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Oberleitungs-Lkw: Neue Erkenntnisse aus aktuellen deutschen Feldversuchen und Forschung zur Zukunft der Technologie

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Unter Leitung des Fraunhofer ISI begleitete das BOLD-Projekt drei
Feldversuche und zwölf weitere Forschungsprojekte zu elektrischen
Oberleitungs-Lkw. Darin analysierten das ifeu-Institut für Energie und
Umweltforschung, das Öko-Institut und das Fraunhofer ISI gemeinsam die
Technologieakzeptanz, Chancen und Hindernisse für die Industrie sowie das
politische Umfeld. Auch wurden im vom Bundesministerium für Wirtschaft und
Klimaschutz finanzierten Projekt klima- und umweltbezogene Auswirkungen
der Oberleitungstechnologie untersucht. Ein Abschlussbericht fasst die
wichtigsten Erkenntnisse der Projekte zusammen und bewertet das Potenzial
zur Einführung der Technologie.

Im Verkehrssektor ist die Reduzierung von Treibhausgasemissionen besonders
herausfordernd. Dies liegt vor allem am global steigenden
Verkehrsaufkommen, das insbesondere auch im Güterverkehr weiter zunimmt.
Aufgrund ihrer hohen Effizienz, vergleichsweise niedriger Kosten und
positiver Klimaauswirkungen stellen Oberleitungs-Lkw hier eine
vielversprechende Option dar, wenn sie mit erneuerbaren Energien betrieben
werden.
Die deutsche Bundesregierung führt derzeit drei Feldversuche durch, um
elektrische Antriebssysteme für schwere Nutzfahrzeuge zu testen. Das
Fraunhofer ISI begleitete diese Feldversuche (in den Projekten ELISA, FESH
und eWayBW) sowie zwölf andere Forschungsprojekte zusammen mit seinen
Partnern ifeu GmbH und dem Öko-Institut im Projekt BOLD (Begleitforschung
Oberleitungs-Lkw in Deutschland).
Erforscht wurden darin rechtliche Aspekte, die Energiebereitstellung und
das Marktpotenzial der Oberleitungstechnologie. Darüber hinaus wurden im
Rahmen von BOLD alle beteiligten Partner aus den verschiedenen Projekten
zusammengebracht, um gemeinsam über die Erkenntnisse zu diskutieren.

Wie nehmen Öffentlichkeit, Hersteller und Politik die Technologie wahr?

Ein erstes Ergebnis ist, dass einige Stakeholder im Energie- und
Verkehrssektor offen für Oberleitungs-Lkw und mit der Technologie
zufrieden sind. Dies gilt auch für einige Lkw-Hersteller wie Scania, die
eine sehr positive Einstellung gegenüber der Technologie haben und die
Fahrzeuge für Feldversuche in Schweden und Deutschland zur Verfügung
stellten. Andere wie Daimler Truck sind kritischer, während die Mehrheit
der Lkw-Anbieter unentschlossen ist.
Das Projekt hat auch einen allgemeinen Wissensmangel und irreführende
Informationen hinsichtlich Kosten und der technologischen
Einsatzbereitschaft der verschiedenen alternativen Antriebsmöglichkeiten
offengelegt. Anwohner und lokale politische Akteure waren hier am
kritischsten. Es wurde auch deutlich, dass sich viele Hersteller derzeit
auf batterieelektrische Lkw und stationäres Laden fokussieren. Die
potenzielle Implementierung und Resilienz des Oberleitungssystems für Lkw
hängt dagegen von einigen wenigen Herstellern ab, während auch
Brennstoffzellen-Lkw weiter eine Option für einige Hersteller bleiben.

Mit Blick auf die politische Landschaft hat eine Akteurs-Netzwerkanalyse
im Projekt ergeben, dass viele internationale Akteure auf die Entscheidung
der deutschen Regierung warten und Deutschland als Schlüsselland
wahrgenommen wird, nach dem sich andere Länder richten. Schweden und
Frankreich sind ebenfalls wichtig, spielen jedoch aufgrund ihrer
geografischen Lage (Schweden) oder wegen ihrem Fokus auf Lkw mit
Stromschienen anstelle von Oberleitungen (Frankreich) eine untergeordnete
Rolle. Länder wie Österreich, Dänemark, Großbritannien, Italien und die
Niederlande sehen klare Barrieren für die Technologie, wenn
Schlüsselländer wie Deutschland sich politisch nicht klar dazu bekennen.
Auf EU-Ebene zeigt eine Befragung, dass elektrifizierte Straßensysteme
bisher keine große Rolle in politischen Diskussionen spielten. Viele EU-
Politiker sind uninformiert oder neutral gegenüber dieser Technologie
eingestellt, und Politiker aus den EU-Mitgliedsländern haben sich nicht
ausdrücklich dafür eingesetzt.

Welche Klima- und Umweltauswirkungen haben Oberleitungs-Lkw?

Weitere Erkenntnisse betreffen die Klimabilanz von Oberleitungs-Lkw im
Vergleich zu Alternativen wie batterieelektrischen Lkw (BETs),
Brennstoffzellen-Elektro-Lkw (FCETs), die Verwendung von E-Fuels bzw.
Power-to-Liquid (PtL)-Kraftstoffen sowie deren Umweltauswirkungen – beide
Aspekte wurden im BOLD-Projekt untersucht. Eine vergleichende
Lebenszyklus-Bewertung der Technologien ergab, dass die direkte Verwendung
von Elektrizität, sei es zum stationären Aufladen von Batterien oder über
Oberleitungen, eine technisch machbare Alternative für einen großen Teil
des Straßengüterverkehrs darstellt und selbst kurzfristig eine positive
Klimabilanz aufweist.
Hier haben Oberleitungs-Lkw mit kleineren Batterien einen Vorteil
gegenüber Batterie-Lkw: Die Ergebnisse zeigen nicht nur leicht höhere
Treibhausgaseinsparungen, sondern auch eine signifikante Reduktion anderer
Umweltauswirkungen wie Versauerung und Eutrophierung im Vergleich zu
batterieelektrischen Lkw.

Was sind weitere Schritte auf dem Weg zu einer möglichen Einführung?

Dr. Till Gnann, der die Forschungsaktivitäten im BOLD-Projekt am
Fraunhofer ISI koordinierte, fasst die wichtigsten Erkenntnisse zusammen:
»Im BOLD-Projekt wurde deutlich, dass der Bau einer
Oberleitungsinfrastruktur für das deutsche Autobahnnetz im Langstrecken-
Straßengüterverkehr technisch möglich, aber sehr herausfordernd ist. Die
Frage ist vielmehr, welche Technologie sich letztendlich durchsetzen wird,
wie lange der Bau der Infrastruktur dauern wird und wie lange sie aufgrund
einer geringen Auslastung subventioniert werden kann. Damit das
Oberleitungssystem und seine Markteinführung erfolgreich sind, müssen die
Fahrzeuge und die Infrastruktur technologisch weiterentwickelt und ein
Markt für Oberleitungs-Lkw geschaffen werden. Um dies zu erreichen, bedarf
es eines klaren Signals und einer Entscheidung in naher Zukunft für die
Verwendung von elektrischen Oberleitungs-Lkw durch die deutsche
Bundesregierung. Dies würde Klarheit für Industrie, Forschung und
Nachbarländer schaffen.«