadenserkennung, der Strukturvielfalt,
aber auch der Baumartenerkennung wichtige Informationen in hoher
zeitlicher und räumlicher Auflösung. Während die meisten
Waldbesitzer*innen ihre Bäume vom Boden aus betrachten, schauen die
Copernicus-Missionen von oben, mithilfe von Erbeobachtungssatelliten, auf
die Wälder und können somit Hinweise zum Zustand, der Struktur und
Entwicklung der Wälder liefern.

Wichtige Ergänzung zu etablierten Systemen

Um die vielfältigen Ökosystemdienstleistungen der Wälder erhalten zu
können, werden kontinuierliche und flächendeckende Monitoring-Systeme
gebraucht. Die etablierten Systeme stellen hierzu umfangreiche
Feldbeobachtungen und langjährige Expertise zum Ökosystem Wald bereit,
können aber grundsätzlich keine räumlich expliziten Daten liefern. Zudem
sind sie periodisch angelegt mit langen Zeiträumen zwischen den
Stichtagen. Neue technische Entwicklungen in der Fernerkundung eröffnen
dagegen vielfältige Anwendungsmöglichkeiten in bisher unbekanntem
Detailgrad. Im Falle eines Waldbrandes zum Beispiel ermöglichen sie eine
schnelle Kartierung der Lageeinschätzung, Ausbreitung und Intensität des
Feuers (Abbildung).

Wie dringend notwendig verbesserte Monitoring-Systeme sind, wurde durch
die Ereignisse der vergangenen Jahre bestätigt. Beginnend mit den Stürmen
im Oktober 2017 und der ausgeprägten Trockenheit der Sommer 2018 und 2019
konnten ausgedehnte Waldschäden beobachtet werden. Daraus ergab sich der
Bedarf, diese Schäden für betriebswirtschaftliche Planungen und politische
Entscheidungsfindungen zu erfassen und zu quantifizieren, aber auch
Methoden zur Früherkennung zu entwickeln.

Netzwerkbüro als Schnittstelle

Das Netzwerkbüro hat die Aufgabe, ein fachliches Netzwerk aufzubauen, in
dem alle wald- und forstwirtschaftlichen Fernerkundungsakteure eingebunden
sind. Es soll damit eine Schnittstelle zwischen Deutscher
Raumfahrtagentur, Ministerien, Behörden, Waldbesitzerverbänden, Forst- und
Naturschutzbehörden, Forstbetrieben, Stiftungen,
Schutzgebietsverwaltungen, Waldbesitzerverbänden und
Naturschutzorganisationen, Firmen und Forschungseinrichtungen und
relevanten Fördergebern schaffen.

Einerseits sollen bestehende Anwendungen und Aktivitäten von
Fernerkundungstechnologien erfasst und ausgetauscht werden, um aktuelle
Fragestellungen zu beantworten. Eine konkrete Aufgabe könnte hier die
Harmonisierung und Standardisierung von Daten und Erfassungsmethoden sowie
die Zusammenarbeit im Bereich der Open-Source-Werkzeuge sein. Andererseits
soll eine Bedarfsanalyse im Fachnetzwerk durchgeführt werden, ein
Nutzerkonzept entwickelt und Maßnahmen abgeleitet werden, um zukünftige
Fördermaßnahmen zu optimieren und dem festgestellten Bedarf anzupassen.

Workshops, Online-Seminare und nicht zuletzt die Fachsessions auf dem
„Nationalen Forum für Fernerkundung und Copernicus“ werden zahlreiche
Möglichkeiten zum Informationsaustausch und für fachliche Diskussionen
bieten.

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