Digitalisierung findet jetzt statt!
Landshut Leadership Night beschäftigt sich mit Führung im Zeitalter
digitaler Transformation. Für Jens Monsees (BMW Group) müssen Unternehmen
Geschäftsmodell überdenken.
Die Digitalisierung bedeutet eine Herausforderung sowohl für das
Geschäftsmodell von Unternehmen aber ganz besonders auch für
Führungsstruktur und Führungsstil. In der erstmals an der Hochschule
durchgeführten „Landshut Leadership Night“ hatte Initiator Prof. Dr.
Hubertus Tuczek und das Institut für technologiebasierte Zusammenarbeit
Manager von Unternehmen eingeladen, gemeinsam zu hinterfragen, welche
Auswirkungen die Digitalisierung insbesondere für die Führungsebene mit
sich bringen. Ein besonderes Highlight bot die Keynote von Jens Monsees,
Corporate Vice President Digital Strategy der BMW Group AG, der sich mit
dem Thema Digitalisierung allgemein und im Speziellen mit der Entwicklung
des Automobilkonzerns hin zum globalen Mobility- und Service-Anbieter
befasste.
Die Hochschule Landshut hat das aktuelle Semester unter das Leitthema
Digitalisierung gestellt, wie Hochschulpräsident Prof. Dr. Stoffel in
seiner Begrüßung erklärte. Den wichtigen Aspekt der veränderten
Unternehmensführung greife die Landshut Leadership Night auf. Prof. Dr.
Tuczek hatte sich im Rahmen des Kurses „Entwicklung von
Führungskompetenzen“ des Masterstudienganges Wirtschaftsingenieurwesen der
Hochschule Landshut mit seinen Studierenden intensiv mit den Auswirkungen
der Digitalisierung auf die Führungsebenen von Unternehmen befasst. Die
Teilnehmer der Veranstaltung hatten vorab in Themeninseln und im Gespräch
mit den Studierenden die Gelegenheit, sich über die unterschiedlichen
Aspekte zu informieren.
Nachholbedarf beim Thema Digitalisierung in Deutschland und Europa
In seinem einführenden Vortrag zeigte Prof. Dr. Tuczek, dass gerade jetzt
eine digitale Transformation für Unternehmen von grundlegender Bedeutung
sei. „Starten Sie ihren Aufbruch ins digitale Zeitalter jetzt“, fordert er
die Teilnehmer auf. Bereits vor 25 Jahren sei das Internet eingeführt und
vor 16 Jahren die erste Blase geplatzt. Doch erst jetzt habe man
technologisch den Reifegrad erreicht, mit dem große Datenmengen
verarbeitet werden können, „und das diffundiert in alle
Anwendungsbereiche“, wie er erklärte.
Die digitale Welt sei durch Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und
Ambiguität gekennzeichnet. „Digital Imigrants“, die vor 1970 in der
analogen Welt aufwuchsen, treffen in der Arbeitswelt auf „Digital
Natives“, für die ständige Interaktion mit neuen Medien selbstverständlich
ist, die multitaskingfähig sind und den direkten Informationszugriff ohne
Hierarchien bevorzugen. Unter diesen geänderten Rahmenbedingungen müssten
Unternehmen organisiert und Mitarbeiter geführt werden. Neben
technologischen Entwicklungen und Fragen des Geschäftsmodelles stellen
sich Fragen der Führung im „agilen“ Unternehmen und der digitalen
Kollaboration, dies in den Dimensionen Führung, Kompetenzen,
Zusammenarbeit und Kommunikation. Und gerade Deutschland und auch Europa
habe bei der Digitalisierung klaren Nachholbedarf.
Unternehmen wie Google, Amazon oder auch Uber zeigen, wie die
fortschreitende Digitalisierung neue erfolgreiche Geschäftsmodelle
ermöglicht, während vormals führende Konzerne wie Nokia, oder Kodak durch
disruptive Märkte gänzlich von der Bildfläche verschwunden seien. Dabei
habe Kodak die digitale Herausforderung sehr wohl angenommen und sogar die
erste Digitalkamera entwickelt, aber keinen nachhaltigen Wandel vom
analogen auf das digitale Geschäftsmodell geschafft. Dies verdeutliche das
sog. Innovator´s Dilemma, bei dem die Frage im Mittelpunkt steht, wann auf
ein neues Geschäftsmodell umgeschwenkt werden soll, das das alte
kannibalisiert, zumindest anfangs weniger abwirft und zusätzlich große
Unwägbarkeiten enthält. Gerade hier sei die Unternehmensführung gefordert
und Leadership gefragt.
