Theater Basel Turandot, besucht von Marinella Polli (2)

Inszenierung und Besetzung
Musikalische Leitung José Miguel Pérez-Sierra
Inszenierung Christof Loy
Bühne und Kostüme Herbert Murauer
Lichtdesign Thomas Kleinstück
Chorleitung Michael Clark
Einstudierung Knabenkantorei Basel Rolf Herter, Oliver Rudin
Choreographische Mitarbeit Pascu Ortí
Dramaturgie Meret Kündig
Turandot Miren Urbieta Vega
Altoum Rolf Romei
Timur Sam Carl
Calàf Rodrigo Porras Garulo
Liù Mané Galoyan
Ping, Kanzler David Oller
Pang, Marschall Ronan Caillet
Pong, Küchenmeister Lucas van Lierop
Ein Mandarin Andrew Murphy
Prinz von Persien (Szene) Elio Staub
Tänzer:innen Pascu Ortí, Giuliana Sollami,Marie Da Silva
Giuseppe Bencivenga
Knabenstimmen Knabenkantorei Basel
Chor des Theater Basel
Extrachor des Theater Basel
Knabenkantorei Basel
Sinfonieorchester Basel
Statisterie Theater Basel
Seit Anfang März erfreut sich das Basler Publikum an ‘Turandot’. Christof Loy inszeniert am Theater Basel seine Version von Giacomo Puccinis unvollendeter Oper und ergänzt sie mit einer Ouvertüre und einem neuen Finale. José Miguel Pérez-Sierra ist am Pult.
Loys eigenartige Lesart: zwei Opern in einer

Regisseur Christof Loy und Dirigent José Miguel Pérez-Sierra haben eine total neue Idee gehabt: die gewählte Variante besteht in der Tat nicht nur aus der von Puccini nicht vollendeten ‚Turandot‘, sondern auch aus ‚Crisantemi‘ für Streichorchester (als Ouvertüre) und aus dem 4. Akt der Oper „Manon Lescaut“, der als Finale angefügt wird. Mit anderen Worten eine Neuinszenierung mit Musik und Handlung von zwei Opern in einer, was sich nicht als unproblematisch erweist. Wenn die ziemlich angemessene und geschickt inszenierte Ouverture plausibel wirkt, weil sie Turandots Kindheit erzählt, ihre Vorgeschichte, ihre Traumata, das Verhältnis zu ihrem zu nachsichtigen Vater und die Gewalt, welche die kleine Prinzessin schon gegen ihre Puppen ausübt, zeigt das durch den 4. Akt von ‚Manon Lescaut‘ inszenierte Finale hingegen eine zu abrupte Kehrtwende: die Männermörderin wird zur liebenden Frau, indem sie sich mit der toten Liù (die aus Liebe zu Calaf Selbstmord begangen hat) total identifiziert; dazu kommt noch, dass auch der Prinz am Ende die tote Sklavin als seine einzige wahre Liebe betrachtet. Eine Art Liebestod-Ending, das wirklich kaum nachvollziehbar ist, geschweige denn ein Ende im Sinne von Puccini, der vor seinem frühzeitigem Tod lange auf der Suche nach einem plausiblen Schluss war. Wie man weiss, wurde die Oper von Franco Alfano vollendet. Loys Personenführung und -Charakterisierung sind hingegen tadellos: dem Regisseur gelingt es mühelos nicht nur die der drei Protagonisten Turandot, Calaf und Liù, sondern auch die von Ping (David Oller), Pang (Ronan Caillet) und Pong (Lucas von Lierop). Letztere sind zuerst als komische, dann als grausame, skrupellose, und am Ende, im ‚Manon Lescaut‘ Akt, als emotional sehr involvierte Figuren dargestellt.
Musikalisch und gesanglich ein unvergesslicher Abend

Das kompetente Dirigat von Perez-Sierras ist sehr wirksam, der Spanische Maestro leitet von Anfang an ein grossartiges Sinfonieorchester Basel durch eine sicher nicht einfache Partitur. Man kann zweifellos von einer prächtigen musikalischen Interpretation sprechen, und dies trotz einiger Vorbehalte, die man gegen Loys Inszenierung haben kann. Aber diese neue Basler Produktion gefällt besonders wegen der Starbesetzung. Die Sopranistin Miren Urbieta-Vega als die grausame Prinzessin ist stimmlich und schauspielerisch immer sehr glaubwürdig, dies sogar am Schluss, wenn aus der gefühllosen, gewalttätigen Turandot eine sanfte Manon wird. Rodrigo Porras Garulo ist ‚Calaf‘, der unbekannte Prinz: schauspielerisch kann man sicher sagen, dass er den perfekten physique du rôle hat, vokal ist er sowohl einfühlsam und differenziert als auch determiniert; bis zur ‚Nessun dorma“, der Arie zu Beginn des 3. Aktes, die er mit einem wunderschönen Timbre, aber mit etwas weniger Sicherheit singt; stimmlich grandios ist Mané Galoyan als sanfte Liù, die sich das Leben für Calaf nimmt. Gut sind auch Sam Carl als Timur, der entthronte Tatarenkönig, sowie Rolf Romei als Kaiser Altoum und, ebenfalls, David Holler als Ping, Ronan Caillet als Pang und Lucas van Lierop als Pong. ‚Turandot‘ ist ja eine grosse Choroper, und eine Höchstleistung ist auch die des von Michael Clark perfekt vorbereiteten Chors (Chor des Theater Basel, Extrachor des Theater Basel und Knabenkantorei Basel).
Bühnenbild und Kostüme

Herbert Murauer hat für den 1. Akt einen opulenten Salon entworfen, wo die ganze Familie am Tisch sitzt, einen separaten Bereich über dem Salon, fast eine andere Welt, für Liù und Timur, und einen Spielraum der Emotionen und der reinen Liebe für den Manon-Akt am Schluss. Murauer hat auch die Kostüme kreiert: konventionelle Kleider für Calaf, Liù und Timur, mal konventionell mal pompös für Turandot und für die Statisterie Theater Basel.
Eine beeindruckende, aussergewöhnliche Produktion, diese neue am Theater Basel: am Ende der Vorstellung schenkte das zahlreiche Publikum den Protagonisten, dem Maestro, dem Orchester und dem ganzen Produktionsteam einen langen, warmen, einhelligen Applaus und viele Bravo-Rufe.
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Text: https://marinellapolli.ch/
Fotos Ingo Hoehn theater-basel.ch/de
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