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Kleinstsatellit UWE-4 auf dem Weg in den Orbit

UWE-4 mit aktiven Elektroantrieben in seiner Umlaufbahn, Montage.  (Bild: Klaus Schilling/Uni Würzburg)
UWE-4 mit aktiven Elektroantrieben in seiner Umlaufbahn, Montage. (Bild: Klaus Schilling/Uni Würzburg)
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UWE-4 mit aktiven Elektroantrieben in seiner Umlaufbahn, Montage.  (Bild: Klaus Schilling/Uni Würzburg)
UWE-4 mit aktiven Elektroantrieben in seiner Umlaufbahn, Montage. (Bild: Klaus Schilling/Uni Würzburg)

Kurz vor Ende des Jahres 2018 lassen Raumfahrtinformatiker der Uni
Würzburg den bereits vierten Experimentalsatelliten ins All bringen.
„UWE-4“ wird erstmals Elektro-antriebe nutzen, um seine Umlaufbahn
kontrollieren zu können.

Wenn am 27. Dezember am Himmel an der südlichen Grenze von Russland zu
China ein leuchtender Streifen zu sehen ist, handelt es sich dabei nicht
um eine leicht verspätete, weihnachtliche Sternschnuppe. Es sind die
feurigen Antriebe einer Soyuz-Fregat-Träger-rakete, die sich vom Kosmodrom
Wostotschny auf den Weg macht, UWE-4, den vierten „Universität Würzburg
Experimentalsatelliten“ (UWE), mit an Bord.

„UWE-4 entwickelt wiederum im UWE-Programm innovative Technologien weiter,
um die Raum¬fahrt kleiner, kostengünstiger und effizienter zu machen.
Dabei werden die Defizite der Miniaturisierung durch fortgeschrittene
Software ausgeglichen, um robust in den widrigen Umgebungsbedingungen des
Weltraums zu überleben. UWE-1 hat als erster deutscher Pico-Satellit –
bereits 2005 gestartet – schon einen Platz im Deutschen Museum gefunden.“

UWE-4 soll in etwa 585 Kilometern Höhe ausgesetzt werden. Auch mit an Bord
sind die Erd-beobachtungssatelliten Kanopus-V 5&6 (Russland), Samson 1, 2,
3 (vom Technion in Haifa in Israel) und 12 Dove Nano-Satelliten (von der
US-Firma Planet). Aufgrund der recht niedrigen Umlaufbahn kreist UWE-4
etwa 16-mal am Tag um die Erde. Wenn er über die Bodenstation an der
Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) fliegt, kann er für maximal
12 Minuten Kontakt aufnehmen und seine angesammelten Daten übertragen. In
der Zwischenzeit führt er seine Aufgaben selbständig aus.

Erstmals Elektro-Antrieb in kleinster Satellitenklasse

UWE-4 wird erstmals Elektro-Antriebe in der Klasse der Pico-Satelliten –
das sind Kleinst-Satelliten bis zu einem Kilogramm Gewicht –  nutzen, um
damit auch die eigene Umlaufbahn kontrollieren zu können. Bisher konnte
nur die Ausrichtung gezielt verändert werden. „Inso-fern ist dies ein
neuer Meilenstein für die Welt der Kleinstsatelliten, der hier gemein¬sam
mit den Partnern von der Technischen Universität Dresden realisiert
wurde“, sagt Professor Klaus Schilling, Ordinarius am Informatik-Lehrstuhl
„Robotik und Telematik“ an der JMU.

UWE-4 wurde unter Federführung von Dr. Philip Bangert und Alexander
Kramer, die als Doktoranden in der Informatik tätig waren, und zahlreicher
Studenten realisiert. Sie  konnten so mit ihren Beiträgen bereits während
des Studiums praktische Erfahrung in einem Weltraumprojekt sammeln, was
von den späteren Arbeitgebern in der Raumfahrtindustrie und an
Forschungsinstituten sehr geschätzt wird.

