Zum Hauptinhalt springen

Musikinstrument aus der Eiszeit

Pin It

Tübinger Wissenschaftler präsentieren rund 40.000 Jahre altes Fragment
einer Knochenflöte – Höhlenfundstellen der Schwäbischen Alb könnten im
Juli zum Weltkulturerbe werden

Schon vor 40.000 Jahren haben Menschen Musik gemacht. Dies ist bekannt,
seit in den Höhlen der Schwäbischen Alb die ältesten Musikinstrumente
weltweit gefunden wurden: Fragmente von Flöten, die Höhlenbewohner während
der Eiszeit aus den Knochen von Schwänen und Gänsegeiern oder aus
Mammutelfenbein schnitzten.

Professor Nicholas Conard vom Senckenberg Centre for Human Evolution and
Palaeoenvironment der Universität Tübingen, Leiter der Abteilung Ältere
Urgeschichte und Quartärökologie, hat heute ein weiteres Fragment erstmals
der Öffentlichkeit präsentiert: Die Knochenflöte aus der Vogelherdhöhle
ist 42 Millimeter lang und misst im Durchmesser 9,0 Millimeter. Die
archäozoologische Bestimmung ergab, dass es sich um einen Knochen in
Gänsegeiergröße handelt, der Mittelteil wurde vor rund 40.000 Jahren zum
Instrument umgearbeitet. Zwei Ansätze von Grifflöchern sowie die
charakteristische Überarbeitung der Oberfläche zeigen, dass hier eine
Flöte vorliegt.

Die Flöte wurde im Jahr 2015 bei Sortierarbeiten der ausgeschlämmten
Sedimente entdeckt. Diese Sedimente waren zuvor in tausende Plastiksäcke
verpackt, sie wurden nach und nach geschlämmt und die darin befindlichen
Artefakte im Anschluss nach Fundkategorien aussortiert. Die Flöte wird ‒
neben den anderen eiszeitlichen Fundstücken aus den Höhlen ‒ in der
Jubiläumsausstellung „Ursprünge“ im Museum der Universität Tübingen (MUT)
zu sehen sein (www.unimuseum.de).

In den Höhlen der Schwäbischen Alb wurden bereits einige gesicherte
eiszeitliche Flöten aus Vogelknochen und Elfenbein gefunden.
Experimentelle Nachbauten haben gezeigt, dass es sich tatsächlich um
Flöten handelt, mit denen man musizieren kann.

Die Vogelherdhöhle im Lonetal bei Niederstotzingen ist eine der
bedeutendsten archäologischen Fundstellen Deutschlands. Hier wurden schon
1931 die ersten figürlichen Kunstwerke ausgegraben, die heute im Museum
der Universität, „Alte Kulturen“, auf Schloss Hohentübingen zu sehen sind.
Neugrabungen der Universität Tübingen zwischen 2005 und 2012 lieferten
zahlreiche weitere Funde, die Auswertung dauert bis heute an. Vom
Vogelherd stammen mit Abstand die meisten figürlichen Kunstwerke und
Flötenfragmente, darunter das berühmte Mammut. Im Jahr 2006 gefunden, ist
es heute im Archäopark Vogelherd in direkter Nähe zur Fundstelle
ausgestellt.

Im Juli entscheidet die UNESCO über die Aufnahme von sechs
Höhlenfundstellen in den Tälern der Ach und der Lone (Schwäbische Alb) in
die Welterbeliste. In vier eiszeitlichen Fundstellen in den dortigen
Höhlen wurden die frühesten Belege für figürliche Kunst und
Musikinstrumente weltweit gefunden. Nicht umsonst gilt diese Region als
Ort des „Weltkultursprungs“ (http://welt-kultursprung.de/)

.

„Kulturelle Ursprünge sind ebenso wissenschaftlich faszinierend wie
historisch fragil. Gerade deshalb möchte unsere Jubiläumsausstellung
‚Ursprünge. Schritte der Menschheit‘ die Anfänge wichtiger kultureller
Entwicklungen in Form von historischen und gegenwärtigen Artefakten
buchstäblich greifbar werden lassen“, so MUT-Direktor Professor Ernst
Seidl.