Warum Sachsen-Anhalt ein Kulturfördergesetz braucht
Heimatmuseen, Gedenkstätten und Vereinsarbeit: Ein Gesetz, das das
kulturelle Angebot in Sachsen-Anhalt in seiner Breite sichtbar macht und
nachhaltig fördert, könnte den gesellschaftlichen Zusammenhalt in der
Region stärken. Eckpunkte hierfür liefert ein neues Policy Paper von
Juristen der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU), das im
Rahmen des Forschungsinstituts Gesellschaftlicher Zusammenhalt erstellt
wurde. Darin beschreiben sie die Vorteile eines solches Gesetzes und geben
Hinweise dazu, wie es ausgestaltet sein könnte. Bislang gibt es
vergleichbare Regelungen nur in Sachsen und Nordrhein-Westfalen.
Sachsen-Anhalt ist reich an kulturellen Angeboten. Diese reichen von
Theatern, Musikschulen, Galerien und Museen bis hin zu lokalen Projekten.
"Kulturinitiativen sind wichtige identitätsstiftende Angebote für die
Menschen vor Ort", sagt der Rechtswissenschaftler Prof. Dr. Winfried Kluth
von der MLU. Diesen hohen Wert habe auch der Gesetzgeber erkannt, so der
Forscher. Bereits jetzt besagt Artikel 36 in der Landesverfassung: "Kunst,
Kultur und Sport sind durch das Land und die Kommunen zu schützen und zu
fördern." Diese Formulierung ist laut Kluth jedoch zu unkonkret. Ohne eine
weiterführende Regelung in Form eines Gesetzes werde das Thema auf des
Landes- und Kommunalebene nicht sichtbar. "Und was man nicht vor Augen
hat, darum kann man sich nicht kümmern. Deshalb werden Kulturförderungen
im Zuge von Sparrunden häufig als erstes gestrichen", sagt Kluth. Deshalb
plädiert er in dem neuen Papier dafür, Kultur wie eine Pflichtaufgabe der
Landesregierung zu behandeln und ein eigenes Fördergesetz einzurichten.
Für Sport, Musikschulen und das Archivwesen gibt es zum Beispiel bereits
eigene Reglungen.
Gemeinsam mit Pascal Schwartzer hat Kluth dazu geforscht, wie ein
Kulturfördergesetz für Sachsen-Anhalt aussehen könnte. Grundlage für das
Policy Paper sind zum einen die Analysen zweier ähnlicher Gesetze in
Sachsen und Nordrhein-Westfalen. Zum anderen flossen auch die Hinweise und
Anregungen von Kulturvertreterinnen und -vertretern aus Sachsen, Sachsen-
Anhalt und NRW sowie der Landespolitik in das Papier ein. Die beiden
Juristen formulieren drei Pflichten, die für ein Kulturfördergesetz
zentral sein sollten: eine Beobachtungspflicht, eine Reaktionspflicht bei
Gefährdungen und eine Förderpflicht für kulturelle Angebote.
In Nordrhein-Westfalen hätte die Einführung eines ähnlichen
Kulturfördergesetzes etwa dazu geführt, dass sich der Landtag regelmäßig
mit Kultur befasst. "Dadurch hat das Thema eine ganz andere Aufmerksamkeit
erhalten", sagt Kluth. Gleichzeitig könnte ein solches Gesetz verhindern,
dass im Falle von Etatkürzungen im Landeshaushalt ganze Projekte gefährdet
werden. "Viele kulturelle Projekte leben von ehrenamtlicher Arbeit. Wenn
diese aufgrund finanzieller Engpässe kurzfristig pausiert werden müssen,
ist es extrem mühsam, die Arbeit später wieder aufzunehmen. Dadurch
entsteht ein großer Schaden", sagt Kluth weiter. Nicht zuletzt, fordern
die Juristen, sollte das neue Gesetz dabei helfen, die bürokratischen
Hürden für staatliche und nicht-staatlichen Fördermaßnahmen abzubauen.
Das Policy Paper ist jedoch noch kein konkreter Gesetzentwurf, vielmehr
liefert es den juristischen Rahmen inklusive zahlreicher Hinweise und
Anmerkungen aus der Kulturpolitik sowie Vertreterinnen und Vertretern.
Die Arbeit wurde im Rahmen des Forschungsinstituts Gesellschaftlicher
Zusammenhalt (FGZ) durchgeführt. Das FGZ ist ein seit 2020 vom
Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördertes Institut, das in
zehn verschiedenen Bundesländern angesiedelt ist und die regionale
Vielfalt gesellschaftlichen Zusammenhalts in Deutschland in den Blick
nimmt. Neben empirischen Untersuchungen und großangelegten Vergleichen
sollen durch das Institut praxisrelevante Vorschläge erarbeitet werden,
die dazu beitragen, gesellschaftlichen Herausforderungen der Gegenwart zu
begegnen.
Das Policy Paper ist hier online abrufbar: http://wcms.itz.uni-
halle.de/download.php?down=593