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Diabetes: In Dresden entsteht bundesweit einzigartiges Zentrum für Forschung, Lehre und Therapie

v.l.n.r. Wilfried Winzer, Vorstand UKDD, Dr. Andreas Handschuh, Kanzler TUD, Prof. Heinz Reichmann, Dekan, Prof. Michele Solimena, Prof. Stefan Bornstein, Uwe Gaul, SMWK, Prof. Michael Albrecht  UKD/Marc Eisele
v.l.n.r. Wilfried Winzer, Vorstand UKDD, Dr. Andreas Handschuh, Kanzler TUD, Prof. Heinz Reichmann, Dekan, Prof. Michele Solimena, Prof. Stefan Bornstein, Uwe Gaul, SMWK, Prof. Michael Albrecht UKD/Marc Eisele
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v.l.n.r. Wilfried Winzer, Vorstand UKDD, Dr. Andreas Handschuh, Kanzler TUD, Prof. Heinz Reichmann, Dekan, Prof. Michele Solimena, Prof. Stefan Bornstein, Uwe Gaul, SMWK, Prof. Michael Albrecht  UKD/Marc Eisele
v.l.n.r. Wilfried Winzer, Vorstand UKDD, Dr. Andreas Handschuh, Kanzler TUD, Prof. Heinz Reichmann, Dekan, Prof. Michele Solimena, Prof. Stefan Bornstein, Uwe Gaul, SMWK, Prof. Michael Albrecht UKD/Marc Eisele

Mit dem offiziellen ersten Spatenstich hat am 3. Dezember der Bau
des neuen Zentrums für Metabolisch-Immunologische Erkrankungen und
Therapietechnologien Sachsen der Medizinischen Fakultät an der Technischen
Universität Dresden und des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus
begonnen. In den kommenden Monaten entsteht an der Ecke Augsburger /
Fiedlerstraße ein moderner Forschungsneubau, in dem Experten der Inneren
Medizin, Endokrinologie, Immunologie, Chirurgie, Transplantationsmedizin,
Zellbiologie und den Materialwissenschaften gemeinsam neue medizinische
Ansätze entwickeln. Bund und Land unterstützen den Neubau, für den
Investitionen über 35,5 Millionen Euro notwendig sind.

2023 soll die Arbeit in dem Zentrum beginnen. Wissenschaftler und
Mediziner wollen hier neue Methoden für die Diagnostik, Therapie und
Vorbeugung von Stoffwechselkrankheiten wie Diabetes entwickeln. Der Aufbau
von hochmodernen Kommunikationsschnittstellen zwischen Patienten, Ärzten
und Wissenschaftlern sowie zu digitalen Daten wird international
wegweisend für die zukünftige Behandlung nicht nur von Diabetespatienten
sein.

In Deutschland leiden mehr als acht Millionen Menschen unter Diabetes, der
hinsichtlich der Häufigkeit und Sterblichkeit an vierter Stelle aller
Erkrankungen steht. Denn die Folge der Stoffwechselkrankheit ist nicht nur
ein sichtbares Übergewicht. Diabetes heißt auch, ein gesteigertes
Herzinfarktrisiko, die Gefahr zu erblinden oder Durchblutungsstörungen zu
entwickeln. In den letzten 20 Jahren stieg in Deutschland die Zahl der
Betroffenen um fast 40 Prozent. Unter der älteren Bevölkerung ist jeder
Fünfte daran erkrankt. Allein in der Bundesrepublik steigt die Zahl der
Diabetespatienten jeden Tag um 1.000 Menschen. Weltweit sind eine halbe
Milliarde Menschen von dieser Zivilisationskrankheit betroffen. Dies
bringt gesellschaftliche und sozio-ökonomische Herausforderungen für
Politik, Gesellschaft und Wirtschaft mit. „Um die epidemische Ausbreitung
zu mindern und für Patienten neue komplikationsarme Behandlungsansätze zu
entwickeln, müssen wir ausgetretene Pfade verlassen“, sagt Prof. Stefan R.
Bornstein, Sprecher des Zentrums für Metabolisch-Immunologische
Erkrankungen und Therapietechnologien Sachsen (MITS). „Es bedarf breit
gefächerter interdisziplinärer Ansätze, um die neuen Erkenntnisse aus der
metabolisch-immunologischen Biomedizin hin zu neuartigen und effektiven
Strategien für die Diagnostik und Therapie von Diabetes und seinen
Folgekrankheiten zu entwickeln.“

Ein Beispiel dafür ist ein Bioreaktor: „Man kann ihn sich wie einen
Herzschrittmacher vorstellen. Eine kleine Dose von fünf bis sechs
Zentimetern Durchmesser, die auf das Bauchfell, also unter die Haut,
transplantiert wird“, sagt Prof. Bornstein. In der Dose sind Betazellen
beispielsweise des Schweins verpackt und so vor den Abwehrmechanismen des
menschlichen Körpers geschützt. Über einen Port werden die Zellen von
außen mit Sauerstoff versorgt, über eine Membran bekommen sie körpereigene
Nährstoffe. Der Reaktor kann selbstständig nach Bedarf Insulin produzieren
und an den Körper abgeben. Die Gabe von Insulin über Spritze oder Pumpe in
den Körper wäre damit überflüssig. Bis der Bioreaktor allen Menschen mit
Typ-1 Diabetes helfen kann, müssen Mediziner, Zellbiologen, Ingenieure und
Materialwissenschaftler weiter forschen. Das MITS wird dafür das Zentrum
sein.

