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Baumeister Schwarzspecht fehlen die Bräume

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Deutsche Wildtier Stiftung: Wohnungsmangel im Wald macht Rote-Liste-Tiere
obdachlos. In Deutschland wird zu wenig gebaut. Da sind sich die Experten der
Immobilienbranche einig. Auch 2017 wird die niedrige Neubauquote zu einem
verstärkten Mangel an Wohnraum führen; so die Prognose. Auch für Wildtiere
ist das Wohnungsangebot nicht gerade üppig. Es gibt zwar keine Mieten,
doch immer weniger geeignete Lebensräume machen den tierischen
Wohnungssuchenden das Überleben schwer.
Auch kostenloser Wohnraum muss von jemandem gebaut und zur Verfügung
gestellt werden. Der Schwarzspecht ist der perfekte Wohnungsbauer im Wald.
Er legt Baumhöhlen an, die von vielen Tieren ohne Kaution und
Abstandszahlung als Nachmieter genutzt werden. Doch der fliegende
Baumeister hat ein Problem: Es mangelt ihm an geeigneten Bäumen. Und so
bleiben die potentiellen Nachmieter seiner Höhlen wie Bienen und
Rauhfußkäuze, Siebenschläfer und Baummarder sowie das Tier des Jahres 2017
– die Haselmaus – obdachlos. Mit ihnen müssen etwa 50 weitere Arten auf
geeignete Baumhöhle warten.
Der Schwarzspecht hat auf dem „Baumarkt“ einen knallharten Konkurrenten:
die Forst- und Holzwirtschaft. Er konkurriert quasi mit der Kettensäge um
das „Baumaterial“, denn dicke Stämme sind auf beiden Seiten begehrt. Und
der Schwarzspecht fängt erst an zu bauen, wenn die Stämme mindestens 40 cm
dick sind. Rotbuchen sind bei Schwarzspechten besonders beliebt – und bei
den Menschen auch.
Der Schwarzspecht ist nicht nur ein perfekter Baumeister, wenn es um die
eigenen Bedürfnisse geht: Europas größte Spechtart – er ist fast so groß
wie eine Krähe – trägt also im Ökosystem Wald ganz entscheidend zur
Artenvielfalt bei. Ist die Schwarzspecht-Höhle erst gebaut, wird sie
Jahrzehnte lang als Brut- und Wohnstätte genutzt. Sie dient auch als
Versteck und Überwinterungsquartier für viele Tierarten; einige stehen auf
der Roten Liste gefährdeter Arten.
Obwohl Spechthöhlen im Wald dringend benötigt werden, entstehen Neubauten
nur selten. In einem Schwarzspecht-Revier wird etwa alle fünf Jahre eine
neue Höhle gebaut. Das heißt: Auf einer Fläche von zehn Quadratkilometern
liegt die Neubaurate bei weniger als einem Höhlenbaum pro Jahr. Es mangelt
einfach an geeigneten Bäumen.

Im Biosphärengebiet Schwäbische Alb hat die Deutsche Wildtier Stiftung ein
Projekt als Träger begleitet, in dem vor zehn Jahren 282 Schwarzspecht-
Höhlenbäume kartiert, mit GPS erfasst und dauerhaft markiert wurden. 2016
wurden diese Schwarzspecht-Höhlen untersucht, um den Status quo zu
begutachten und die „Nachmieter“ zu besuchen.
Häufigster Nachnutzer von Schwarzspecht-Höhlen im untersuchten Gebiet ist
die Hohltaube. Direkter Vormieter der Hohltaube war entweder der
Baumeister selbst oder Dohlen, die dort gebrütet haben. Es gab sogar 21
Doppelbelegungen: eine Art „WG“ von Hohltauben mit Dohlen,
Schwarzspechten, Bienen und Siebenschläfern.

Um dem fliegenden Häuslebauer zu helfen, empfiehlt die Deutsche Wildtier
Stiftung für das Biosphärengebiet Schwäbische Alb eine naturverträgliche
Waldbewirtschaftung, die sich an den Walderneuerungsprozessen der Buchen-
Urwälder orientiert. In den letzten zehn Jahren sind in der Pflegezone des
Biosphärengebietes Schwäbische Alb allein durch Stürme 24 Höhlenbäume
vernichtet worden.