Zum Hauptinhalt springen

Analyse: Europa müsste 300.000 Soldaten mobilisieren, um sich ohne die USA gegen Russland zu verteidigen

Pin It

Eine Analyse des Brüsseler Forschungsinstituts Bruegel und des Kiel
Instituts für Weltwirtschaft schätzt die Kosten und Anforderungen, wenn
sich Europa ohne Unterstützung der USA gegen Russland verteidigen muss.


Demnach wären dafür erhebliche Verteidigungsinvestitionen von rund 250
Milliarden Euro jährlich notwendig, um russischer Militärgewalt wirksam
entgegentreten zu können.

Die Autoren gehen davon aus, dass Europa rund 50 zusätzliche Brigaden mit
insgesamt 300.000 Soldaten aufstellen müsste. Hierfür seien mindestens
1.400 neue Kampfpanzer und 2.000 Schützenpanzer erforderlich, was die
derzeitigen Bestände der gesamten deutschen, französischen, italienischen
und britischen Landstreitkräfte übersteigt. Darüber hinaus müsste Europa
jährlich rund 2.000 Langstreckendrohnen produzieren.

Jetzt Kiel Policy Brief lesen: “Europa ohne die USA verteidigen: eine
erste Analyse, was gebraucht wird” (https://www.ifw-
kiel.de/de/publikationen/europa-muesste-300000-soldaten-mobilisieren-um-
sich-ohne-die-usa-gegen-russland-zu-verteidigen-33811/
)

„Auch wenn die Größenordnungen zunächst erheblich sind: Ökonomisch ist das
relativ zur Wirtschaftskraft der EU überschaubar, die zusätzlichen Kosten
liegen nur bei circa 1,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts der EU. Das ist
weit weniger, als etwa zur Krisenbewältigung während der Covid-Pandemie
mobilisiert werden musste“, sagt Prof. Guntram Wolff, Mitautor der Analyse
und Senior-Fellow am Kiel Institut für Weltwirtschaft.

Herausforderung: militärische Koordination innerhalb der EU

Die Autoren heben hervor, dass Russland trotz hoher Verluste im Ukraine-
Krieg seine militärischen Kapazitäten massiv gesteigert hat. Ende 2024
verzeichnete Russland rund 700.000 Soldaten in der Ukraine – deutlich mehr
als bei der Invasion 2022. Zudem wurden im Jahr 2024 etwa 1.550 neue
Panzer und 5.700 gepanzerte Fahrzeuge produziert, was gegenüber 2022 einer
Steigerung von 220 Prozent bzw. 150 Prozent entspricht. Auch bei Drohnen
und Langstreckenmunition habe Russland erhebliche Fortschritte gemacht.

„Russland könnte in den nächsten drei bis zehn Jahren die militärische
Stärke haben, um die EU-Staaten anzugreifen. Wir müssen dies als reale
Gefahr einstufen. Auch deshalb ist es im größten europäischen Interesse,
einen Sieg Russlands in der Ukraine zu verhindern, der die Aggression
Russlands nochmals beflügeln dürfte“, so Wolff.

Eine der größten Herausforderungen bleibt laut Analyse jedoch die
militärische Koordination innerhalb Europas. Während die US-Streitkräfte
als einheitlich geführte Korps operieren, sind die europäischen Armeen auf
28 nationale Streitkräfte verteilt.

Wolff: „Wenn jedes Land sich alleine verteidigen möchte, dann verursacht
das höhere Kosten. Selbstversicherung ist teurer als kollektive
Sicherheit. Eine engere Koordination und gemeinsame Beschaffung sind daher
essenziell.“

Bis zu 60 Mrd. Euro zusätzliche Militärausgaben für Deutschland

Die Autoren schlagen eine Erhöhung der europäischen Verteidigungsausgaben
von derzeit 2 Prozent auf 3,5 bis 4 Prozent des BIP jährlich vor. Dies
würde bedeuten, dass die EU und ihre Mitgliedstaaten gemeinsam mindestens
250 Milliarden Euro jährlich zusätzlich aufbringen müssten.

Die Hälfte davon könnte durch gemeinsame europäische Schulden finanziert
werden und in eine gemeinsame Beschaffung fließen, die gegenüber der
nationalen Beschaffung Kostenvorteile bietet. Die andere Hälfte könnte
durch die Mitgliedsländer über ihre nationalen Verteidigungsausgaben
finanziert werden. Für Deutschland als größte europäische Volkswirtschaft
würde dies eine Erhöhung der nationalen Verteidigungsausgaben von 80 auf
bis zu 140 Milliarden Euro bedeuten, das entspräche dann 3,5 Prozent des
BIP.

Die Autoren sehen jedoch auch wirtschaftliche Vorteile: „Eine
schuldenfinanzierte Erhöhung der Verteidigungsausgaben könnte aber auch
als Konjunkturimpuls wirken, wenn sie innerhalb der EU ausgegeben werden,
insbesondere in Zeiten rückläufiger externer Nachfrage durch US-Zölle und
Handelskonflikte“, so Wolff.

Jetzt Kiel Policy Brief lesen: “Europa ohne die USA verteidigen: eine
erste Analyse, was gebraucht wird” (https://www.ifw-
kiel.de/de/publikationen/europa-muesste-300000-soldaten-mobilisieren-um-
sich-ohne-die-usa-gegen-russland-zu-verteidigen-33811/
)