„Es geht um ein neues, innovatives Verständnis, wie die Regulation des
Immunsystems funktioniert“, fährt der MITS-Sprecher fort. Unter anderem
sollen Mechanismen erforscht werden, die eine Abstoßung von Zellen und
Organen durch das eigene Immunsystem sowie die Entstehung und das
Fortschreiten der Krankheit verhindern. Zudem wollen die Wissenschaftler
im MITS neue Materialien testen, die im menschlichen Körper die Stamm-
oder Spenderzellen vor Abstoßung schützen. Es geht um Prävention und um
Heilung. Folgeerkrankungen an Gefäßen, Herz, Niere, Leber sowie an den
Knochen, die durch Diabetes und andere Stoffwechselerkrankungen
hervorgerufen werden, sollen verhindert und die Regeneration der
Zellfunktionen ermöglicht werden. „Und wir wollen die neuen Technologien
und Therapien auch am Patienten anwenden“, sagt Prof. Stefan R. Bornstein.
„Ärzte des Universitätsklinikums und Wissenschaftler der Medizinischen
Fakultät der TU Dresden arbeiten Hand in Hand“, so Prof. Dr. D. Michael
Albrecht, Medizinischer Vorstand des Universitätsklinikums Dresden. „Damit
stellt dieses Institut die klassische Translationsfunktion des
Hochschulmedizinstandortes Dresden dar.“

Prof. Michele Solimena, Sprecher des Paul Langerhans Instituts Dresden des
Deutschen Zentrums für Diabetesforschung und Professor für Molekulare
Diabetologie an der Medizinischen Fakultät Dresden profitiert bereits
davon. Zusammen mit seinem Team erforscht er die Funktionsweise der
Betazellen – unter anderem auch mithilfe von menschlichen Gewebeproben.
Die Betazellen der Bauchspeicheldrüse sind die einzigen Zellen, die im
menschlichen Körper das blutzuckersenkende Hormon Insulin freisetzen. Die
autoimmune Zerstörung der Betazellen lässt den Typ-1 Diabetes entstehen,
wohingegen eine beeinträchtigte Insulinausschüttung eine Rolle beim
Entstehen des Typ-2 Diabetes spielt. Mit dem Wissen über die
Funktionsweise der Zellen und der Abläufe im Körper beim Fortschreiten der
Erkrankung könnte Diabetes langfristig verhindert beziehungsweise
bestehende Therapien optimiert werden. Unter anderem arbeiten verschiedene
Forschungsgruppen bereits daran, die im Bioreaktor eingesetzten Zellen
weiter zu verbessern. „Das MITS bietet exzellente Möglichkeiten,
Wissenschaftler auf dem Gebiet der Diabetesforschung zusammenzubringen“,
sagt Prof. Michele Solimena.

Mit dem Zentrum für Metabolisch-Immunologische Erkrankungen und
Therapietechnologien Sachsen (MITS) bekommen Dresden und Sachsen ein
weiteres Domizil der Spitzenforschung. Hier arbeiten Wissenschaftler und
Mediziner in
13 Arbeitsgruppen Hand in Hand, auch um eine bessere Patientenversorgung
zu gewährleisten. „Damit werden Arbeitsbedingungen für Wissenschaftler und
Ärzte geschaffen, die deutlich über dem internationalen Standard liegen
und die zukunftsweisende Forschung am Standort Dresden weiter beflügeln
werden“, sagt Prof. Heinz Reichmann, Dekan der Medizinischen Fakultät der
TU Dresden. Mit dem MITS wird das deutschlandweit einzigartige Konzept
einer eng verzahnten synergistischen Arbeitskette von zellulärer bis
metabolischer Regeneration umgesetzt. Die enge Verzahnung innerhalb der
über 2.000 Quadratmeter Forschungsfläche des MITS wird die internationale
Wettbewerbsfähigkeit der Medizinischen Fakultät und des
Universitätsklinikums Dresden weiter stärken. Zu sehen ist diese
Innovation künftig auch an der Fassade des Neubaus. Dort stellen
verschiedene Öffnungen die kreisrunde Struktur des Bioreaktors dar. „Das
MITS soll Wahrzeichen für Innovation in Dresden und Sachsen sein“, sagt
Prof. Stefan R. Bornstein.

„Der Neubau ist der Startschuss für ein weiteres Domizil der
Spitzenforschung. Mittelfristig ist diese Investition auch ein Garant für
eine bessere Patientenversor-gung, da genau hier die neuen Erkenntnisse
gewonnen werden, die später in die Therapie einfließen werden. Für
Wissenschaftler aus allen Ländern wird das MITS künftig eine erste Adresse
sein. Stoffwechselerkrankungen sollen hier nicht nur therapiert, sondern
sogar verhindert werden. Die 35,5 Millionen Euro für dieses Bauvorhaben
ist daher eine höchst sinnvolle Investition in die Zukunft, in die wir –
vor dem Hintergrund der Erwartungen an die Medizin – dann auch zum Glück
optimistisch blicken dürfen“, erklärt Sachsens Wissenschaftsministerin Dr.
Eva-Maria Stange.

Der Neubau entsteht direkt neben dem Medizinisch-Theoretischen Zentrum
(MTZ) der Medizinischen Fakultät an der Fiedlerstraße, das im Jahr 2000
eröffnet wurde. Bevor der Bau des MITS beginnen konnte, wurde eine
Industriebrache abgerissen. Abriss und Neubau kosten über 28 Millionen
Euro. Für Erstausstattung und Großgeräte sind weitere sieben Millionen
Euro notwendig. Unter anderem wollen die Wissenschaftler damit den
Stoffwechsel im Organismus vollständig erfassen, Zellen isolieren und
einen Einblick in die Zellfunktionen erhalten.