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Den ganzen Körper auf dem Radar

Forschende des Fraunhofer IDMT in Oldenburg haben ein neues Verfahren zur Erhebung und Auswertung von Radardaten des menschlichen Körpers entwickelt (Symbolbild).  Anika Bödecker  Fraunhofer IDMT/Anika Bödecker
Forschende des Fraunhofer IDMT in Oldenburg haben ein neues Verfahren zur Erhebung und Auswertung von Radardaten des menschlichen Körpers entwickelt (Symbolbild). Anika Bödecker Fraunhofer IDMT/Anika Bödecker
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Forschende des Fraunhofer IDMT in Oldenburg haben ein neues Verfahren zur Erhebung und Auswertung von Radardaten des menschlichen Körpers entwickelt (Symbolbild).  Anika Bödecker  Fraunhofer IDMT/Anika Bödecker
Forschende des Fraunhofer IDMT in Oldenburg haben ein neues Verfahren zur Erhebung und Auswertung von Radardaten des menschlichen Körpers entwickelt (Symbolbild). Anika Bödecker Fraunhofer IDMT/Anika Bödecker

Fraunhofer IDMT entwickelt neuartige Aufnahme- und Analysemethoden für das
zeitgleiche Monitoring verschiedener Vital- und Bewegungsdaten via Radar.

Forschende am Fraunhofer-Institut für Digitale Medientechnologie IDMT in
Oldenburg haben ein neues Verfahren zur Erhebung und Auswertung von
Radardaten des menschlichen Körpers entwickelt. Der Clou: Durch eine
seitliche Positionierung erhebt das Radar berührungslos besonders robust
Vitaldaten der verschiedenen Körperbereiche, wie Atmung und Puls. In
Kombination mit intelligenten Analysemethoden eröffnen sich dadurch neue
Anwendungsmöglichkeiten vom Einsatz in der Medizin bis hin zu
Applikationen im Automotive-Bereich.

Atmungsaussetzer im Schlaf, kritische Vitalparameter eines Säuglings oder
das notwendige Monitoring von Atmung und Herzrate auf der Intensivstation
und in der Pflege: Es gibt viele gute Gründe, um Vitaldaten aufzuzeichnen.
Oftmals kommen dabei kontaktbasierte Sensoren zum Einsatz, die jedoch
Aufwand beim Desinfizieren, Anbringen oder durch notwendiges Justieren
verursachen. Zudem wirken sie konstanten Druck auf den Körper aus, was
unangenehm sein kann und den Sensorverschleiß fördert. Ein Radar misst
Vital- und Bewegungsparameter des Menschen kontaktlos und ist daher
insbesondere für ein Monitoring über längere Zeiträume hinweg geeignet.
Durch seinen Einsatz können in Folge Müll, zusätzliche Arbeit und Kosten
durch Verbrauchsmaterialien und kontaktbasierte Sensoren eingespart
werden. Die Forschenden am Fraunhofer IDMT haben sich das Ziel gesetzt,
durch intelligente Aufnahme- und Analyseverfahren den Einsatz des Radars
im Gesundheitsmonitoring zu stärken.

Vitaldaten aus Körperbewegungen

Ein Radarmessgerät registriert Bewegungen des Menschen aus der Entfernung.
Das können große Bewegungen der Gliedmaßen sein, aber auch kleinere
Bewegungen entlang der Hautoberfläche, wie der Puls oder die
Atmungsbewegung entlang des Torsos. Am Fraunhofer IDMT wird mit einem
Radarsystem gearbeitet, das den Raum vor dem Sensor in gleichgroße
Abschnitte unterteilt. Jeder Abschnitt wird zeitgleich auf Bewegungen
untersucht. Bei Puls- und Atmungsbewegungen nähert sich die Haut im
jeweiligen Abschnitt an den Radarsensor an und entfernt sich wieder. Die
Forschenden am Fraunhofer IDMT arbeiten daran, die vielen
unterschiedlichen Bewegungen im Körper gleichzeitig zu erfassen,
voneinander zu unterscheiden und zu analysieren. So können auch ohne
Kontaktsensoren möglichst viele Aussagen zu Vitalparametern und zum
Gesundheitszustand eines Menschen getroffen werden.

Der Blickwinkel macht´s

Im gängigen Einsatz wird der Radarsensor oft vor dem Bauch oder hinter dem
Rücken der Patientin oder des Patienten positioniert. Dadurch erstreckt
sich der Körper vor dem Sensor nur über wenige Abschnitte, in denen sich
dann viele Bewegungen, wie Puls, die Atmungsbewegung des Torsos und
Bewegungen der Gliedmaßen, überschneiden.

