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Mieterstrom: Berlin muss handeln, um Solarziele zu erreichen

Noch viel Luft nach oben: Die meisten Berliner Mietshäuser ernten noch keine Sonnenenergie. Das soll sich ändern.  Ecornet Berlin
Noch viel Luft nach oben: Die meisten Berliner Mietshäuser ernten noch keine Sonnenenergie. Das soll sich ändern. Ecornet Berlin
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Noch viel Luft nach oben: Die meisten Berliner Mietshäuser ernten noch keine Sonnenenergie. Das soll sich ändern.  Ecornet Berlin
Noch viel Luft nach oben: Die meisten Berliner Mietshäuser ernten noch keine Sonnenenergie. Das soll sich ändern. Ecornet Berlin

Pressemitteilung des Instituts für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW)
und des Ecologic Instituts

► Um klimaneutral zu werden, will Berlin viel Solarstrom auf dem
Stadtgebiet erzeugen. Gelingen kann dies nur mit den Dachflächen von
Mehrfamilienhäusern. Doch der Mieterstrom stockt.

► Damit auch auf Mehrfamilienhäusern Solaranlagen zum Standard werden,
müssen die rechtlichen Grundlagen so geändert werden, dass der Betrieb der
Anlagen einfacher und wirtschaftlich wird.

► Es braucht ein grundlegend neues Modell für Eigenversorgung und
Sektorkopplung in Quartieren und einen Dialog über die Weiterentwicklung
von Photovoltaik als Haustechnik.

Berlin, 30. November 2022 – Um klimaneutral zu werden, hat sich das Land
Berlin beim Ausbau von Solaranlagen viel vorgenommen. Ihre Solarziele kann
die Mieterstadt Berlin nur mit den Dächern von Mehrfamilienhäusern
erreichen. Doch noch gibt es wenige Photovoltaikanlagen auf Mietshäusern
in der Hauptstadt. Rund 15 Megawatt Leistung sind erst mit dem Konzept
Mieterstrom installiert, einem Modell zur Versorgung von Mieter*innen mit
Solarstrom vom Dach. Das Potenzial davon ist rund hundertmal so hoch. Wie
die Politik jetzt nachjustieren muss, damit Mieterstrom durchstarten kann,
zeigen das Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) und das
Ecologic Institut in zwei Politikpapieren. Insbesondere müsse der Betrieb
von Mieterstromanlagen einfacher und wirtschaftlich werden, fordern die
Wissenschaftler*innen in dem Projekt „StromNachbarn“ des
Forschungsverbunds Ecornet Berlin.

„Bei Mieterstrom geht es um Solarstrom, der vom Dach des Mietshauses –
ohne Netzdurchleitung – in die Haushalte des Gebäudes fließt. Mieter*innen
können sich dafür entscheiden, Mieterstrom zu beziehen, oft zu günstigen
Preisen“, erklärt Projektleiterin Katharina Umpfenbach vom Ecologic
Institut. Mit Förderung durch den Berliner Senat haben die Forschenden
Simulationen, Interviews und Berechnungen durchgeführt, die das große
Innovationspotenzial von Mieterstrom in Berlin aufzeigen. Mieterstrom
müsse ein wichtiger Baustein in einem flexiblen Energiesystem der Zukunft
werden, so die Analyse.

Kopplung mit Batteriespeicher, Wärmepumpe oder Elektromobilität erhöht
Wirtschaftlichkeit

Die Forscher*innen zeigen mit drei Simulationen, wie der Eigenverbrauch
von Mieterstromanlagen erhöht und so ein positiver Effekt auf die
Wirtschaftlichkeit erzeugt werden: durch die Kopplung mit einem
Batteriespeicher, mit einer Wärmepumpe oder mit Elektromobilität. „Den
selbst erzeugten Strom zum Antrieb einer Wärmepumpe zu nutzen, birgt die
Möglichkeit, den Mieterstrom effizient für die Wärmeversorgung zu nutzen“,
erklärt Solarstromexpertin Astrid Aretz vom IÖW. „Zudem kann die
Wärmeerzeugung in Kombination mit einem Wärmespeicher zeitlich etwas
entkoppelt werden und der flexible Stromverbrauch durch die Wärmepumpe
kann Spitzenlasten glätten.“

Ein Batteriespeicher macht es möglich, die Solarerzeugung mit dem
Verbrauch zu harmonisieren und zudem das Verteilnetz weniger zu nutzen.
Bei größeren Wohnanlagen bietet es sich an, den Mieterstrom für ein
Carsharing-Angebot mit Elektro-Fahrzeugen zu nutzen. Durch die Kopplung
mit der Wärmeversorgung und der Mobilität trägt Mieterstrom
sektorübergreifend zur Energiewende bei.

