Post-COVID - die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) rät derzeit von Apheresetherapien ab
Studien gehen davon aus, dass bis zu 10 Prozent aller COVID-19-Erkrankten
Post-COVID-Symptome davontragen könnten. Häufig handelt es sich um
neurologische Beschwerden wie Konzentrationsstörungen, Fatigue oder
Schmerzen. Weder ist die Ursache geklärt, noch gibt es kausale
Therapieoptionen, deren Nachweis belegt ist. Auch Aphereseverfahren
(Blutwäsche) können nach Ansicht der Deutschen Gesellschaft für Neurologie
(DGN) zum jetzigen Zeitpunkt nicht außerhalb von klinischen Studien
empfohlen werden. Denn letztlich handele es sich um ein invasives
Verfahren, das nicht frei von Risiken ist.
Post-COVID geht oft mit neurologischen Symptomen einher – von
Kopfschmerzen über Konzentrationsschwäche, auch „brain fog“ genannt, bis
hin zum Fatigue-Syndrom. Die Betroffenen werden bei Neurologinnen und
Neurologen vorstellig und suchen Hilfe. Ursächliche Therapien mit
wissenschaftlichem Wirksamkeitsnachweis fehlen jedoch bislang.
Ein Therapieansatz, der immer wieder diskutiert wird, ist die
Apheresetherapie. Es gibt zwei unterschiedliche Formen dieser Blutwäsche.
Bei der Lipidapherese werden primär Blutfette entfernt, bei der
Immunadsorption (Auto-)Antikörper. Beide Therapieformen werden bei Post-
COVID diskutiert und praktiziert, obwohl es bislang noch keine
randomisierten kontrollierten Studien zu einer der beiden Apherese-Formen
gibt. Solche Studien sind aber zwingend erforderlich, um die Wirkung und
Sicherheit der Therapien nachzuweisen.
Mit der Immunadsorption hat die Neurologie gute Erfahrungen. Diese
Therapie kommt bei verschiedenen neuroimmunologischen Erkrankungen, z.B.
Neuromyelitis optica, Myasthenia gravis oder dem Guillain-Barré-Syndrom,
zur Anwendung und führt dort nachweislich zu Symptomreduktion und
Verkürzung der Erkrankungsdauer, da die „krankmachenden“ Autoantikörper
mit dem Verfahren aus dem Blut gefiltert werden. „Allerdings heißt das
nicht, dass diese Therapie auch bei Post-COVID hilft“, erklärt DGN-
Generalsekretär und -Pressesprecher Prof. Dr. Peter Berlit, „bislang ist
nicht erwiesen, ob Autoantikörper die neurologischen Post-COVID-Symptome
tatsächlich auslösen.“ Andere Krankheitsursachen, die diskutiert werden,
sind u.a. eine Viruspersistenz, die Aktivierung anderer Viren (z.B. EBV),
ein Kortisonmangel oder eine psychische Erschöpfung. Eine Apherese könnte
in diesen Fällen wenig ausrichten, womöglich sogar schaden.
Und selbst wenn Post-COVID autoantikörpervermittelt sein sollte, müssten
zunächst Studien zeigen, dass die Immunadsorption hierbei wirkt und einer
medikamentösen Immuntherapie überlegen ist. Für den Wirkungsnachweis sind
randomisierte, kontrollierte Studien erforderlich. Um einen Placeboeffekt
auszuschließen, muss dabei die Kontrollgruppe einem invasiven
Scheinverfahren unterzogen werden. Solche Studien sind aufwendig, wurden
nun aber an verschiedenen neurologischen Zentren gestartet. „Solange die
Ergebnisse dieser Studien nicht vorliegen, können wir die Immunadsorption
nicht empfehlen“, erklärt Berlit.
Der Experte betont, dass es sich schließlich um ein invasives Verfahren
handelt, das nicht risikofrei ist: Die Betroffenen werden bei dem
Verfahren mit Heparin behandelt, damit das Blut nicht außerhalb des
Körpers gerinnt, was in Folge zu Blutungskomplikationen führen kann. Auch
allergische Reaktionen sind nicht ausgeschlossen. „Selbst bei
neuroimmunologischen Krankheiten, bei denen Studien einen Wirkungsnachweis
erbracht haben, wägen wir Nutzen und Risiken immer sorgfältig ab. Die
Immunadsorption stellt auch bei einigen dieser Indikationen nicht immer
die erste Therapie der Wahl dar, sondern kommt oft erst dann zum Einsatz,
wenn die Betroffenen auf andere Behandlungen nicht angesprochen haben.“
Die DGN spricht sich dafür aus, mit der gleichen Sorgfalt und
Wissenschaftlichkeit bei Post-COVID-Erkrankten vorzugehen. Von
Apheresebehandlungen außerhalb von klinischen Studien rät sie zum jetzigen
Zeitpunkt ab.
Pressekontakt
Pressestelle der Deutschen Gesellschaft für Neurologie
c/o Dr. Bettina Albers, albersconcept, Jakobstraße 38, 99423 Weimar
Tel.: +49 (0)36 43 77 64 23
Pressesprecher: Prof. Dr. med. Peter Berlit
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Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V. (DGN)
sieht sich als wissenschaftliche Fachgesellschaft in der
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verbessern. Dafür fördert die DGN Wissenschaft und Forschung sowie Lehre,
Fort- und Weiterbildung in der Neurologie. Sie beteiligt sich an der
gesundheitspolitischen Diskussion. Die DGN wurde im Jahr 1907 in Dresden
gegründet. Sitz der Geschäftsstelle ist Berlin. www.dgn.org