Man nutzt bei UWE-4 sogenannte FEEP-Antriebe (Field Emission Electric
Propulsion). Eine Nadel wird mithilfe von Kapillarkräften mit dem
Flüssigtreibstoff Gallium benetzt. Gallium ist ein Metall, das bereits
knapp über Raumtemperatur flüssig wird. Durch die angelegte hohe Spannung
von bis zu 12 kV können einzelne Gallium-Ionen von der Nadel gelöst und
durch eine Lochkathode in den Weltraum beschleunigt werden. Die Ionen
werden dabei auf eine Geschwindigkeit von bis zu acht km/s beschleunigt.
Dieser Impuls bewirkt nun nach dem Rückstoß-Prinzip eine Bewegung des
Satelliten in die entgegengesetzte Richtung.

UWE 4 ist mit vier Triebwerken ausgestattet, die jeweils lediglich 0,25 g
Treibstoff zur Ver¬fü-gung haben. Durch diesen treibstoff-effizienten
Elektroantrieb kann er über ein Jahr Störun-gen seiner Umlaufbahn
korrigieren. Nach Ende seiner Mission wird er so gezielt auf einen
Ab¬¬¬sturzorbit gebracht werden und kann damit seine Verweildauer im All
um mehrere Jahre verringern.

Weitere technische Fortschritte bei UWE-4 liegen im Bereich der
Lageregelung mit effizien-teren und genaueren Sensoren, insbesondere
miniaturisierten Kameras als Sonnensensoren, sowie ein neues
Inertialmeßsystem, das sich jeweils in 3 Achsen aus Kreiseln, Magnetfeld-
und Beschleunigungs- Messgeräten zusammensetzt. Außerdem wurde das
aktuelle Modell um eine Hochgeschwindigkeits-Kommunikationsleitung
erweitert, um große Datenmengen schnell übertragen zu können.

Die Datenspeicherkapazität wurde gegenüber UWE-3 mehr als verzehnfacht. Es
wurden dafür ausschließlich Teile genutzt, die frei zugänglich in
Elektronik- und Technikfachgeschäften gekauft werden können. Die fürs All
erforderliche Robustheit wird durch fortgeschrittene Redundanzen und
intelligente Fehlerbehandlungs-Software erzielt. Mit einer ersten Version
dieses Konzepts wurde hier bereits beim UWE-3-Bordcomputer – zur
Überraschung der Fachwelt – ein bisher schon über fünf Jahre dauernder,
unterbrechungsfreier Betrieb sichergestellt.

Steuerung aus Würzburg

Aktuell sind Bangert und Kramer im Kosmodrom Wostotschny, um letzte
Vorbereitungen vor dem Start durchzuführen. Mit der in Würzburg ebenfalls
neu entwickelten „Compass“-Kommunikationstechnologie sind alle in der
Mission beteiligten Hardware-Komponenten miteinander in einem globalen
Netzwerk verbunden. So haben die Mitarbeiter selbst im tausende Kilometer
entfernten Wostotschny Zugriff auf die Infrastruktur in Würzburg,
insbesondere auch auf das Satelliten-Testmodell, an dem weiter Updates und
andere Eingriffe simuliert werden können.

An 18 weiteren Satelliten wird bereits gearbeitet

Die Nachfolgemissionen werden bereits intensiv vorbereitet: Während die
JMU sich auf die Grundlagenforschung bei einzelnen Pico-Satelliten
konzentriert, setzt das „Zentrum für Telematik“ Schwerpunkte bei
kooperierenden Satelliten und wissenschaftlichen Anwendungen. Es wird hier
aktuell an Satellitenformationen für die Verbesserung von Klimavorhersagen
gearbeitet. Im Projekt „CloudCT“, gefördert durch einen „ERC Synergy
Grant“, nutzen zehn Kleinst-Satelliten innovativ Methoden der
Computertomographie, um scheibchenweise die innere Struktur der Wolken,
und insbesondere deren Wassergehalt zu erfassen.

In dem vom Bayerischen Wirtschaftsministerium im Rahmen der
internationalen Kooperation mit Partnerregionen geförderten Projekt TOM
(Telematics earth Observation Mission) arbeiten drei Kleinsatelliten
zusammen, um mit Beobachtungen aus verschiedenen Blickrichtungen
dreidimensionale Bilder der Erdoberfläche zu erzeugen und damit in
Katastrophenfällen (etwa Vulkanausbrüche oder Erdbeben) wichtige
Zusatzinformationen an Rettungskräfte liefern zu können.

UWE-4 wurde mit Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und
Technologie durch das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
gefördert.