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Politik

Ukraine Support Tracker: Neue Hilfszusagen für die Ukraine fallen auf fast null

Die Ukraine erhält aus dem Westen kaum noch neue Hilfszusagen.
Insbesondere die großen europäischen Länder wie Deutschland, Frankreich
oder Italien haben im Juli keine nennenswerten Militär- oder Finanzhilfen
angekündigt. Allerdings verkleinerte sich die Lücke zwischen zugesagter
und tatsächlich geleisteter Unterstützung. Das ergeben die Auswertungen
für das jüngste Update des Ukraine Support Trackers.

Im nun zusätzlich für den Ukraine Support Tracker erfassten Zeitraum (2.
Juli bis 3. August) sind als neue Zusagen lediglich rund 1,5 Mrd. Euro an
Unterstützungszusagen hinzugekommen. Das ist ein Bruchteil dessen, was
etwa im April oder Mai zugesagt wurde. Der größte Teil der neuen Zusagen
kommt zudem aus einem Land, Norwegen, in Form einer Finanzhilfe von 1 Mrd.
Euro. Insgesamt sind jetzt Unterstützungszusagen von 84,2 Mrd. Euro
erfasst.

„Im Juli haben die Geberländer vor allem Zugesagtes geliefert und wenig
Initiativen für neue Hilfen angestoßen“, sagt Christoph Trebesch,
Forschungszentrumsdirektor am IfW Kiel und Leiter des Teams, das den
Ukraine Support Tracker erstellt. So hat Deutschland im Juni und Juli kaum
neue Waffen zugesagt, jedoch einige bereits zugesagte Waffensysteme
geliefert. „Noch immer liegt die finanzielle wie militärische
Unterstützung deutlich unter dem Bedarf der Ukraine. Sie bleibt auch klein
im Verhältnis zu dem, was die Geber zum Teil in ihren eigenen Ländern zur
Krisenabwehr mobilisieren“, sagt Trebesch.

Von Umfang und Konstanz her zeigen sich die USA, die EU-Kommission und
Großbritannien als verlässlichste Unterstützer der Ukraine. Die Amerikaner
haben vor allem im März und Mai große Pakete beschlossen, die seitdem in
Tranchen abgerufen werden. Die Briten sind im Länderranking hinter den USA
auf Platz 2 und haben mittlerweile doppelt so hohe Hilfen zugesagt wie
Deutschland, das mit Kanada und Polen in etwa gleichauf liegt.
Bemerkenswert ist die Konstanz der Hilfen aus angelsächsischen Ländern.
„Die EU-Kommission setzt sich regelmäßig für größere Hilfspakete an die
Ukraine ein. In der Umsetzung kommt es aber auf Ebene der Mitgliedsländer
immer wieder zu Verzögerungen. Für ein Land in einer Kriegssituation sind
jedoch neben dem Umfang vor allem Verlässlichkeit und Vorhersagbarkeit der
Hilfe entscheidend“, sagt Trebesch.  Bedeutende EU-Länder wie Frankreich,
Spanien und Italien leisten bislang wenig Unterstützung oder bleiben
intransparent, was ihre Hilfen angeht.

Über den Ukraine Support Tracker

Der Ukraine Support Tracker erfasst und quantifiziert militärische,
finanzielle und humanitäre Hilfen, die der Ukraine seit dem 24. Januar
2022 (aktuell bis zum 3. August 2022) zugesagt wurden. Berücksichtigt sind
40 Länder, spezifisch die EU-Staaten, die weiteren Mitglieder der G7,
Australien, Südkorea, Türkei, Norwegen, Neuseeland, die Schweiz, die
Türkei, China, Taiwan und Indien. Erfasst sind Zusagen, die Regierungen
dieser Länder der ukrainischen Regierung gemacht haben; Hilfszusagen der
EU-Kommission und der Europäischen Investitionsbank sind separat
aufgeführt; private Spenden oder solche internationaler Organisationen wie
des IWF sind in der Hauptdatenbank nicht enthalten. Ebenso nicht
mitgezählt sind Hilfen an Nachbarländer der Ukraine wie Moldawien oder
andere Länder – etwa für die Aufnahme von Geflüchteten.

