Wie Drohnen und DNA Ernten retten können - iGEM2021: HHU-Projekt CereX


Das sechste Jahr in Folge haben sich Studierende der Heinrich-Heine-
Universität Düsseldorf (HHU) zusammengefunden, um an „international
Genetically Engineered Machine (iGEM)“, dem größten Wettbewerb im Bereich
der synthetischen Biologie weltweit, teilzunehmen. Die Studierenden haben
ein Jahr Zeit, um ein Projekt zu konzeptionieren, Gelder zu akquirieren
und das Projekt umzusetzen. Ihr Motto dabei lautet: „Lokale Menschen lösen
lokale Probleme“.
Das diesjährige Team will ein System entwickeln, welches Stress in
Pflanzen sowohl frühzeitig identifizieren als auch feststellen kann, woran
die Pflanzen leiden. Landwirte können so wesentlich schneller
Pflanzenschutzmaßnahmen einleiten, um ihre Felder effektiver zu schützen.
Die gewonnenen „Stressdaten“ sollen zusätzlich maschinell ausgewertet
werden, um unter anderem die Ausbreitung von Pflanzenkrankheiten besser
vorhersehen zu können.
„Der effiziente Ressourceneinsatz ist eine der großen Herausforderungen
dieses Jahrhunderts, dies gilt vor allem für den Ackerbau. Die
Landwirtschaft muss mit der stetig wachsenden Bevölkerung zwangsläufig
effizienter werden. Gleichzeitig kommt es zu hohen Ernteverlusten aufgrund
von Pflanzenpathogenen. Genau da möchten wir ansetzen”, umreißt Wasim
Djamriani, Mitglied des iGEM-Teams der HHU, das Ziel ihres Projekts
„CereX“.
Pflanzen sind aufgrund ihrer stationären Natur der Umwelt stärker
ausgesetzt als andere Lebewesen: Sie können nicht umziehen, wenn sich die
Bedingungen verschlechtern. Sieht sich die Pflanze mit einer
Herausforderung konfrontiert, so kommt es – wie beim Menschen auch – zu
einer Stressreaktion. Reize, die zu solch einer Reaktion führen,
bezeichnet man als „Stressoren“, wobei zwischen sogenannten biotischen und
abiotischen Stressoren unterschieden wird.
Abiotische Stressoren kommen aus der unbelebten Umwelt –beispielsweise
lange Trockenperioden –, während biotische Stressoren mit anderen
Lebewesen zusammenhängen. Dies können zum Beispiel pathogene Erreger sein.
Ist eine Pflanze chronisch bestimmten Stressoren ausgesetzt, führt es zu
signifikanten Ertragsminderungen, bis hin zum Verlust ganzer Ernten.
In der Praxis will das CereX-Team eng mit Landwirten zusammenarbeiten. In
regelmäßigen Intervallen sollen die Felder der Bauern mit Drohen
überflogen werden, die mit speziellen Kameras ausgestattet sind und die
Fotosynthese-Aktivität der Pflanzen registrieren. Mithilfe verschiedener
Algorithmen kann dann zwischen biotischen und abiotischen Stressherden
unterschieden werden. Bei biotischem Stress begeben sich die Studierenden
in das Feld und benutzen ihren Test, um den pathogenen Erreger zu
identifizieren.
Für die Pathogenidentifikation arbeitet das Team an einem Schnelltest,
welcher einem Schwangerschafts- oder Corona-Schnelltest ähnelt. Während in
letzteren oftmals Antikörper benutzt werden, setzt das iGEM-Team
sogenannte Aptamere ein. Sie sind im Vergleich zu Antikörpern einfacher
und günstiger herzustellen. Als Zielmoleküle, auch „Targets“ genannt,
dienen die Pathogene selbst.
Für die Erreger müssen dann zwei unterschiedliche Aptamere generiert
werden, die wie ein Antikörper mit dem Target binden. Eines der Aptamere
wird mit Goldnanopartikeln versehen. Der zweite Aptamer sitzt an der
Testlinie. Sobald die Probe auf den Teststreifen getropft wird, wandert
die Flüssigkeit den Streifen entlang. Ist das Target in der Probe
enthalten, so bindet der erste Aptamer mit den Goldpartikeln und dieser
Komplex bindet an dem zweiten Aptamer, wo dann eine rote Linie sichtbar
wird. Neben der Testlinie befindet sich üblicherweise noch eine
Kontrolllinie, die immer rot ist. Die rote Farbe rührt von den
Goldnanopartikeln her. Somit signalisieren zwei rote Linien ein positives
Testergebnis und das Vorhandensein eines spezifischen Pathogens.
