Erstmals Studie zu Hai- und Rochenarten in deutschen Meeren
Eine neue Studie gibt erstmals umfassend Aufschluss
über Vorkommen und Gefährdung von Haien, Rochen und Chimären in der
deutschen Nord- und Ostsee: Zehn Arten gelten als etabliert, jedoch nur
eine einzige Art, der Kleingefleckte Katzenhai, gilt derzeit als
ungefährdet. Die Situation der Knorpelfischarten in den deutschen Meeren
hatten Forscher der Universität Hamburg im Auftrag des Bundesamtes für
Naturschutz (BfN), Abteilung Meeresnaturschutz, untersucht.
● Hamburger Forscherteam analysiert im BfN-Auftrag Vorkommen und
Gefährdung
● Regulierung der Fischerei in deutschen Natura 2000-Gebieten
unverzichtbar
Bonn, 19. April 2017: Eine neue Studie gibt erstmals umfassend Aufschluss
über Vorkommen und Gefährdung von Haien, Rochen und Chimären in der
deutschen Nord- und Ostsee: Zehn Arten gelten als etabliert, jedoch nur
eine einzige Art, der Kleingefleckte Katzenhai, gilt derzeit als
ungefährdet. Die Situation der Knorpelfischarten in den deutschen Meeren
hatten Forscher der Universität Hamburg im Auftrag des Bundesamtes für
Naturschutz (BfN), Abteilung Meeresnaturschutz, untersucht.
„Erstmalig haben Forscher in Deutschland für einen Zeitraum von 390 Jahren
von 1625 bis 2015 solche umfangreichen historischen und aktuellen Daten
über diese Arten zusammen-getragen und in einer Gesamtschau ausgewertet“,
sagt BfN-Präsidentin Prof. Dr. Beate Jessel. „So gelang es, Vorkommen,
Etablierungsstatus, Gefährdungssituation und Schutzmöglichkeiten der
Knorpelfische in den deutschen Meeresgebieten fundiert einzuschätzen“,
erklärt Prof. Dr. Ralf Thiel vom Centrum für Naturkunde der Universität
Hamburg. Im Rahmen der Studie haben die Wissenschaftlerinnen und
Wissenschaftler mehr als 27.500 Nachweise von 19 Knorpelfischarten für die
deutschen Meeresgebiete von Nord- und Ostsee analysiert.
Zehn Arten stufte das Forscherteam als etabliert in den deutschen Meeren
ein. Dies sind Hundshai, Weißgefleckter Glatthai, Kleingefleckter
Katzenhai, Dornhai, Sternrochen, Kuckucksrochen, Nagelrochen, Fleckrochen,
Gewöhnlicher Stechrochen sowie der Glattrochen-Artkomplex. Eine
Chimärenart, drei Rochen- und fünf Haiarten kommen darüber hinaus derzeit
unregelmäßig in deutschen Gewässern vor. Dazu gehören auch die als
Durchzügler anzusehenden Riesenhaie, die beispielsweise 2015 und 2016 im
Gebiet der Doggerbank und in der Nähe des Sylter Außenriffs im Rahmen
verschiedener Schiffs- und Flugsurveys gesichtet wurden.
Jedoch ist die Gefährdungssituation der meisten Knorpelfischarten in den
deutschen Meeresgebieten alarmierend: Der Gewöhnliche Stechrochen und der
Glattrochen sind in deutschen Gewässern ausgestorben bzw. verschollen.
Nagelrochen und Dornhai sind vom Aus-sterben bedroht, Hundshai und
Sternrochen sind stark gefährdet bzw. gefährdet, Kuckucks- und Fleckrochen
gelten als extrem selten. Aufgrund unzureichender Datenlage konnte für den
Weißgefleckten Glatthai keine Gefährdungsanalyse durchgeführt werden. „Es
ist besorgniserregend, dass der Kleingefleckte Katzenhai derzeit die
einzige ungefährdete Knorpelfischart in den deutschen Meeresgebieten der
Nord- und Ostsee ist“, so Prof. Thiel.