Darum braucht es neue politische Rahmenbedingungen

„Damit die Stadt einen urbanen Solar-Turbo zünden kann, braucht es schnell
bessere Rahmenbedingungen“, so die Forderung von IÖW und Ecologic
Institut. „Über Mieterstrom können Mieter*innen sich an der Energiewende
beteiligen. Das derzeitige Mieterstrommodell ist jedoch komplex und nur
für einen Teil der Mehrfamilienhäuser geeignet“, sagt Energieexpertin
Katharina Umpfenbach vom Ecologic Institut. „Wir empfehlen, ein
grundlegend neues Modell für Eigenversorgung und Sektorkopplung in
Quartieren zu entwickeln. Teil der Debatte sollte ein Dialog über
Photovoltaik als Haustechnik sein. In diesem Fall würde eine
Photovoltaikanlage wie eine zentrale Heizungsanlage als Bestandteil des
Gebäudes eingestuft werden.“

Bislang ist die Wirtschaftlichkeit das größte Hemmnis beim Ausbau von
Mieterstromanlagen. „Die Einnahmen durch die Einspeisevergütung und den
Verkauf des Mieterstroms decken die Kosten der PV-Stromerzeugung bislang
meist nicht“, mahnt Astrid Aretz. „Der Wegfall der EEG-Umlage ist ein
guter Schritt, kann die Anlagen aber noch nicht rentabel machen.“ Auch
beim Verkaufspreis des Mieterstroms gibt es wenig Gestaltungsspielraum, da
sich dieser am Grundversorgertarif ausrichtet, damit Mieterstromkund*innen
einen Preisvorteil haben.

Mieterstrom für verschiedene Gebäudetypen simuliert

Die Forscher*innen errechneten für vier Gebäudegrößen die
Wirtschaftlichkeit von Mieterstrom. Bei jetzigen politischen
Rahmenbedingungen konnte in der Studie lediglich ein Gebäude einer
Wohnungsbaugesellschaft mit 180 Wohneinheiten, das den Solarstrom in einem
Batteriespeicher zwischenspeichert, wirtschaftlich sein. Ausschlaggebend
für das Ergebnis ist das Verhältnis zwischen angenommener Anlagengröße und
dem Stromverbrauch. Wird zu wenig Solarleistung installiert, überwiegen
die Kosten für den zugekauften Haushaltsstrom; ist verhältnismäßig zu viel
Leistung vorhanden, sinkt die Eigenverbrauchsquote, was ebenfalls die
Bilanz trübt.

Neben der Wirtschaftlichkeit ist der hohe bürokratische Aufwand, um
Mieterstromanlagen zu betreiben, ein weiteres Hindernis für Berlin, wenn
es seine Ausbauziele bei der Photovoltaik erreichen will. Da Mieterstrom
nicht durch das öffentliche Stromnetz geleitet werden darf, fallen etwa
hohe Installations- und Umbaukosten in den Gebäuden an. „Hier muss
nachgebessert werden“, empfiehlt Aretz. „Auch wäre es gut, die Definition
von Mieterstrom weiter zu fassen, um die Zielgruppe zu vergrößern und auch
anliegende Haushalte mitversorgen zu können.“

Kurzfristige Alternative für mehr Solarstrom auf Mietshäusern:
Volleinspeisung

Eine kurzfristige Alternative, um Solarstrom auf Mietshäusern
voranzubringen, können solche Anlagen sein, die den erzeugten Strom
vollständig ins Stromnetz einspeisen. Denn das Erneuerbare-Energien-Gesetz
2023 steigert deren Wirtschaftlichkeit. Astrid Aretz: „Auf diese Weise
könnte sich auch der Effekt entschärfen, dass PV-Anlagen in der Praxis
tendenziell kleiner ausgelegt werden, um möglichst hohe
Eigenverbrauchsquoten zu erreichen. Durch eine kleinere
Anlagendimensionierung wird nämlich wertvolles Potenzial für die
Energiewende verschenkt. Allerdings fallen bei diesen Anlagen die Vorteile
durch den direkten Bezug des Solarstroms für die Mieter*innen weg, daher
empfehlen wir vor allem, mittelfristig die Rahmenbedingungen für
Mieterstrom zu vereinfachen.“

~~~~~~~~~~~~~~~~

Downloads:
• Astrid Aretz, Swantje Gährs, Jan Kegel: Mieterstrom zukunftsfähig
machen. Wie Berlin den Ausbau von Solarenergie auf den Dächern von
Mietshäusern beschleunigen kann (PDF, 0,4 MB)
<https://ecornet.berlin/ergebnis/mieterstrom-zukunftsfaehig-machen>
• Katharina Umpfenbach, Ricarda Faber, Lina-Marie Dück: StromNachbarn:
Reformoptionen für einen beschleunigten Ausbau von Photovoltaikanlagen auf
Mehrfamilienhäusern in Berlin (PDF, 0,4 MB)
<https://ecornet.berlin/ergebnis/stromnachbarn-reformoptionen-fuer-einen-
beschleunigten-ausbau-von-photovoltaikanlagen-auf
>

Mehr Informationen:
• Zum Projekt: StromNachbarn – Sozial-ökologische Selbstversorgung durch
erneuerbare Energien und Sektorkopplung?
<https://ecornet.berlin/projekt/stromnachbarn>
• Zum Forschungsverbund Ecornet Berlin: <www.ecornet.berlin>