Social Media: Alle sind sich fremd
Was machen drei Pädagogik-Studentinnen, die einen Videoclip drehen sollen?
Sie besorgen Masken, rekrutieren ihre WG-Mitbewohner und gehen mit einem
befreundeten Rapper ans Werk. Das Ergebnis? Kann sich gut sehen lassen und
ist auf dem Youtube-Kanal der Uni Würzburg zu finden.
Ein Mädchen ist heimlich in einen Typen aus der Nachbarschaft verknallt.
Über soziale Medien und Smartphone stehen die beiden zwar in Kontakt, aber
im echten Leben kennen sie sich nicht: Immer wenn sie ihn zufällig im
Supermarkt trifft, dreht sie sich schnell weg. Trotz vieler gemeinsamer
Chats bleiben die beiden sich fremd.
„Alle sind sich fremd, alle sind sich fremd, trotz Internetverbindung
immer noch getrennt“, so heißt der passende Refrain zu dieser Geschichte.
Musikalisch und visuell umgesetzt ist sie in einem Videoclip, der auf die
Studentinnen Sabine Bauer, Ronja Klein und Larissa Wenderlein von der
Universität Würzburg zurückgeht.
Videoarbeit als Aufgabe im Seminar
Die drei haben den Clip nicht etwa in ihrer Freizeit auf den Weg gebracht,
sondern als Teil ihres Pädagogik-Studiums. Im Seminar
„Bildungswissenschaftliche Projektarbeit“ bei Dozent Dominik Egger sollten
sie ein Video zum Thema „Das Fremde“ realisieren. Dafür haben die
Studentinnen ein gesellschaftliches Phänomen aufgegriffen: die Fremdheit
zwischen Menschen trotz intensiver Vernetzung übers Internet.
Profis und Freunde rekrutiert
Zusammen mit dem befreundeten Rapper Pascal Danquard, ebenfalls Student an
der Uni Würzburg, machten sie sich ans Werk. In Treffen und Gesprächen
diskutierten sie über ihre Idee und entwarfen ein Drehbuch und einen
Liedtext. Danquard nahm den Beat „Slow“ vom australischen DJ und Musiker
Domba und goss den Text in dazu passende Reime. Dabei ist ein Stück
herausgekommen, in dem das Verhalten von Menschen in sozialen Medien
kritisiert wird: „Sie teilen alles, doch sie teilen nichts; sie zeigen
alles, doch sie zeigen nichts.“
Als Kameramann gewannen die Studentinnen Malo Plisson, der ihnen auch beim
Schnitt half. Auf der Suche nach Darstellerinnen und Statisten fanden sie
in ihren WGs bereitwillige Unterstützer. Wenn die im Video Masken tragen,
ist das übrigens keine Hommage an den Rapper Cro, der sich dem Publikum
nur mit einer Pandamaske zeigt: „Die Masken haben wir als Symbole für
Fremdheit eingesetzt“, erklärt Larissa Wenderlein.
Zum Video auf Youtube: <www.youtube.com/watch?v=UrpQaN3pnic>
Dem Video haben die Studentinnen den Titel „A forgotten truth“ gegeben
(„Vergessene Wahrheit“). Ihrer Meinung nach hat die Gesellschaft die
Wahrheit über die Natürlichkeit des Menschen vergessen: „Der Mensch ist
ein soziales Wesen und auf Gemeinschaft, Individualität & Naturerfahrungen
angewiesen. Durch die Flucht in die Welt der digitalen Medien geht sein
ursprüngliches Wesen verloren. Die Folge: Wir werden uns und anderen
zunehmend fremder“, schreiben sie. Um ein glückliches, gesundes und
erfülltes Leben führen zu können, müsse der Mensch wieder stärker zu
seinem natürlichen Wesen zurückfinden.
Was im Seminar vermittelt wurde
Der Clip, weitgehend auf dem Campus der Würzburger Uni gedreht, kann sich
sehen lassen: „Das Video und die Musik erscheinen sehr professionell.
Besonders freut mich, dass der Text in Bezug auf wissenschaftliche Aspekte
sehr gut gelungen ist“, sagt Egger.
In Seminar des Uni-Dozenten ging es nicht nur um die eigenständige
Erarbeitung eines pädagogischen Projekts. Die Studierenden lernten auch
Grundlagen des Projektmanagements, filmästhetische und dramaturgische
Techniken, den Umgang mit Videokamera und Ton sowie den Einsatz einer
Videoschnitt-Software – eine Kooperation mit dem Rechenzentrum der
Universität und dessen Mitarbeiter Winfried Seimert machte es möglich.
Das Seminar wurde auch im Rahmen des Lehrprojekts GSIK (Globale Systeme
und interkulturelle Kompetenz) angeboten. Das Programm GSIK ermöglicht es
Studierenden aller Fachbereiche, sich interkulturelle Kompetenz
anzueignen, und zertifiziert die erfolgreiche Teilnahme.
Fazit der Studentinnen
Was die Studentinnen von dieser Art Lehre halten? Im Vergleich zu der
sonst üblichen „Erhebung von Prüfungsleistungen“ war es für sie eine
willkommene Abwechslung. „Es war sehr interessant, den fachfremden
Themenbereich ‚Videodreh‘ in einem pädagogisch eingebetteten Kontext näher
kennen zu lernen“, sagt Sabine Bauer. „Wir konnten unsere
Medienkompetenzen erweitern und neue Erfahrungen sammeln.“
„Ein besonders positiver Aspekt war, dass wir unserer Kreativität freien
Lauf lassen konnten“, ergänzt Ronja Klein. Durch die offen gehaltene
Themenstellung „Das Fremde“ sei der Freiraum groß und eine vertiefte
Beschäftigung mit dem Thema möglich gewesen: „Das erinnert doch sehr an
den ursprünglichen Charakter eines akademischen Studiums.“
(Larissa Wenderlein kommt aus Polsingen in der Nähe von Treuchtlingen,
Ronja Klein aus Pforzheim, Sabine Bauer aus Rimpar bei Würzburg, Pascal
Danquard aus Eberbach im Rhein-Neckar-Kreis.)