Als Haupt-Gefährdungsursachen der Knorpelfische werden die Fischerei,
durch den Menschen verursachte Lebensraumveränderungen, Schadstoffe und
der Einfluss des Klimawandels herausgestellt. In der Studie wird die
Einrichtung von wirksam gemanagten Meeresschutzgebieten als eine
wesentliche Schutzmaßnahme vorgeschlagen. Hierbei könnte die Umsetzung von
fischereilichen Regulierungsmaßnahmen in den bereits ausgewiesenen Natura
2000-Gebieten in der deutschen Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) der
Nordsee einen wichtigen Beitrag leisten. „Diese Maßnahmen, die aktuell auf
EU-Ebene verhandelt werden, umfassen den Ausschluss grundberührender
Fanggeräte zum Schutz besonders wertvoller Lebensräume am Meeresboden. Das
BfN engagiert sich bereits seit mehreren Jahren intensiv für die Umsetzung
effektiver Fischerei-Managementmaßnahmen, auf nationaler wie auf
internationaler Ebene – zu Recht, wie wir auch an diesem Thema wieder
sehen“, erläutert Prof. Jessel. So empfehlen die Wissenschaftler und
Wissenschaftlerinnen auch, dass Schutzmaßnahmen für Knorpelfische im
Bereich der Doggerbank, in dem die Niederlande, Großbritannien und
Deutschland Natura 2000-Gebiete gemeldet haben, einem grenzübergreifenden
Konzept folgen sollten, um eine möglichst hohe Wirksamkeit zu erzielen.
Ein internationales Netzwerk aus Schutzgebieten im Nordseeraum könnte auch
bei der Wiederansiedlung bzw. Erholung von in den deutschen Meeresgebieten
ausgestorbenen oder vom Aussterben bedrohten Hai- und Rochenarten
unterstützend wirken.
Die Studie ist aktuell als Band 450 der Schriftenreihe „BfN-Skripten“
veröffentlicht worden und steht unter nachfolgendem Link zum Download
bereit:
https://www.bfn.de/fileadmin/BfN/service/Dokumente/skripten/Skript450.pdf
Hintergrundinformationen zu Knorpelfischen:
Die Gruppe der Knorpelfische umfasst alle Haie und Rochen und die
eigentümlich aussehenden Chi-mären oder Seekatzen. Ihr Skelett besteht –
daher der Name – aus Knorpel, der durch die Einlagerung von prismatischem
Kalk stellenweise eine hohe Festigkeit aufweist. Die Zähne sind nicht fest
im Kieferknochen verankert, sondern sitzen in meist mehreren Reihen im
Zahnfleisch und werden bei vielen Arten häufig ersetzt. Mit Hilfe
spezieller Rezeptoren können sie selbst schwächste elektromagnetische
Felder wahrnehmen. Anstelle von Schuppen besitzen Knorpelfische kleine
Hautzähnchen.
Weltweit gibt es 509 Hai-, 630 Rochen- und 49 Chimärenarten,
vergleichsweise nur sehr wenige von ihnen sind gemäß Washingtoner
Artenschutzübereinkommen oder regionaler Meeresschutzüberein-kommen streng
geschützt. Beispielsweise für den Dornhai gibt es seit 2010 ein Fangverbot
für EU-Gewässer und für EU-Schiffe.
Manche Knorpelfischarten kommen bis in große Tiefen vor. Die in Nord- und
Ostsee heimischen Arten leben vielfach bodennah, beispielsweise. der
Dornhai. Vor allem Rochen halten sich überwiegend am Meeresboden auf und
ernähren sich von dort versteckt lebenden Weichtieren, Würmern,
Krebstieren und Fischen. Sie reagieren daher besonders empfindlich auf
hohe Fischereiintensitäten und Zerstörungen des Meeresbodens mit seinen
Lebensgemeinschaften.
Weiterführende Informationen:
Fischereimanagement in Meeresschutzgebieten http://www.bfn.de/22827.html
Grundschleppnetzfischerei: http://www.bfn.de/22823.html