Kein politikfreier Ort. Nirgends
„Den Schutz der Verfassung kann man auch in einer funktionierenden
Demokratie nur begrenzt allein den Institutionen überlassen“, konstatiert
der angesehene Staatsrechtler Prof. Dr. Christoph Möllers in seinem
Vortrag zur feierlichen Semestereröffnung an der Hochschule für Wirtschaft
und Recht (HWR) Berlin Mitte April 2017.
Bei allem Fortschrittsglauben dürfe nicht unterschätzt werden, welche
Auswirkungen die „Rückabwicklung demokratischer Rechtsstaatlichkeit“, wie
sie in vielen Ländern, europäischen eingeschlossen, zu beobachten sei,
auch auf Deutschland habe. „Der stabile Zustand, den wir nach wie vor
hierzulande genießen, ist keineswegs selbstverständlich“, betont Möllers
in seinem Diskurs über den "Schutz der Verfassung durch Recht in Zeiten
des Autoritarismus".
Im Rahmen des Studium Generale der HWR Berlin stellt der Professor für
Öffentliches Recht und Rechtsphilosophie der Humboldt-Universität zur
Disposition, ob das Grundgesetz eines Staates das Abgleiten einer
Demokratie in eine autoritäre Ordnung verhindern könne. Diese Frage ist
beispielsweise angesichts des aktuellen Referendums in der Türkei und
anstehender Wahlen in Frankreich und Großbritannien relevanter denn je.
Entgegen der weit verbreiteten Erwartung sei es durchaus gegeben, dass
sich Demokratien selbst abschaffen, belegt der prominente
Rechtswissenschaftler. Problematisch sei vor allem, dass „quasi-
demokratische“ Verfahren und Prozesse zur Legitimation der Unterwanderung
demokratischer Grundfesten angewendet werden. Diese Intention im
Einzelfall zu erkennen und eine kritische Masse der Bevölkerung zu
mobilisieren, um dem frühzeitig entgegenzuwirken sei umso schwieriger, als
es keine Standardisierung des Nationalismus‘ gebe.
Es sei das gute Recht einer und eines jeden, sich unpolitisch zu wähnen
und zu geben, sagt Rechtsphilosoph Möllers der studentischen und
akademischen Zuhörerschaft und sieht nichts Unmoralisches darin, nie von
öffentlicher Meinungs- und Versammlungsfreiheit Gebrauch zu machen, nicht
an Demonstrationen teilzunehmen. Allerdings gibt er zu bedenken: „Sie
werden die Politik eh nicht los, egal, ob Sie sich in Ihre Privatheit
zurückziehen oder nicht. Politikfreie Räume existieren nicht.“ Nicht
selten erfahren Bürgerinnen und Bürger durch ihre berufliche Tätigkeit zum
Beispiel im öffentlichen Dienst, zumal als Beamt/innen, eine
Rollendoppelung. Ordnungen anzuerkennen, ohne sich darin zu verlieren,
kritische Distanz zu wahren, ohne die Loyalität aufzugeben, dies sei nur
in der Demokratie möglich, ist Möllerst überzeugt.
„Hochschulen sind demokratische Orte“, richtet sich Prof. Dr. Andreas
Zaby, Präsident der HWR Berlin, in seiner Begrüßungsrede an die
Studierenden. Er ermutigt sie, sich neben dem Studium zu engagieren, in
Hochschulgremien und anderen Bereichen der Zivilgesellschaft ehrenamtlich
aktiv zu werden. „Das ist eine hervorragende Lernerfahrung“, sagt Zaby und
ruft zur Beteiligung am „March for Science“ am kommenden Samstag in Berlin
auf. Mit dem Marsch für die Wissenschaft, der am 22. April weltweit
stattfindet, wollen Wissenschaftler/innen und Unterstützer/innen ein
Zeichen dafür setzen, dass „Wissenschaft ein unabdingbarer Teil von
Demokratie ist“. Die Veranstalter/innen sehen in der um sich greifenden
Wissenschaftsfeindlichkeit, von der Leugnung des Klimawandels bis hin zum
Rassismus, eine Bedrohung der offenen demokratischen Gesellschaft. Es gibt
eben keinen politikfreien Ort. Nirgends.
Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin
Die Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR) Berlin ist mit über 10 000
Studierenden eine der großen Hochschulen für angewandte Wissenschaften –
mit ausgeprägtem Praxisbezug, intensiver und vielfältiger Forschung, hohen
Qualitätsstandards sowie einer starken internationalen Ausrichtung. Das
Studiengangsportfolio umfasst Wirtschafts-, Verwaltungs-, Rechts- und
Sicherheitsmanagement sowie Ingenieurwissenschaften in mehr als 50
Studiengängen auf Bachelor-, Master- und MBA-Ebene. Die HWR Berlin
unterhält aktuell rund 170 aktive Partnerschaften mit Universitäten auf
allen Kontinenten und ist Mitglied im Hochschulverbund „UAS7 – Alliance
for Excellence“. Als eine von Deutschlands führenden Hochschulen bezüglich
der internationalen Ausrichtung von BWL-Bachelorstudiengängen belegt die
HWR Berlin Spitzenplätze im deutschlandweiten Ranking des CHE Centrum für
Hochschulentwicklung und nimmt auch im Masterbereich vordere Plätze ein.
Aus einer bundesweiten Umfrage von DEUTSCHLAND TEST ist die Hochschule
2017 wiederholt als „TOP Business School“ im Weiterbildungsbereich
hervorgegangen. Die HWR Berlin unterstützt die Initiative der
Hochschulrektorenkonferenz „Weltoffene Hochschulen – Gegen
Fremdenfeindlichkeit“.
www.hwr-berlin.de