Datenquellen sind Bekanntgaben offizieller Regierungsstellen und Berichte
internationaler Medien. In Sachmitteln geleistete Hilfe wie zum Beispiel
Medizingüter, Lebensmittel oder militärisches Gerät werden anhand von
Marktpreisen oder Angaben aus früheren Hilfskampagnen geschätzt. In
Zweifelsfällen werden die höheren verfügbaren Werte angesetzt.

Der Ukraine Support Tracker wird laufend erweitert, korrigiert und
verbessert. Anregungen dazu sind sehr willkommen und können gerne an
Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.  geschickt werden.

Mehr Informationen und die kompletten Daten finden Sie auf der Webseite:
https://www.ifw-kiel.de/de/themendossiers/krieg-gegen-die-ukraine/ukraine-
support-tracker/


Mehr zur Methodik des Ukraine Support Trackers steht in einem vertiefenden
Kiel Working Paper (https://www.ifw-kiel.de/index.php?id=17204).

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Statement - Gasumlage: Senkung der Mehrwertsteuer verwässert gewünschten Effekt

Prof. Dr. Stefan Kooths (https://www.ifw-kiel.de/de/experten/ifw/stefan-
kooths/
), Vizepräsident und Konjunkturchef des Kiel Instituts für
Weltwirtschaft, kommentiert den Beschluss, mit Erhebung einer Gasumlage
die Mehrwertsteuer auf Gas zu senken:

„Dieser Beschluss verwässert einen wesentlichen gewünschten Zweck der
Gasumlage: Gas einzusparen. Dafür ist ein steigender Gaspreis ein
wichtiges Signal. Die Politik bremst den Preisanstieg nun für
Gasverbraucher in der Breite ab, weil sie die sozialpolitischen Folgen
fürchtet. Dafür droht sie aber, die Einsparziele zu verfehlen, die für
eine sichere Gasversorgung in den priorisierten Bereichen notwendig wären.
Ein Instrument für zwei politische Ziele verwenden zu wollen, geht
meistens schief. Das zeigt sich auch hier wieder. Die Steuersenkung ist
kein zielgenaues Instrument, um jenen zu helfen, die durch den
Preisanstieg in Nöte kommen.

Die Mehrwertsteuer auf die Gasumlage ist steuersystematisch richtig. Die
Gasumlage führt für sich genommen nicht zu höheren Gaspreisen, sondern
führt innerhalb der Gasverbraucher zu einer gleichmäßigeren Verteilung des
Preisanstiegs bzw. zieht diesen vor. Gas ist derzeit sehr knapp, deshalb
sind die Gaspreise hoch. Es ist in einer solchen Situation nicht
zweckmäßig, die Preissignale durch staatliche Eingriffe in das Steuerrecht
zu verwässern.

Um soziale Härten abzufedern, wäre es eine bessere Lösung, die
Mehrwertsteuer in voller Höhe zu erheben und die Einnahmen dann zielgenau
jenen zukommen zu lassen, die durch die steigenden Kosten in existenzielle
Nöte geraten.“

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Ukraine: „Die Angst ist der ständige Begleiter aller Menschen geworden“ Humanitäre Hilfe erreicht von Lviv aus 65 Orte im ganzen Land

„Jede Nacht schrecken wir hoch, wenn der Bombenalarm losgeht. Seit sechs Monaten erlebt die gesamte Ukraine die Grausamkeit dieses Krieges. Die Angst ist der ständige Begleiter aller Menschen geworden. Doch solange es uns möglich ist, werden wir unsere humanitäre Arbeit fortsetzen und die Verletzten, Kranken und Geflüchteten, die Hilfe benötigen, versorgen“, sagt Pavlo Titko, Leiter der Malteser Ukraine in Lviv.

Seit Beginn der Angriffe am 24. Februar 2022 versorgen die ukrainischen Malteser Geflüchtete. An Bahnhöfen, Grenzübergängen und in Städten wurden mehr als 365.000 warme Mahlzeiten ausgegeben und zwei Sammelunterkünfte wurden umgehend eingerichtet. Von Lviv aus werden Hilfsgüter in rund 65 Städte und Gemeinden in den Süden und Osten der Ukraine gebracht. Das schon seit 2015 existierende Programm zur psychosozialen Unterstützung wurde ukraineweit ausgebaut und 13.000 Beratungen zur psychosozialen Unterstützung für Binnenvertriebe fanden seit Kriegsbeginn statt. Geflüchtete Kinder konnten ein Sommer-Camp besuchen. Zusammen mit einem Krankenhaus in Lviv und gefördert vom Auswärtigen Amt wird derzeit ein umfangreiches Projekt zur Prothesen-Versorgung für Amputationspatienten aufgebaut.