Die Forschenden am Fraunhofer IDMT setzen auf eine seitliche
Positionierung des Radarmessgeräts, z. B. am Fußende des Betts, wodurch
der menschliche Körper aus Sicht des Radars in deutlich mehr voneinander
unabhängige Abschnitte aufgeteilt wird. »Entlang des gesamten Körpers
können verschiedenste Vitalparameter an jeweils vorteilhaften
Körperregionen beobachtet werden. So sehen wir z. B. zeitgleich die
Atmungsbewegung deutlich am Torso und den Puls an den Beinen - ohne eine
störende Überlagerung der Signale. Durch die Aufteilung des Körpers in
Messabschnitte während der Messung entfällt die aufwendige Trennung von
Atmung und Puls nach der Messung in der anschließenden Datenanalyse«,
erklärt Lars Hornig, der das neue Verfahren am Fraunhofer IDMT entwickelt
hat. In dem vollständigen, in Abschnitte aufgeteilten Körpermodell, können
für die Auswertung noch weitere Informationen freigelegt werden. Die
Unterscheidung von Bauch- und Brustatmung ist beispielsweise interessant
für die Erkennung der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) oder
einer obstruktiven Schlafapnoe. Zusätzlich können unzureichend informative
Vitaldaten eines Körperabschnitts durch die Informationen aus einem
anderen Körperabschnitt ergänzt werden.

Ausblick: Vitaldatenmonitoring in Fahrzeugen, am Gefahrenarbeitsplatz oder
zu Hause

Grundsätzlich ist die Überwachung von Vitaldaten mit den neuen Mess- und
Analyseverfahren nicht nur im medizinischen Bereich denkbar. Das Team des
Fraunhofer IDMT testet bereits den Einsatz des Radars im Fahrzeug für
Personen im Sitzen, um die Vitalparameter des Fahrenden zu überwachen, z.
B. bei Berufskraftfahrenden oder perspektivisch in autonomen Fahrzeugen.
In diesem Fall ist die Positionierung des Radars beispielsweise in der
Fahrzeugdecke denkbar. Außerdem könnte der Einsatz am Gefahrenarbeitsplatz
Mitarbeitende durch ein Monitoring von Vitalparametern zusätzlich zu
bisherigen Schutzmaßnahmen absichern. Zuhause kann das Radar Daten für ein
Schlafmonitoring liefern, um lange Wartezeiten auf einen Platz im
Schlaflabor zu umgehen und gleichzeitig besonders aussagekräftige Daten
aus dem Alltag zu erheben. Ebenso wird der Einsatz in einem smarten
Assistenten für das stationäre oder häusliche Leben anvisiert, der neben
Audio- und Video-Sensorik auch das Radar nutzt und dadurch das
Anwendungsspektrum auf die oben beschriebenen Vitaldaten erweitert.
Die Fraunhofer-Gesellschaft hat für das beschriebene Verfahren ein Patent
angemeldet (Patentnummer: 102022208945.6).

Hör-, Sprach- und Audiotechnologie HSA am Fraunhofer-Institut für Digitale
Medientechnologie IDMT in Oldenburg

Der im Jahre 2008 unter der Leitung von Prof. Dr. Dr. Birger Kollmeier und
Dr. Jens-E. Appell gegründete Institutsteil Hör-, Sprach- und
Audiotechnologie HSA des Fraunhofer-Instituts für Digitale
Medientechnologie IDMT steht für marktnahe Forschung und Entwicklung mit
Schwerpunkten auf

-       Sprach- und Ereigniserkennung
-       Klangqualität und Sprachverständlichkeit sowie
-       Mobile Neurotechnologie und Systeme für eine vernetzte
Gesundheitsversorgung.

Mit eigener Kompetenz in der Entwicklung von Hard- und Softwaresystemen
für Audiosystemtechnologie und Signalverbesserung setzen über 100
Mitarbeitenden am Standort Oldenburg wissenschaftliche Erkenntnisse in
kundengerechte, praxisnahe Lösungen um.

Über wissenschaftliche Kooperationen ist der Institutsteil eng mit der
Carl von Ossietzky Universität, der Jade Hochschule, der Hochschule
Emden/Leer verbunden. Das Fraunhofer IDMT ist Partner im Exzellenzcluster
»Hearing4all«.

Die Weiterentwicklung des Institutsteils wird im Programm »Vorab« durch
das Niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur und die
VolkswagenStiftung gefördert.

Weitere Informationen auf www.idmt.fraunhofer.de/hsa