Der synthetisch-biologische Anteil des Projektes findet sich vor allem im
Projekt „Ampelpflanze“ wieder. Dabei wird eine Pflanze der Art Arabidopsis
thaliana (Ackerschmalwand) genetisch modifiziert, sodass sich die Blätter
der Pflanze bei Stresseinwirkung verfärben. Das Blatt einer gesunden
Pflanze ist demnach grün, bei Trockenstress färbt sich das Blatt gelb und
bei einem Pathogen-induzierten Stress ändert sich die Farbe zu rot. Dem
Team dient dies primär als konzeptioneller Beweis und ermöglicht
verschiedene Versuche: So soll beispielsweise die Sensitivität des Tests
bestimmt sowie ermittelt werden, ab und in welchen Stadien der Infektion
ein positives Ergebnis zu erwarten ist.
Beim Finale im Oktober, dem sogenannten „Giant Jamboree“ in Paris, werden
die Projekte aller teilnehmender Gruppen von der Jury nach verschiedenen
Kriterien bewertet. Dabei wird nicht nur die wissenschaftliche Umsetzung
bewertet, sondern vor allem die Kommunikation des Teams mit seinem Umfeld;
dazu zählen Gespräche mit Experten, Unternehmen, aber auch Feedback von
potenziellen Kunden.
Das Düsseldorfer Team hat bereits Gespräche mit verschiedenen Professoren
geführt, um das Projekt auf Herz und Nieren zu prüfen. Dieser
Kommunikationsschwerpunkt unterscheidet iGEM auch von anderen
Wettbewerben. Es ähnelt insgesamt mehr an das Aufbauen eines Start-ups als
an einen klassischen Projektwettbewerb.
„Die letzten sieben Monate waren eine wertvolle Erfahrung für mich als
angehende Wissenschaftlerin“, so Teammitglied Eva-Helena Aden: „Gerade
während der Pandemie hat iGEM mir die Möglichkeit geboten, nicht nur
theoretische und praktische Kompetenzen im Umgang mit einem
wissenschaftlichen Projekt zu gewinnen, sondern auch, um mit meinen
Mitstudierenden über die Grenzen unserer Universität hinaus in Kontakt zu
treten.“
Team CereX
Der Name CereX ist eine Komposition aus den Begriffen Ceres und SELEX.
Hierbei ist Ceres das römische Pendant zu Demeter, der Göttin des
Ackerbaus und der Fruchtbarkeit. SELEX ist ein Akronym für „Systematic
Evolution of Ligands by EXponential Enrichment“ und bezeichnet den Prozess
der Aptamer-Generierung.
Strukturiert sind die iGEM-Teams in drei Kategorien. Die treibende Kraft
des Projekts sind die sogenannten „Member“, in diesem Jahr elf
Studierende. Mit Rat und Tat beiseite stehen ihnen die „Advisor“, die
allesamt schon ein iGEM-Jahr erfolgreich hinter sich gebracht haben. Als
oberste wissenschaftlich-leitende Instanz hat das Team zwei „Primary
investigator“, zum einen Prof. Dr. Oliver Ebenhöh vom Institut für
quantitative und theoretische Biologie und zum anderen Prof. Dr. Nicole
Linka vom Institut Biochemie der Pflanzen an der HHU. Zusätzlich
unterstützen Professorinnen und Professoren von verschiedensten Instituten
das Team nach besten Kräften.
Der iGEM-Wettbewerb
iGEM steht für „international Genetically Engineered Machine“. 2003 am
Massachusetts Institute of Technology in den USA ins Leben gerufen,
richtet die iGEM-Foundation einen internationalen Wettbewerb aus, bei dem
studentische Teams selbstständig Projekte im Bereich der synthetischen
Biologie auf die Beine stellen. In der synthetischen Biologie werden neue
Mechanismen durch Kombination von Komponenten verschiedener Organismen
erschaffen. Dieses Jahr beteiligen sich 364 studentische Teams aus über 42
Ländern. Bereits dreimal haben die Düsseldorfer Studierenden Goldmedaillen
gewonnen.
Die Forschungsprojekte orientieren sich an aktuellen Themen und versuchen,
entweder nützliche neue Werkzeuge und Verfahren für die Wissenschaft zu
entwickeln oder bestehende Probleme von Industrie, Medizin und Umwelt zu
lösen. Das übergeordnete Ziel des Wettbewerbs ist es, die Welt über die
Möglichkeiten der synthetischen Biologie aufzuklären und mit den Projekten
zu verbessern. Ein knappes Dreivierteljahr haben die teilnehmenden Teams
Zeit, ihr Projekt von der Ideenfindung bis zur finalen Präsentation
voranzutreiben. Dabei müssen sie sowohl den wissenschaftlichen Teil im
Labor selbst organisieren, als auch sich um Unterstützung durch Sponsoren
kümmern.
Wasim Djamriani für iGEM 2021 / Redaktion: Arne Claussen