 

Schon jetzt: Winterhilfe planen

Der Blick der Helfer richtet sich schon jetzt auf den Winter. „Ein Ende des Krieges ist noch immer nicht in Sicht und die Infrastruktur in den Ostgebieten ist schwer beschädigt. Deshalb werden wir in den kommenden Wochen wichtige winterspezifischen Hilfsgüter, wie beispielsweise Decken und Solarbatterien, an besonders bedürftige Menschen verteilen.“ Rund 900.000 Menschen leben derzeit in Notunterkünften und Tausende in kaum noch zugänglichen Ortschaften oder beschädigten Häusern. „Wir gehen davon aus, dass im Winter noch mehr Menschen in die Westukraine kommen werden. Im Osten des Landes kommt es in dieser Jahreszeit schon mal vor, dass die Temperaturen auf minus 20 Grad fallen. Ohne Strom- und Heizungsversorgung würden Menschen dort erfrieren“, warnt Titko. Als Teil der vorbereitenden Winterhilfe wird deshalb auch eine weitere Sammelunterkunft westlich von Lviv winterfest renoviert und für bis zu 120 Menschen Wohnraum geschaffen.

 

Deutschland: Zwischenbilanz der Hilfe

Die deutschen Malteser haben im ersten halben Jahr über 5.500 Tonnen Hilfsgüter in die Ukraine oder deren Nachbarländer geliefert. 183 Transporte brachten die Malteser auf die Straßen Richtung Ukraine. Darunter vor allem medizinische Hilfsgüter, Arzneimittel, massive Zelte, Feldbetten, Decken, Lebensmittel und Feldküchen. Auch Fahrzeuge (11 Rettungs- und Krankentransportwagen, 2 mobile Gesundheitsstationen) wurden in die Zentren der Malteser nach Ivano-Frankivsk und Lviv geschickt. Von dort wurden sie zum Teil ins Landesinnere verlegt.

In Lviv (Ukraine), Kattowitz (Polen) und Fürstenfeldbruck (Deutschland) stehen den Maltesern große Logistik- und Materialzentren zur Verfügung. Dorthin werden auch private oder kommunale Initiativen sowie Unternehmensspenden, die zuvor mit der Hilfsorganisation abgesprochen wurden, geleitet. Darüber hinaus waren in den ersten drei Monaten täglich rund 1.000 ehrenamtliche Malteser Kräfte aus Deutschland im Einsatz. Bis heute richtet die Hilfsorganisation kurzfristig Unterkünfte ein, betreut Geflüchtete in Ankunftszentren und Unterkünften, sorgt für Corona-Tests und medizinische Erstversorgung, kommissioniert Sachspenden und anderes mehr. Insgesamt betreuen haupt- und ehrenamtliche Mitarbeitende Geflüchtete in mehr als 60 Regelunterkünften von Ländern und Kommunen.  Rettungstransporte zu Lande und zu Luft helfen, schwerkranke oder verletzte Menschen über Polen in deutsche Kliniken oder Versorgungseinrichtungen zu bringen.

 

Appell: „Europäer müssen weiterhin helfen, das Leid in der Ukraine zu lindern“

Die humanitäre Hilfe ist ein wichtiges Anliegen für den Präsidenten von Malteser International Europa, Douglas Graf von Saurma-Jeltsch. Er appelliert: „Alle Europäer müssen weiterhin helfen, das Leid in der Ukraine zu lindern.“ Die bisherige große Unterstützung für die ukrainische Bevölkerung drohe angesichts eigener Sorgen um Gas und Strom an Schwung zu verlieren. „Der Krieg nimmt aber an Wucht noch weiter zu, und die Verletzungen an Körper und Seele wachsen. Wer Geld oder Engagement für Frauen, Kinder und Männer geben kann, soll das bitte tun, weil unverändert jeden Tag viele bedürftige Menschen versorgt werden müssen. Selbst wenn der Krieg morgen zu Ende wäre, sind die Menschen noch auf Monate und vielleicht Jahre auf unsere Hilfe angewiesen.“