Enorme Herausforderungen für produzierende Unternehmen
Auch Monsees betont, dass neu gegründete Unternehmen, die digitale
Geschäftsfelder verfolgen - ohne sich um aufwändige Produktion oder
Hardware kümmern zu müssen - wesentlich einfacher zum Erfolg kommen
können. Darüber hinaus sei der Marktwert, die Kapitalisierung von
Unternehmen wie Uber, die kein einziges Fahrzeug selbst besäßen, oder
Tesla, das bei jedem verkauften Fahrzeug draufzahle, enorm hoch. Das
Umsteigen sei für produzierende Unternehmen wie BMW wesentlich
schwieriger. Von Veränderungen in Produktion und Logistik würden viele
Mitarbeiter betroffen. Die unglaubliche Leistungsfähigkeit von humanoiden
Robotern verändere die Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine. Auch
Künstliche Intelligenz, Computer die über die Programmierung hinaus selbst
lernen, Situationen erkennen und Entscheidungen treffen, spielen gerade
für das autonome Fahren eine bedeutende Rolle. Durch die Ausstattung der
Fahrzeuge mit Laserscanner, Ultraschall und Videokamera würde eine enorme
Datenmenge gesammelt, die vernetzt und genutzt werden müsste. Er schätzt,
im BMW-Konzern werde sich das zu verarbeitende Datenvolumen bis 2020/21
mehr als verzehnfachen.
Neue Geschäftsfelder erschließen
Ganzheitlich betrachtet bedeute der Transformationsprozess eine enorme
Herausforderung. Auch BMW müsse im Rahmen der Digitalisierung seine
Strategie ändern. Schon heute habe sich das Kundenverhalten verändert;
diese informieren sich vorab im Internet, hier werde der Verkauf bereits
angebahnt. Dies bedeute eine Veränderung der Händler hin zum Upseller. Das
Auto sei nach dem eigenen Haus das zweitteuerste Gut der Kunden. Gerade
das Car-Sharing in urbanen Zentren biete hier enorme Möglichkeiten für
Zielgruppen, die sich teure Autos nicht leisten können. Hier könne BMW als
Serviceanbieter fungieren, man habe in den USA bereits in entsprechende
digitale Plattformen investiert.
Monsees beleuchtet ein verändertes Geschäftsmodell Modell vom
traditionellen Automobilhersteller, über Mobilitäts- und Serviceanbieter
bis hin zum Connected Life. Hier könne ein enormes Wachstumspotenzial
erwirtschaftet werden. Dies reiche beim geplanten Besuch eines Champions
League-Spiels beispielsweise vom Ticket über den Transport, bei dem Ampeln
auf Grün geschaltet werden könnten und die Fahrzeuge autonom
hintereinander zum Fußballstadion fahren, bis hin zum anschließenden
Essen,.
Jedes Unternehmen muss seinen eigenen Weg finden
Auch für ihn ist die Digitalisierung kein Thema der Zukunft, „sie findet
jetzt statt“, erklärt er. „Ein Geheimrezept, um in der Digitalisierung
erfolgreich zu sein, gibt es nicht, jedes Unternehmen, jedes
Geschäftsmodell ist anders“, wie Monsees erläutert. Trotzdem gibt er den
Teilnehmern einige Handlungsempfehlungen. Eine Verschmelzung von Produkt
und Service sei unerlässlich. Eine Chance sei auch die Convenience-
Personalisierung wie es Amazon mit seinem Dash-Button vormache, in dem
über die direkte Bestellung die Bequemlichkeit des Kunden gesteigert und
die Wertschöpfungskette minimiert werden könne. Robuste und skalierbare
IT- und Softwarearchitektur, Datenschnelligkeit, permanente
Updatefähigkeit und auch maximale Datenerfassung und Nutzung seien weitere
Faktoren. Digitale Technik und IT müssten selbst betrieben werden, Amazon,
Google usw. hätten keine IT-Abteilung, die Firma sei IT: „Unsere Firmen
müssen auch IT werden“ ist Monsees überzeugt.
Die Digitalisierung berge große Unsicherheiten, mit denen vor allem
Deutsche aber auch Europäer enorme Schwierigkeiten hätten. Hierzulande
solle man mutiger sein, Dinge zu probieren, aber auch „den Stecker zu
ziehen, wenn sie nicht funktionieren“. Die Struktur in den Unternehmen
müsse sich ändern: man müsse agiler werden, die Durchlässigkeit zwischen
Abteilungen erhöhen, den Mitarbeitern der nötige Freiraum für Kreativität
gegeben werden. In einer digitalen Zeit, die permanenten Wandel bedeute,
müssten sich auch Mitarbeiter stetig weiterentwickeln. Die Aufgabe für das
Management laute, die Mitarbeiter mitzunehmen, Visionen und Missionen zu
entwickeln, an denen sich jeder orientieren könne.