Saurma-Jeltsch lobt die ehren- und hauptamtlich Aktiven im Hilfseinsatz: „Das große und einzigartige weltweite Netzwerk, der Zusammenhalt und unermüdliche Einsatz für Menschen in Not ist die Basis, auf der die Malteser ihre Hilfen aufbauen konnten und weiter können. Die Zusammenarbeit mit dem Malteserorden, seinen nationalen Verbänden und alle Aktivitäten zur Unterstützung in der Krise wurden umgehend aktiviert. Wir werden weiter an der Seite der hilfsbedürftigen Menschen in der Ukraine stehen.“

 

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Kosovo und Serbien – Die westliche Naivität muss enden: Kommentar von Südosteuropahistoriker Dr. Konrad Clewing

Die politischen Spannungen zwischen Serbien und Kosovo haben weiter
zugenommen. Am Sonntag, 31. Juli, kam es im Norden Kosovos zu Blockaden
von Grenzübergängen, auch Schüsse wurden abgegeben. Auslöser war ein
Streit um eine Verschärfung von Einreiseregeln. Dr. Konrad Clewing,
Südosteuropahistoriker am Leibniz-Instituts für Ost- und
Südosteuropaforschung, kommentiert:

Ein Genozid drohe auf dem Balkan – verübt von der kosovarischen Regierung
an der serbischen Bevölkerungsgruppe im Kosovo. Das jedenfalls vermelden
seit Wochen die öffentlichen Medien Serbiens, die fast alle direkt oder
indirekt unter Kontrolle der Regierung stehen. Solche Meldungen sind
natürlich Unsinn – aber ein gefährlicher. Denn so kamen die jüngsten
Aktionen „serbischer Bürger des Nordkosovo“ zur Blockade der nahegelegenen
Grenzübergänge zwischen beiden Ländern, begleitet von serbischen
Kampfflugzeugen auf der Nordseite der Grenze, keineswegs aus dem Nichts.

In diesem – glücklicherweise noch nicht allzu dramatischen – Geschehen
zeigt sich allerdings ein viel größeres Problem: Die westliche
Sicherheitsarchitektur für Kosovo und damit für den Frieden auf dem Balkan
ist brüchig. Allzu lange hat sich der Westen darauf verlassen, dass
Serbien seine Ansprüche auf das Gebiet des Kosovo schon irgendwie nicht
ganz so ernst meinen würde. Über serbische Regierungsorgane für Kosovo,
die dessen staatliche Existenz bestreiten und unterminieren, wurde in
aller Regel milde hinweggesehen – so schlimm sei das alles schon nicht
gemeint, allenfalls der kleine vorwiegend serbisch besiedelte Nordkosovo
befinde sich wirklich im Visier der Belgrader Territorialansprüche.

Die russische Rhetorik gegen die Ukraine vor dem Kriegsausbruch sollte
allerdings Menetekel genug sein, nicht weiterhin so naiv zwischen
„verbalem Radikalismus“ und „realpolitischer Bescheidenheit“
revisionistischer Ziele zu unterscheiden. Kosovos Sicherheit, und damit
der Frieden in jenem Teil Europas, wird effektiv vor allem durch die 1999
installierte Nato-Mission der KFOR gesichert, die aber als Erbe ihrer
Entstehungszeit die äußere Sicherheit Kosovos gar nicht explizit in ihrem
Mandat verankert hat. Das wird auch so bleiben, da dieses Mandat an eine
Sicherheitsratsresolution der Vereinten Nationen geknüpft ist – wo
Russland als informelle Schutzmacht Serbiens, und auch aus eigenen
Machtinteressen, einer Änderung niemals zustimmen würde. Der Westen sollte
deshalb dringend über eine stabilere Sicherheitskonstruktion nachdenken.
Realistisch betrachtet kann sie nur in der Nato-Mitgliedschaft für Kosovo
liegen, und als erster Schritt dazu in der Vergabe eines entsprechenden
Kandidatenstatus.

Der gesamte Kommentar unter: https://ostblog.hypotheses.org/3527

Originalpublikation:
https://ostblog.hypotheses.org/3527

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